Entscheidungsdatum
18.11.2019Norm
AsylG 2005 §10Spruch
L509 1420024-3/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Ewald HUBER-HUBER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Pakistan, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.09.2019, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein pakistanischer Staatsangehöriger reiste am 20.01.2011 illegal in das Bundesgebiet von Österreich ein und stellte am 21.01.2011 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Im erstinstanzlichen Verfahren wurde der BF am 21.01.2011, am 27.01.2011 und am 10.03.2011 zu seinem Antrag einvernommen.
2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 07.06.2011, Zl. 11 00.677-BAT wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich § 3 Abs. 1 AsylG als auch hinsichtlich § 8 Abs. 1 AsylG abgewiesen und ihm weder der Status eines Asylberechtigten noch der eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Der BF wurde überdies gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Pakistan ausgewiesen.
3. Mit Beschluss des BVwG vom 15.05.2014.Zl. L512 1420024-1/34E wurde die Beschwerde gegen diesen Bescheid gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG in Verbindung mit § 63 Abs. 5 AVG als unzulässig zurückgewiesen.
Begründet wurde diese Entscheidung im Wesentlichen damit, dass der Asylbescheid nicht rechtswirksam erlassen worden sei. Gegen eine Erledigung, die kein tauglicher Anfechtungsgegenstand für eine Beschwerde sei, sei kein Rechtsmittel zulässig. Die Beschwerde sei überdies nicht vom gesetzlichen Vertreter des Beschwerdeführers genehmigt worden. Daher sei sie als unzulässig zurückzuweisen.
Die belangte Behörde habe im weiteren Verfahren, da der BF in der Zwischenzeit volljährig geworden ist, den Asylbescheid diesem bzw. seiner rechtsfreundlichen Vertretung neuerlich zuzustellen. Vor einer neuerlichen Zustellung habe die belangte Behörde jedoch unter Zugrundlegung der bisher schlüssigen Beweiswürdigung im Hinblick auf die Fluchtgründe bzw. Rückkehrbedingungen die in der Zwischenzeit hervorgekommenen Ermittlungsergebnisse (Anfragebeantwortung des Vertrauensanwaltes der österreichischen Botschaft in Islamabad, die Angaben des BF im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht sowie die Stellungnahmen des BF bzw. seiner rechtsfreundlichen Vertretung) zu berücksichtigen sowie zu würdigen.
4. Mit Aktenvermerk vom 05.04.2018 hat die belangte Behörde ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gemäß § 27 Abs. 2 AsylG eingeleitet, da der BF beim Landesgericht für Strafsachen Graz mit Urteil vom 23.10.2015 zu Zl. 005 HV 43/15p wegen §§ 28a (1) 2. Fall, § 28a (4) Z 3 SMG, § 27 (1) Z 1 2. Fall SMG, §§ 28a (1) 5. Fall, 28a (4) Z 3 SMG, § 297 (1) 2. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten - rechtskräftig seit 02.03.2016 - verurteilt - somit straffällig - wurde und daher ein besonderes öffentliches Interesse vorliege.
Das bis dahin geführte Ermittlungsverfahren wurde von der belangten Behörde mit einer schriftlichen Aufforderung an den BF ergänzt, womit ihm aufgetragen wurde bekanntzugeben, ob er in Österreich verheiratet ist oder in einer Lebensgemeinschaft lebt, ob er in Österreich lebende Kinder habe und ob er nahe Verwandte oder Verwandte in Österreich habe, von denen er finanziell abhängig ist; weiters ob er einen Deutschkurs besuche, ob er Deutsch spreche, ob er Arbeit in Österreich habe, ob er einen Freundeskreis oder bisher nicht genannte Verwandte oder andere besondere Bindungen in Österreich habe und ob sich sonstige verfahrensrelevante Umstände (beispielsweise gesundheitliche Aspekte) in seinem Bereich ergeben hätten.
Mit Verfahrensanordnung vom 05.04.2018 wurde dem BF auch mitgeteilt, dass er seines Aufenthaltsrechtes im Bundesgebiet gemäß § 13 Abs. 2 AsylG (wegen Straffälligkeit gemäß § 2 Abs. 3 AsylG) verlustig geworden sei.
Der BF hat mit Schreiben vom 22.04.2018 zu den an ihn gestellten Fragen eine Stellungnahme bzw. die Beantwortung abgegeben.
5. Die belangte Behörde hat daraufhin mit Bescheid vom 09.05.2018; Zl. 13- XXXX , über den Antrag des BF vom 21.01.2011 entschieden und diesen wiederum sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten als auch bezüglich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen (Spruchpunkte I und II). Darüber hinaus wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Pakistan gemäß § 42 zulässig sei (Spruchpunkt III). Dem BF wurde gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt I - gemeint: IV), einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt II - gemeint: V) und gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG ausgesprochen, dass der BF das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab 12.04.2018 verloren habe (Spruchpunkt I - gemeint VI).
Als Beweismittel hat die belangte Behörde Kopien von drei - vom BF vorgelegten - Zeugnissen, die Einvernahmen vom 21.01.2011, 27.01.2011 und vom 10.03.2011 sowie ein Gutachten zur Altersfeststellung, den Beschluss des BVwG vom 15.05.2014 und das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 23.10.2015 herangezogen. Des Weiteren hat die belangte Behörde zur Lage in Pakistan umfangreiche Länderfeststellungen im Bescheid angeführt.
Begründet wurde die Entscheidung im Wesentlichen damit, dass der BF bei der Antragstellung bereits volljährig gewesen sei, dass er keinen Fluchtgrund glaubhaft gemacht habe und keine Abschiebungshindernisse vorliegen würden. Der BF habe in Österreich keine Familienangehörigen, führe demnach kein Familienleben, das öffentliche Interesse an seiner Abschiebung wiege schwerer als sein privates Interesse und die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen liegen nicht vor. Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde sei auszuschließen, weil der BF straffällig geworden sei und er eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstelle. Aus diesem Grund habe er auch sein Aufenthaltsrecht gemäß § 13 AsylG verloren und käme ihm bloß ein faktischer Abschiebeschutz zu.
6. Mit Verfahrensanordnung vom 16.05.2018 wurde dem BF der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt. Mit weiterer Verfahrensanordnung vom 16.05.2018 wurde der BF verpflichtet, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.
7. Mit Schriftsatz vom 25.06.2018 ließ der BF über einen beauftragten Rechtsanwalt vollinhaltlich Beschwerde gegen den o. a. Bescheid einbringen. Zur Begründung wurde Verletzung in seinen subjektiven Rechten wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Verletzung von Verfahrensvorschriften angeführt. Gründe zum Sachverhalt und zur Rechtswidrigkeit des Verfahrens wurden umfangreich ausgeführt.
8. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.07.2018, Zl.: L509 1420024-2/3E, wurde in Erledigung der Beschwerde der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen. Eine Revision wurde gemäß § 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.
Begründend wurde ausgeführt, dass sich die belangte Behörde auf Einvernahmen des BF gestützt habe, die bereits 7 Jahre zurückliegen und darüber hinaus eine in einem ersten Rechtszug beim BVwG durchgeführte Einvernahme bzw. in diesem Rechtszug vom BVwG getroffene Feststellungen nicht berücksichtigt habe. Der belangten Behörde hätte bewusst sein müssen, dass sich eine (neuerliche) persönliche Einvernahme des BF im Verfahren zur Sachverhaltsfeststellung als notwendig erweist. Es seien also konkrete Anhaltspunkte anzunehmen gewesen, dass die Verwaltungsbehörde Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Diese Unterlassung sei im Sinne der zuvor zitierten Rechtsprechung des VwGH als besonders krasse bzw. gravierende Ermittlungslücke zu werten, die zur Zurückverweisung des Verfahrens an die Verwaltungsbehörde (das BFA) führen.
