Entscheidungsdatum
15.11.2019Norm
AsylG 2005 §10Spruch
L529 2223220-1/6E
L529 2223224-1/6E
L529 2223222-1/6E
L529 2223227-1/6E
BESCHLUSS
I. Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. M. EGGINGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Georgien, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung Diakonie-Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.08.2019, Zl. XXXX
A) In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid im Umfang der Spruchpunkte II. bis VI. behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
II. Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. M. EGGINGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Georgien, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung Diakonie-Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.08.2019, Zl. XXXX
A) In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid im Umfang der Spruchpunkte II. bis VI. behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
III. Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. M. EGGINGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Georgien, vertreten durch die Mutter und gesetzliche Vertreterin XXXX , diese vertreten durch die ARGE Rechtsberatung Diakonie-Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.08.2019, Zl. XXXX
A) In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid im Umfang der Spruchpunkte II. bis VI. behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
IV. Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. M. EGGINGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Georgien, vertreten durch die Mutter und gesetzliche Vertreterin XXXX , diese vertreten durch die ARGE Rechtsberatung Diakonie-Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.08.2019, Zl. XXXX
A) In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid im Umfang der Spruchpunkte II. bis VI. behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrenshergang
I.1. Die Beschwerdeführer (nachfolgend auch "BF") sind georgische Staatsangehörige. Die erstgenannte Beschwerdeführerin (in weiterer Folge auch "BF1") und der zweitgenannte Beschwerdeführer (nachfolgend auch "BF2") reisten am 18.06.2019 gemeinsam mit ihren minderjährigen Kindern, den Beschwerdeführerinnen "BF3" und "BF4", legal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten am gleichen Tag für sich und ihre Kinder Anträge auf internationalen Schutz. Die BF1-BF4 begründeten ihre Anträge übereinstimmend damit, dass die BF1 seit drei Jahren an Knochenkrebs erkrankt und bereits in Georgien, der Türkei und Russland behandelt und auch mehrfach operiert worden sei. Sie habe Metastasen im ganzen Körper und ihr sei Wien zur Behandlung ihrer Krankheit empfohlen worden; in Georgien habe sie keine Aussicht auf Besserung. Bei Rückkehr in ihr Heimatland müsse die BF1 vorzeitig sterben. Eigene Fluchtgründe hätten die BF2-BF4 nicht.
I.2. Die BF1 brachte eine Bescheinigung vom 10.06.2019 über ihren Gesundheitszustand des XXXX aus XXXX in Vorlage. Der Bescheinigung zufolge wurde bei der BF1 ein Osteosarkom des linken Obereschenkelknochens, ein bösartiger Knochen- und Gelenkknorpeltumor sowie mehrere metastasierte Verletzungen der Lunge und in der Leistenregion diagnostiziert, sei trotz durchgeführter Systemtherapien und OP-Eingriffs bei der BF1 ein Progress der Krankheit bemerkbar und sie benötige eine Behandlung mit hochdosierter Chemotherapie, wofür es in Georgien keine Möglichkeit gäbe.
I.3. Nach Einvernahmen der BF1 und BF2 am 08.07.2019 und 07.08.2019 beim Bundesamt für Frendenwesen und Asyl (im Folgenden: "BFA") und einem Verbesserungsauftrag gemäß § 13 Abs. 3 AVG, wonach die BF1 die Bescheinigung des georgischen Krankenhauses über ihren Gesundheitszustand von einem gerichtlich beeideten Dolmetscher übersetzen zu lassen habe, wurden mit im Spruch genannten Bescheiden des BFA vom 23.08.2019 die Anträge der BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status von Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Georgien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde bestimmt, dass gemäß § 55 Abs. 1 - 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).
I.3.1. Das BFA stellte darin fest, dass die BF1 angegeben habe, an Knochenkrebs zu leiden. Eine Chemotherapie sei in Österreich bis dato nicht durchgeführt worden und die BF1 hätte keine Befunde bezüglich des Tumors vorgelegt. Das BFA habe daher nicht feststellen können, dass sich die BF1 in einem lebensbedrohlichen Zustand befinde und der Erhalt von Chemotherapien sei in Georgien möglich. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete das BFA als nicht nachvollziehbar, dass die BF1 trotz behaupteter Ausbreitung der Metastasen bis dato keine Chemotherapie in Österreich erhalten habe, und die vorgelegte Übersetzung der georgischen Bescheinigung über den Gesundheitszustand der BF1 sei mangels fehlerfreiem Deutsch nicht für hinreichend glaubwürdig.
