TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/18 L510 2144522-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.11.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

18.11.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

L510 2144522-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. INDERLIETH als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Irak, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.12.2016, Zl: XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 25.10.2019, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8, 10 Abs. 1 Z. 3, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF, §§ 52 Abs. 2 Z. 2 u. Abs. 9, 46, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrenshergang

1. Die beschwerdeführende Partei (bP) stellte nach nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 27.06.2015 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei ihrer Erstbefragung am 27.06.2019 gab die bP zum Fluchtgrund an, dass es im Irak für sie zwei Probleme gebe. Erstens wegen dem Krieg und dem IS. Sie gehöre zu den Sunniten. Aufgrund ihres Namens könne sie jederzeit erschossen werden.

Die niederschriftliche Einvernahme beim BFA am 23.11.2015 gestaltete sich im Wesentlichen folgend:

"...

LA: Sie sind völlig gesund, ist das richtig?

AW: Ja.

...

LA: Hat sich seit der Erstbefragung an den Gründen Ihrer Flucht aus dem Irak etwas

geändert?

AW: Es hat sich nichts geändert.

LA: Sie wurden vom Bundesamt angeschrieben dass Sie Dokumente vorlegen sollen.

Insbesondere Dokumente, die Ihre Identität bezeugen. Haben sie solche Dokumente.

AW: Der AW legt vor: Kursbestätigung VHS A1/2

Kursbestätigung VHS 2/1

Zertifikat VHS A1

LA: Sie gaben an, nicht verheiratet zu sein. Es gibt also keine traditionelle Ehe und keine

registrierte staatliche Ehe? Stimmt das?

AW: Ja.

LA: Haben Sie eigenen Kinder, Adoptivkinder und Obsorge Verpflichtungen?

AW: Nein.

LA: Haben Sie eine gesetzliche Vertretung von Personen im Irak übernommen?

AW: Nein.

LA: Gibt es mittlerweile weitere Angehörige in Österreich oder im Raum der EU?

AW: Der Cousin von meinem Vater in Finnland. Zwei Cousins in Deutschland.

LA: Haben Sie Kontakt zu Ihren Eltern, Geschwistern oder anderen Angehörigen oder

Freunden im Irak?

AW: Ich kommuniziere mit meinen Eltern täglich über das Internet, sowie kommuniziere

ich mit meiner Schwester gelegentlich. Mit den Freunden kommuniziere ich auch,

jedoch selten.

LA: Leben noch Verwandte im Irak, wenn ja wo?

AW: Meine Eltern in Bagdad, meine Schwester lebt in Bagdad/ XXXX . Meine

Großeltern leben in XXXX (zwischen Bagdad und Karch).

LA: Sie gaben an, dass Sie und Ihre Familie aus dem Irak stammen. Wie leben Sie dort?

Gibt es ein eigenes Haus, Grundstücke, eine Landwirtschaft?

AW: Mein Vater besitzt ein Haus in Bagdad/ Azameya

LA: Wie lange haben Sie im Irak gelebt?

AW: Seit meiner Geburt.

LA: Geht es Ihrer Familie gut bzw. werden sie bedroht?

AW: Meine Familie wird nicht bedroht, jedoch leben sie aufgrund der allgemeinen Lage im

Irak nicht in Sicherheit.

LA: Woher stammen die Eltern, welche Provinz, welcher Distrikt?

AW: Beide aus Bagdad.

LA: Sie gaben an eine Schule besucht zu haben. Stimmt das?

AW: 12 Jahre Schule in Bagdad.

LA: Sie können demnach schreiben und lesen?

AW: Ja.

LA: Sie verstehen und sprechen schon etwas Deutsch (Ohne Übersetzung)?

AW: Können Sie mir einen Satz auf Deutsch sagen: Ich gehe zweimal in der Woche

Schule und das ist sehr wenig.

Wann sind Sie gestern Schlafen gegangen: In der Nacht.

LA: Haben Sie im Irak gearbeitet? Haben Sie eine berufliche Ausbildung, was haben Sie

bisher alles gearbeitet?

AW: Ich habe eine Ausbildung als Elektriker für drei Jahre gemacht mit Abschluss. Ich

habe im Irak nicht gearbeitet ich war ein Schüler.

LA: Wie viel haben Sie im Monat verdient?

AW: Ich wurde durch meinen Vater erhalten, ich habe meinem Vater gelegentlich im

Geschäft geholfen.

LA: Wie viel haben Sie im Monat zum Leben gebraucht?

AW: Ich weiß es nicht wie viel ich Monat gebraucht habe, am Tag waren es ca. 25 ?.

LA: Den Alltag im Irak konnten Sie und die Familie soweit ohne weitere Probleme

bestreiten?

AW: Ja.

LA: Wann genau hatten Sie das erste Mal daran gedacht, dass Sie den Irak verlassen

müssen?

AW: August 2014, an diesem Datum habe ich den Irak verlassen.

LA: Warum haben Sie den Irak verlassen, erzählen Sie mir Ihre Fluchtgeschichte die Ihre

Person betrifft, warum Sie nicht mehr in den Irak zurück können?

AW: Beginn der freien Erzählung:

Im Juni 2014 musste ich meine berufliche Praxis in einem anderen Stadtteil von

Bagdad machen ( XXXX ), dieser Stadtteil wurde von den schiitischen Milizen

kontrolliert. Es gab viele Straßenkontrollen von dem staatlichen Militär und den

Milizen. Ich hatte einen gefälschten Ausweis mit dem Namen Amar und einen

anderen Familiennamen, damit ich bei den Kontrollen keine Probleme hatte. Zu

diesem Zeitpunkt wurden Menschen getötet wenn sie einen sunnitischen Namen

hatten. Bei einer Kontrolle wurde mein Ausweis genau überprüft und der

kommandierende Offizier hat mir gesagt, dass mein Ausweis nicht registriert ist. Es

sagte mir ich könnte dafür eine Strafe von zwei Jahren Gefängnis bekommen. Er hat

mir gesagt, dass er auch versteht, dass ich mich schützen will. Ich konnte passieren

und der Ausweis verblieb bei den Beamten. Seit diesem Zeitpunkt hatte ich Angst,

mich in Bagdad zu bewegen. Es war für mich nur in Azameya sicher. Das ist der

Grund warum ich den Irak verlassen habe.

Ende der freien Erzählung:

Anmerkung:

Der AW möchte festhalten: Im Jahre 2007, als ich auf dem Nachhauseweg von der

Moschee war, wurde ich von uniformierten Personen angehalten. Es waren Milizen,

welche Polizeiuniformen trugen. Ich wurde aufgefordert meinen Ausweis

vorzuweisen, wegen meines sunnitischen Namens Omar wurde ich festgenommen.

Ich wurde drei Tage festgehalten, ich wurde gefoltert. Ich habe davon noch eine

Narbe auf meiner rechten Hand. Es wurde von meinem Vater Lösegeld verlangt.

Mein Vater hat ca. 4800 $ gezahlt. Ich wurde daraufhin freigelassen. Ich war zu

diesem Zeitpunkt 14 - 15 Jahre alt, sowie gaben es zu diesem Zeitpunkt noch wenige

Konflikte zwischen den Parteien und den Milizen. Nachgefragt gebe ich an, dass ich

nicht zu einer Polizisten gebracht wurde, ich wurde zu einem Platz gebracht wo Leute

gefoltert werden, deshalb wusste ich, dass es Milizen waren. Ich wurde freigelassen

und wurde auf einem Markt ausgesetzt.

LA: Wurde dieser Vorfall bei der Polizei angezeigt, wen nein warum nicht?

AW: Nein es wurde nicht angezeigt, weil es nutzlos ist.

