TE Vwgh Erkenntnis 1997/11/19 96/12/0066

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Veröffentlicht am 19.11.1997
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Index

L24009 Gemeindebedienstete Wien;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §26;
BO Wr 1994 §20 Abs1;
BO Wr 1994 §20 Abs8;
BO Wr 1994 §20;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde der M in W, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner, Rechtsanwalt in Wien I, Stubenring 20, gegen den Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom 16. Jänner 1996, Zl. MA 2/28/94, betreffend Karenzurlaubsgeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin steht als Fachbeamtin des gehobenen medizinisch-technischen Dienstes in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Stadt Wien.

Mit Bescheid vom 17. November 1992 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführerin vom 14. März 1993 bis 9. Oktober 1994 ein Elternkarenzurlaub gebührt. Während dreier Monate im Rahmen dieser Zeit beabsichtigte die Beschwerdeführerin - wie schon jahrelang während ihres Dienstes - als Assistentin an einem facheinschlägigen Fortbildungskurs (pro Woche maximal sechs Stunden) teilzunehmen. Da die Beschwerdeführerin von der Dienstbehörde die Auskunft erhielt, daß ihr bei Teilnahme an diesem Kurs das Karenzurlaubsgeld eingestellt werde, weil bei einer "Nebenbeschäftigung" im Ausmaß von sechs Wochenstunden die gebotene regelmäßige Pflege ihres Kindes nicht gegeben sei, beantragte sie mit Eingabe vom 23. November 1993 den bescheidmäßigen Abspruch. Nach Mitteilung der genauen Termine ihrer tatsächlichen Inanspruchnahme für diesen Kurs ersuchte sie neuerlich von einer Kürzung ihres Karenzurlaubsgeldes abzusehen.

Mit Bescheid der Dienstbehörde erster Instanz vom 2. Februar 1994 wurde ausgesprochen, daß der Beschwerdeführerin für bestimmte Tage kein Karenzurlaubsgeld gebühre. Zur Begründung wurde nach Wiedergabe der Rechtslage im wesentlichen ausgeführt, eine regelmäßige Pflege des Kindes liege nur dann vor, wenn sich diese in gleichbleibenden Abständen wiederhole. Die Pflege, die für ein Kind bis zum 2. Lebensjahr notwendig sei, sei die Pflege des Körpers und der Gesundheit. Hiezu zählten unter anderem die Zubereitung und Verabreichung der Nahrung, das Wickeln, das Baden, die Reinigung der Wäsche, insbesondere aber auch die unmittelbare Beaufsichtigung des Kindes. Neben der körperlichen Betätigung sei weiters die geistige Zuwendung zum Kind, wie z.B. Ansprechen und Ansichnehmen des Kindes und das Spielen mit ihm der Pflegetätigkeit zuzuordnen. Die Abstände zwischen den Pflegeleistungen hingen vom Alter und der körperlichen und geistigen Entwicklung ab, wobei selbst während der Schlafphase eines bereits zweijährigen Kindes eine Beaufsichtigung geboten sei. Die Pflegenotwendigkeiten würden somit bei einem Kind, welches wie im Beschwerdefall noch keine zwei Jahre alt sei, nur kurzfristige Unterbrechungen zulassen, sodaß die gleichbleibenden Abstände einen sich ständig und kurzfristig wiederholenden Ablauf darstellten. Eine Erwerbstätigkeit unterbreche diesen Ablauf, soferne diese Tätigkeit nicht völlig den Pflegebedürfnissen des Kindes untergeordnet werden könne. Die Ausübung der von der Beschwerdeführerin bekanntgegebenen Nebentätigkeit als Assistentin bei einem Fortbildungskurs für Hämatologie sei mit einem Zeitaufwand von drei Stunden an den im Spruch genannten Tagen verbunden, wobei diese drei Stunden nur die tatsächliche Kursdauer, nicht jedoch die Hin- und Rückfahrt zum bzw. vom Kurs im Ort enthielten. Der dafür notwendige Zeitaufwand könne demnach nicht mit einem gelegentlichen Kinobesuch, einer Einladung zu Freunden oder der Ausübung von Freizeitaktivitäten verglichen werden, wobei sich letztere in der Regel nach den Bedürfnissen des Kindes richteten bzw. im Beisein des Kindes ausgeübt würden. Die Ausübung der von der Beschwerdeführerin angezeigten Nebentätigkeit außerhalb des Haushaltes, in dem ihr Kind betreut werde, könne den Pflegenotwendigkeiten des Kindes nicht untergeordnet werden, sodaß die Beschwerdeführerin an der gebotenen regelmäßigen Pflege verhindert sei.

