Entscheidungsdatum
07.01.2020Norm
AsylG 2005 §10Spruch
L502 1438285-3/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Nikolas Bracher als Einzelrichter über den Antrag von XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, vertreten durch RAe XXXX und XXXX , auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des BVwG vom 27.07.2018, XXXX , rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens zu Recht erkannt:
A) Der Antrag wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Wiederaufnahmewerber (WA), ein türkischer Staatsangehöriger, stellte im Gefolge seiner illegalen Einreise in das Bundesgebiet am 25.05.2012 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamts (BAA) vom 20.09.2013 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei (Spruchpunkt II) abgewiesen. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 AsylG wurde seine Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei ausgesprochen (Spruchpunkt III).
3. Die gegen diesen Bescheid fristgerecht und in vollem Umfang erhobene Beschwerde an den Asylgerichtshof (AsylGH) wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 12.05.2016 hinsichtlich der Spruchpunkte I und II des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen. Unter einem wurde der Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides behoben und das Verfahren gemäß § 75 Abs. 19 und 20 AsylG zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zurückverwiesen.
4. In Stattgebung einer vom BF eingebrachten außerordentlichen Revision wurde das Erkenntnis des BVwG vom 12.05.2016 mit Erkenntnis des VwGH vom 20.12.2016 aufgehoben.
5. Infolge einer Unzuständigkeitseinrede wurde das Verfahren der Gerichtsabteilung L502 zugewiesen. Nach Durchführung eines ergänzenden gerichtlichen Ermittlungsverfahrens samt mündlicher Verhandlung wurde die Beschwerde des WA gegen die Spruchpunkte I und II des angefochtenen Bescheides mit Erkenntnis des BVwG vom 27.07.2018 (neuerlich) als unbegründet abgewiesen. In Erledigung der Beschwerde wurde Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides (neuerlich) behoben und das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das BFA zurückverwiesen.
6. Mit am 05.12.2019 beim BVwG eingelangtem Schriftsatz brachte der Vertreter des WA den gg. Antrag auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des BVwG vom 27.07.2018 abgeschlossenen Verfahrens ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen und Beweiswürdigung:
Der oben wiedergegebene Verfahrensgang steht im Lichte der Entscheidung des BVwG vom 27.07.2018 sowie des gg. Wiederaufnahmeantrags als unstrittig fest.
2. Rechtliche Beurteilung:
Mit Art. 129 B-VG idF BGBl. I 51/2012 wurde ein als Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zu bezeichnendes Verwaltungsgericht des Bundes eingerichtet.
Gemäß Art. 135 Abs. 1 B-VG iVm § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) idF BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A)
1. § 32 VwGVG lautet:
(1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn
1. das Erkenntnis durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist oder
2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anderslautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten, oder
3. das Erkenntnis von Vorfragen (§ 38 AVG) abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde oder
4. nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren des Verwaltungsgerichtes die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.
(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.
(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.
(4) Das Verwaltungsgericht hat die Parteien des abgeschlossenen Verfahrens von der Wiederaufnahme des Verfahrens unverzüglich in Kenntnis zu setzen.
(5) Auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes sind die für seine Erkenntnisse geltenden Bestimmungen dieses Paragraphen sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.
In der Regierungsvorlage zum Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013 (2009 der Beilagen, XXIV. GP) ist festgehalten, dass die Bestimmungen über die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im VwGVG weitgehend den Bestimmungen der §§ 69 bis 72 AVG mit den entsprechenden Anpassungen auf Grund der Einführung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz entsprechen. Durch den Ausschluss der Anwendung des IV. Teiles des AVG ist das AVG in diesem Bereich für unanwendbar erklärt worden, wobei aufgrund der inhaltlichen Übereinstimmung und ähnlichen Formulierung der Bestimmung des § 32 Abs. 1 bis 3 VwGVG mit § 69 AVG die bisher ergangenen höchstgerichtlichen Entscheidungen sinngemäß anzuwenden sind bzw. die bisherigen Judikaturrichtlinien zu § 69 AVG herangezogen werden können.