I.4. Mit Schriftsatz vom 05.09.2018 erhoben die BF fristgerecht Beschwerde gegen die Spruchpunkte II. bis VI. der angefochtenen Bescheide.
Hinsichtlich Spruchpunkt I. trat daher jeweils Rechtskraft ein.
I.4.1. Darin führten die BF zusammengefasst im Wesentlichen aus, dass Krebsbehandlungen in Georgien allgemein von geringerer Qualität sei und die für die BF1 benötigte hochdosierte Chemotherapie dort nicht verfügbar sei. In Österreich hätten die Ärzte der BF1 zu einer Immuntherapie geraten und erhalte sie nun täglich eine Dosis von 400 mg Votrient. In Georgien hätte die BF1 keine ausreichenden Behandlungsmöglichkeiten und würde im Fall der Rückkehr sich ihr Zustand daher weiter verschlechtern.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Feststellungen:
II.1.1. Die erstangeführte Beschwerdeführerin ("BF1") ist die Ehefrau des zweitangeführten Beschwerdeführers ("BF2") und die Mutter der dritt- und viertangeführten Beschwerdeführerinnen ("BF3" und "BF4"). Das Verfahren der BF wurde vom BFA als Familienverfahren geführt. Die Identitäten der BF1-BF4 stehen fest.
Die BF stellten am 18.06.2019 gegenständliche Anträge auf internationalen Schutz. Die BF1 machte als Fluchtgrund gesundheitliche Gründe und die gewünschte medizinische Behandlung in Österreich geltend, die BF2-BF4 brachten keine eigenen Fluchtgründe vor.
II.1.2. Bei der Bescheiderstellung waren dem BFA die georgische Bescheinigung über den Gesundheitszustand der BF1 vom 10.06.2019 mit - in Georgien durchgeführter - deutscher Übersetzung (AS 91ff), der stationäre Patientenbrief des AKH der Stadt Wien vom 05.08.2019 (AS 175ff), der Computertomographiebefund vom 03.07.2019 (AS 191), der Blutbefund vom 03.08.2019 (AS 193f), die Aufenthaltsbestätigung für die BF1 vom 28.07.2019 - 05.08.2019 des AKH der Stadt Wien (AS 197f) und der Auszug aus dem eJournal vom 01.08.2019 des AKH der Stadt Wien (AS 201) bekannt.
II.1.3. Bei der letzten Einvernahme am 07.08.2019 teilte die BF1 mit, dass sie am 14.08.2019 einen Termin zur Abklärung einer Tumordiagnose habe (AS 166). Der angefochtene Bescheid ist datiert mit 23.08.2019. Zwischenzeitliche relevante Ermittlungsschritte oder das Einlangen des Befundes/Arztberichtes vom 14.08.2019 sind den Verwaltungsakten nicht zu entnehmen.
II.1.4. Mit der Beschwerde vom 05.09.2019 wurde ein weiterer Auszug aus dem eJournal vom 28.08.2019 sowie die gerichtlich beeidete Übersetzung der georgischen Bescheinigung des Gesundheitszustandes der BF1 übermittelt.
II.1.5. Ob es sich bei der Erkrankung der BF1 um eine (akut) lebensbedrohliche Erkrankung handelt, wurde nicht festgestellt, ebensowenig, welche Behandlung die BF1 überhaupt benötigt und ob eine solche für die BF1 geeignete Behandlung (hochdosierte Chemotherapie bzw. Immuntherapie) in Georgien möglich ist, welche Auswirkungen eine Überstellung nach Georgien aktuell für sie hätte und insbesondere auch, ob zu erwarten wäre, dass es bei einer Überstellung zu einer unzumutbaren Verschlechterung des Gesundheitszustandes der BF1 kommen würde.
II.1.6. Fazit: Der entscheidungserhebliche Sachverhalt steht nicht fest; das Ermittlungsverfahren ist grob mangelhaft.
II.2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt ergeben sich unbestritten aus dem Verwaltungsakt, dem Verfahren vor der belangten Behörde und der Beschwerde.
II.3. Rechtliche Beurteilung
Zu A)
II.3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht
II.3.1.1. Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat; [...]
Gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. [...]
Die Beschwerdeführer sind Familienangehörige im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005; es liegt unbestritten ein Familienverfahren im Sinne des § 34 AsylG 2005 vor.
II.3.1.2. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
II.3.1.3. Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl I 10/2013 idgF entscheidet im gegenständlichen Fall der Einzelrichter.
II.3.1.4. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Abs. 3 hat, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg. cit nicht vorliegen, das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgeht.
II.3.1.5. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
II.3.2. Zur Zurückverweisung gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG
Gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat.