Über die von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung entschied die belangte Behörde wie folgt:

"Gemäß § 66 Abs. 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG, BGBl. Nr. 51/91) wird die Berufung als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, daß der Spruch wie folgt zu lauten hat: "Der Magistrat der Stadt Wien stellt fest, daß Ihnen ein Karenzurlaubsgeld gemäß § 20 Abs. 1 der Besoldungsordnung 1994 (BO 1994) für die nachstehend angeführten Zeiten nicht gebührt: 11., 12., 18., 19., 25., 26. Jänner 1994, 2., 16., 22., 23. Februar 1994, 1., 2. März 1994."

Zur Begründung wird nach Wiedergabe des Verfahrensablaufes und der Berufung weiter ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe bekanntgegeben, daß sie am 8. und 9. März 1994 am Fortbildungskurs nicht teilgenommen habe und hiefür eine Bestätigung vorgelegt. Zunächst sei klarzustellen, daß die Beschwerdeführerin am Fortbildungskurs als Assistentin mit Honorarbezug "teilgenommen" habe und somit an den im Spruch genannten Tagen einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sei. Den erläuternden Bemerkungen zur 7. Novelle zur BO 1967, mit welcher der Begriff "überwiegende Pflege" durch "regelmäßige Pflege" ersetzt worden sei, sei zu entnehmen, daß durch die Voraussetzung der regelmäßigen Pflege des Kindes vor allem die Mutter, die während des Karenzurlaubes eine Erwerbstätigkeit aufnehme und dadurch an der regelmäßigen Pflege ihres Kindes gehindert sei, vom Anspruch auf die Ersatzleistung (nunmehr Karenzurlaubsgeld) ausgeschlossen werden solle. Nach dem Wortsinn liege eine regelmäßige Pflege vor, wenn sich diese in gleichbleibenden Abständen wiederhole. Die Pflege, die für ein Kind bis zum zweiten Lebensjahr notwendig sei, wird - im wesentlichen gleichlautend mit den diesbezüglichen Ausführungen im erstinstanzlichen Bescheid - näher dargestellt. Diese Pflegenotwendigkeiten würden somit nur kurzfristige Unterbrechungen zulassen, sodaß die gleichbleibenden Abstände einen sich ständig und kurzfristig wiederholenden Ablauf darstellten. Eine Erwerbstätigkeit unterbreche diesen Ablauf, sofern diese Tätigkeit nicht völlig den Pflegebedürfnissen des Kindes untergeordnet werden könne. Eine Nebentätigkeit im Ausmaß von mehreren Stunden - wobei auch Wegzeiten zu berücksichtigen seien - außerhalb des Haushaltes, in dem das Kind betreut werde, könne den Pflegenotwendigkeiten des Kindes nicht untergeordnet werden, was von der Beschwerdeführerin auch nicht behauptet worden sei. Zweck des Karenzurlaubsgeldes sei es überdies, berufstätigen Vätern und Müttern durch eine finanzielle Absicherung die Möglichkeit zu geben, beim Kind zu bleiben. Die Ausübung einer Tätigkeit gegen Bezahlung widerstreite diesem Zweck. Den Ausführungen der Beschwerdeführerin, sie wäre an den genannten Tagen an der regelmäßigen Pflege ihres Kindes trotz "Teilnahme" am Fortbildungskurs nicht gehindert gewesen, sei zu erwidern, daß bei einem etwas mehr als einjährigen Kind von einer regelmäßigen Pflege dann nicht mehr die Rede sein könne, wenn die Pflegeperson den ganzen Nachmittag nicht zur Verfügung stehe, weil sie einem Erwerb nachgehe. Die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Aktivitäten wie Kino-, Theater- oder Ballbesuche, sportliche Betätigungen oder eine Verabredung mit Freunden würden den Anspruch auf Karenzurlaubsgeld nicht beseitigen, da diese mangels einer vertraglichen Verpflichtung den Pflegenotwendigkeiten des Kindes angepaßt werden könnten und somit nicht mit einer Tätigkeit gegen Entgelt vergleichbar seien.

