TE Bvwg Beschluss 2019/11/26 L508 2151574-1

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Veröffentlicht am 26.11.2019
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Entscheidungsdatum

26.11.2019

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs3

Spruch

L508 2151574-1/16E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Barbara HERZOG als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA: Iran, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.03.2017, Zl: XXXX , beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

1. Der Beschwerdeführer (nachfolgend BF), ein Staatsangehöriger aus dem Iran, stellte, nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet, am 10.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Im Rahmen der verschiedenen Befragungen gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen zu Protokoll, dass er im Iran keine Freiheit und viele Schwierigkeiten gehabt habe. Wegen Alkoholbesitz sei er zu Peitschenhieben, einer Geldstrafe und einer Gefängnisstrafe verurteilt worden. Die Peitschenhiebe habe er bereits erhalten und habe er auch die Geldstrafe bezahlt, jedoch habe er der gerichtlichen Ladung keine Folge geleistet und würde ihm nunmehr noch eine Haftstrafe im Iran drohen. Als Beweismittel wurden ein iranisches Gerichtsurteil vom 27.04.2014 sowie eine gerichtliche Vorladung vom 04.09.2014 in Vorlage gebracht.

3. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 13.03.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung. Das BFA erachtete das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers für glaubwürdig und führte aus, dass seinem Vorbringen keine Verfolgung entnommen werden könne. Die gerichtliche Ladung, welche der BF vorgelegt habe, beziehe sich auf eine absichtlich von ihm begangene Straftat. Der BF habe keine persönlich gegen ihn gerichtete Verfolgung im Iran zu befürchten. Im Rahmen der rechtlichen Würdigung zu Spruchpunkt I wurde abermals ausgeführt, dass der BF keine asylrelevante Verfolgung ins Treffen geführt habe.

4. Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde an das BVwG. Hinsichtlich des Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

5. In der Folge langten zahlreiche Beschwerdeergänzungen, insbesondere auch zur Integration des Beschwerdeführers, beim BVwG ein und wurde mit Schriftsatz vom 27.02.2018 auch eine Taufurkunde der Freien Evangelikalen Gemeinde Dornbirn in Vorlage gebracht, aus welcher sich ergibt, dass der BF am 10.12.2017 von dieser Christengemeinde getauft wurde.

6. Hinsichtlich des Verfahrensganges und des Parteivorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu Spruchpunkt A)

1. Verfahrensbestimmungen

1.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

1.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt

Gemäß §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss. Gemäß Abs. 3 sind auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes § 29 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 4 und § 30 sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z2).

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

2. Zur Entscheidungsbegründung:

2.1. Obwohl gem. § 17 iVm § 58 VwGVG seit 01.01.2014 der § 66 Abs. 2 AVG in Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht mehr anzuwenden ist und gem. § 58 VwGVG stattdessen § 28 Abs. 3 VwGVG mit genanntem Datum in Kraft trat, womit das Erfordernis des § 66 Abs. 2 leg.cit, wonach die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, weggefallen ist, und sich die Regelungsgehalte beider Normen nicht somit gänzlich decken, findet die einschlägige höchstgerichtliche Judikatur zu § 66 Abs. 2 AVG grundsätzlich weiterhin Anwendung.

Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 28 VwGVG Anm. 11).

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:

* Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht komme nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 1 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.

* Der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist.

* Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 10.09.2014, Ra 2014/08/0005 die im Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063 angeführten Grundsätze im Hinblick auf Aufhebungs- und Zurückweisungsbeschlüsse des Verwaltungsgerichtes gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG nochmals bekräftigt und führte ergänzend aus, dass selbst Bescheide, die in der Begründung dürftig sind, keine Zurückverweisung der Sache rechtfertigen, wenn brauchbare Ermittlungsergebnisse vorliegen, die im Zusammenhalt mit einer allenfalls durchzuführenden mündlichen Verhandlung im Sinn des § 24 VwGVG zu vervollständigen sind (vgl. hierzu auch VwGH Ra 2015/01/0123 vom 06.07.2016 und VwGH Ra 2017/01/0433 vom 03.04.2018).