2. Tatsachen und Beweismittel können nur dann einen Grund für die Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens darstellen, wenn sie bei Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens schon vorhanden gewesen sind, ihre Verwertung der Partei aber ohne ihr Verschulden erst nachträglich möglich geworden ist (sog. "nova reperta"), nicht aber, wenn es sich um erst nach Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens neu entstandene Tatsachen und Beweismittel handelt (sog. "nova causa superveniens") (vgl. zB VwGH 08.11.1991, Zl. 91/18/0101; 07.04.2000, Zl. 96/19/2240; 20.06.2001, Zl. 95/08/0036; 19.03.2003, Zl. 2000/08/0105; siehe weiters die bei Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I2 [1998] E 124 zu § 69 AVG, zitierte Rechtsprechung; Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 28).
"Tatsachen" sind Geschehnisse im Seinsbereich, mit "Beweismittel" sind Mittel zur Herbeiführung eines Urteils über Tatsachen gemeint (VwGH 11.03.2008, Zl. 2006/05/0232).
Die neu hervorgekommenen Tatsachen und Beweismittel dürfen ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht worden sein. Es ist zwar nicht notwendig, aber nicht ausreichend, dass die Tatsachen (Beweismittel) im wiederaufzunehmenden Verfahren nicht geltend gemacht worden sind; es ist darüber hinaus auch erforderlich, dass sie - allenfalls auch im Verfahren vor einer höheren Instanz - nicht geltend gemacht werden konnten und dass die Partei daran kein Verschulden trifft. Jegliches Verschulden, das die Partei an der Unterlassung ihrer Geltendmachung trifft, auch leichte Fahrlässigkeit, schließt somit den Rechtsanspruch auf Wiederaufnahme des Verfahrens aus (VwGH 19.03.2003, Zl. 2000/08/0105). Beim "Verschulden" im Sinne des § 69 Abs. 1 Z 2 AVG handelt es sich nach der Rechtsprechung des VwGH um ein Verschulden im Sinne des § 1294 ABGB. Bei der Beurteilung des Verschuldens im Zusammenhang mit einer Wiederaufnahme ist das Maß dafür ein solcher Grad des Fleißes und der Aufmerksamkeit, welcher bei gewöhnlichen Fähigkeiten aufgewendet werden kann (siehe § 1297 ABGB). Konnte die wiederaufnahmewerbende Partei eine Tatsache oder ein Beweismittel bei gehöriger Aufmerksamkeit und gebotener Gelegenheit schon im Verwaltungsverfahren geltend machen, unterließ sie es aber, liegt ein ihr zurechnendes Verschulden vor, das eine Wiederaufnahme des Verfahrens ausschließt (VwGH 08.04.1997, Zl. 94/07/0063; 10.10.2001, Zl. 98/03/0259). Ob die Fahrlässigkeit leicht oder schwer ist (§ 1294 ABGB), ist irrelevant (vgl. Walter/Mayer, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts8 [2003] Rz 589; Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 36 ff.).
Die Wiederaufnahme eines Verfahrens dient jedenfalls nicht dazu, Versäumnisse während eines Verwaltungsverfahrens zu sanieren (VwGH 27.07.2001, Zl. 2001/07/0017; 22.12.2005, Zl. 2004/07/0209).