9. Die belangte Behörde hat in der Folge den BF am 05.06.2019 neuerlich asylbehördlich einvernommen. Dabei gab er im Wesentlichen an, dass er in einer Schule gewesen sei, wo Mitschüler Kontakt zu Taliban gehabt hätten. Der BF sei gezwungen worden, mit den Taliban zu kämpfen. Sein Onkel, der immer mit den Taliban zu tun gehabt hätte, habe dann entschieden, dass der BF sein Heimatland verlassen soll. Auf dem Weg von der Schule nach Hause sei er entführt worden und in die Berge in eine Art Feiluftgefängnis gebracht worden. Das Lager sei von der NATO erobert worden und viele Taliban seien geflohen, haben aber vorher noch Leute erschossen. Er könne nicht zurückkehren. Wenn die Taliban erfahren, dass er wieder da ist und aus Österreich komme, würden sie annehmen, dass er Geld hat und sie würden ihn wieder entführen und umbringen.
10. Die belangte Behörde erachtete das Vorbringen des BF nicht als glaubhaft und hat den Antrag auf internationalen Schutz vom 17.09.2018 (gemeint: 21.01.2011) mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid vom 24.09.2019 vollinhaltlich abgewiesen, weder den Status eines Asylberechtigten noch den eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt, einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen, die Abschiebung nach Pakistan für zulässig erklärt, festgestellt, dass der BF das Recht zum Aufenthalt gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG ab 12.09.2019 verloren habe, ein auf 4 Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen, der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt und keine Frist für eine freiwillige Ausreise festgesetzt.
Mit Verfahrensanordnung vom 24.09.2019 wurde dem BF der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt. Mit weiterer Verfahrensanordnung gleichen Datums wurde der BF verpflichtet, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.
Der Bescheid wurde dem BF am 25.09.2019 zu eigenen Handen zugestellt.
11. Der Verein Menschenrechte Österreich wurde am 02.10.2019 vom BF zur Vertretung bevollmächtigt.
12. Mit Schriftsatz vom 23.10.2019 wurde gegen den angeführten Bescheid durch die rechtsfreundliche Vertretung des BF Beschwerde eingebracht. Die Beschwerde langte samt Akt am 07.11.2019 bei der zuständigen Gerichtsabteilung L509 ein.
Mit der Beschwerde wird der Bescheid vollinhaltlich in allen Spruchpunkten angefochten und unschlüssige Beweiswürdigung, unschlüssige rechtliche Beurteilung sowie mangelhaftes Ermittlungsverfahren geltend gemacht. Im Einzelnen wird begründend ausgeführt, dass sich anhand des Einvernahmeprotokolls schließen ließe, die belangte Behörde verkennt die gesamte Situation in ihrem kulturellen Kontext. Die genaue chronologische Abfolge der Ereignisse sowie die bestehende individuelle Verfolgung seiner Person habe der Beschwerdeführer in der Einvernahme vom 5.6.2019 geschildert und werde vollinhaltlich auf das bisher vorgebrachte verwiesen.
Die belangte Behörde habe es unterlassen, auf das individuelle Vorbringen des BF einzugehen und die Gesamtbeurteilungen anhand der verfügbaren herkunftsstaatsspezifischen Informationen und entsprechend der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verabsäumt. Die Fluchtgeschichte des Beschwerdeführers würde sich in den entscheidenden Passagen mit den Informationen der Länderfeststellungen decken. Das Bundesamt habe bereits die anhaltenden Bedrohungen, versuchte Rekrutierung, "Festnahme" aufgrund der Nicht-Kooperation durch die Taliban für nicht glaubhaft befunden, obwohl diese gezielt gegenüber Personen mit dem Profil des Beschwerdeführers ausgesprochen werden. Der Beschwerdeführer habe überdies seit Ankunft im Bundesgebiet ein schützenswertes Privat- und Familienleben erworben. Er lebe seit über fünf Jahren in einer Beziehung zu einer, namentlich genannten Frau, wobei sich den Schilderungen des Beschwerdeführers ein wechselseitiges Abhängigkeitsverhältnis entnehmen ließe. Zugleich gelte es zu beachten, dass der Beschwerdeführer zu seiner Kernfamilie seit 2016 keinen Kontakt mehr habe. Die sprachliche Integration des Beschwerdeführers sei bemerkenswert gut, sodass er beispielsweise für die Einvernahme beim BFA von sich auf den Dolmetscher verzichten wollte, da er besser des Deutschen mächtig war. Hinsichtlich des Einreiseverbotes sei der belangten Behörde zuzustimmen, dass dem öffentlichen Interesse bei einer rechtskräftigen Verurteilung aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zukommt. Im vorliegenden Fall bedürfe es allerdings einer Gesamtbeurteilung bzw. einer ausführlichen Interessenabwägung zwischen den privaten und den öffentlichen Interessen. Die Verhängung der Strafhaft habe beim Beschwerdeführer zu großer Einsicht über das Unrechtsbewusstsein seines Handelns geführt. Im Hinblick auf eine Zukunftsprognose könne von einer positiv verwertbaren Kenntnis des Urteils gesprochen werden.
Angesichts der starken Bindungen sowie der glaubhaft dargestellten positiven Zukunftsprognose des Beschwerdeführers, sei das von der belangten Behörde verfügte Einreiseverbot im Hinblick auf die Schutzwürdigkeit des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers aufgrund der berücksichtigungswürdigen Sachlage aus gegenwärtiger Sicht jedenfalls unverhältnismäßig im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK. Insgesamt sei der Eindruck zu gewinnen, dass die belangte Behörde bei der Entscheidungsfindung anhand der vermeintlichen Eindeutigkeit des Falles im Hinblick auf den ersten und zweiten Spruchpunkt insbesondere den dritten Spruchpunkt lediglich pro forma beurteilt habe, ohne die erwähnten Umstände gebührend zu würdigen. Die für den Erlass eines Einreiseverbotes notwendige Gemeingefährlichkeit sei anhand einer Zukunftsprognose zu eruieren. Hierbei käme es auf das gesamte Verhalten des Beschwerdeführers an. Es seien seine Einstellung während der Dauer des Aufenthaltes gegenüber dem Staat bzw. der Bürger dieses Staates und seine in diesem Zeitraum gesetzten Handlungen maßgeblich, welche geeignet sind, das ordentliche und sichere Zusammenleben der Gemeinschaft zu gefährden. Im Rahmen einer Prognoseentscheidung könne jedoch von einem endgültigen Abwenden von einer kriminellen Gesinnung ausgegangen werden. Der Beschwerdeführer bereue seine für die Delinquenz ursächliche Drogenabhängigkeit sehr. Ab Mai 2019 habe er, damals noch auf freiem Fuß, sein Leben neu zu sortieren begonnen und besuchte er den Kurs "Jugend und Perspektive" beim AMS. Nach etwa sechs Wochen in Freiheit habe ein Moment der Schwäche zu einem Rückfall und der bedauerlichen gegenständlichen Verurteilung geführt.