Der Verwaltungsgerichtshof verlangt in seiner Rechtsprechung auch eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens eines Asylwerbers unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens, wobei letzteres eine Auseinandersetzung mit (aktuellen) Länderberichten verlangt (VwGH 26.11.2003, 2003/20/0389).

Im Erkenntnis vom 17.10.2006 (Zl 2005/20/0459) hat der VwGH betont, dass eine Behebung nach § 66 Absatz 2 AVG nur zulässig ist, wenn eine weitere Verhandlung/Einvernahme erforderlich ist, was nicht der Fall wäre, wenn die Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens durch schriftliches Parteiengehör saniert hätten werden können.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nun zusammengefasst in verschiedenen Erkenntnissen betont, dass eine umfangreiche und detaillierte Erhebung des asylrechtlich relevanten Sachverhaltes durch die Behörde erster Instanz durchzuführen ist.

Ebenso hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 07.11.2008, Zl. U 67/08-9, ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, wenn in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes. Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 m. w. N., 14.421/1996, 15.743/2000).

In seiner Entscheidung vom 03.04.2018, Ra 2017/01/0433 hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass in § 28 VwGVG ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert ist, weswegen die in § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden; eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterlassen hat, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Sind (lediglich) ergänzende Ermittlungen vorzunehmen, liegt die (ergänzende) Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht im Interesse der Raschheit im Sinn des § 28 Abs. 2 Z 2 erster Fall VwGVG, zumal diesbezüglich nicht bloß auf die voraussichtliche Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens alleine, sondern auf die Dauer des bis zur meritorischen Entscheidung insgesamt erforderlichen Verfahrens abzustellen ist. Nur mit dieser Sichtweise kann ein dem Ausbau des Rechtsschutzes im Sinn einer Verfahrensbeschleunigung Rechnung tragendes Ergebnis erzielt werden, führt doch die mit der verwaltungsgerichtlichen Kassation einer verwaltungsbehördlichen Entscheidung verbundene Eröffnung eines neuerlichen Rechtszugs gegen die abermalige verwaltungsbehördliche Entscheidung an ein Verwaltungsgericht insgesamt zu einer Verfahrensverlängerung.

2.2. Die von der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts geforderte ganzheitliche Würdigung bzw. die Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens ist im gegenständlichen Fall unterblieben und ist die belangte Behörde nach dem Dafürhalten des Bundesverwaltungsgerichts ihrer Begründungspflicht nicht ausreichend nachgekommen. Im vorliegenden Fall sind die seitens der Höchstgerichte gestellten Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren in qualifizierter Weise unterlassen worden.

Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 Z 1 und 2 VwGVG, welche zu einer meritorischen Entscheidungspflicht führen, nicht gegeben sind. Weder steht, wie anhand der darzustellenden Ermittlungsmängel zu zeigen ist, der maßgebliche Sachverhalt fest, noch ist die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden. Dies vor allem, weil die aufzuzeigenden Ermittlungslücken derart erheblich sind, dass zu deren Beseitigung über eine der Feststellung des Sachverhalts dienende mündliche Verhandlung hinausgehende weitere Ermittlungsschritte zu setzen wären, welche durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, welches - anders als das Bundesverwaltungsgericht - eine asyl- und fremdenrechtliche Spezialbehörde ist (so ist die sog. Staatendokumentation beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingerichtet, vgl. § 5 BFA-Einrichtungsgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012), rascher und effizienter durchgeführt werden können.