Des Weiteren müssen die neu hervorgekommenen Tatsachen oder Beweismittel entweder allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens die Eignung aufweisen, einen im Hauptinhalt des Spruches anderslautenden Bescheid (hier: anderslautende Entscheidung des Asylgerichtshofes) herbeizuführen. Ob diese Eignung vorliegt, ist eine Rechtsfrage, die im Wiederaufnahmeverfahren zu beantworten ist; ob tatsächlich ein anderes Ergebnis des Verfahrens zustande kommt, ist sodann eine Frage, die im wiederaufgenommenen Verfahren zu klären ist. Tauglich ist ein Beweismittel als Wiederaufnahmegrund ungeachtet des Erfordernisses seiner Neuheit also nur dann, wenn es nach seinem objektiven Inhalt (und unvorgreiflich der Bewertung seiner Glaubwürdigkeit) die abstrakte Eignung besitzt, jene Tatsachen in Zweifel zu ziehen, auf welche die Behörde entweder einen den Gegenstand des Wiederaufnahmeantrages bildenden Bescheid oder (zumindest) die zum Ergebnis dieses Bescheides führende Beweiswürdigung tragend gestützt hat (VwGH 22.02.2001, Zl. 2000/04/0195; 19.04.2007, Zl. 2004/09/0159; Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 42 ff.).
Gerade das Vorliegen der Wiederaufnahmegründe ist wegen der Durchbrechung der Rechtskraft streng zu prüfen (VwGH 26.04.1984, 81/05/0081). Weiters ist die Auslegung des § 69 Abs. 1 Z 2 AVG hinsichtlich der Wortfolge "voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anderslautenden Bescheides" zu beachten. Demnach ist mit "voraussichtlich" ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit gemeint (vgl. Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht, Rz 591).
Eine Wiederaufnahme setzt nicht Gewissheit darüber voraus, dass die Entscheidung im wiederaufzunehmenden Verfahren anders gelautet hätte. Für die Bewilligung oder Verfügung der Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens genügt es, dass diese Voraussetzung mit einiger Wahrscheinlichkeit zutrifft; ob sie tatsächlich vorliegt, ist erst in dem wiederaufgenommenen Verfahren zu entscheiden. Sachverhaltsänderungen nach Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens haben bei der Entscheidung über die Wiederaufnahme außer Betracht zu bleiben (VwGH 13.12.2002, Zl. 2001/21/0031; 07.09.2005, Zl. 2003/08/0093; Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 42 ff.; siehe dazu weiters Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht8, Rz 591, die in diesem Zusammenhang von einem "höheren Grad der Wahrscheinlichkeit" sprechen).
Neu hervorgekommene Beweismittel rechtfertigen - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - eine Wiederaufnahme des Verfahrens nur dann, wenn sie die Richtigkeit des angenommenen Sachverhaltes in einem wesentlichen Punkt als zweifelhaft erscheinen lassen (VwGH vom 21.09.2000, 98/20/0564).
Für die Beurteilung der Frage, ob einem Wiederaufnahmeantrag stattzugeben ist, sind allein die innerhalb der Frist des § 69 Abs. 2 AVG vorgebrachten Wiederaufnahmegründe maßgebend (VwGH 23.04.1990, Zl. 90/19/0125; 31.03.2006, Zl. 2006/02/0038; 14.11.2006, Zl. 2005/05/0260).
Die zweiwöchige (subjektive) Frist gemäß § 32 Abs. 2 AVG beginnt mit dem Zeitpunkt, d.h. an dem Tag zu laufen, an dem der Antragsteller vom Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat. Für die Berechnung dieser verfahrensrechtlichen Frist sind die §§ 32 und 33 AVG maßgeblich. Gemäß § 33 Abs. 3 AVG werden die Tage von der Übergabe an einen Zustelldienst im Sinne des § 2 Z 7 des Zustellgesetzes zur Übermittlung an die Behörde bis zum Einlangen bei dieser (Postlauf) in die Frist nicht eingerechnet.