Die Abänderung des Spruches sei erforderlich gewesen, weil bei Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides noch nicht bekannt gewesen sei, daß die Beschwerdeführerin am 8. und 9. März 1994 an dem Kurs nicht teilgenommen habe. Weiters sei der durch die Wiederverlautbarung des Gesetzes über das Besoldungsrecht der Beamten der Bundeshauptstadt Wien, LGBl. für Wien Nr. 55/1994, geänderten Bezeichnung der anzuwendenden gesetzlichen Bestimmung Rechnung zu tragen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin sieht sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Karenzurlaubsgeld gemäß § 20 Abs. 1 der Besoldungsordnung 1994 (früher § 21 Abs. 1 BO 1967) an den im Spruch genannten Tagen verletzt.

Sie wendet sich gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Interpretation der Worte "regelmäßig selbst pflegt". Es könne aus der zu beurteilenden Gesetzesstelle keinesfalls abgeleitet werden, daß damit die regelmäßige Pflege durch eine bestimmte Person gemeint sei, die diese Pflege ständig, andauernd und ausnahmslos durchzuführen habe. Wenn der Gesetzgeber von einer solchen ausnahmslosen Pflege ausgegangen wäre, hätte er nicht das Wort "regelmäßig" verwendet. Auch aus dem Sinn des Gesetzes folge, daß damit nicht eine ausnahmslose und andauernde Pflege des Kindes gemeint sein könne. Dies würde nämlich bedeuten, daß der Bezieher eines Karenzurlaubsgeldes seine Zeit ausschließlich der Pflege seines Kindes zu widmen habe. Die Beschwerdeführerin dürfte daher ihr Kind auch nur wenige Stunden während der Woche nicht alleine lassen. Dies würde bedeuten, daß sie keinen Sport mehr ausüben dürfe, kein Kino besuchen, keine Einladungen durch Verwandte oder Freunde annehmen könne. Sie dürfte also ihr Kind nicht einmal für wenige Stunden am Tag einem Babysitter oder den Eltern, ja nicht einmal dem Ehegatten alleine zur Betreuung überlassen. Eine solche alleinige Betreuung durch den Ehegatten, Eltern, Geschwister oder andere verläßliche Personen sei aber in unserer Gesellschaft völlig normal. Es könne daher nicht angenommen werden, daß die Besoldungsordnung tatsächlich einem Karenzurlaubsgeldbezieher ein dahingehendes Verbot auferlege. Ein derartiges Verbot würde über Sinn und Zweck der Gewährung von Karenzurlaubsgeld weit hinausgehen und in einer die gesellschaftliche Realität leugnenden Form sinnlos in die Privatsphäre und persönliche Freiheit eingreifen. Die belangte Behörde widerspreche sich in ihrer Argumentation auch selbst, wenn sie meine, die Teilnahme am Fortbildungskurs - für einige Stunden täglich - könne den Pflegebedürfnissen des Kindes nicht untergeordnet werden, sehr wohl aber Kino-, Theater- oder Ballbesuche, sportliche Betätigungen oder eine Verabredung mit Freunden. Diese Tätigkeiten könnten den Pflegenotwendigkeiten des Kindes angepaßt werden. Unverständlich sei, worin hier der Unterschied bestehen solle. In allen Fällen sei man einige Stunden vom Kind getrennt. Daß während eines Ballbesuches - dieser werde in der Regel wesentlich länger dauern als die vorliegende Teilnahme am Fortbildungskurs - ein Kleinkind gepflegt werden könne, worunter die belangte Behörde auch die unmittelbare Beaufsichtigung verstehe, sei unlogisch und nicht nachvollziehbar. Auch das Argument dahingehend, daß eine entgeltliche Tätigkeit eine Anpassung der Pflegenotwendigkeit des Kindes nicht ermögliche, sehr wohl aber eine Abwesenheit durch sportliche Aktivitäten oder Ballbesuche, sei völlig unlogisch. Es könne in allen Fällen nur darauf ankommen, wie oft in einem bestimmten Zeitraum und über welche Stundenanzahl die Bezieherin von Karenzurlaubsgeld die Pflege und Betreuung des Kindes - aus welchen Gründen auch immer - nicht durchführe. Im Beschwerdefall sei diese Abwesenheit vom Kind aber minimal gewesen. Es liege daher auch an jenen wenigen Tagen, an denen die Beschwerdeführerin am Nachmittag drei Stunden an einem Fortbildungskurs teilgenommen habe, keine Unterbrechung der regelmäßigen Pflege des Kindes durch die Beschwerdeführerin vor.