LA. Dieser Vorfall war aber nicht der fluchtauslösende Grund, weshalb Sie den Irak

verlassen haben?

AW: Ja, aber ich war von diesem Zeitpunkt überzeugt, dass ich den Irak verlassen muss.

LA: Sie haben gewusst, dass Sie den Irak verlassen müssen und sind sieben Jahre

danach ausgereist?

AW: Zu diesem Zeitpunkt (2007) war es noch zum Aushalten und die Lage war noch nicht

so schlimm wie jetzt. Eine Woche nach diesem Vorfall erhielten meine Eltern einen

Drohbrief, dass wir das Haus in Al-Shaeb verlassen mussten. Zu diesem Zeitpunkt

lebten wir bei den Großeltern.

LA: Wo befindet sich Ihr Reisepass?

AW: Bei dem Schlepper in der Türkei.

LA: Bekanntlich gibt es sehr viele freiwillige Rückkehrentscheidungen, wobei viele Ihrer

Landsleute in den Irak zurückkehren, wieso sollte dies bei Ihnen nicht funktionieren

wenn es bei anderen Irakern auch funktioniert?

AW: Für mich ist eine Rückkehr in den Irak gefährlich, die Iraker welche freiwillig

zurückkehren sind vermutlich Schiiten, diese sind nicht Verfolgt wie ich.

LA: Sie haben nichts von einer Verfolgung erzählt?

AW: Ich fühle mich als Sunnit verfolgt, es war und gab keine persönliche Verfolgung und

Bedrohung meiner Person, jedoch wenn ich meinen richtigen Ausweis mit meinem

sunnitischen Ausweis vorweise, werde ich sicher umgebracht oder entführt werden.

LA: Kann es sein, dass Sie aus rein wirtschaftlichen Gründen aus den Irak geflohen sind,

bzw. Sie sich hier in Österreich ein besseres Leben erhoffen?

AW: Nein.

LA: Schildern Sie mir bitte die konkrete Fluchtroute mit Nennung der verwendeten

Verkehrsmittel von ihrer Heimat bis nach Österreich.

AW: Im August 2014 flog ich mit dem Flugzeug von Bagdad nach Istanbul wo. Weiter nach

Izmir wo ich neun Monate verblieb, ich wollte die Lage im Irak abwarten, wenn sich

die Lage verbessert hätte wäre ich in den Irak zurückgekehrt. Weiter nach Farmakos

weiter nach Linos und mit dem Schiff nach Athen wo ich 13 Tage verblieb. Weiter

nach Saloniki, schlepperunterstützt weiter nach Mazedonien, Serbien/ Belgrad wo ich

acht Tage verblieb, weiter nach Ungarn und mit einem Kleintransporter bis nach

Österreich.

LA: Warum wählten sie ausgerechnet Österreich dazu aus, um Asyl zu beantragen?

AW: Ich blieb in Österreich, weil es das erste Land nach Ungarn war.

LA: Sie hätten doch in Griechenland oder in der Türkei bleiben können, da wären Sie

doch auch in Sicherheit?

AW: Ich kann in beiden Ländern kein Asyl beantragen.

LA: Was würde passieren wenn Sie in den Irak zurückkehren?

AW: Ich kann nicht zurück, überall sind die schiitischen Milizen, sie regieren auch mit den

Staatsbehörden. Die irakischen Behörden können uns, als Sunniten keine Sicherheit

geben.

LA: Sie machten sehr detaillierte Angaben zu Ihrer Reise nach Österreich. Sind diese

Angaben soweit richtig, wollen Sie da etwas berichtigen?

AW: Ich habe alles gesagt.

LA: Wie ist Ihre Religionszugehörigkeit und welcher Volksgruppe gehören Sie an?

AW: Ich bin Sunnit, arabische Volksgruppe, Moslem.

LA: Ich bin mit den Fragen zu den Fluchtgründen soweit fertig. Wollen Sie dazu noch

etwas sagen? Haben Sie alle Ihre Gründe geltend gemacht? Hatten Sie genug Zeit

und Möglichkeit, alle Ihre Gründe geltend zu machen?

AW: Ja, alles gesagt.

LA: Haben Sie nun alle Ihre Gründe genannt, dass Sie nicht zurück in den Irak können?

AW: Ja.

LA: Sie leben in einer betreuten Unterkunft der Grundversorgung. Stimmt das?

AW: Wir wohnen in Salzburg/ XXXX .

LA: Haben Sie außerhalb der Betreuungsstelle bereits soziale Kontakte zur

österreichischen Gesellschaft?

AW: Ich kenne Leute vom Fitnesscenter.

LA: Betätigen Sie sich bei karitativen Organisationen oder anderen Vereinen?

AW: Nein.

LA: Haben Sie in Österreich schon einmal Probleme mit Behörden, Polizei, Gericht oder

anderen Institutionen gehabt?

AW: Nein.

LA: Wurden Sie schon einmal strafgerichtlich verfolgt bzw. verurteilt? Hatten Sie

Probleme mit Verwaltungsbehörden aufgrund schwerer Verwaltungsstraftaten?

AW: Nein.

LA: Haben Sie sich jemals im oder außerhalb vom Irak politisch betätigt, gehören Sie

irgendeiner politischen Organisation oder Partei an?

AW: Nein.

LA: Gab es jemals eine konkrete Verfolgung Ihrer Person alleine aufgrund Ihrer

Volksgruppenzugehörigkeit?

AW: Nein.

LA: Haben Sie versucht in einem andern Landesstrich im Irak unter zu kommen und neu

Fuß zu fassen?

AW: Nein, habe ich nicht.

LA: Gab es jemals eine Verfolgung Ihrer Person alleine aufgrund Ihrer

Religionszugehörigkeit?

AW: Ja, weil ich Sunnit bin, wegen meinem sunnitischen Namen, immer wenn ich

angehalten und kontrolliert wurde, wurde ich beschimpft. Nachgefragt gebe ich an,

dass ich wegen meines Namens verfolgt werde.

LA: Sie sind nach wie vor gläubiger Moslem?

AW: Ja, ich bete vier Mal pro Tag.

LA: Sunnitische Glaubensrichtung?

AW: Ja.

LA: Haben oder hatten Sie jemals irgendwelche Schwierigkeiten/Probleme mit irakischen

oder internationalen Behörden (Polizei, Gericht etc.)?

AW: Nein.

LA: Haben oder hatten Sie jemals irgendwelche Probleme - außer den genannten - mit

privaten Personen, Personengruppen, Banden, kriminellen Organisationen?

AW: Nein.

LA: Gibt es außer den genannten Problemen und Befürchtungen sonst noch

irgendwelche Sie betreffende Schwierigkeiten, die noch nicht zur Sprache gekommen

sind?

AW: Nein.

LA: Die Verständigung mit dem Dolmetscher war immer gut?

AW: Ja.

LA: Möchten Sie zu den von Ihnen im Zuge der Befragung gemachten Angaben,

insbesondere zu ihrer Person, Ihrem Reiseweg oder betreffend vorhandener

Dokumente, Fluchtgrund etwas berichtigen, ergänzen oder hinzufügen? Sie werden

nochmals darauf hingewiesen, dass Ihre Angaben die Grundlage für die

Entscheidung im Asylverfahren sind und dass hervorkommende Widersprüche,

Abweichungen von bereits getätigten Angaben oder sonstige

Tatsachenabweichungen ihre Glaubwürdigkeit maßgeblich beeinflussen.

AW: Nein, ich habe alles gesagt.

LA: Ich beende somit die Einvernahme. Wollen Sie noch ergänzende Angaben machen,

die noch nicht zur Sprache gekommen sind und ihrer Ansicht nach für das Verfahren

wesentlich sein könnten?