Der Wiederaufnahmeantrag hat alle für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit, d.h. der Einhaltung der subjektiven und objektiven Fristen des § 69 Abs. 2 AVG maßgeblichen Angaben zu enthalten (VwGH 19.05.1993, Zl. 91/13/0099; 25.01.1996, Zl. 95/19/0003). Gemäß § 69 Abs. 2 letzter Satz AVG sind die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Fristen ergibt, vom Antragsteller glaubhaft zu machen. Die Beweislast für die Rechtzeitigkeit eines Wiederaufnahmeantrages trägt somit der Antragsteller (VwGH 03.09.1998, Zl. 98/06/0086; 08.07.2005, Zl. 2005/02/0040). Er hat bereits im Antrag bekannt zu geben, wann er vom behaupteten Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat (VwGH 07.03.1996, Zl. 96/09/0015) und an welchem Tag die in Rechtskraft erwachsene Entscheidung ihm gegenüber erlassen wurde (Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 55).
Ein nach Ablauf der zweiwöchigen subjektiven Frist gestellter Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens ist als unzulässig, weil verspätet eingebracht, zurückzuweisen (VwGH 20.03.1990, Zl. 90/06/0013; 15.07.2003, Zl. 2003/05/0080), sofern ihn die Behörde nicht zum Anlass einer amtswegigen Wiederaufnahme nimmt (Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 59).
3. Der WA stützte seinen Antrag im Wesentlichen darauf, dass einem - mit dem Antrag in Vorlage gebrachten - Zeitungsartikel zu entnehmen war, dass ein türkischer Rechtsanwalt, der für das deutsche Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Erhebungen zu behaupteten Verurteilungen türkischstämmiger Asylwerber in Deutschland anstellte, im September 2019 verhaftet worden sei, und dass dabei sensible Daten von 47 Asylwerbern in Deutschland in die Hände der türkischen Sicherheitsbehörden geraten sein sollen. Angesichts dieses ihm am 22.11.2019 bekannt gewordenen neuen Beweismittels befürchte der WA, dass auch seine Angaben im Asylverfahren dem türkischen Geheimdienst bekannt gegeben worden sind, zumal auch im wiederaufzunehmenden Verfahren in den Jahren 2016 und 2017 ein Vertrauensanwalt zu Ermittlungen hinsichtlich des Antragstellers in der Türkei beauftragt worden sei. Außerdem stehe nunmehr fest, dass nicht mehr von einem den rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechendem Strafverfahren in der Türkei ausgegangen werden könne. Der beigebrachte Zeitungsartikel stelle ein neues Beweismittel dar, welches im Verfahren ohne Verschulden des WA nicht geltend gemacht werden konnte, und hätte dieses nach Ansicht des WA voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anderslautenden Bescheid herbeigeführt.
4. Vorweg war festzustellen, dass der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens vom 05.12.2019 fristgerecht innerhalb der zweiwöchigen Frist ab Kenntnis des Wiederaufnahmegrundes eingebracht wurde.
5.1. Zum Wiederaufnahmebegehren selbst ist festzuhalten, dass es sich bei den vorgelegten Zeitungsartikeln, denen zufolge ein türkischer Rechtsanwalt, der für das deutsche BAMF sowie für norwegische und niederländische Behörden Erhebungen in der Türkei durchgeführt habe und im September 2019 festgenommen worden sei, nach dieser Festnahme Informationen über in Deutschland aufhältige Asylwerber an die türkischen Sicherheitsbehörden weitergegeben habe, nicht um Tatsachen oder Beweismittel handelt, die im Zeitpunkt der Erlassung der wiederaufzunehmenden Entscheidung bereits bestanden haben, zumal die angesprochene Entscheidung des BVwG bereits am 27.07.2018 ergangen war. Die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens setzt jedoch voraus, dass es sich um Tatsachen oder Beweise handelt, die bei Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens schon vorhanden waren, aber erst danach hervorgekommen sind (Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 28).
Bei den vom WA geltend gemachten Umständen handelt es sich demnach um erst nach Abschluss des Verfahrens entstandene Tatsachen, sog. "nova causa superveniens" (vgl. zB VwGH 08.11.1991, Zl. 91/18/0101; 07.04.2000, Zl. 96/19/2240; 20.06.2001, Zl. 95/08/0036; 19.03.2003, Zl. 2000/08/0105; siehe weiter die bei Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I2 [1998] E 124 zu § 69 AVG, zitierte Rechtsprechung; Hengstschläger/Leeb, AVG, § 69 Rz 28). Diese stellen keinen tauglichen Grund für eine Wiederaufnahme des Verfahrens dar, weil sie von der Rechtskraft der wiederaufzunehmenden Entscheidung nicht umfasst sind (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 28, mwN.)
5.2. Schon angesichts dessen schied eine Wiederaufnahme des Verfahrens vor dem BVwG aus.
6.1. Darüber hinaus galt es zu bedenken, dass eine Wiederaufnahme nach § 32 Abs. 1 Z. 2 VwGVG grundsätzlich auch nur dann in Betracht käme, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel überhaupt die Eignung besitzen eine im Hauptinhalt des Spruches anderslautende Entscheidung (hier: des BVwG) herbeizuführen (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 42).
Diesbezüglich war dem vom WA als Beweismittel vorgelegten Zeitungsartikel zu entnehmen, dass der behaupteter Weise festgenommene türkische Anwalt zwar für das deutsche BAMF sowie für norwegische und niederländische Behörden tätig war. Es fand sich dort aber kein Hinweis darauf, dass er allenfalls auch für das österreichische Bundesamt oder das BVwG ermittelnd tätig gewesen wäre und damit möglicher Weise auch im (wiederaufzunehmenden) Verfahren des WA. Im Hinblick darauf fand sich daher auch kein Anhaltspunkt dafür, dass dieser Anwalt eventuell Daten von in Österreich aufhältigen Asylwerbern weitergegeben haben könnte. Im Verfahren des WA war zwar ein (anderer) Vertrauensanwalt mit Erhebungen in der Türkei beauftragt gewesen. Dass dieser vom behaupteten Szenario betroffen gewesen sein könnte, zeigte der WA jedoch ebenso nicht auf.
Im Übrigen erhellte für das erkennende Gericht auch nicht, aufgrund welcher neuer Tatsachen und Beweismittel nunmehr - wie vom WA behauptet wurde - feststehe, dass in einem türkischen Strafverfahren gegen den WA nicht (mehr) von der Einhaltung rechtsstaatlicher Grundsätze ausgegangen werden könne, zumal hierzu im Wiederaufnahmeantrag kein substantiiertes Vorbringen erstattet wurde.
6.2. Da sohin für das erkennende Gericht nicht erkennbar war, inwiefern die ins Treffen geführten Tatsachen und Beweismittel die Eignung aufweisen würden, eine im Hauptinhalt des Spruches anderslautende Entscheidung herbeizuführen, war dem Antrag des WA auch aus diesem Grund nicht zu folgen.
7.1. Soweit der WA eine Mangelhaftigkeit des Asylverfahrens an sich als Wiederaufnahmegrund geltend machte, war dem schon zu entgegnen, dass weder das nachträgliche Erkennen von im abgeschlossenen Verfahren unterlaufenen Verfahrensmängeln noch eine allenfalls unrichtige rechtliche Beurteilung einen Wiederaufnahmegrund darstellen (vgl. VwGH 29.11.1994, ZI. 94/20/0077; Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 30, mwN.).
Das Wiederaufnahmeverfahren hat nicht den Zweck allfällige Versäumnisse einer Partei in einem Ermittlungsverfahren oder die Unterlassung der Erhebung eines Rechtsmittels über eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu sanieren (vgl. VwGH 24.09.2014, ZI. 2012/03/0165).
7.2. Die Wiederaufnahme des Verfahrens aus diesen Gründen schied daher ebenso aus.
8. Der gg. Antrag auf Wiederaufnahme war daher spruchgemäß abzuweisen.
9. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG abgesehen werden.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
Beweismittel nova producta nova reperta WiederaufnahmeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:L502.1438285.3.00Im RIS seit
25.09.2020Zuletzt aktualisiert am
25.09.2020