2.2.1. Aus folgenden Gründen muss angenommen werden, dass das BFA den entscheidungs-relevanten Sachverhalt nur ansatzweise ermittelt hat respektive erweist sich der angefochtene Bescheid in Bezug auf den ermittelten Sachverhalt aus folgenden Gründen als mangelhaft:

2.2.1.1. Im vorliegenden Fall bringt der aus dem Iran stammende Beschwerdeführer vor, wegen des Besitzes von Alkohol zu 75 Peitschenhieben, einer Geldstrafe von 150000 Tuman und einer Gefängnisstrafe verurteilt worden zu sein. Die Peitschenhiebe habe er bereits erhalten und habe er auch die Geldstrafe bezahlt, jedoch habe er der gerichtlichen Ladung in Bezug auf die Gefängnisstrafe keine Folge geleistet und würde ihn nunmehr noch eine Haftstrafe im Iran drohen. Als Beweismittel wurden ein iranisches Gerichtsurteil vom 27.04.2014 sowie eine gerichtliche Vorladung vom 04.09.2014 in Vorlage gebracht.

Vor dem Hintergrund dieses fluchtauslösenden Ereignisses sind dem Bescheid des BFA zum einen unzureichende Feststellungen betreffend die strafrechtlichen Folgen von Alkoholbesitz bzw. -verkauf sowie übliche Reaktionen auf den Verstoß gegen Glaubensvorschriften zu entnehmen; dies gilt umsomehr, als sich auf Seite 22 des angefochtenen Bescheides die Feststellung findet, dass Alkoholgenuss im Iran zu den Hudud-Delikten im islamischen Strafrecht zähle und diesbzgl. erniedrigende Strafen wie Auspeitschung, Verstümmelung, Steinigung sowie die Todesstrafe vorgesehen seien sowie sich aus den getroffenen Länderfeststellungen ergibt, dass der Konsum und Besitz von Alkohol im Iran verboten ist und bereits der Besitz einer geringen Menge von Alkohol zur Verurteilung von Peitschenhieben führen kann (vgl. Seite 21 des angefochtenen Bescheides); zum anderen hat es die belangte Behörde auch gänzlich außer Acht gelassen, sich mit dem vom BF in Vorlage gebrachten Gerichtsurteil sowie der gerichtlichen Ladung auseinanderzusetzen. Hinzu tritt, dass die belangte Behörde auch das Vorbringen des Beschwerdeführers, dass er wegen des Alkoholbesitzes als Bestrafung bereits 75 Peitschenhiebe erhalten habe und ihm im Folge einer Rückkehr in den Iran, eine Gefängnisstrafe erwarten würde, da er der diesbzgl. Vorladung zu Gericht keine Folge geleistet habe, für glaubwürdig erachtete und es evident ist, dass Vorbringen ähnlich dem geschilderten durchaus Asylrelevanz zukommen kann.

Weiters geht aus den rechtlichen Ausführungen im angefochtenen Bescheid hervor, dass die belangte Behörde die mögliche Asylrelevanz des vorgebrachten Sachverhalts für ausgeschlossen hielt. So wurde dargelegt, dass dem Vorbringen des Antragstellers keine Verfolgung entnommen werden könne und dass die gerichtliche Ladung, welche dieser vorgelegt habe, sich auf eine absichtlich von ihm begangene Straftat beziehe. In einer Gesamtschau hielt das BFA fest, dass der Antragsteller keine persönlich gegen ihn gerichtete Verfolgung im Iran zu befürchten habe.

Damit verkennt die belangte Behörde jedoch die Rechtslage (siehe die nachfolgend dargestellte höchstgerichtliche Judikatur) und ist es ferner nicht ersichtlich, worauf das Bundesamt die Annahme stützt, der Antragsteller habe keine Verfolgung im Iran zu befürchten; dies insbesondere unter Bedachtnahme auf das Vorbringen des Beschwerdeführers in Bezug auf die bereits erlittene Bestrafung und die ihm drohenden Konsequenzen, welches die belangte Behörde für glaubwürdig erachtet hat, ferner den vom BF in Vorlage gebrachten Beweismitteln (Gerichtsurteil und gerichtliche Ladungen), sowie den getroffenen Länderfeststellungen, welche das Vorbringen des Beschwerdeführers in Bezug auf die von ihm vorgebrachte Bestrafung sowie die ihm drohenden Konsequenzen stützen.