AW: Nein.

Verfahrensleitende Verfügung:

Ihnen werden nun mit "A" bezeichnete und mit Quellenangaben versehene landeskundliche

Feststellungen zum Staat Irak ausgehändigt. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl

beabsichtigt diese Unterlagen zur Entscheidungsfindung in Ihrem Asylverfahren

heranzuziehen. Es steht Ihnen frei dazu binnen zwei Woche ohne Setzung einer Nachfrist

eine Stellungnahme abzugeben.

Zum Umstand, dass Sie in deutscher Sprache zur Abgabe einer Stellungnahme aufgefordert

wurden, wird auf Folgendes hingewiesen:

§ 39a AVG regelt nur den mündlichen Verkehr mit der Behörde, begründet aber keinen

Anspruch auf die Verwendung einer fremden Sprache im Schriftverkehr mit den Beteiligten;

insbesondere ist die Beifügung einer Übersetzung eines Schriftstückes nicht vorgesehen

(Ringhofer I, 367; VwGH 11.1.1989, Zl 88/01/0187; 1.2.1989, Zl. 88/01/0330). Aufgrund der

Verweisungsnorm des § 23 AsylG gilt dies auch im Asylverfahren.

LA: Wollen Sie diese landeskundliche Feststellungen ausgehändigt haben?

AW: Nein, ich möchte das nicht LIB haben.

Anmerkung: Die obigen Angaben werden dem Antragsteller rückübersetzt.

Nach erfolgter Rückübersetzung

LA: Wurde alles aufgeschrieben und richtig protokolliert was Sie mündlich angegeben

haben? Sollte das nicht der Fall sein, so können Sie jetzt noch weitere Angaben

tätigen, Sie können auch sonst noch Aussagen treffen, die Sie Ihrer Meinung nach in

der Entscheidung des Bundesasylamtes berücksichtigt haben wollen. Erläuternd darf

dazu angemerkt werden, dass Sie in weiterer Folge in diesem Verfahren keine neuen

Sachverhalte mehr vorbringen können, diese würden nicht mehr berücksichtigt

werden. Weiter wird festgehalten, dass die Verständigung in Arabisch problemlos

war, Sie alles verstanden haben und auch alles so schildern konnten, wie Sie wollten.

AW: Ja.

LA: Wollen Sie eine Kopie der Niederschrift?

AW: Ja.

..."

Der Antrag auf internationalen Schutz wurde folglich vom BFA gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.).

Gem. § 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.).

Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.).

Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Mit Verfahrensanordnung vom selben Tag wurde der bP ein Rechtsberater von Amts wegen zur Seite gestellt.

Das BFA gelangte im Wesentlichen zur Erkenntnis, dass hinsichtlich der Gründe für die Zuerkennung des Status eines asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten eine aktuelle und entscheidungsrelevante Bedrohungssituation nicht glaubhaft gemacht worden sei. Ein relevantes, die öffentlichen Interessen übersteigendes, Privat- und Familienleben würde nicht vorliegen.

2. Gegen den genannten Bescheid wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Im Wesentlichen wurde das Ermittlungsverfahren des BFA moniert und wurden allgemeine Darlegungen in Bezug auf eine mangelnde Beweiswürdigung getätigt. Es wurden diverse Länderberichte aus dem Jahr 2016 zitiert, wonach Sunniten von schiitischen Milizen verfolgt werden würden bzw. Sunniten mit dem Namen Omar an Kontrollstellen Probleme haben würden. Es wurden Ausführungen zur innerstaatlichen Fluchtalternative getätigt. Es sei das Verbot der näheren Befragung zu den Fluchtgründen bei der Erstbefragung außer Acht gelassen worden. Das BFA hätte aufgrund der Länderfeststellungen zum Schluss kommen müssen, dass die bP einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt sei und sie keine innerstaatliche Fluchtalternative habe. Hätte das BFA seine Ermittlungspflicht wahrgenommen, hätte subsidiärer Schutz erteilt werden müssen. Die Rückkehrentscheidung hätte auf Dauer für unzulässig erklärt werden müssen. Es hätte eine Aufenthaltsberechtigung (plus) erteilt werden müssen. Es wurde der Antrag gestellt, eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

3. Der Verfahrensakt wurde aufgrund einer Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 20.10.2017 der GA L510 neu zugewiesen.

4. Am 25.10.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit der bP sowie im Beisein ihres bevollmächtigten Vertreters eine Verhandlung durch. Das BFA nahm an der Verhandlung teil.

Mit der Ladung wurde die bP auch umfassend auf ihre Mitwirkungsverpflichtung im Beschwerdeverfahren hingewiesen und sie zudem auch konkret aufgefordert, insbesondere ihre persönlichen Fluchtgründe und sonstigen Rückkehrbefürchtungen durch geeignete Unterlagen bzw. Bescheinigungsmittel glaubhaft zu machen, wobei eine demonstrative Aufzählung von grundsätzlich als geeignet erscheinenden Unterlagen erfolgte.

Zugleich mit der Ladung wurden der bP ergänzend Berichte zur aktuellen Lage im Irak übermittelt bzw. namhaft gemacht, welche das Verwaltungsgericht in die Entscheidung ergänzend miteinbezieht. Eine Stellungnahmefrist wurde dazu eingeräumt. Eine solche schriftliche Stellungnahme wurde nicht abgegeben. In der Verhandlung wurde durch die bP auf die derzeitigen Demonstrationen im Irak hingewiesen, welche sich gegen Korruption und Misswirtschaft richten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt)

1.1. Zur Person der beschwerdeführenden Partei:

Die Identität der bP steht fest. Sie führt den im Spruch genannten Namen und das dort angeführte Geburtsdatum.

Die bP ist Staatsangehöriger des Irak, gehört der Volksgruppe der Araber an und ist muslimisch sunnitischen Glaubens.

Die bP stammt aus Bagdad. In Bagdad leben ihre Eltern in einem eigenen Haus. Ihre Schwester ist verheiratet und wohnt ebenfalls in Bagdad, jedoch in einem eigenen Haus. Die Mutter der bP war Lehrerin und erhält jetzt eine Pension. Ihr Vater arbeitet noch in seinem Geschäft, in welchem er XXXX verkauft. Vor der Ausreise hat die bP ihrem Vater in seinem Geschäft geholfen. Sie machte auch eine Ausbildung als Elektriker. Die bP hat über das Internet Kontakt mit ihrer Familie, welcher es grundsätzlich gut geht.

Die bP reiste damals legal mit ihrem Reisepass aus Bagdad aus. Sie hatte keine Probleme bei der Ausreise. Ihr Reiseziel war Finnland, jedoch wurde sie in Österreich von der Polizei aufgegriffen, weshalb sie einen Asylantrag in Österreich stellte.

In Österreich lebte die bP seit ihrer Einreise bis September 2019 von der Grundversorgung. Nunmehr übt sie eine Tätigkeit in einer Tankstelle an der Kassa aus. Seit einem Jahr hat sie eine Freundin, mit welcher sie seit eineinhalb Monaten gemeinsam wohnt. Eine gegenseitige Abhängigkeit besteht nicht. Die bP geht mit ihrer Freundin und deren Freunden aus, ansonsten trainiert sie in einem Fitnessstudio. Sie kann sich sehr gut in deutscher Sprache verständigen. Sie ist gesund und arbeitsfähig.

1.2. Zu den angegebenen Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates:

Die von der bP vorgebrachten Fluchtgründe werden den Feststellungen nicht zugrunde gelegt.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass die bP im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat, konkret ihre Herkunftsregion Bagdad, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer glaubhaften, asylrelevanten Verfolgungsgefahr oder einer realen Gefahr von Leib und/oder Leben ausgesetzt wäre.