Das zweite Argument, welches die belangte Behörde ins Treffen führe, laute, daß die Ausübung einer Tätigkeit gegen Bezahlung dem Zweck des Karenzurslaubsgeldes widerstreite. Die Gewährung von Karenzurlaubsgeld solle berufstätigen Müttern und Vätern durch eine finanzielle Absicherung die Möglichkeit geben, beim Kind zu bleiben. Auch dieses Argument sei verfehlt. Richtig sei, daß die Gewährung von Karenzurlaubsgeld berufstätigen Personen die Möglichkeit geben solle, über einen bestimmten Zeitraum nach der Geburt das Kind zu betreuen, ohne einer entgeltlichen Tätigkeit nachgehen zu müssen. Damit könne aber nicht gemeint sein, daß jedes erzielte Entgelt während des Karenzurlaubes zum Entfall des Karenzurlaubsgeldes führe. § 26 Abs. 4 Arbeitslosenversicherungsgesetz normiere, daß ein Entgelt aus einer Beschäftigung, soweit es die im § 5 Abs. 2 lit. a bis c des ASVG angeführten Beträge nicht übersteige, den Karenzurlaubsgeldbezug nicht mindere. Dies zeige, daß ein bestimmtes Einkommen neben dem Karenzurlaubsgeldbezug für jene Dienstverhältnisse, auf die die Bestimmungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes zur Anwendung kämen, durchaus bestehen könne. Die Besoldungsordnung kenne hinsichtlich der Höhe des erzielten Entgelts während des Karenzurlaubes keine Höchstgrenzen. Sie stelle vielmehr auf die regelmäßig Pflege durch die Karenzurlaubsgeldbezieherin ab. Es könne daher daraus nicht abgeleitet werden, daß jede entgeltliche Tätigkeit sofort zum Entfall des Karenzurlaubsgeldbezuges während der Dauer der Ausübung dieser Tätigkeit führe.

Diesem Vorbringen kommt aus folgenden Überlegungen Berechtigung zu:

Nach § 20 Abs. 1 Z. 1 der Besoldungsordnung 1994, LGBl. für Wien Nr. 55 (Wiederverlautbarung), gebührt dem Beamten, der sich wegen eines eigenen Kindes in einem Karenzurlaub befindet, während dieses Urlaubes ein Karenzurlaubsgeld, wenn er mit dem Kind im gemeinsamen Haushalt lebt und das Kind regelmäßig selbst pflegt. Der Aufenthalt des Beamten oder des Kindes in einer Kranken- oder Kuranstalt schließt den Anspruch auf Karenzurlaubsgeld nicht aus. Das Karenzurlaubsgeld gebührt nach Abs. 2 Z. 1 der genannten Bestimmung in der Höhe von 25 % des Gehaltes der Dienstklasse V, Gehaltsstufe 2. Gebührt das Karenzurlaubsgeld nur für einen Teil eines Kalendermonates oder ändert sich während eines Kalendermonats die Höhe des Karenzurlaubsgeldes, so entfällt nach Abs. 8 der genannten Bestimmung auf jeden Tag ein Dreißigstel des entsprechenden Karenzurlaubsgeldes. Für die außerhalb des Karenzurlaubes liegenden Tage des Kalendermonats, in dem der Karenzurlaub beginnt oder endet, gebührt dem Beamten je ein Dreißigstel des Monatsbezuges.

Zu § 26 Abs. 1 Z. 1 AlVG, nach dem der Anspruch auf Karenzurlaubsgeld davon abhängig ist, ob die Mutter das Kind überwiegend selbst pflegt, hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 22. Mai 1980, Slg. 10144/A, ausgesprochen:

Ob eine Mutter, die mit ihrem Kind im gemeinsamen Haushalt lebt, es auch überwiegend selbst pflegt, obwohl sie regelmäßig an Werktagen fünf Vormittagsstunden außer Haus (in der Schule) ist, hängt davon ab, ob sie einerseits in der Lage ist, die meisten der zur Pflege rechnenden Verrichtungen körperlicher Art (wie Stillen, Zubereitung und Verabreichung sonstiger Nahrung, Wickeln, Baden, Reinigung der Wäsche, Besuchen des Arztes, der Impfstellen und der Mutterberatungsstellen, Spaziergänge mit dem Kind) selbst vorzunehmen und sich während der Wachstunden des Kindes mit ihm intensiv zu beschäftigen und dies auch tatsächlich tut.

Im Beschwerdefall ist primär strittig, ob die Beschwerdeführerin dadurch, daß sie an den im angefochtenen Bescheid genannten Tagen jeweils drei Stunden als Assistentin an einem Fortbildungskurs teilgenommen hat, ihr Kind nicht regelmäßig gepflegt und damit für die genannten Tage den Anspruch auf Karenzurlaubsgeld verloren hat.