Unter diesem Gesichtspunkt hat die belangte Behörde die notwendige Ermittlung des Sachverhalts unterlassen und sich weder über die konkrete diesbezügliche Lage im Herkunftsland des Beschwerdeführers informiert noch sich ausreichend mit dem Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers auseinandergesetzt, sodass eine abschließende nachvollziehbare Beurteilung des Vorliegens eines asylrelevanten (bzw. den subsidiären Schutz) begründenden Sachverhalts nicht möglich war.

Um jedoch die Situation des Beschwerdeführers korrekt beurteilen zu können, müssen insbesondere detaillierte Feststellungen (allenfalls nach Anfrage an die Staatendokumentation) über die bei Besitz (und Verkauf) von Alkohol drohenden strafrechtlichen Sanktionen sowie die Reaktionen auf den Verstoß gegen moralische Glaubensvorschriften getroffen werden. Die daraus resultierenden Ergebnisse werden einer neuerlichen inhaltlichen Auseinandersetzung seitens der belangten Behörde zugrunde zu legen sein.

In diesem Zusammenhang ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach im Hinblick auf eine Verfolgung aus religiösen Gründen iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK der Begriff der Religion weit aufzufassen ist (vgl. u.a. VwGH 21.09.2000, 98/20/0557). Bereits in seinem Erkenntnis vom 21.09.2000, Zl. 98/20/0557, hat der Verwaltungsgerichtshof unter Berufung auf den Gemeinsamen Standpunkt des Rates der EU vom 4.3.1996 betreffend die harmonisierte Anwendung der Definition des Begriffs "Flüchtling" der GFK die Ansicht vertreten, dass eine Verfolgung aus religiösen Gründen auch dann vorliegen könne, wenn maßgebliche Eingriffe eine Person betreffen, die keinerlei religiöse Überzeugung hat, sich keiner bestimmten Religion anschließt oder sich weigert, sich den mit einer Religion verbundenen Riten und Gebräuchen ganz oder teilweise zu unterwerfen (vgl. auch VwGH 12.06.2003, 2000/20/0100). Demgegenüber hat der Verwaltungsgerichtshof in zahlreichen Erkenntnissen im Zusammenhang mit der Verquickung von Staat und Religion in muslimischen Staaten das Erfordernis einer Prüfung auch dem Schutz religiöser Werte dienender Strafvorschriften unter dem Gesichtspunkt einer unterstellten politischen Gesinnung zum Ausdruck gebracht (vgl. u.a. VwGH 20.05.2015, Ra 2015/20/0030 zu Afghanistan). In seinem Erkenntnis vom 06.05.2004, 2001/20/0256, vertrat der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht, dass die völlige Unverhältnismäßigkeit staatlicher Maßnahmen, die wegen eines Verstoßes gegen bestimmte im Herkunftsstaat gesetzlich verbindliche Moralvorstellungen drohen, darauf hindeuten kann, dass diese Maßnahmen an eine dem Zuwiderhandeln gegen das Gebot vermeintlich zugrunde liegende, dem Betroffenen unterstellte Abweichung von der ihm von Staats wegen vorgeschriebenen Gesinnung anknüpfen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht im Zusammenhang mit der Verquickung von Staat und Religion in muslimischen Staaten das Erfordernis einer Prüfung auch dem Schutz religiöser Werte dienender Strafvorschriften unter dem Gesichtspunkt einer unterstellten politischen Gesinnung. Die völlige Unverhältnismäßigkeit staatlicher Maßnahmen, die wegen eines Verstoßes gegen bestimmte im Herkunftsstaat gesetzlich verbindlichen Moralvorstellungen drohen, kann unter diesem Blickwinkel asylrelevant sein (VwGH 12.06.2018, Ra 2018/20/0177). So erkannte der Verwaltungsgerichtshof bereits unter anderem, dass die Auspeitschung etwa wegen Ehebruchs eine unverhältnismäßige staatliche Reaktion auf die Abweichung von der von Staats wegen vorgeschriebenen Gesinnung darstellt (vgl. VwGH 19.11.2010, 2008/19/0206).