1.3. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat:

Im Juni 2014 startete der sog. Islamische Staat Irak (IS) oder Da'esh, einen erfolgreichen Angriff auf Mossul, die zweitgrößte Stadt des Irak. Der IS übernahm daraufhin die Kontrolle über andere Gebiete des Irak, einschließlich großer Teile der Provinzen Anbar, Salah al-Din, Diyala und Kirkuk. Im Dezember 2017 erklärte Premierminister Haider al-Abadi den endgültigen Sieg über den IS, nachdem die irakischen Streitkräfte die letzten Gebiete, die noch immer an der Grenze zu Syrien unter ihrer Kontrolle standen, zurückerobert hatten. Der IS führt weiterhin kleine Angriffe vorwiegend auf Regierungstruppen und Sicherheitspersonal an Straßenkontrollpunkten aus.

Am 25. September 2017 hat die kurdische Regionalregierung (KRG) ein unverbindliches Referendum über die Unabhängigkeit der kurdischen Region im Irak sowie über umstrittene Gebiete, die unter Kontrolle der KRG stehen, abgehalten. Das Referendum wurde für verfassungswidrig erklärt.

Bei den nationalen Wahlen im Mai 2018 gewann keine Partei die Mehrheit, obwohl die meisten Stimmen und Sitze an die Partei des schiitischen Klerikers Muqtada al-Sadr gingen, ein ehemaliger Anti-US-Milizenführer.

Genaue, aktuelle offizielle demographische Daten sind nicht verfügbar. Die letzte Volkszählung wurde 1987 durchgeführt. Das US-Außenministerium schätzt die Bevölkerung im Irak auf rund 39 Millionen. Araber (75 Prozent) und Kurden (15 Prozent) bilden die beiden wichtigsten ethnischen Gruppen. Andere Ethnien sind Turkmenen, Assyrer, Yazidis, Shabak, Beduinen, Roma und Palästinenser.

97 Prozent der Bevölkerung sind Muslime. Schiiten machen 55 bis 60 Prozent der Bevölkerung aus und umfassen Araber, Shabak und Faili-Kurden. Der Rest der Bevölkerung besteht hauptsächlich aus Sunniten, einschließlich der sunnitischen Araber, die schätzungsweise 24 Prozent der Gesamtbevölkerung des Irak ausmachen. Die meisten Kurden sind auch Sunniten und machen etwa 15 Prozent der nationalen Bevölkerung aus.

Die schiitischen Gemeinden leben in den meisten Gebieten des Irak, konzentrieren sich jedoch im Süden und Osten. Die Mehrheit der Bevölkerung von Bagdad sind Schiiten, insbesondere Vororte wie Sadr City, Abu Dashir und Al Dora. Sunniten leben hauptsächlich im Westen, Norden und im Zentralirak. Die Anzahl der in Bagdad als gemischt betrachteten Gebiete nimmt ab. In einigen Bezirken Bagdads gibt es immer noch bedeutende sunnitische Gemeinden, darunter Abu Ghraib. Die Bezirke A'adamia, Rusafa, Za'farania, Dora und Rasheed haben kleinere Gebiete sunnitischer Gemeinschaften. Gemischte sunnitische-schiitische Gemeinden leben in den Bezirken Rusafa und Karada, kleinere gemischte Gemeinden auch in den Bezirken Doura, Rasheed, Karkh, Mansour und Kadhimiya.

Die irakische Verfassung garantiert grundlegende Menschenrechte einschließlich Rechtsstaatlichkeit, Gleichheit vor dem Gesetz, Chancengleichheit, Privatsphäre und Unabhängigkeit der Justiz. Die Verfassung verbietet Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Zugehörigkeit, der Nationalität, der Herkunft, der Hautfarbe, der Religion, der Meinung, des wirtschaftlichen oder sozialen Status.

Die Verfassung macht den Islam zur offiziellen Religion des Staates. Es garantiert die Glaubens- und Religionsfreiheit für alle Personen, einschließlich Christen, Yazidis und Sabäer-Mandäer.

Auf der Scharia beruhende Regelungen verbieten zwar eine Konversion vom islamischen Glauben, doch ist keine Strafverfolgung hierfür bekannt.

Nach irakischem Recht wird ein Kind unter 18 Jahren automatisch zum Islam konvertiert, wenn auch einer seiner nicht-muslimischen Eltern konvertiert ist.

Nach der Absetzung von Saddam Hussein und der (von Sunniten dominierten) Ba'ath-Partei aus der Regierung fühlten sich viele Sunniten ausgegrenzt.

Das US-Außenministerium und internationale Menschenrechtsgruppen berichten von regierungsnahen Streitkräften, die sunnitische Männer anzugreifen versuchen, die aus IS-kontrollierten Gebieten fliehen und verhindern, dass Sunniten die von der Regierung kontrollierten Gebiete verlassen. Außerhalb der vom IS kontrollierten Gebiete wurden Sunniten in der Form belästigt und diskriminiert, dass sie bei Kontrollpunkten in aufdringlicher Weise kontrolliert wurden und Dienste minderer Qualität in sunnitischen Gebieten bereitgestellt werden.

Sunniten sind außerhalb von Gebieten, die kürzlich vom IS kontrolliert wurden, aufgrund ihrer Religion einem geringen Risiko gesellschaftlicher Gewalt ausgesetzt. In Gebieten, in denen sie eine Minderheit sind, sind Sunniten einem mäßigen Risiko von Diskriminierung durch die Behörden und der Gesellschaft ausgesetzt. Das Risiko der Diskriminierung variiert je nach lokalem Einfluss und Verbindungen (Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade, Country Information Report Iraq, 09.10.2018).

Im Irak ging die Zahl der Sicherheitsvorfälle (zB Schießereien, IED's, Angriffe auf Checkpoints, Entführungen, Selbstmordattentate, Autobomben) von Jänner bis Dezember 2018 um etwa 60% zurück. Zu Beginn des Jahres waren es 224 Vorfälle. Im März gab es einen Anstieg der Vorfälle, die sich vor allem in Anbar, Diyala, Kirkuk und Salahaddin ereigneten. Im April sanken sie auf 139. Von Juni bis Oktober gab es Schwankungen, beginnend in Diyala und Kirkuk, danach in Ninewa und schließlich in Anbar, Bagdad, Kirkuk und Ninewa. Seit dem Rückzug des sog. Islamischen Staates gab es in den letzten beiden Monaten des Jahres die wenigsten Vorfälle, die jemals im Land verzeichnet wurden.

Auch Bagdad, das früher ein Hauptangriffsziel war, entwickelte sich zu einem Nebenschauplatz. Im Jänner gab es 71 Vorfälle. Diese Zahl sank kontinuierlich und lag bei 13 Vorfällen im Juni. Danach erfolgte wieder ein Anstieg und es gab im September 47 Vorfälle. Seither kam es wieder zu einem Rückgang und 13 Vorfällen im November 2018. Bei fast allen Angriffen handelte es sich um kleinere Vorfälle wie Schießereien und IED's. Die meisten Vorfälle ereigneten sich auch in Städten im äußern Norden (Joel Wing, Musings on Iraq, 15.01.2019).