Das Modell der Aufhebung des Bescheids und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG (vgl. VwGH 19.11.2009, 2008/07/0167: "Tatsachenbereich") (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013), Anm. 11 zu § 28 VwGVG).
Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stellt die nach § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG 2014 bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar und soll von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden.
Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher im Lichte der oa. Ausführungen insbesondere dann in Betracht kommen,
- wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat,
- wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder
- bloß ansatzweise ermittelt hat.
- Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).
II.3.3. Zur Anwendung des § 28 Abs. 3 VwGVG im gegenständlichen Fall:
II.3.3.1. Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass es das BFA unterlassen hat, konkrete Feststellungen zur Erkrankung der BF1 bzw. zu ihrem Gesundheitszustand, zu den von ihr benötigten Medikamenten oder Behandlungen vorzunehmen.
Die BF1 verwies in ihren Einvernahmen darauf, dass sie an Knochenkrebs leide, sowohl in Georgien, in der Türkei und in Russland diesbezüglich erfolglos behandelt worden sei und es für sie in Georgien keine Behandlungsmöglichkeit mehr gäbe. Sie brachte auch eine georgische Bescheinigung samt deutscher Übersetzung in Vorlage, derzufolge sie - nach mehrfachen erfolglosen Chemotherapien - eine Behandlung mit hochdosierter Chemotherapie benötige, für die es aber in Georgien keine Möglichkeit gäbe (AS 117).
Auch in den weiteren von der BF1 vorgelegten Befunden finden sich - neben der Behandlungsbedürftigkeit aufgrund eines Bruches des Tibiaverankerungsteils (AS 175) - weitere Hinweise auf eine Krebserkrankung der BF1 ("C49.0 Bösart. Neubildung" - AS 175; "Ambulanzbesuch Weichteil-, Knochensarkome, GIST" und Terminvereinbarung für 14.08.2019 in der Sarkomambulanz - AS 201). Dass die BF1 - wie im Bescheid angeführt - keine Befunde hinsichtlich ihrer Tumorerkrankung vorgelegt habe (AS 323, 351), ist sohin schlichtweg aktenwidrig.
Trotz der vorgelegten Befunde und der darin enthaltenen Hinweise fand es das BFA als "nicht nachvollziehbar, weswegen Sie [die BF1, Anm.] trotz der behaupteten Ausbreitung der Metastasen bis dato keine Chemotherapie in Österreich erhalten haben" (AS 351), insbesondere wurden aber auch keine weiterführenden Ermittlungen getätigt und ist dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen, an welcher konkreten Erkrankung die BF1 leidet, in welchem Stadium sich diese Erkrankung befindet, welche konkreten Behandlungen im vorliegenden Fall benötigt werden und ob eine solche in Georgien überhaupt möglich ist. Vom BFA wurde lediglich erhoben, dass Krebserkrankungen in Georgien grundsätzlich behandelbar und Chemotherapien verfügbar sind, dass aber im konkreten Fall bereits mehrfach Chemotherapien erfolglos versucht wurden, wurde nicht berücksichtigt.
II.3.3.2. Die BF1 gab in ihrer Einvernahme am 07.08.2019 an, dass am 14.08.2019 eine Abklärung zur Tumordiagnose geplant sei (AS 166); dieser Termin findet sich auch am Auszug aus dem eJournal vom 01.08.2019 (AS 201).
Das Ergebnis der Untersuchung am 14.08.2019 wurde vom BFA nicht abgewartet, sodass auch nicht berücksichtigt werden konnte, ob und welche Therapie bei der BF1 möglich und sinnvoll ist, und auch nicht geprüft werden konnte, ob - gegebenenfalls - eine solche Therapie in Georgien für die BF1 überhaupt verfügbar und möglich ist.
In der Beschwerde wurde dargelegt, dass bei der BF1 eine Chemotherapie von den Ärzten in Österreich als nicht (mehr) zielführend angesehen wird und ihr deshalb zu einer Immuntherapie geraten worden sei (AS 385).
Zum Zeitpunkt der Entscheidung des BFA lag somit ein endgültiges Untersuchungsergebnis noch nicht vor. Das BFA erließ den angefochtenen Bescheid, ohne das Ergebnis der Abklärung der Tumordiagnose abzuwarten und die sich daraus ergebenden Behandlungsnotwendigkeiten (bspw. durch gezielte Befragung bzw. Einblick in die entsprechenden medizinischen Dokumente) zu erheben und in die Entscheidung miteinfließen zu lassen. Dem BFA war zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt, um welche Erkrankung es sich bei der BF1 tatsächlich handelt und in welchem Stadium dieser Erkrankung sich die BF1 befindet sowie um die sich daraus ergebenden Behandlungsmöglichkeiten bzw. -notwendigkeiten.
Eine Auseinandersetzung mit dem individuellen Gesundheitszustand der BF1 ist somit nicht bzw. nur unzureichend erfolgt.
II.3.3.3. Das BFA hat es im Verfahren aber auch unterlassen, Länderfeststellungen, die einen ausreichenden Bezug zum individuellen Vorbringen der BF1 aufweisen, zu treffen (VwGH 16.04.2009, 2007/19/1111), und das Vorbringen anhand der konkret entscheidungsrelevanten aktuellen Situation zu würdigen. Stattdessen stützte sich das BFA auf die allgemeinen Behandlungsmöglichkeiten von Krebserkrankungen in Georgien und die an sich gegebene Verfügbarkeit von Chemotherapien, ohne die tatsächliche Erkrankung (bzw. das tatsächliche Stadium der Erkrankung) der BF1 zu kennen. Dabei ließ das BFA auch unberücksichtigt, dass bei der BF1 bereits mehrere Chemotherapien in Georgien erfolglos durchgeführt wurden. Die Feststellungen des BFA sind insoweit zu kurz greifend.
II.3.3.4. Wenn aber der relevante Sachverhalt - hier: welche konkrete Ausformung der Erkrankung bei der BF1 vorliegt und welche Behandlung angezeigt ist - nicht feststeht, lässt sich auch keine Aussage darüber treffen, ob insoweit eine adäquate Behandlungsmöglichkeit in Georgien gegeben ist. Dabei handelt es sich aber um den Kern des gegenständlichen Verfahrens.
II.3.3.5. Der angefochtene Bescheid enthält auch keine konkreten Feststellungen, ob es sich bei der Erkrankung der BF1 um eine solche handelt, die akut lebensgefährlich ist und wie sich eine mögliche Überstellung auf die BF1 auswirken wird und ob zu erwarten ist, dass diesfalls eine unzumutbare Verschlechterung eintritt. Diesbezüglich hat das BFA keine Ermittlungen bzw. Feststellungen getroffen.
II.3.3.6. Das BFA wartete darüber hinaus auch die notwendigen Untersuchungen nicht ab, sondern erließ (möglicherweise unter erheblichem Zeitdruck) den angefochtenen Bescheid - gestützt auf unzureichende Sachverhaltsgrundlagen - damit diese dann vom BVwG ermittelt werden (bzw. die vom BFA begonnenen Ermittlungsschritte weitergeführt werden). Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist jedoch nicht ersichtlich.
II.3.4. Von diesen Überlegungen ausgehend ist daher im gegenständlichen Fall das dem Bundesverwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 Satz 2 VwGVG eingeräumte Ermessen im Sinne einer kassatorischen Entscheidung auszuüben und das Verfahren spruchgemäß an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen.
II.3.5. Mit der Beschwerde erfolgte auch die Nachreichung des eJournals vom 28.08.2019, aus dem ersichtlich ist, dass die BF1 in der Klin. Abteilung für Onkologie in Behandlung ist, ein Prothesenwechsel für den 02.09.2019 geplant war und sich die BF1 einer Votrient-Therapie unterzieht. Dieser Befund wird im fortgesetzten Verfahren ebenfalls zu berücksichtigen sein.
II.3.6. Die Abklärung des aktuellen Gesundheitszustandes eines Beschwerdeführers ist für die gesamtheitliche Würdigung relevant. Das BFA wird daher im fortgesetzten Verfahren die erforderlichen Ermittlungen - allenfalls unter Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Gesundheitszustand der BF1 - anzustellen und in der Folge festzustellen haben, in welchem gesundheitlichen Zustand sich die BF1 aktuell befindet, ob und welche Medikamente bzw. Behandlungen die BF1 benötigt und ob diese in Georgien auch verfügbar sind und auch, ob die Rückkehr nach Georgien eine unzumutbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes aus ärztlicher Sicht bewirken könnte.
II.4. Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der Beschwerde stattzugeben bzw. der angefochtene Bescheid zu beheben war.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil diese Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 Abs. 3 Satz 2 VwGVG abweicht.
Schlagworte
Behandlungsmöglichkeiten Ermittlungspflicht Familienverfahren Gesundheitszustand Kassation mangelnde SachverhaltsfeststellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:L529.2223220.1.00Im RIS seit
25.09.2020Zuletzt aktualisiert am
25.09.2020