Ausgehend vom Wort "regelmäßig" ist festzuhalten, daß dieser Begriff in zwei verschiedenen Bedeutungen verwendet wird; nämlich:

1.

in gleichen Abständen wiederkehrend, wiederholend (z.B. ich besuche meine Mutter regelmäßig einmal in der Woche im Altersheim),

2.

einer Regel, der guten Ordnung entsprechend (z.B. die Kinder bekommen ihr regelmäßiges Essen) (vgl. Duden, Das Bedeutungswörterbuch).

Ausgehend vom Sinn des Karenzurlaubsgeldes und bezogen auf die Formulierung im § 20 Abs. 1 BO 1994 "regelmäßig selbst pflegt" kann es keinem Zweifel unterliegen, daß "regelmäßig" im Sinne der zweiten Bedeutung, nämlich, daß die Pflege des Kleinkindes entsprechend der guten Ordnung nach den üblichen Lebensumständen erfolgt, zu verstehen ist. Diese ordentliche Pflege hat die Beamtin selbst zu erbringen, wobei dem Pronomen "selbst" aber nicht die Bedeutung "ausschließlich" beizumessen ist. Das heißt, daß es der Mutter nicht verwehrt ist, solange es noch der üblichen Ordnung entspricht, ihr Kind gelegentlich auf mehrere Stunden nicht selbst zu betreuen.

Diese Interpretation steht auch nicht im Gegensatz zu den in Verbindung mit den Erläuterungen zur 7. Novelle zur BO 1967, mit der die Formulierung "regelmäßige Pflege" als Anspruchsvoraussetzung eingeführt wurde, angestellten Überlegungen der belangten Behörde. Diese gelangte nämlich ebenfalls zur Auffassung, daß eine regelmäßige Pflege dann vorliegt, wenn "die Pflege des Kindes nach einer bestimmten Regel" (- i.S. der Erfordernisse, also der guten Ordnung -) verlaufend besorgt wird.

Vor dem Hintergrund der gesetzlichen Regelung im § 20 BO ist im Gegensatz zu § 26 AlVG 1977 kein Ansatz dafür erkennbar, daß wegen der finanziellen Entschädigung für die Nebentätigkeit der Beschwerdeführerin eine Verkürzung oder der Entfall des Anspruches auf Karenzurlaubsgeld eintreten sollte. Maßgeblich für den Anspruch auf Karenzurlaubsgeld ist im gegebenen Zusammenhang nach § 20 BO vielmehr ausdrücklich und ausschließlich der Umstand der regelmäßigen Pflege.

Im übrigen ist zu bedenken, daß das Karenzurlaubsgeld grundsätzlich monatlich gebührt. Auch wenn die Regelung des § 20 Abs. 8 BO 1994 eine Aliquotierung für bestimmte Fälle vorsieht, ist daraus nicht der Schluß zu ziehen, daß die Beamtin auch dann, wenn sie an einigen Tagen ihr Kind nicht selbst pflegt, sie bereits für diese Tage des Anspruches auf Karenzurlaubsgeld verlustig geht. Aus dem systematischen Zusammenhang folgt vielmehr, daß die Tatbestandsvoraussetzung "das Kind regelmäßig selbst pflegt" in einem größeren zeitlichen Rahmen als einzelne Tage zu sehen ist. Auch wenn der belangten Behörde beizupflichten ist, daß die Tatbestandsvoraussetzung "regelmäßig selbst pflegt" einen höheren persönlichen Pflegeaufwand indiziert als die früher verwendete Formulierung "überwiegend selbst pflegt", so kann dem Wort "regelmäßig" weder die Bedeutung "in gewissen Zeitabständen", noch die Bedeutung "ausschließlich" beigemessen werden. Der Verwaltungsgerichtshof vertritt vielmehr die Auffassung, daß die gelegentliche Abwesenheit der Mutter für einige Stunden an wenigen Tagen noch nicht außerhalb der guten Ordnung liegt und daher nicht gesagt werden kann, daß die Beschwerdeführerin dadurch, daß sie an den bestimmten Tagen, an denen sie ihrem Kind jeweils etwa drei bis vier Stunden nicht zur Verfügung gestanden ist, deshalb dieses nicht regelmäßig selbst gepflegt hat.

Der angefochtene Bescheid erweist sich damit als inhaltlich rechtswidrig und mußte daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufgehoben werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft Stempelgebühren für nicht erforderliche Schriftsätze.

Schlagworte

Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996120066.X00

Im RIS seit

18.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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