Nach einer Zusammenstellung von ACCORD auf Basis von ACLED (Armed Conflict Location & Event Data Project) gehen im Berichtszeitraum September 2016 bis September 2018 die Konfliktvorfälle mit Todesopfern kontinuierlich zurück. In diesem Zeitraum ereigneten sich die meisten Vorfälle mit Todesopfern in Salah ad-Din, gefolgt von Diyala, At-Tamim (Kirkuk) und Al-Anbar. Die meisten Todesopfer gab es in Salah ad-Din und Al-Anbar, gefolgt von At-Tamim (Kirkuk) und Diyala. In Al-Anbar wurden 80 Vorfälle mit 308 Toten erfasst, in Al-Basra 84 Vorfälle mit 42 Toten. In At-Ta'mim (Kirkuk) gab es 115 Vorfälle mit 251 Toten, in Bagdad wurden 58 Vorfälle mit 38 Toten erfasst. In Diyala wurden 136 Vorfälle mit 220 Toten, in Ninawa 65 Vorfälle mit 184 Toten und in Sala ad-Din 114 Vorfälle mit 308 Toten verzeichnet (ACCORD Irak, 3. Quartal 2018: Kurzübersicht über Vorfälle aus dem Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED), aktualisierte 2. Version vom 20.12. 2018).

In der ersten Juliwoche 2019 wurden 20 Vorfälle registriert. In der Provinz Diyala passierten die meisten Vorfälle, nämlich acht. In der Provinz Bagdad gab es zwei sicherheitsrelevante Vorfälle (Musings on Iraq, 09.07.2019).

In der zweiten Juliwoche 2019 wurden 13 Vorfälle registriert. In Bagdad gab es vier Vorfälle, bei denen drei Personen getötet wurden (Musings on Iraq, 17.07.2019)

Die meisten der Schutzmauern, die in den letzten zehn Jahren errichtet wurden, um öffentliche und private Gebäude zu sichern, wurden abgerissen. Stattdessen finden sich dort jetzt Parks und Grünflächen. Im Zuge der Veränderungen wurde in Bagdad auch das erste Frauencafé eröffnet. Dort können sich Frauen ohne Begleitung von Männern treffen und ihre Kopftücher und die lange Abaya ablegen, die auf den Straßen so verbreitet sind.

Im Café "La Femme" werden Wasserpfeifen angeboten und von einer Frau zubereitet. Es werden alkoholfreie Champagnercocktails, Softgetränke und Snacks serviert. Bisher haben sich noch keine Männer in dieses weibliche Heiligtum gewagt - obwohl sich das Café in einem Hochhaus zusammen mit anderen Restaurants, einer Sporthalle für Männer und nur einem Aufzug befindet. Der Kundenkreis von Adel-Abid umfasst vor allem Frauen aus der Mittel- und Oberschicht. Für ihre jungen Kundinnen organisiert sie reine Frauenfeste zu Geburtstagen, Verlobungen und Abschlussfeiern. Die ältere Generation trinkt lieber Kaffee und hört den alten irakischen Sängern zu, die auf der Musikanlage bevorzugt gespielt werden.

Frauen können jetzt Unternehmen führen. Da der "Islamische Staat" verdrängt und die gegenwärtige politische Stabilität zu spüren ist, fordern irakische Frauen immer mehr ihren Anteil am öffentlichen Raum der Stadt. In Mansour, dem Stadtviertel, in dem sich "La Femme" befindet, sind die meisten Cafés und Restaurants heute gemischt, und auch Frauen rauchen dort Wasserpfeife.

Der frische Wind des Wandels hat auch das Straßenbild verändert. Frauen kleiden sich wieder bunter, anstatt sich hinter schwarzen Schleiern zu verstecken. Die Entwicklung geht so weit, dass junge Frauen sich immer seltener ein Kopftuch umbinden.

Ehen zwischen Sunniten und Schiiten erleben ein Comeback im Irak; unter den Jugendlichen in Bagdad sind sie sogar zum neuen Standard geworden. So wie bei Merry al-Khafaji, die kürzlich Mustafa al-Ani geheiratet hat. Gemeinsam sitzen die beiden Mittzwanziger bei einer Wasserpfeife in einem beliebten Bagdader Garten, sie trägt ihr dunkles Haar offen und ein grünes T-Shirt mit Jeans. Traditionell wählen Eltern die Partner ihrer Kinder, aber Merry al-Khafaji und Mustafa al-Ani lernten sich in dem Telekommunikationsunternehmen kennen, für das sie beide arbeiten. Mittlerweile entwickeln sich immer mehr Liebesbeziehungen bei der Arbeit, im Studium oder in Workshops.

Auch soziale Medien haben eine starke Wirkung. Sie eröffnen jungen Menschen einen neuen Weg, neue Freunde in der konservativen irakischen Gesellschaft zu finden (Die neuen Freiheiten von Bagdad, qantara.de 01.07.2019).

Mitglieder rivalisierender irakischer Motorrad-Clubs, die in Leder mit Nieten und schwarzen Baskenmützen gekleidet waren, tanzten Breakdance und ließen mit ihren tätowierten Armen Neon-Leuchtstäbe kreisen. Der Tanzkreis des Mongols Motorcycle Club war einer von mehreren bei der ?Riot Gear Summer Rush', einer Automobilshow samt Konzert in einem Sportstadion im Herzen von Bagdad. Die Szene hatte etwas ganz anderes als jene Bilder, die üblicherweise aus der Stadt der Gewalt und des Chaos ausgestrahlt wurden. Aber fast zwei Jahre, nachdem der Irak den islamischen Staat besiegte, hat die Hauptstadt ihr Image stillschweigend verändert. Seit die Explosionsschutzwände - ein Merkmal der Hauptstadt seit der US-geführten Invasion im Jahr 2003, bei der Saddam Hussein gestürzt wurde - gefallen sind, hat sich eine weniger restriktive Lebensweise etabliert. "Wir haben diese Party veranstaltet, damit die Leute sehen können, dass der Irak auch über diese Art von Kultur verfügt und dass diese Menschen das Leben und die Musik lieben", sagte Arshad Haybat, ein 30-jähriger Filmregisseur, der die Riot Gear Events Company gründete. Riot Gear hat bereits zuvor ähnliche Partys im Irak veranstaltet, aber dies war die erste, die für die Öffentlichkeit zugänglich war. Der Tag begann damit, dass junge Männer importierte Musclecars und Motorräder vorführten. Bei Einbruch der Dunkelheit wurde die Show zu einer lebhaften Veranstaltung für elektronische Tanzmusik (EDM). Das irakische Hip-Hop-Kollektiv "Tribe of Monsters" spielte eine Mischung aus EDM- und Trap-Musik, während junge Männer Verdampfer in ihren Händen hielten und neben Blitzlichter und Rauchmaschinen tanzten, während sie ihre Bewegungen live auf Snapchat und Instagram übertrugen. Es war eine berauschende Mischung aus Bagdads aufkeimenden Subkulturen: Biker, Gamer und EDM-Enthusiasten. Was die meisten gemeinsam hatten, war, dass sie im Irak noch nie einer solchen Veranstaltung beigewohnt hatten. Obwohl von jungen Männern dominiert, nahmen auch viele Frauen an der Veranstaltung teil. Einige von ihnen tanzten in der Nähe der Hauptbühne. Die Veranstalter stellten jedoch sicher, dass eine "Familiensektion" zur Verfügung stand, damit Frauen, Familien und Liebespaare auch abseits der wilden Menschenmenge tanzen konnten (Tanzpartys kehren nach Bagdad zurück, mena-watch, 22.08.2019).