Die belangte Behörde hätte sich angesichts dieser Rechtsprechung daher näher mit dem potenziell asylrelevanten Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers auseinandersetzen müssen. Insbesondere hätte sie sich nicht auf die Aussagen des Beschwerdeführers betreffend die fluchtauslösenden Ereignisse beschränken dürfen, sondern sein Vorbringen anhand aktueller Länderinformationen überprüfen müssen.

Denn auch der Verwaltungsgerichtshof verlangt in seiner Rechtsprechung eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens eines Asylwerbers unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens, wobei letzteres eine Auseinandersetzung mit (aktuellen) Länderberichten verlangt (vgl. u.a. VwGH 26.11.2003, Zl. 2003/20/0389). Die Glaubwürdigkeit der Behauptungen des Asylwerbers ist auch im Vergleich zu den diese Ereignisse betreffenden Berichten zu messen (vgl. u.a. VwGH 31.03.2009, 2006/20/0197 mwN).

Verfahrensgegenständlich hat das BFA sohin die notwendige Ermittlung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts unterlassen und sich weder über die konkrete diesbezügliche Lage im Herkunftsland des Beschwerdeführers informiert, noch sich ausreichend mit dem Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers auseinandergesetzt, sodass eine abschließende nachvollziehbare Beurteilung des Vorliegens eines asylrelevanten Sachverhalts nicht möglich war.

Um jedoch die Situation des Beschwerdeführers korrekt beurteilen zu können, müssen insbesondere detaillierte, aktuelle Feststellungen über die bei Besitz bzw. Verkauf von Alkohol drohenden strafrechtlichen Sanktionen sowie die Reaktionen auf den Verstoß gegen moralische Glaubensvorschriften getroffen werden. Die daraus resultierenden Ergebnisse werden einer neuerlichen inhaltlichen Auseinandersetzung seitens der belangten Behörde zugrunde zu legen sein.

Aufgrund dieser Erwägungen ist festzustellen, dass das BFA offenkundig in Bezug auf die Ermittlung der Sachlage nicht mit der ihr gebotenen Genauigkeit und Sorgfalt vorgegangen ist, weswegen ein grob mangelhaftes Ermittlungsverfahren durch die Behörde erster Instanz vorliegt. Aufgrund des mangelhaften Ermittlungsverfahrens hat die Behörde eine von der Judikatur geforderte ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens nicht vorgenommen, weil die Behörde dieses offensichtlich nicht anhand der konkret entscheidungsrelevanten aktuellen Situation gewürdigt hat (vgl. VwGH 26.11.2003, 2003/20/0389). Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes verstößt das Prozedere der belangten Behörde gegen die in § 18 Abs. 1 AsylG normierten Ermittlungspflichten, sie missachtete dadurch die sich aus § 18 Abs. 1 AsylG ergebende Verpflichtung der Verwaltungsbehörde, den maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und festzustellen (vgl. zu alldem BVwG 06.11.2014, W163 2013651-1/2E).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wird im fortgesetzten Verfahren daher die genannten Ermittlungsschritte zu setzen haben und sich sodann in sorgfältiger Weise mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers in Verbindung mit aktuellen Länderinformationen und unter Berücksichtigung der allgemeinen Verhältnisse in der Heimatregion des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen haben, um eine tragfähige Entscheidung betreffend die Frage des Vorliegens asylrelevanter Verfolgung als auch bezüglich der Frage des Refoulementschutzes treffen zu können.