Angesichts der starken Bindungen sowie des glaubhaft dargestellten Integrationswillens des Beschwerdeführers wäre, die von der belangten Behörde verfügte Rückkehrentscheidung im Hinblick auf die Schutzwürdigkeit des Privat und Familienlebens des Beschwerdeführers aufgrund der berücksichtigungswürdigen Sachlage aus gegenwärtiger Sicht jedenfalls unverhältnismäßig im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK. Da die genannten Umstände ihrem Wesen nach nicht vorübergehend sind, sei die Ausweisung des Beschwerdeführers aus dem österreichischen Bundesgebiet auf Dauer für unzulässig zu erklären.
Mit der Beschwerde werden die Anträge gestellt, den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dem Antrag auf internationalen Schutz Folge zu gegeben und den Status des Asylberechtigten, in eventu den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen; in eventu die Rückkehrentscheidung aufzuheben bzw. die festgestellte Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 46 aufzuheben; in eventu die Ausweisung des Beschwerdeführers aus dem österreichischen Bundesgebiet auf Dauer für unzulässig zu erklären; in eventu einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 und 55 Asylgesetz zu erteilen und - falls als notwendig erachtet werde - eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht anzuberaumen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt und den obigen Ausführungen.
2. Feststellungen:
2.1. Der BF trägt den im Spruch angeführten Namen und ist an dem angegebenen Datum geboren. Er ist pakistanischer Staatsangehöriger, stammt aus der pakistanischen Provinz K. P., gehört zur Volksgruppe der Paschtunen und bekennt sich zum sunnitischen Islam. Seine Identität steht nicht fest. Der Familienstand ist ledig und er hat keine Kinder.
Er hat 11 Jahre lang die Schule besucht. Der BF besitzt keine besondere Ausbildung und ist in seinem Heimatland bis zu seiner Ausreise noch keiner Beschäftigung nachgegangen, spricht aber die Sprachen Paschtu, Dari, Urdu und Deutsch sowie auf niedrigem Niveau Englisch. Im Heimatland leben noch seine Eltern, vier Brüder und drei Schwestern. Zum derzeitigen Aufenthaltsort seiner Familie konnte der BF keine Angaben machen, da er seit einiger Zeit "aus Sicherheitsgründen" keinen Kontakt mehr zu ihnen aufgenommen hat.
Der im Jänner 2011 nach Österreich illegal eingereiste BF hat in Österreich keine Verwandten, führt aber seit ca. 4 Jahren eine Beziehung zu einer namentlich genannten Frau, jedoch keine Lebensgemeinschaft. Er bezog zum größten Teil seines Aufenthaltes hier in Österreich Leistungen aus der Grundversorgung. Vom 23.08.2018 bis 22.08.2019 war der BF im Besitze einer Beschäftigungsbewilligung des AMS als Metallarbeiter bei einem Arbeitgeber in der Steiermark.
Der BF wurde von einem österreichischen Gericht bisher insgesamt drei Mal rechtskräftig wegen Straftaten nach dem Suchtmittelgesetz und StGB verurteilt:
* Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 23.10.2015 zu Zahl: 005 HV 43/2015p (rechtskräftig seit 2.3.2016) wurde der BF wegen §§ 28a (1) 2. Fall, 28a (4) Ziffer 3 SMG, § 27 (1) Ziffer 1 2. Fall SMG, §§ 28a (1) 5. Fall, 28a (4) Ziffer 3 SMG, § 297 (1) 2. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten verurteilt.
* Durch das Landesgericht für Strafsachen Graz, Zl. 230 HV 70/2018t wurde der BF am 30.08.2018 (rechtskräftig seit 30.08.2018) nach § 27 Abs. 2a zweiter Fall SMG, § 27 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall und § 27 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall Abs. 2 SMG zu einer unbedingten Freiheitstrafe von 10 Monaten verurteilt
* Am 11.07.2019 - kurz nach seiner Haftentlassung im Jahr 2019 - wurde der BF abermals durch das Landesgericht für Strafsachen Graz wegen § 127 StGB, §§ 27 (2a) 2. Fall, 27 (3), 27 (1) Z 1 2. Fall, 27 (1) Z 1 1. Fall SMG zu 12 Monaten unbedingte Freiheitsstrafe verurteilt. Der BF befindet sich seit dem 12.07.2019 in Untersuchungshaft und seit dem 30.08.2019 in Strafhaft.
2.2. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF Pakistan einer asylrelevanten Verfolgung war oder zum gegenwärtigen Zeitpunkt im Falle der Rückkehr nach Pakistan einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt ist. Das Vorbringen des BF ist nicht glaubhaft. Ebenso wenig konnte eine sonstige Gefährdung an seinen durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechten festgestellt werden. Geht man aber davon aus, dass der BF im Falle der Rückkehr in sein Heimatdort doch einer lebensbedrohlichen Gefahr ausgesetzt ist, stünde ihm eine innerstaatliche Fluchtalternative jedenfalls in einer der Großstädte Pakistans offen. Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen liegen nicht vor. Durch die Rückkehrentscheidung wird der BF nicht in seinem durch Art. 8 ERMK garantierten Recht verletzt und ist seine Abschiebung nach Pakistan zulässig.
Der BF hat hier in Österreich wiederholt schwere Straftaten begangen und wurde er diesbezüglich rechtskräftig verurteilt. Die Prognose, dass er in Hinkunft eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt, ist zutreffend. Die Voraussetzungen für die Erlassung eines Einreiseverbotes liegen vor. Es ergaben sich keine Gründe, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Es ist davon auszugehen, dass der BF seiner Ausreiseverpflichtung nicht freiwillig nachkommen wird.
2.3. Zum Herkunftsland Pakistan werden folgende Feststellungen getroffen:
Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen
KI vom 28.5.2019: Nord-Wasiristan: drei Tote bei Zusammenstößen zwischen Militär und PTM (Betrifft Abschnitte 5. Ethnische Minderheiten/Paschtunen; 5. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition; 3.2. Sicherheitslage/Khyber Pakhtunkhwa)
Während einer Demonstration der Pashtun Tahafuz Movement (PTM) kam es bei einem Kontrollpunkt in Boya, im Stammesdistrikt (Tribal District) Nord-Wasiristan (Provinz Khyber Pakhtunkhwa) am 26.5.2019 zu einem Schusswechsel (Standard 28.5.2019; vgl. AI 27.5.2019).
Gemäß Angaben des Nachrichtendienstes der pakistanischen Armee (Inter Services Public Relations, ISPR) wurde der Kontrollposten von einer von zwei führenden Mitgliedern der PTM sowie Mitgliedern der Nationalversammlung, Mohsin Dawar und Ali Wazir, angeführten Gruppe angegriffen. Beim darauffolgenden Schusswechsel wurden drei Personen getötet und 15 Personen - darunter fünf Soldaten - verletzt (Dawn 26.5.2019).
PTM-Aktivist Mohsin Dawar bestritt diese Version und beschuldigte die Armee, das Feuer auf die friedliche Kundgebung eröffnet zu haben (VOA 26.5.2019; vgl. Dawn 26.5.2019). Gemäß Angaben der PTM wurden dabei fünf Aktivisten getötet und 45 weitere verletzt (PT 27.5.2019). Der Abgeordnete zur Nationalversammlung Ali Wazir wurde gemeinsam mit einigen anderen Aktivisten der PTM verhaftet. Mohsin Dawar ist hingegen untergetaucht (VOA 26.5.2019; vgl. Dawn 27.5.2019).
Gemäß Angaben von Dawar wollte das Sicherheitspersonal verhindern, dass die Gruppe an einer Demonstration teilnimmt, die gegen mutmaßliche Übergriffe durch das Militär im Zuge einer Suchoperation gerichtet war (VOA 26.5.2019). Besagtem Protest durch die örtliche Bevölkerung, der am 25.5.2019 in Doga Macha Madakhel (Nord Wasiristan) begann, haben sich später Mitglieder der PTM angeschlossen (Dawn 26.5.2019; vgl. PT 27.5.2019). Im Zuge der Suchoperation wurde eine Frau zusammengeschlagen (VOA 26.5.2019; vgl. Dawn 26.5.2019) sowie einige Personen verhaftet (VOA 26.5.2019). Gemäß Angaben der PTM verlief diese Veranstaltung ruhig, bis Dawar und Wazir in der Gegend ankamen, um ebenfalls am Protest teilzunehmen. Nachdem bei dieser Demonstration Unruhen ausgebrochen waren, wurden mindestens 20 Personen verletzt (Dawn 26.5.2019).
In Folge dieser Zwischenfälle wurde in Nord-Wasiristan eine Ausgangssperre verhängt sowie Telefon- und Internetdienste abgeschalten (Dawn 26.5.2019; vgl. VOA 26.5.2019, PT 27.5.2019), weswegen es schwierig ist, Berichte aus dieser Region zu erhalten (VOA 26.5.2019).
Am 26.5.2019 wurde Ali Wazir einem Anti-Terror-Gericht in Bannu vorgeführt. Vom Gericht wurde eine achttägige Untersuchungshaft angeordnet und Wazir muss am 4.6.2019 wieder vor Gericht erscheinen. Er wurde u.A. wegen Terrorismus und Mordes angezeigt (Dawn 27.5.2019)
Die pakistanischen Behörden haben ihr Vorgehen gegen die PTM intensiviert (AI 27.5.2019). Im April 2019 richtete sich Premierminister Imran Khan an das PTM, wobei er die Anliegen der Paschtunen würdigte, jedoch klar machte, dass er Eskalationen nicht gutheiße (Dawn 26.5.2019). Ende April 2019 erhob die Armee Vorwürfe, dass die PTM Finanzierung durch afghanische und indische Geheimdienste erhalte (Dawn 26.5.2019; vgl. VOA 26.5.2019, Dawn 30.4.2019) und warnte die PTM, dass "ihre Zeit vorbei" sei, und dass diese die "roten Linien" nicht überschreiten solle (Dawn 26.5.2019; vgl. Dawn 30.4.2019). Es wurde eine mögliche nicht näher spezifizierte Aktion gegen die PTM angekündigt, wobei der Armeesprecher angab, dass diese Ansage keine "Kriegserklärung" sei und weder illegale Aktionen noch Unannehmlichkeiten für normale Paschtunen geplant seien (Dawn 30.4.2019).
Quellen:
? AI - Amnesty International (27.5.2019): Pakistan: Investigate North Waziristan killings, https://www.amnesty.org/en/latest/news/2019/05/pakistan-investigate-north-waziristan-killings/, Zugriff 28.5.2019
? Dawn (26.5.2019): 3 people killed, 5 soldiers injured in exchange of fire at check post in North Waziristan, https://www.dawn.com/news/1484709, Zugriff 28.5.2019
? Dawn (27.5.2019): MNA Ali Wazir produced before ATC, remanded in CTD custody for 8 days, https://www.dawn.com/news/1484918, Zugriff 28.5.2019
? Dawn (30.4.2019): Foreign spy agencies fund PTM, says army, https://www.dawn.com/news/1479321/foreign-spy-agencies-fund-ptm-says-army, Zugriff 28.5.2019
? PT - Pakistan Today (27.5.2019): 3 killed, 15 injured in 'PTM-Army clash' in North Waziristan, https://www.pakistantoday.com.pk/2019/05/26/3-killed-15-injured-in-ptm-army-clash-in-north-waziristan/, Zugriff 28.5.2019
? Standard, der (28.5.2019): Amnesty fordert Untersuchung des Todes von Demonstranten in Pakistan, http://derstandard.at/2000103942873/Amnesty-fordert-Untersuchung-des-Todes-von-Demonstranten-in-Pakistan, Zugriff 28.5.2019
? VOA - Voice of America (26.5.2019): 3 Killed in Skirmish Between Pakistan Security Forces, Rights Activists, https://www.voanews.com/a/killed-in-skirmish-between-pakistan-security-forces-rights-activists/4933709.html, Zugriff 28.5.2019
Sicherheitslage
Die Bedrohung durch Terrorismus und Extremismus bleibt zentrales Problem für die innere Sicherheit des Landes (AA 1.2.2019a; vgl. USDOS 19.9.2018). Landesweit ist die Zahl der terroristischen Angriffe seit 2009, zurückgegangen (PIPS 7.1.2019; vgl. AA 21.8.2018, USDOS 19.9.2018). Konflikte mit dem Nachbarland Indien werden gelegentlich gewaltsam ausgetragen (EASO 10.2018 S 16).
Die Taliban und andere militante Gruppen verüben Anschläge insbesondere in Belutschistan und in Khyber-Pakhtunkhwa (AA 21.8.2018), aber auch in Großstädten wie Karatschi (AA 1.2.2019a). Über 90 % der terroristischen Anschläge sowie Todesopfer entfielen 2018 auf die zwei Provinzen Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa (PIPS 7.1.2019). Die Anschläge zielen vor allem auf Einrichtungen des Militärs und der Polizei. Opfer sind aber auch politische Gegner der Taliban, Medienvertreter, religiöse Minderheiten, Schiiten, sowie Muslime, die nicht der strikt konservativen Islam-Auslegung der Taliban folgen, wie die Sufis (AA 1.2.2019a).
Die Operationen der Rangers [siehe dazu Abschnitt 4] in Karatschi (ab 2013), Militäroperationen in Nord-Wasiristan und der Khyber Agency [Stammesbezirke der Provinz Khyber Pakhtunkhwa, Anm.], sowie landesweite Anti-Terror-Operationen als Teil des National Action Plan (NAP) trugen dazu bei, den rückläufigen Trend bei der Zahl der Vorfälle und der Opfer auch 2018 aufrecht zu halten (PIPS 7.1.2019 S 20; vgl. EASO 10.2018 S 18). In den ehemaligen Stammesgebieten (Federally Administered Tribal Areas - FATA) konnte das staatliche Gewaltmonopol überwiegend wiederhergestellt werden (AA 21.8.2018), die Militäraktionen gelten als abgeschlossen (Dawn 29.5.2018). Viele militante Gruppen, insbesondere die pakistanischen Taliban, zogen sich auf die afghanische Seite der Grenze zurück und agitieren von dort gegen den pakistanischen Staat (AA 21.8.2018).
Im aktuellen Konflikt zwischen Indien und Pakistan demonstrierten beide Staaten, die über Nuklearwaffen verfügen, dass sie bereit sind, die Lage weiter eskalieren zu lassen (Dawn 8.4.2019 vgl. BMEIA 27.3.2019). Jedoch wird ein Atomkrieg als äußerst unwahrscheinlich gesehen (DW 28.2.2019).
Im Vorfeld der Parlamentswahlen am 25.7.2018 erlebte Pakistan eine Welle von Gewalt mit größeren Anschlägen in verschiedenen Provinzen, für die militante aufständische Gruppierungen die Verantwortung übernahmen. Der Selbstmordanschlag am 13.7.2018 auf eine politische Versammlung in Mastung, Belutschistan, mit 150 Toten war der Anschlag mit den dritt-meisten Todesopfern, der bis dahin jemals in Pakistan verübt wurde (EASO 10.2018 S 18; vgl. PIPS 7.1.2019 S 43). Am Wahltag waren 370.000 Soldaten und 450.000 Polizisten mit erweiterten Befugnissen im Einsatz, um die Wahllokale zu sichern. Am Wahltag kam es in Belutschistan zu zwei Anschlägen mit Todesopfern auf Wahllokale und es gab regional Zusammenstöße zwischen Anhängern unterschiedlicher Parteien (EUEOM 27.7.2018; vgl. Dawn 26.7.2018) vorwiegend in Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa (Dawn 26.7.2018).
Die verschiedenen militanten, nationalistisch-aufständischen und gewalttätigen religiös-konfessionellen Gruppierungen führten 2018 landesweit 262 terroristische Angriffe durch. Dabei kamen 595 Menschen ums Leben und weitere 1.030 wurden verletzt. Unter den Todesopfern waren 371 Zivilisten, 173 Angehörige der Sicherheitskräfte und 51 Aufständische. 136 (52 %) Angriffe zielten auf staatliche Sicherheitskräfte, jedoch die höchste Zahl an Opfern (218 Tote und 394 Verletzte) gab es bei insgesamt 24 Terrorangriffen auf politische Persönlichkeiten. Zivilisten waren das Ziel von 47 (18 %) Angriffen, acht waren Angriffe auf regierungsfreundliche Stammesälteste bzw. Mitglieder der Friedenskommittees und sieben hatten Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft zum Ziel (PIPS 7.1.2019 S 17f). Im Vergleich zu 2017 gab es im Jahr 2018 29 Prozent weniger terroristische Angriffe, bei denen um 27 Prozent weniger Todesopfer und um 40 Prozent weniger Verletzte zu beklagen waren (PIPS 7.1.2019).
Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP) und ihre Splittergruppen, insbesondere Jamaatul Ahrar und Hizbul Ahrar, bzw. Gruppen mit ähnlichen Zielen wie lokale Talibanfraktionen, Lashkar-e-Islam und Islamischer Staat führten 2018 171 terroristische Angriffe mit 449 Toten und 769 Verletzten durch. Nationalistische Gruppierungen, vorwiegend belutschische, führten 80 terroristische Angriffe mit 96 Toten und 216 Verletzten durch. Elf terroristische Angriffe mit 50 Toten und 45 Verletzten waren konfessionell motiviert (PIPS 7.1.2019).
Das Pakistan Institute for Peace Studies (PIPS) registrierte für die Jahre 2017, 2018 bzw. das erste Quartal 2019 (1.1. bis 31.3.) für gesamt Pakistan sowie die unterschiedlichen Provinzen bzw. Gebiete nachfolgende Zahlen an terroristischen Anschlägen und Todesopfern (Quellenangabe siehe Tabelle; Darstellung BFA Staatendokumentation):
Insgesamt gab es im Jahr 2018 in Pakistan, inklusive der oben genannten terroristischen Anschläge, 497 Vorfälle von für die Sicherheitslage relevanter Gewalt (2017: 713; -30 %), darunter 31 operative Schläge der Sicherheitskräfte (2017: 75), 22 Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen (2017: 68), 131 Auseinandersetzungen an den Grenzen mit Indien, Afghanistan und Iran (2017: 171) und 22 Vorfälle von ethnischer oder politischer Gewalt (2017: vier) (PIPS 7.1.2019 S 19f; Zahlen für 2017: PIPS 7.1.2018 S 20). Die Zahl der bei diesen Vorfällen getöteten Personen sank um 46 % auf 869 von 1.611 im Jahr 2017, die Zahl der verletzten Personen sank im selben Zeitraum um 31 % von 2.212 auf 1.516 (PIPS 7.1.2019 S 20).
Im Februar 2019 eskalierten die Spannungen zwischen Indien und Pakistan im lang anhaltenden Kaschmir-Konflikt (Time 28.2.2019; vgl. UKFCO 7.3.2019). Der indische Luftangriff vom 26.2., bei dem laut pakistanischen Angaben keine Menschen zu Schaden kamen (Time 28.2.2019) in Balakot, Provinz Khyber Pakhtunkhwa, war seit 1971 der erste Angriff Indiens auf pakistanisches Gebiet außerhalb Kaschmirs (Spiegel 2.3.2019). Am 27.2. wurde ein indisches Kampfflugzeug in pakistanischem Luftraum abgeschossen (Time 28.2.2019). Es kommt zu wiederholten Grenzverletzungen und Militäraktionen zwischen Pakistan und Indien (BMEIA 27.3.2019). Durch Schusswechsel über die Demarkationslinie hinweg werden auf beiden Seiten immer wieder Soldaten und Zivilisten verletzt oder getötet (Standard 2.4.2019; vgl. Presse 2.3.2019, Reuters 3.3.2019). Siehe dazu auch Abschnitt 4.
Nach dem Angriff auf die Militärschule in Peschawar im Dezember 2014 wurde der National Action Plan (NAP) gegen Terrorismus in Kraft gesetzt. Die 20 Punkte des Plans umfassen Maßnahmen sowohl gegen Terrorismus als auch gegen Extremismus. Gemäß Einschätzung von PIPS wurden in den vier Jahren, die der Plan nun in Kraft ist, zufriedenstellende Fortschritte im Bereich der Terrorismusbekämpfung erzielt. Die Fortschritte im Bereich der Extremismusbekämpfung werden als nicht zufriedenstellend angesehen (PIPS 7.1.2019 S 89ff).
Die Regierung unterhält Deradikalisierungszentren, die "korrigierende religiöse Bildung", Berufsausbildung, Beratung und Therapie anbieten. Weithin gelobt ist das Sabaoon Rehabilitation Center einer NGO im Swat-Tal, das gemeinsam mit dem Militär gegründet wurde und sich an jugendliche ehemalige Extremisten richtet (USDOS 19.9.2018).
Trotz gesetzlicher Regelungen gegen die Finanzierung von Terrorismus, die internationalen Standards entsprechen, werden Gruppen wie Lashkar-e Tayyiba nicht effektiv daran gehindert, in Pakistan Spenden zu lukrieren oder auf ihre finanziellen Mittel zuzugreifen. Auch gibt es Lücken in der Umsetzung der Sanktionen des UN-Sicherheitsrates gegen Al-Qaeda und den Islamischen Staat (USDOS 19.9.2018).
Quellen:
? AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (1.2.2019a): Pakistan: Staatsaufbau und Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/pakistan-innenpolitik/205010, Zugriff 25.2.2019
? AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (21.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN (Stand: August 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/1442726/4598_1536328003_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-pakistan-stand-august-2018-21-08-2018.pdf, Zugriff 21.2.2019
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? Dawn (26.7.2018): 'Naya Pakistan' imminent: PTI leads in slow count of 11th general elections vote, https://www.dawn.com/news/1421984/voting-underway-across-pakistan-amid-tight-security-with-only-hours-left-till-polling-ends, Zugriff 3.4.2019
? Dawn (29.5.2018): Fata's historic transition, https://www.dawn.com/news/1410706/fatas-historic-transition, Zugriff 19.3.2019
? DW - Deutsche Welle (28.2.2019): Opinion: India, Pakistan, and the remote but real threat of nuclear war, https://www.dw.com/en/opinion-india-pakistan-and-the-remote-but-real-threat-of-nuclear-war/a-47721752, Zugriff 8.4.2019
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Punjab und Islamabad
Die Bevölkerung der Provinz Punjab beträgt laut Zensus 2017 110 Millionen. In der Provinzhauptstadt Lahore leben 11,1 Millionen Einwohner (PBS 2017d). Islamabad, die Hauptstadt Pakistans, ist verwaltungstechnisch nicht Teil der Provinz Punjab, sondern ein Territorium unter Bundesverwaltung (ICTA o.D.). Die Bevölkerung des Hauptstadtterritoriums beträgt laut Zensus 2017 ca. zwei Millionen Menschen (PBS 2017d).
Die Sicherheitslage in Islamabad ist besser als in anderen Regionen (EASO 10.2018 S 93). Die Sicherheitslage im Punjab gilt als gut (SAV 29.6.2018). Mehrere militante Gruppierungen, die in der Lage sind, Anschläge auszuüben, sind im Punjab aktiv (EASO 10.2018 S 63-64; vgl. SAV 29.6.2018). In großen Städten wie Lahore und Islamabad-Rawalpindi gibt es gelegentlich Anschläge mit einer hohen Zahl von Opfern, durchgeführt von Gruppen wie den Tehreek-i-Taliban Pakistan (TTP), Al Qaeda oder deren Verbündeten (ACLED 7.2.2017); beispielsweise wurden bei einem Bombenanschlag durch die TTP-Splittergruppe Hizbul-Ahrar auf Polizeieinheiten vor einem Sufi-Schrein in Lahore am 8.5.2019 zehn Personen getötet. (Guardian 8.5.2019; vgl. Reuters 8.5.2019). Der Südpunjab gilt als die Region, in der die militanten Netzwerke und Extremisten am stärksten präsent sind (EASO 10.2018 S 63-64).
Für das erste Quartal 2019 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS für das Hauptstadtterritorium Islamabad keinen und für den Punjab zwei terroristische Angriffe mit zwei Toten (Aggregat aus: PIPS 6.2.2019. PIPS 7.3.2019, PIPS 10.4.2019). Im Jahr 2018 wurde von PIPS im Hauptstadtterritorium kein terroristischer Angriff gemeldet. Im Punjab gab es vier terroristische Anschläge mit 20 Todesopfern. Zwei davon waren Selbstmordsprengangriffe durch die pakistanischen Taliban (PIPS 7.1.2019 S 49). Im Jahr 2017 kamen im Punjab bei 14 Anschlägen 61 Personen ums Leben, davon fanden sechs Vorfälle mit 54 Toten in Lahore statt. Das Hauptstadtterritorium verzeichnete drei Anschläge mit zwei Todesopfern (PIPS 7.1.2018).
Quellen:
? ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project (7.2.2017): Regional Violence in Pakistan, https://www.crisis.acleddata.com/regional-violence-in-pakistan/. Zugriff 5.4.2019
? EASO - European Asylum Support Office (10.2018): EASO Informationsbericht über das Herkunftsland Pakistan - Sicherheitslage, https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/Plib/EASO_Pakistan_SecuritySituation_October2018_DE.pdf, Zugriff 12.3.2019
? Guardian, the (8.5.2019): Pakistan: 10 dead after blast near Sufi shrine in Lahore, https://www.theguardian.com/world/2019/may/08/pakistan-dead-blast-near-major-sufi-shrine-lahore, Zugriff 15.5.2019
? ICTA - Islamabad Capital Territory Administration (o.D.): About ICTA, https://ictadministration.gov.pk/about-icta/, Zugriff 5.4.2019
? PBS - Pakistan Bureau of Statistics (2017d): PROVINCE WISE PROVISIONAL RESULTS OF CENSUS - 2017, http://www.pbs.gov.pk/sites/default/files/PAKISTAN%20TEHSIL%20WISE%20FOR%20WEB%20CENSUS_2017.pdf, Zugriff 26.3.2019
? PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (7.1.2018): Pakistan Security Report 2017, https://pakpips.com/app/reports/wp-content/uploads/2018/03/sr2017.pdf, Zugriff 8.4.2019
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? PIPS - Pak Institute for Peace Studies (7.3.2019): Pakistan Monthly Security Report: February 2019, https://pakpips.com/app/reports/453, Zugriff 2.4.2019
? Reuters (8.5.2019): Militant bomb near Sufi shrine kills 10 in Pakistan's Lahore, https://www.reuters.com/article/us-pakistan-blast/militant-bomb-near-sufi-shrine-kills-10-in-pakistans-lahore-idUSKCN1SE0C2, Zugriff 15.5.2019
? SAV - South Asian Voices (29.6.2018): What the Case of Punjab Says about Pakistan's Counterterrorism Policy, https://southasianvoices.org/pakistan-counterterrorism-punjab/, Zugriff 23.4.2019
Bewegungsfreiheit
Das Gesetz gewährleistet die Bewegungsfreiheit im Land sowie uneingeschränkte internationale Reisen, Emigration und Repatriierung (USDOS 13.3.2019). Die Regierung schränkt den Zugang zu bestimmten Gebieten der ehemaligen FATA und Belutschistan aufgrund von Sicherheitsbedenken ein (USDOS 13.3.2019; vgl. FH 1.2019, HRCP 3.2019). Es gibt einzelne rechtliche Einschränkungen, Wohnort, Arbeits- oder Ausbildungsplatz zu wechseln (FH 1.2019)
Die Regierung verbietet Reisen nach Israel. Regierungsangestellte und Studenten müssen vor Reisen ins Ausland ein "no objection certificate" einholen, doch von Studenten wird dies selten verlangt. Personen auf der Exit Control List ist es verboten, ins Ausland zu reisen. Diese Liste soll Personen, welche in staatsfeindliche Aktivitäten und Terrorismus involviert sind oder in Verbindung zu einer verbotenen Organisation stehen bzw. jene, gegen die ein Kriminalverfahren vor höheren Gerichten anhängig ist, von Auslandsreisen abhalten (USDOS 13.3.2019). Die NGO HRCP gibt an, dass Personen aus politischen Gründen auf die Exit Control List gesetzt werden und die genauen Voraussetzungen, wann eine Person auf diese Liste kommt, nicht transparent sind (HRCP 3.2019).
Reisebewegungen von bestimmten religiösen und Gender-Minderheiten bleiben gefährlich (HRCP 3.2019). Seit 2009 haben pakistanische Bürger das Recht, sich in Gilgit Baltistan anzusiedeln, jedoch gibt es weiterhin Einschränkungen für eine Ansiedlung in Azad-Jammu und Kaschmir (FH 1.2018). Einschränkungen der Bewegungsfreiheit gibt es für Bewohner der ehemaligen FATA durch Ausgangssperren, Umzäunungen und eine starke Zunahme an Kontrollpunkten (ICG 20.8.2018).
Quellen:
? FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Pakistani Kashmir, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2018/pakistani-kashmir, Zugriff 26.2.2019
? FH - Freedom House (1.2019): Freedom in the World 2019 - Pakistan, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2019/pakistan, Zugriff 12.3.2019
? HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (3.2019): State of Human Rights in 2018, http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2019/04/State-of-Human-Rights-in-2018-English-1.pdf, Zugriff 23.4.2019
? ICG - International Crisis Group (20.8.2018): Shaping a New Peace in Pakistan's Tribal Areas, https://www.ecoi.net/en/file/local/1442284/5351_1535998887_b150-shaping-a-new-peace-in-pakistans-tribal-areas.pdf, Zugriff 19.3.2019
? USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices for 2018 - Pakistan https://www.state.gov/documents/organization/289500.pdf, Zugriff 14.3.2019
Meldewesen
Pakistan verfügt über eine der weltweit umfangreichsten Bürger-Registrierungssysteme. Die zuständige Behörde ist die National Database & Registration Authority (NADRA) (PI 1.2019). Um als Wähler in einem Wahlkreis registriert zu werden, muss man mittels Digitaler Nationaler Identitätskarte (CNIC) nachweisen, Bewohner dieses Wahlkreises zu sein (ECP o.D.). Auf der CNIC ist neben der permanenten Adresse auch die derzeitige Wohnadresse der Person angeführt (VB 4.11.2018).
IRBC gibt an, dass die Provinzen Belutschistan, Khyber Pakhtunkhwa, Punjab und Sindh sowie das Hauptstadtterritorium Islamabad ein System für die Registrierung der Bewohner haben. IRBC konnte keine Quellen zu solchen Systemen in Azad-Jammu und Kaschmir, Gilgit-Baltistan und die ehem. FATA finden. Die Meldung der Bewohner ist verpflichtend. Die Gesetze werden nur lückenhaft umgesetzt, aber Vergehen werden in allen Provinzen streng geahndet. Die zuständige Behörde zur Erhebung der Meldedaten ist die Polizei. Die Distriktleiter der Polizei sind für die lückenlose Erfassung der Bewohner in ihren Distrikten verantwortlich (IRBC 23.1.2018).
Bei gemieteten Wohnungen und Häusern ist der Bewohner, Vermieter oder Wohnungsvermittler verantwortlich, der Polizei den Mietvertrag sowie Kopien der CNIC aller Bewohner zu übermitteln. Wenn einer der drei zuerst genannten dies erledigt, müssen das die anderen nicht mehr machen. In den Provinzen Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa müssen zusätzlich noch zwei Referenzpersonen genannt werden, die den Bewohner identifizieren können. Hotels sind verpflichtet, Informationen über ihre Gäste zu übermitteln sowie diese Informationen zu archivieren und für die Polizei jederzeit einsehbar zu halten (IRBC 23.1.2018).
Quellen:
? PI - Privacy International (1.2019): State of Privacy Pakistan, https://privacyinternational.org/state-privacy/1008/state-privacy-pakistan, Zugriff 21.2.2019
? ECP - Election Commission of Pakistan (o.D): How To Register, https://www.ecp.gov.pk/frmGenericPage.aspx?PageID=4, Zugriff 18.3.2019
? IRBC - Immigration and Refugee Board of Canada (23.1.2018): Pakistan: Tenant registration systems, including implementation; whether authorities share information on tenant registration (2015-December 2017), https://www.refworld.org/docid/5aa8d84a7.html, Zugriff 9.4.2019
? VB - Büro des Verbindungsbeamten des BM.I in Islamabad (4.11.2018): Auskunft einer pakistanischen Anwaltskanzlei, per E-Mail.
Grundversorgung
Pakistan ist mit ca. 207 Millionen Einwohnern (PBS 2017a) der sechst-bevölkerungsreichste Staat der Erde. Über die Hälfte der Bevölkerung ist unter 25 Jahre alt, der Abhängigenquotient [Bevölkerung bis 14 und ab 65 Jahre / Bevölkerung 15-64 Jahre] liegt bei 65 % (CIA 5.2.2019).
Pakistans Wirtschaft hat wegen einer günstigen geographischen Lage, Ressourcenreichtum, niedrigen Lohnkosten, einer jungen Bevölkerung und einer wachsenden Mittelschicht Wachstumspotenzial. Dieses Potenzial ist jedoch aufgrund jahrzehntelanger Vernachlässigung der sozialen und wirtschaftlichen Infrastruktur, periodisch wiederkehrender makroökonomischer sowie politischer Instabilität und schwacher institutioneller Kapazitäten nicht ausgeschöpft. Als größte Wachstumshemmnisse gelten Korruption, ineffiziente Bürokratie, ein unsicheres regulatorisches Umfeld, eine trotz Verbesserungen in den letzten Jahren relativ teure bzw. unzureichende Energieversorgung und eine - trotz erheblicher Verbesserung seit 2014 - teils fragile Sicherheitslage (AA 5.3.2019).
Der wichtigste Wirtschaftssektor in Pakistan ist der Dienstleistungssektor (Beitrag zum BIP 59 %; der Sektor umfasst u. a. auch den überproportional großen öffentlichen Verwaltungsapparat). Auch der Industriesektor ist von Bedeutung (Beitrag zum BIP 21 %). Der bei weitem wichtigste Exportsektor ist die Textilbranche. Einen dem Industriesektor vergleichbaren Beitrag zum BIP (20 %) leistet die Landwirtschaft, in der jedoch 42 % der arbeitenden Bevölkerung tätig ist. Etwa 60 % der ländlichen Bevölkerung hängen direkt oder indirekt vom landwirtschaftlichen Sektor ab. Die Provinz Punjab gehört unter anderem bei Getreideanbau und Viehzucht zu den weltweit größten Produzenten (AA 5.3.2019; vgl. GIZ 2.2019a).
Die pakistanische Wirtschaft wächst bereits seit Jahren mit mehr als vier Prozent. Für 2018 gibt der Internationale Währungsfonds (IWF) sogar ein Plus von 5,6 Prozent an. Das Staatsbudget hat sich stabilisiert und die Börse in Karatschi hat in den vergangenen Jahren einen Aufschwung erlebt. Erreicht wurde dies durch einschneidende Reformen, teilweise unterstützt durch den IWF. In der Vergangenheit konnte Pakistan über die Jahrzehnte hinweg jedoch weder ein solides Wachstum halten noch die Wirtschaft entsprechend diversifizieren. Dies kombiniert mit anderen sozioökonomischen und politischen Faktoren führte dazu, dass immer noch etwa ein Drittel der pakistanischen Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebt (GIZ 2.2019a).
Die Arbeitslosigkeit in Pakistan liegt Stand 2017 offiziell etwa bei 6 % (CIA 5.2.2019). CIA hält fest, dass die offiziellen Arbeitslosenzahlen die Situation nicht vollständig beschreiben können, da ein großer Teil der Wirtschaft informell und die Unterbeschäftigung hoch ist (CIA 5.2.2019a; vgl. GIZ 2.2019). Kritisch ist vor allem die Situation von jungen erwerbslosen/arbeitslosen Männern zwischen 15 und 30 Jahren. Als Folge dieser hohen Arbeitslosigkeit gepaart mit einer Verknappung natürlicher Ressourcen, vor allem auf dem Land, kommt es zu einer verstärkten Arbeitsmigration nicht nur in die großen Städte, sondern traditionell auch in die Golfstaaten. Rücküberweisungen von Arbeitsmigranten und Gastarbeitern nach Pakistan belaufen sich gegenwärtig auf ca. 5% des BIP (GIZ 2.2019a). Für das Finanzjahr 2019 (Juli 2018 bis Juni 2019) werden Rücküberweisungen von 22 Milliarden US-Dollar erwartet (KT 30.10.2018).
Gemäß dem Global Education Monitoring Report 2017/18 der UNESCO stellen sich die Bildungserfolge Pakistans relativ schwach dar. Die Einschulungs- und Alphabetisierungsrate Pakistans zählt zu den niedrigsten der Welt, Lediglich rund 60 Prozent der Bevölkerung (Frauen: 46%) können lesen und schreiben. Nur etwas über zwei Prozent des Bruttosozialprodukts werden in Bildung investiert. Weiterhin bleiben große Diskrepanzen in der Alphabetisierungs- und Bildungspolitik zwischen Provinzen sowie zwischen ländlichen und städtischen Gebieten bestehen. Das pakistanische Bildungssystem spiegelt die anhaltende soziale Ungleichheit in der Gesellschaft wider (GIZ 2.2019b).
Zwar hat die aktuelle Regierung die staatlichen Ausgaben für Gesundheit deutlich gesteigert, doch sind sie weiterhin zu niedrig, um eine flächendeckende Versorgung zu gewährleisten. Die öffentlichen Gesundheitsausgaben betragen 0,92 % des Bruttoinlandsprodukts (GIZ 2.2019b).
Das Programm Tameer-e-Pakistan soll Personen bei der Arbeitssuche unterstützen (IOM 2018). Das Kamyab Jawan Programme, eine Kooperation des Jugendprogrammes des Premierministers und der Small and Medium Enterprises Development Authority (SMEDA), soll durch Bildungsprogramme für junge Menschen im Alter zwischen 15 und 29 die Anstellungsmöglichkeiten verbessern (Dawn 11.2.2019).
Etwa 7,1 Millionen Arbeitskräfte in Pakistan hatten 2016 Zugang zum Sozialversicherungssystem (HRCP 5.2017). Etwa drei Millionen Personen leben in sklavenähnlichen Beschäftigungsverhältnissen (HRCP 3.2019).
Es gibt einen Mangel von zehn Millionen Wohnungen landesweit, was zu Obdachlosigkeit, illegalen Siedlungen und überhöhten Mieten führt (BTN 12.2.2019). Im Oktober 2018 kündigte Premierminister Imran Khan den Bau von fünf Millionen Wohneinheiten für Niedrigverdiener in den kommenden fünf Jahren an. Unter dem staatlichen Programm Naya Pakistan Housing Scheme (Dawn 10.10.2018; vgl. NPHS 13.10.2018) soll ein Haus 1,65 bis 2,1 Millionen Rupien kosten (BTN 12.2.2019). Die Teilnehmer am Programm bezahlen 20 Prozent des Kaufpreises im Voraus und den restlichen Betrag über 20 Jahre (NPHS 6.11.2018; vgl. BTN 12.2.2019) in monatlichen Raten zu ca. 18.500 Rupien, was ungefähr einer monatlichen Miete entspricht. Das Haus geht nach 18 Monaten ins Eigentum des Bewohners über (BTN 12.2.2019). Personen, die bereits ein Haus besitzen, können nicht am Naya Pakistan Housing Scheme teilnehmen (NPHS 13.10.2018). Der Baubeginn für die ersten 135.000 Wohneinheiten wurde für den 17.4.2019 in Islamabad und Belutschistan angekündigt (Dawn 9.4.2019).
Quellen:
? AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (5.3.2019): Pakistan: Wirtschaft, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/wirtschaft/204976, Zugriff 21.3.2019
? BTN Marketing Consultants (12.2.2019): The "Naya Pakistan Housing Scheme" and All There Is To Know About It, https://btnconsultants.com.pk/naya-pakistan-housing-scheme-know/, Zugriff 9.4.2019
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? Dawn (10.10.2018): 'I will steer you out of this difficult time': PM Khan addresses economic uncertainty, https://www.dawn.com/news/1438116, Zugriff 9.4.2019
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Sozialbeihilfen
Die Provinzen sind für die Einhebung und Verteilung von Zakat und Ushr zuständig. Die Mittel sind für die Unterstützung bedürftiger Muslime vorgesehen und sollen die extreme Armut in Übereinstimmung mit den Regeln des Islam reduzieren. Ein Teil des Wertes von elf verschiedenen Vermögensarten wird durch Banken, Firmen und anderen Finanzinstitutionen verpflichtend eingehoben. Die Vergabe der Geldmittel erfolgt an die Zakat-Kommitees gemäß Bevölkerungszahl der Distrikte und die Auszahlung des Zakat wird auf lokaler Ebene entschieden (Gov PJ o.D.).
Mit einer Verfassungsänderung im Jahr 2010 wurde die Gesetzgebung im Arbeits- und Sozialbereich vom Bund an die Provinzen übertragen. Einige Provinzen haben bereits Gesetze dazu erlassen, dabei jedoch wichtige Bereiche vom ehemaligen Bundesgesetz übernommen. Das frühere Bundesgesetz bleibt in Provinzen gültig, die noch keine entsprechende gesetzliche Grundlage geschaffen haben (ILO 2017).
Pensionsberechtigt sind Männer ab 60 und Frauen ab 55 Jahren mit mindestens 15 Beitragsjahren. Im Pensionssystem sind Angestellte von Unternehmen mit mehr als fünf Personen erfasst (USSSA 3.2017). Die Pensionsberechtigung ist auf den formellen Sektor beschränkt (HRCP 3.2019). In Pakistan kommen 2,3 % der Bevölkerung im Pensionsalter in den Genuss von Alterspension (ILO 2017). Es gibt Berichte, dass im formellen Sektor die Pensionsauszahlung verspätet erfolgt (HRCP 3.2019).
Bei Mutterschaft wird 12 Wochen lang durch den Arbeitgeber das volle Gehalt bezahlt (ILO 2017; vgl. USSSA 3.2017).
Es gibt keine Arbeitslosenunterstützung (ILO 2017). Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern bezahlen den Gehalt der letzten 30 Tage des Dienstverhältnisses multipliziert mit der Dauer des Dienstverhältnisses in Jahren als Abfindung (USSSA 3.2017; vgl. ILO 2017).
Der staatliche Wohlfahrtsverband überprüft an Hand spezifischer Kriterien, ob eine Person für den Eintritt in das Sozialversicherungssystem geeignet ist. Die Sozialversicherung ist mit einer Beschäftigung im privaten oder öffentlichen Sektor verknüpft (IOM 2018). Das Benazir Income Support Program und das Pakistan Bait-ul-Mal vergeben ebenfalls Unterstützungsleistungen (USSSA 3.2017).
Pakistan Bait-ul-Mal ist eine autonome Behörde, die Finanzierungsunterstützung an Notleidende, Witwen, Waisen, Invalide, Kranke und andere Bedürftige vergibt. Eine Fokussierung liegt auf Rehabilitation, Bildungsunterstützung, Unterkunft und Verpflegung für Bedürftige, medizinische Versorgung für mittellose kranke Menschen, der Aufbau kostenloser medizinischer Einrichtungen, Berufsweiterbildung sowie die finanzielle Unterstützung für den Aufbau von selbständigen Unternehmen (PBM o.D).
Das Benazir Income Support Programme zielt auf verarmte Haushalte insbesondere in abgelegenen Regionen ab. Durch Vergabe von zinsfreien Krediten an Frauen zur Unternehmensgründung, freie Berufsausbildung, Versicherungen zur Kompensation des Verdienstausfalles bei Tod oder Krankheit des Haupternährers und Kinderunterstützungsgeld sollen insbesondere Frauen sozial und ökonomisch ermächtigt werden (ILO 2017).
Die Edhi Foundation ist die größte Wohlfahrtstiftung Pakistans. Sie gewährt u.a. Unterkunft für Waisen und Behinderte, eine kostenlose Versorgung in Krankenhäusern und Apotheken, sowie Rehabilitation von Drogenabhängigen, kostenlose Heilbehelfe, Dienstleistungen für Behinderte sowie Hilfsmaßnahmen für die Opfer von Naturkatastroph