Die Zahl der Binnenvertriebenen (IDP's) wird seit April 2014 aufgezeichnet, jene der Rückkehrer seit April 2015. Seit Juni 2017 sinkt die Zahl der IDPs kontinuierlich. Zum 30.04.2019 wurden ca. 1,67 Millionen IDPs (277.518 Familien), verteilt auf 18 Gouvernements und 106 Distrikte identifiziert. Die Zahl der Rückkehrer steigt seit April 2015 kontinuierlich an. Die Zahl der Rückkehrer betrug zum 30.04.2019 4,27 Millionen (711.147 Familien) in 8 Gouvernements und 38 Distrikten. Im Zeitraum März und April 2019 gab es 54.900 Rückkehrer. Die meisten kehrten nach Ninewa (19.110 Personen), Salah al-Din (18.750) und Anbar (9.264) zurück. Die Zahl der IDPs geht langsam zurück. Im März und April 2019 wurde ein Rückgang von 79.872 IDPs verzeichnet, davon die meisten in Ninewa (-45.360, -8 %), Salah al-Din (-11.238, -9 %) und Bagdad (-5.418, -8 %).

Nahezu alle Familien (95%, 4.048.206 Personen) kehrten an ihren vor der Vertreibung gewöhnlichen Wohnsitz zurück, der sich in einem guten Zustand befand. Zwei Prozent (74.124) leben in anderen privaten Einrichtungen (gemietete Häuser, Hotels, Gastfamilien). Drei Prozent der Rückkehrer (144.552) leben in kritischen Unterkünften (informelle Siedlungen, religiöse Gebäude, Schulen, unfertige, aufgegebene oder zerstörte Gebäude).

Die drei Distrikte mit den meisten in kritischen Unterkünften lebenden Familien sind Mossul (29.982), Tikrit (12.714) und Khanaqin (11.016). Die Gründe für die konstanten Rückkehrraten sind die verbesserte Sicherheitslage, die Bereitstellung von Dienstleistungen sowie der Wiederaufbau der Häuser in den Herkunftsorten (Displacement Tracking Matrix, Round 109, April 2019).

Anfang Oktober 2019 kam es in zahlreichen Städten und Provinzen im Irak zu Demonstrationen, die sich gegen Korruption und Misswirtschaft richten. Die Proteste gingen nicht von einer bestimmten politischen Gruppe aus. Die zumeist jungen Demonstranten wiesen jede politische Vereinnahmung von sich. Angesichts der gewaltsamen Proteste versucht die irakische Regierung, die Protestierenden mit einem sozialen Maßnahmenpaket zu beruhigen. Unter anderem sollen im ganzen Land 100.000 neue Wohnungen gebaut werden, wie Ministerpräsident Adil Abd al-Mahdi nach einer Sitzung des Kabinetts am 06.10.2019 sagte. Zudem sollen 150.000 arbeitslose Irakerinnen und Iraker in Weiterbildungsprogrammen gefördert werden (Über hundert Menschen sterben bei Protesten gegen die Regierung Zeit.de, 06.10.2019).

Ende Oktober 2019 kam es erneut zu Protesten, wobei acht Menschen in Bagdad starben, als Sicherheitskräfte mit Tränengas gegen Demonstranten in der Nähe des Regierungsviertels vorgingen. In Bagdad hatten am 25.10.2019 Tausende Demonstranten versucht, in die besonders geschützte Grüne Zone zu gelangen. Dort liegen viele der Regierungsgebäude und Botschaften. Die Lage hatte sich am folgenden Tag zunächst beruhigt. Auf dem zentralen Tahrir-Platz errichteten jedoch Hunderte Demonstrierende Zelte, um weiter zu protestieren (42 Tote bei erneuten regierungskritischen Protesten, Zeit.de, 25.10.2019).

In Bezug auf den Namen Omar:

Gemäß Al-Monitor, einer US-amerikanischen Website mit Sitz in Washington, DC, die sich auf Berichte und Analysen zum Thema Naher Osten spezialisiert, ist das Problem von konfessionell konnotierten Namen im Irak nicht neu. Das Phänomen der Namensänderungen aufgrund von Verfolgung und Angst von Sunniten hat sich jedoch seit den Eroberungen des IS in 2014, vor allem der Stadt Mosul und der Vertreibungen, die ihnen folgten, weit verbreitet. Das gegenwärtige "Spiel der Namen" ist offensichtlich ein Resultat des konfessionellen und politischen Konflikts, der seit der US-amerikanischen Invasion des Landes in 2003 eskaliert hat.

Al-Monitor (17.6.2015): From Omar to Hussain: Why Iraqis are changing their names,

http://www.al-monitor.com/pulse/originals/2015/06/iraq-sectarian-killing-name-changing.html, Zugriff 21.8.2017

Der jüngste Bericht des UK Home Office vom Juni 2017 berichtet unter Bezugnahme auf eine Quelle vom 29.04.2015 (Finnish Immigration Service, 'Security Situation in Baghdad - the Shia militias', 29 April 2015, pp. 16-17,

http://www.migri.fi/download/61225_Security_Situation_in_Baghdad_-_The_Shia_Militias_29.4.2015.pdf?01abe06266acd288, accessed 26 July 2016 ) dazu:

"Allerdings ist es schwer zu wissen, ob eine Person sunnitisch oder schiitisch ist, einfach auf der Grundlage ihres Namens. Im Irak gibt es Sunniten namens Ali und Hussein und Schia namens Omar, obwohl einige Quellen darauf hindeuten, dass auch weltliche Schia-Eltern ihre Kinder Omar, Abu Bakri, Othman oder Aisha nicht nennen würden. Traditionelle Namen wie Omar, Abu Bakr und Yazid sind sunnitische Namen, während Ali, Hassan und Hussein Shia Namen sind. Mohammed und Fatima sind bei Sunniten und Schiiten beliebt. Omar scheint einer der Namen zu sein, die Schwierigkeiten für Sunniten verursacht.

"Es gab bereits Probleme mit dem Namen Omar während des Bürgerkriegs im Jahr 2006. Im Juli 2006 fand die Polizei 14 junge Männer in Bagdad tot. Sie waren alle Sunniten, die in den Kopf geschossen worden waren. Alle hatten den gleichen Vornamen, Omar. Mittlerweile haben Schiiten Berichten zufolge Probleme in den Händen von sunnitischen militanten Gruppen wie ISIS aufgrund ihrer Namen erlebt.

"In diesen Tagen kann es für die Eltern leichter sein, ihrem neugeborenen Kind einen neutralen Namen zu geben, der nicht klar sunnitisch oder schiitisch ist. In Angst vor Konflikten geben einige irakische Eltern ihren Kindern Namen, die keine besondere religiöse Orientierung widerspiegeln. Neutrale Namen sind Muhammed, Abdullah und Mariam. Die Namen Ali und Hussein können als ziemlich neutral betrachtet werden, da sie bei Sunniten und Schiiten beliebt sind. Die Namen Zina, Raneen, Atasi und Safad sind sehr säkular und zeigen daher nicht direkt die religiöse Orientierung einer Person an

Aus der Berichtslage lässt sich zwar entnehmen, dass es in Bezug auf Personen mit dem Vornamen Omar Problemlagen geben kann. Dass dadurch jedoch nicht generell jede Person mit diesem Vornamen einer realen Gefährdung von Leib und/oder Leben ausgesetzt ist, ergibt alleine die Schilderung der bP. Auch fällt bei der Berichtslage über mögliche Probleme auf, dass diese im Wesentlichen im Jahr 2015 endet. Aktuelle, nach dem Jahr 2019 stammende Berichte über derartige Probleme konnten amtswegig nicht gefunden werden.

Dass dies etwa daraus resultieren würde, weil keine Personen mit dem Vornamen Omar mehr im Irak leben würden, entspricht auch nicht der Realität, wie sich etwa leicht alleine aus Google-Recherchen ergibt. Lediglich bespielhaft sei etwa der lange im Irak tätige Schriftsteller Omar al-Jaffal erwähnt oder ein von UNHCR am 03.05.2017 im Internet (abrufbar auf youtube.com) unter dem Titel "Omar the big man in Mosul" veröffentlichtes Video, in dem UNHCR über ein zehnjähriges Kind mit dem Vornamen Omar berichtet, welches mit seiner Mutter und zwei Brüdern nach der Befreiung von Mosul wieder dorthin zurückkehrte. Nachdem der Vater vermisst werde, sei Omar nun quasi das Familienoberhaupt. In diesem Beitrag von UNHCR finden sich keinerlei Anmerkungen von UNHCR auf eine Gefährdungslage für Omar durch Milizen oder andere Akteure auf Grund seines Vornamens.