In einer Gesamtschau erweist sich das Ermittlungsverfahren der belangten Behörde daher als mangelhaft, weswegen der angefochtene Bescheid zu beheben war.

2.2.1.2. Darüber hinaus gilt es noch zu beachten, dass der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 27.02.2018 auch eine Taufurkunde der Freien Evangelikalen Gemeinde Dornbirn in Vorlage gebracht hat, aus welcher sich ergibt, dass der BF am 10.12.2017 von dieser Christengemeinde getauft wurde und wird sich die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren folglich auch mit der Glaubwürdigkeit der Konversion umfänglich auseinanderzusetzen haben.

2.2.2. Insofern ist dem Bundesamt in einer Gesamtschau vorzuwerfen, dass es im vorliegenden Fall keine ausreichenden Ermittlungen in Hinblick auf das fluchtrelevante Vorbringen des Beschwerdeführers getätigt hat. Im fortgesetzten Verfahren wird sich das Bundesamt mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers sowie den von ihm in Vorlage gebrachten Beweismitteln hinreichend auseinanderzusetzen haben und werden auch aktuelle Länderfeststellungen zum Vorbringen des BF aufzunehmen und letztlich das Vorbringen in Korrelation zu diesen zu würdigen sein. Des Weiteren wird nach ergänzender Einvernahme des Beschwerdeführers und nach Heranziehung entsprechender aktueller und individueller Herkunftslandquellen, die Glaubwürdigkeit des fluchtrelevanten Vorbringens (sowie die nunmehr vorgebrachte Konversion) des Beschwerdeführers zu beurteilen und anschließend auf dieser Basis einer rechtlichen Würdigung zu unterziehen sein. Dass Vorbringen ähnlich dem geschilderten durchaus Asylrelevanz zukommen kann, ist evident.

2.2.3. Die belangte Behörde hat unter Verstoß gegen den Grundsatz der Offizialmaxime, der sie zur amtswegigen Erhebung des gesamten wahren Sachverhaltes verpflichtet, keine umfassenden Ermittlungen getätigt und daraus resultierend auch keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Die aufgezeigte Mangelhaftigkeit ist wesentlich, weil vorweg nicht ausgeschlossen werden kann, dass deren Vermeidung für den Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der Antragstellung auf internationalen Schutz zu einem günstigeren Ergebnis hätte führen können.

Damit hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Sinne der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bloß ansatzweise ermittelt.

2.3. Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann - im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 66 Abs. 2 AVG - nicht im Sinne des Gesetzes liegen, vor allem unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als Spezialbehörde im Rahmen der Staatendokumentation gemäß § 5 BFA-Einrichtungsgesetz für die Sammlung relevanter Tatsachen zur Situation in den betreffenden Staaten samt den Quellen zuständig ist.

Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes - nicht ersichtlich.

Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben.

Da der maßgebliche Sachverhalt noch nicht feststeht, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen.

2.4. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben, zumal aufgrund der Aktenlage in Verbindung mit dem Vorbringen in der Beschwerde feststeht, dass der angefochtene Bescheid zu beheben und zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen war.

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 26.06.2014, Ra 2014/03/0063 sowie VwGH 10.09.2014, Ra 2014/08/0005, VwGH Ra 2015/01/0123 vom 06.07.2016 und VwGH Ra 2017/01/0433 vom 03.04.2018) ab. Durch die genannten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes fehlt es auch nicht an einer Rechtsprechung und die zu lösende Rechtsfrage wird in der Rechtsprechung auch nicht uneinheitlich beantwortet.

Schlagworte

Begründungspflicht Ermittlungspflicht Kassation Konversion mangelhaftes Ermittlungsverfahren mangelnde Sachverhaltsfeststellung politische Gesinnung religiöse Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L508.2151574.1.00

Im RIS seit

25.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

25.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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