Aus einem Interview mit der deutschen Journalistin S. vom 04.10.2018, welche seit etwa 15 Jahren in Bagdad lebt, ergibt sich eine gewisse Liberalisierung und Tendenz der vorherrschenden jungen Bevölkerung in Bagdad, die auch dahingeht, die Trennung von Schiiten und Sunniten verschwimmen zu lassen und sich in einem Trend und offensichtlich weitgehender Tolerierung von Ehen zwischen Sunniten und Schiiten zeigt.

2. Beweiswürdigung

Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt des Bundesamtes unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben der bP, der von ihr vorgelegten Beweismittel, des bekämpften Bescheides, des Beschwerdeschriftsatzes, durch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem BVwG und die Einsichtnahme in die vom Bundesverwaltungsgericht beigeschafften länderkundlichen aktuelle Informationen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat der bP, welche der Rechtsvertretung wie bereits ausgeführt übermittelt wurden.

2.1 Zur Person der beschwerdeführenden Partei:

Die personenbezogenen Feststellungen hinsichtlich der bP ergeben sich aus ihren in diesem Punkt einheitlichen, im Wesentlichen widerspruchsfreien, Angaben, sowie ihrem im Verfahren vorgelegten Staatsbürgerschaftsnachweis und ihrem Personalausweis. Von den Deutschkenntnissen konnte sich das BVwG im Rahmen der Verhandlung überzeugen. Zudem erfolgte Einsichtnahme in das ZMR, das IZF, den SA, das GVS und wurden durch die bP in der Verhandlung eine Gewerbeanmeldung und ein Nachunternehmervertrag vorgelegt.

2.2. Zu den angegebenen Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates:

Im Verfahren ergaben sich erhebliche Widersprüche im Vorbringend der bP.

In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA legte sie dar, dass sie im Juni 2014 ihre berufliche Praxis in einem anderen Stadtteil habe machen müssen ( XXXX ). Es habe Straßenkontrollen vom Militär und den Milizen gegeben. Sie habe einen gefälschten Ausweis verwendet um keine Probleme bei den Kontrollen zu haben. Zu diesem Zeitpunkt seien Menschen getötet worden, weil sie einen sunnitischen Namen gehabt hätten. Ihr Ausweis sei genau kontrolliert worden und habe ihr ein Offizier gesagt, dass dieser nicht registriert sei. Der Offizier habe ihr gesagt, dass er verstehe, dass sie sich schützen wolle. Sie habe passieren können, jedoch sei der Ausweis bei den Beamten geblieben. Seither habe sie Angst gehabt sich in Bagdad zu bewegen. Dies sei der Grund, warum sie den Irak verlassen habe.

Weiter führte die bP an, dass sie im Jahr 2007, als sie auf dem Nachhauseweg von der Moschee gewesen sei, von uniformierten Personen angehalten worden sei. Es seien Milizen gewesen, welche Polizeiuniformen getragen hätten. Sie sei aufgefordert worden ihren Ausweis vorzuweisen, wegen ihres sunnitischen Namens Omar sei sie festgenommen worden. Sie sei drei Tage festgehalten und gefoltert worden. Sie habe davon noch eine Narbe auf ihrer rechten Hand. Es sei von ihrem Vater Lösegeld verlangt worden. Ihr Vater habe ca. 4800 $ gezahlt. Sie sei daraufhin freigelassen worden. Sie sei zu einem Platz gebracht worden, wo Leute gefoltert würden, deshalb habe sie gewusst, dass es Milizen gewesen seien. Sie sei frei gelassen worden und auf dem Markt ausgesetzt worden. Dieser Vorfall sei nicht angezeigt worden. Zu diesem Zeitpunkt sei die Lage noch auszuhalten gewesen. Eine Woche nach diesem Vorfall hätten ihre Eltern einen Drohbrief erhalten, dass sie das Haus verlassen müssten. Zu diesem Zeitpunkt hätten sie noch bei den Großeltern gelebt.

An anderer Stelle der Einvernahme legte die bP demgegenüber dar, dass sie zwar persönlich nicht verfolgt oder bedroht worden sei, jedoch fühle sie sich als Sunnit verfolgt. Sie würde wegen ihres sunnitischen Namens sicher umgebracht werden.

In der Verhandlung vor dem BVwG wurde die bP nochmals aufgefordert, sämtliche Fluchtgründe zu nennen. Sie legte dar, dass viele Sunniten getötet worden seien, weil sie den Namen Omar gehabt hätten. Sie habe deshalb einen gefälschten Ausweis verwendet. Mit diesem habe sie die Uni besuchen können, jedoch sei sie manchmal gedemütigt oder geschlagen worden, weil sie aus dem Ort Al Azamiya stammte, wo vorwiegend Sunniten wohnhaft seien.

Auch habe es Anschläge und Repressalien gegen Sunniten gegeben.

In Bezug auf die Namensführung Omar wurden der bP in der Verhandlung nachfolgende Feststellungen übersetzt. Diese wurden auch von der Rechtsvertretung und der Behördenvertretung eingesehen:

Gemäß Al-Monitor, einer US-amerikanischen Website mit Sitz in Washington, DC, die sich auf Berichte und Analysen zum Thema Naher Osten spezialisiert, ist das Problem von konfessionell konnotierten Namen im Irak nicht neu. Das Phänomen der Namensänderungen aufgrund von Verfolgung und Angst von Sunniten hat sich jedoch seit den Eroberungen des IS in 2014, vor allem der Stadt Mosul und der Vertreibungen, die ihnen folgten, weit verbreitet. Das gegenwärtige "Spiel der Namen" ist offensichtlich ein Resultat des konfessionellen und politischen Konflikts, der seit der US-amerikanischen Invasion des Landes in 2003 eskaliert hat.

Al-Monitor (17.6.2015): From Omar to Hussain: Why Iraqis are changing their names,

http://www.al-monitor.com/pulse/originals/2015/06/iraq-sectarian-killing-name-changing.html, Zugriff 21.8.2017

Der jüngste Bericht des UK Home Office vom Juni 2017 berichtet unter Bezugnahme auf eine Quelle vom 29.04.2015 (Finnish Immigration Service, 'Security Situation in Baghdad - the Shia militias', 29 April 2015, pp. 16-17,

http://www.migri.fi/download/61225_Security_Situation_in_Baghdad_-_The_Shia_Militias_29.4.2015.pdf?01abe06266acd288, accessed 26 July 2016 ) dazu:

"Allerdings ist es schwer zu wissen, ob eine Person sunnitisch oder schiitisch ist, einfach auf der Grundlage ihres Namens. Im Irak gibt es Sunniten namens Ali und Hussein und Schia namens Omar, obwohl einige Quellen darauf hindeuten, dass auch weltliche Schia-Eltern ihre Kinder Omar, Abu Bakri, Othman oder Aisha nicht nennen würden. Traditionelle Namen wie Omar, Abu Bakr und Yazid sind sunnitische Namen, während Ali, Hassan und Hussein Shia Namen sind. Mohammed und Fatima sind bei Sunniten und Schiiten beliebt. Omar scheint einer der Namen zu sein, die Schwierigkeiten für Sunniten verursacht.

"Es gab bereits Probleme mit dem Namen Omar während des Bürgerkriegs im Jahr 2006. Im Juli 2006 fand die Polizei 14 junge Männer in Bagdad tot. Sie waren alle Sunniten, die in den Kopf geschossen worden waren. Alle hatten den gleichen Vornamen, Omar. Mittlerweile haben Schiiten Berichten zufolge Probleme in den Händen von sunnitischen militanten Gruppen wie ISIS aufgrund ihrer Namen erlebt.

"In diesen Tagen kann es für die Eltern leichter sein, ihrem neugeborenen Kind einen neutralen Namen zu geben, der nicht klar sunnitisch oder schiitisch ist. In Angst vor Konflikten geben einige irakische Eltern ihren Kindern Namen, die keine besondere religiöse Orientierung widerspiegeln. Neutrale Namen sind Muhammed, Abdullah und Mariam. Die Namen Ali und Hussein können als ziemlich neutral betrachtet werden, da sie bei Sunniten und Schiiten beliebt sind. Die Namen Zina, Raneen, Atasi und Safad sind sehr säkular und zeigen daher nicht direkt die religiöse Orientierung einer Person an

Aus der Berichtslage lässt sich zwar entnehmen, dass es in Bezug auf Personen mit dem Vornamen Omar Problemlagen geben kann. Dass dadurch jedoch nicht generell jede Person mit diesem Vornamen einer realen Gefährdung von Leib und/oder Leben ausgesetzt ist, ergibt alleine die Schilderung der bP. Auch fällt bei der Berichtslage über mögliche Probleme auf, dass diese im Wesentlichen im Jahr 2015 endet. Aktuelle, nach dem Jahr 2019 stammende Berichte über derartige Probleme konnten amtswegig nicht gefunden werden.

Dass dies etwa daraus resultieren würde, weil keine Personen mit dem Vornamen Omar mehr im Irak leben würden, entspricht auch nicht der Realität, wie sich etwa leicht alleine aus Google-Recherchen ergibt. Lediglich bespielhaft sei etwa der lange im Irak tätige Schriftsteller Omar al-Jaffal erwähnt oder ein von UNHCR am 03.05.2017 im Internet (abrufbar auf youtube.com) unter dem Titel "Omar the big man in Mosul" veröffentlichtes Video, in dem UNHCR über ein zehnjähriges Kind mit dem Vornamen Omar berichtet, welches mit seiner Mutter und zwei Brüdern nach der Befreiung von Mosul wieder dorthin zurückkehrte. Nachdem der Vater vermisst werde, sei Omar nun quasi das Familienoberhaupt. In diesem Beitrag von UNHCR finden sich keinerlei Anmerkungen von UNHCR auf eine Gefährdungslage für Omar durch Milizen oder andere Akteure auf Grund seines Vornamens.

Aus einem Interview mit der deutschen Journalistin S. vom 04.10.2018, welche seit etwa 15 Jahren in Bagdad lebt, ergibt sich eine gewisse Liberalisierung und Tendenz der vorherrschenden jungen Bevölkerung in Bagdad, die auch dahingeht, die Trennung von Schiiten und Sunniten verschwimmen zu lassen und sich in einem Trend und offensichtlich weitgehender Tolerierung von Ehen zwischen Sunniten und Schiiten zeigt.

Der bP wurde die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben. Sie legte dar, dass es typische sunnitische Namen im Irak wie Omar, Othman, Yazid gebe und es auch typische schiitische Namen wie Ali und Hussein gebe. Die Leute würden einen nicht nur wegen des Namens kennen, sondern auch wegen dem Gesicht. Es gebe verschiedene Dialekte.

Auf die Frage, was aktuell gegen eine Rückkehr in den Irak spreche, gab die bP zu Protokoll, dass sie nicht zurückkönne, weil momentan so viele Demonstrationen stattfinden würden. Diese Demos hätten von 01.10.2019 bis 12.10.2019 stattgefunden. Es sei keine Sicherheit im Irak vorhanden und es gebe wenig Arbeit. Die Landwirtschaft sei schwach und die allgemeinen Umstände seien schlecht. Falls sie zurückkehren müsste, dann würde sie auch bei Demos teilnehmen und es könnte sein, dass sie dabei verletzt oder sogar getötet würde. Die Armee gehe gegen die Demonstranten vor, bei der Armee handle es sich um Iraner und Iraker, die vom Iran unterstütz würden. Während den Demos im Oktober hätten sie direkt auf die Demonstranten geschossen. Heute gebe es im Irak einen großen Aufstand gegen die Regierung.

Seitens des BVwG ist resümierend festzustellen, dass die bP in Kernpunkten ihres Fluchtvorbringens völlig widersprüchliche Angaben tätigte und im Verfahren ihr Vorbringen teils sehr drastisch darlegte, bis hin zu Folterungen, während sie an anderer Stelle wiederum ausführte, dass sie persönlich nicht bedroht oder verfolgt worden sei.

So führte sie ursprünglich vor dem BFA unter anderem aus, dass sie einmal wegen ihres sunnitischen Namens Omar durch Milizen festgenommen worden sei. Sie sei drei Tage lang festgehalten und gefoltert worden. Nachdem ihr Vater Lösegeld bezahlt habe, sei sie auf einem Marktplatz ausgesetzt worden.

Vor dem BVwG erwähnte die bP einen derartigen Vorfall überhaupt nicht, obwohl sie aufgefordert wurde, alle Erlebnisse darzulegen, weshalb sie den Irak verlassen habe.

Auch vor dem BFA führte die bP an anderer Stelle der Niederschrift aus, dass sie selbst nie persönlich bedroht oder verfolgt worden sei.

Vor dem BFA äußerte die bP, dass sie einen Ausweis mit einem gefälschten Namen verwendet habe, da zu diesem Zeitpunkt Menschen mit sunnitischen Namen getötet worden seien.

Vor dem BVwG gab die bP zu Protokoll, dass es Schwierigkeiten bei den Checkpoints gegeben habe. Sie sei manchmal gedemütigt oder auch geschlagen worden, weil sie aus dem Ort Al Azamiya stammte, wo vorwiegend Sunniten wohnen würden.

Zuvor äußerte sich die bP nie dahingehend, dass sie wegen ihrer Wohnadresse Probleme gehabt habe. Sie berief sich nur auf ihren Namen. Zudem sprach die bP auch nie davon, bei den Checkpoints geschlagen worden zu sein, sondern lediglich davon, dass ihr der gefälschte Ausweis abgenommen worden sei. Sie brachte somit dieses Vorbringen erstmals in der Verhandlung vor.

Auch entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubwürdig anerkannt werden, wenn der Asylwerber während des Verfahrens im Wesentlichen gleichbleibende Angaben macht, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erscheinen und wenn erst sehr spät gemachte Angaben nicht den Schluss aufdrängten, dass sie nur der Asylerlangung um jeden Preis dienen sollten, der Wirklichkeit aber nicht entsprechen. Als glaubhaft könnten Fluchtgründe im Allgemeinen nicht angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (vgl. zB. VwGH 6.3.1996, 95/20/0650).

Insgesamt war die bP ist deshalb persönlich als nicht glaubwürdig zu würdigen. Das Fluchtvorbringen war somit unglaubhaft und nicht geeignet, der rechtlichen Beurteilung zu Grunde gelegt zu werden.

2.3. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat:

Die getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat ergeben sich aus den angeführten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen. Die Länderfeststellungen basieren auf mannigfaltigen Quellen, denen keine Voreingenommenheit unterstellt werden kann. Die bP ist diesen nicht konkret und substantiiert entgegengetreten.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I.

Nichtzuerkennung des Status als Asylberechtigter

1. § 3 AsylG

(1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) Die Verfolgung kann

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten