Entscheidungsdatum
13.01.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
L529 2146536-3/16E
L529 2146542-3/14E
L529 2146538-3/15E
L529 2146531-3/14E
L529 2146546-3/14E
L529 2146544-3/14E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. M. EGGINGER als Einzelrichter über die Beschwerden von 1. XXXX, geb. XXXX, 2. XXXX, geb. XXXX, 3. XXXX, geb. XXXX , 4. XXXX, geb. XXXX, 5. XXXX, geb. XXXX und 6. XXXX, geb. XXXX, alle Staatsangehörigkeit Türkei, (4. bis 6. vertreten durch die Mutter und gesetzliche Vertreterin XXXX), gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.12.2019, Zahlen: zu 1. XXXX, zu 2. XXXX, zu 3. XXXX, zu 4. XXXX, zu 5. XXXX und zu 6. XXXX, zu Recht:
A)
Die Beschwerden hinsichtlich des Spruchpunktes VIII. der angefochtenen Bescheide werden als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrenshergang
I.1. Der erstangeführte Beschwerdeführer (in weiterer Folge auch "BF1") und die zweitangeführte Beschwerdeführerin (in weiterer Folge auch "BF2") sind die Eltern des mittlerweile volljährigen drittangeführten Beschwerdeführes und der viert- bis sechstangeführten mj. Beschwerdeführer (in weiterer Folge auch „BF3“ bis „BF6“). Die BF sind türkische Staatsangehörige.
Die Beschwerdeführer (BF1- BF5) reisten im August 2015 illegal in das Bundesgebiet ein und stellten die Eltern am 31.08.2015 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz für sich und die zu diesem Zeitpunkt minderjährigen BF3 - BF5; in weiterer Folge wurde auch für den in Österreich nachgeborenen BF6 ein solcher Antrag gestellt.
I.2. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.12.2017, Zahlen: L521 2146536-1/15E, L521 2146542-1/1E, L521 2146538-1/6E, L521 2146531-1/6E, L521 2146546-1/6E und L521 2146544-1/6E, wurden die Beschwerden der BF gegen die negativen Entscheidungen des BFA als unbegründet abgewiesen und die Revisionen für nicht zulässig erklärt.
Die angeführten Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts wurden am 27.12.2017 rechtswirksam zugestellt.
I.3. Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 26.02.2018, Zl.: E 308-313/2018-6, lehnte dieser die Behandlung der gegen die o.a. Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes gerichteten Beschwerden als unbegründet ab.
I.4.1. Am 04.11.2019 stellten die BF1 und BF2 für sich und ihre zu diesem Zeitpunkt mj. Kinder (BF3 bis BF6) weitere Anträge auf Gewährung von internationalem Schutz.
I.4.2. Mit mündlich verkündetem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.11.2019 erfolgte die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG.
I.4.3. Mit Beschluss des BVwG vom 25.11.2019, Zahlen: L529 2146536-2/7E, L529 2146542-2/3E, L529 2146531-2/3E, L529 2146538-2/3E, L529 2146546-2/3E, L529 2146544-2/3E, wurde festgestellt, dass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG rechtmäßig war.
I.5. Mit Bescheiden des BFA, EAST West, vom 11.12.2019, Zahlen: zu 1. XXXX, zu 2. XXXX, zu 3. XXXX, zu 4. XXXX, zu 5. XXXX und zu 6. XXXX, wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten und des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I. und II.). Gemäß § 57 AsylG wurde den Beschwerdeführern kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde jeweils eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gleichzeitig festgestellt, dass gemäß § 52 Abs. 9 FPG eine Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Türkei zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für eine freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 15b Abs. 1 AsylG wurde den BF aufgetragen, von 05.11.2019 bis 09.12.2019 in folgendem Quartier Unterkunft zu nehmen: BS XXXX (Spruchpunkt VII.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Ziffer „zifferA2EFM53“ Fremdenpolizeigesetz, BGBl. Nr. 100/2005 (FPG) wurde ein auf die Dauer von „jahreEFM53“ Jahr/Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VIII.).
Begründend wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführer sich im gegenständlichen Verfahren auf dieselben Gründe wie im Vorverfahren stützen würden. Weder im Vorverfahren noch im gegenständlichen Verfahren hätten die BF glaubwürdig asylrelevante Fluchtgründe vorgebracht. Die Änderungen im gegenständlichen Verfahren seien nicht glaubwürdig und könnten aber auch bei tatsächlichem Bestand keine Asylrelevanz begründen.
Das BFA konnte weiters keine den Art. 2 oder 3 EMRK oder den Protokollen Nr. 6 oder 13 zur Konvention widersprechende Behandlung der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in die Türkei erkennen. Ebenso habe sich die allgemeine maßgebliche Lage in der Türkei seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung im Asylverfahren nicht entscheidungswesentlich geändert. Auch hinsichtlich Art. 8 EMRK habe sich kein berücksichtigungswürdiger Sachverhalt ergeben.
I.6. Gegen diese am 12.12.2019 ordnungsgemäß zugestellten Bescheide wurde mit Schriftsatz der Vertretung der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben.
Hinsichtlich der vom BFA erlassenen Einreiseverbote in der Dauer von „???“ Jahren wurde ausgeführt, dies sei keineswegs verhältnismäßig und lasse sich weder sachlich noch rechtlich begründen.
I.7. Die Beschwerdevorlage des BFA an das Bundesverwaltungsgericht erfolgte mit 30.12.2019, das gg. Beschwerdeverfahren wurde der ho. Abteilung des Bundesverwaltungsgerichtes am 03.01.2020 zur Entscheidung zugewiesen. Das vollständige Einlangen der zugehörigen Akten in der Außenstelle Linz wurde mit 07.01.2020 bestätigt.
I.8. In der Stellungnahme der belangten Behörde zur Beschwerde vom 30.12.2019 führte diese aus, dass der Spruchpunkt hinsichtlich des Einreiseverbotes in den Originalbescheiden aufgrund eines technischen Fehlers bei der Konvertierung der Bescheide aus dem Word-Format in das PDF-Format unrichtig dargestellt worden sei. In der türkischen Übersetzung sei aber bei der Dauer des Einreiseverbotes 2 Jahre angeführt („2 yil“ bedeute 2 Jahre).
I.9. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.01.2020, Zahlen: L529 2146536-3/3E, L529 2146542-3/2E, L529 2146538-3/2E, L529 2146531-3/2E, L529 2146546-3/2E und L529 2146544-3/2E, wurden die Beschwerden der BF gegen die Entscheidungen des BFA vom 11.12.2019 hinsichtlich der Spruchpunkte I. bis VII. als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkte A.I. und II.). Den Beschwerden gegen Spruchpunkt VIII. der Bescheide wurde stattgegeben und dieser ersatzlos behoben (Spruchpunkt A.III.). Die Revision an den VwGH wurde für nicht zulässig erklärt (Spruchpunkt B.).
Begründend wurde zur ersatzlosen Behebung des Einreiseverbotes festgehalten, dass weder dem Bescheidspruch noch der Begründung die Dauer des Einreiseverbotes zu entnehmen sei. Lediglich in der türkischen Übersetzung finde sich die verhängte Dauer des Einreiseverbotes im Ausmaß von „2 yil“, sohin übersetzt 2 Jahre, doch könne diese nicht zur Auslegung herangezogen werden, da die türkische Sprache keine Amtssprache sei.
I.10. Das BFA erhob gegen Spruchpunkt A.III (Behebung des Einreiseverbotes) Amtsrevision. Begründend wurde ausgeführt, die unterlassene Angabe der Dauer des verhängten Einreiseverbotes sei auf einen Daten-Konvertierungsfehler zurückzuführen. Dabei handle es sich um einen von Amts wegen berichtigungsfähigen Fehler und das BVwG hätte die türkische Übersetzung des Spruches bei der Auslegung zu berücksichtigen gehabt.
Seitens der BF blieben die Erkenntnisse unbekämpft.
I.11. Mit Beschlüssen des VwGH vom 18.11.2020 wurden die angefochtenen Erkenntnisse im Anfechtungsumfang (Spruchpunkt A.III.) wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben, da auch der Übersetzung des Spruches gemäß § 12 Abs. 1 BFA-VG maßgebliche Bedeutung für die Auslegung der Entscheidung zukommen könne und das BVwG nicht dargelegt habe, warum die Einreiseverbote zur Gänze entfallen hätten müssen.
I.12. Hinsichtlich des detaillierten Verfahrensherganges wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Sachverhalt:
Der unter I. dargelegte Verfahrensgang steht unbestritten fest.
Gegen die BF bestanden aufrechte Rückkehrentscheidungen, rechtskräftig mit 27.12.2017. Sie sind trotz rechtskräftiger Rückkehrentscheidung ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen.
Die BF sind nicht selbsterhaltungsfähig und sie beziehen Leistungen aus der Grundversorgung; sie sind mittellos.
Der BF1 wurde wegen des Vergehens der Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Wochen, bedingt auf drei Jahre, rechtskräftig verurteilt, die BF2-BF3 sind strafrechtlich unbescholten.
II.2. Beweiswürdigung:
Die Beweisaufnahme erfolgte durch Einsicht in die dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsverfahrensakte, aus denen sich auch der unter I. dargelegte Verfahrensgang ergibt.
Der gesamte entscheidungswesentliche Sachverhalt ergibt sich ebenfalls aus den vorliegenden Verwaltungsakten und sind – mit Ausnahme der verhängten Einreiseverbote – die Entscheidungen des BVwG vom 13.01.2020 in Rechtskraft erwachsen. Mit Beschlüssen des VwGH vom 18.11.2020 wurde lediglich Spruchpunkt A.III. (ersatzlose Behebung des Einreiseverbotes) aufgehoben (siehe dazu unter Rechtliche Beurteilung).
Dass die BF nicht selbsterhaltungsfähig sind und Leistungen aus der Grundversorgung beziehen, ergibt sich aus dem Akteninhalt in Zusammenschau mit dem aktuellen Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem des Bundes, an dem kein Grund zu zweifeln bestand.
Die strafrechtliche Verurteilung des BF1 ergibt sich aus dem aktuellen Strafregisterauszug.
II.3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
II.3.1. Zur Abweisung der Beschwerden gegen Spruchpunkt VIII. der angefochtenen Bescheide (Einreiseverbot)
II.3.1.1. Gegenständlicher Spruchpunkt VIII. lautete:
„Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Absatz 2 Ziffer zifferA2EFM53 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. Nr. 100/2005 (FPG), wird gegen Sie ein auf die Dauer von jahreEFM53 Jahr/Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.“
Der Textierung ist zu entnehmen, dass die belangte Behörde gegen die BF ein Einreiseverbot erlassen wollte. Wie lange dieses Einreiseverbot aber Gültigkeit haben sollte, ist aus dem Spruch nicht zu entnehmen. Lediglich in der türkischen Übersetzung findet sich die verhängte Dauer des Einreiseverbotes im Ausmaß von „2 yil“, sohin übersetzt 2 Jahre.
Mit Beschlüssen des VwGH vom 18.11.2020 wurde klargestellt, dass auch der Übersetzung des Spruches gemäß § 12 Abs. 1 BFA-VG maßgebliche Bedeutung für die Auslegung der Entscheidung zukommen kann, weshalb nunmehr davon auszugehen ist, dass das BFA ein Einreiseverbot in der Dauer von zwei Jahren verhängte.
II.3.1.2. gesetzliche Grundlagen
Die entsprechende Bestimmung § 53 FPG lautet wie folgt:
"§ 53. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.
(Anm.: Abs. 1a aufgehoben durch BGBl. I Nr. 68/2013)
(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige
1. wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, iVm § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs. 1, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;
2. wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;
3. wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt;
4. wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;
5. wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;
6. den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag;
7. bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;
8. eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt hat oder
9. an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, der Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt oder die Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat.
[…]
(4) Die Frist des Einreiseverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.
[…]“
II.3.1.3. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 15.12.2011, Zahl 2011/21/0237 zur Rechtslage vor dem FPG idgF (in Kraft seit 01.01.2014) erwogen, dass bei der Festsetzung der Dauer des Einreiseverbots nach dem FrÄG 2011 eine Einzelfallprüfung vorzunehmen (vgl ErläutRV, 1078 BlgNR 24. GP 29 ff und Art 11 Abs 2 Rückführungs-RL) sei. Dabei hat die Behörde das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen zu beurteilen und zu berücksichtigen, ob (bzw. inwieweit über die im unrechtmäßigen Aufenthalt als solchen zu erblickende Störung der öffentlichen Ordnung hinaus) der (weitere) Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Eine derartige Gefährdung ist nach der Gesetzessystematik insbesondere in den Fällen der Z 1 bis 8 des § 53 Abs. 2 FrPolG 2005 anzunehmen. In den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 1 bis 9 FrPolG ist das Vorliegen einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit indiziert, was dann die Verhängung eines Einreiseverbotes in der Dauer von bis zu zehn Jahren und, liegt eine bestimmte Tatsache im Sinn der Z 5 bis 9 vor, von unbefristeter Dauer ermöglicht.
§ 53 Abs. 2 FPG idgF hat im Vergleich zur Rechtslage vor dem 01.01.2014 keine inhaltliche Änderung erfahren. Daraus ist zu schließen, dass auch in Bezug auf die vom VwGH statuierten (obgenannten) Kriterien, die bei der Verhängung des Einreiseverbotes und seiner Dauer zur Anwendung gelangen sollen, kein Wandel stattgefunden hat. Aus diesem Grund erachtet das Bundesverwaltungsgericht diese auch nach wie vor als anwendbar.
Beim Erstellen der für ein Einreiseverbot zu treffenden Gefährdungsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und aufgrund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 53 Abs. 2 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei dieser Beurteilung kommt es nicht auf die bloße Tatsache, unter anderem von Bestrafungen nach den Verwaltungsgesetzen, sondern auf das diesen zugrundeliegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der Verwaltungsübertretungen und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild an (VwGH 19.02.2013, 2012/18/0230). Außerdem ist auf die persönlichen und familiären Interessen des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 20.12.2016, Ra 2016/21/0109).
Der VwGH hat in einer jüngst ergangenen Entscheidung judiziert, dass der bloße unrechtmäßige Aufenthalt eines Fremden nach dem System der Rückführungsrichtlinie noch keine derartige Störung der öffentlichen Ordnung darstellt, dass dies immer die Erlassung eines Einreiseverbotes gebieten würde, dieses jedoch bei Hinzutreten weiterer Faktoren wie dem Nichtnachkommen einer Ausreiseverpflichtung oder Mittellosigkeit des Fremden durchaus geboten sein kann, die Verhängung eines Einreiseverbots gegen den Beschwerdeführer im vorliegenden Fall als angemessen zu erachten (VwGH Erkenntnis vom 24.05.2018, Ra 2018/19/0125).
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich weiters im Erkenntnis vom 20. September 2018, Ra 2018/20/0349, ausführlich mit dem Tatbestand des § 53 Abs. 2 Z 6 FPG auseinandergesetzt und ausgeführt, dass aus der Mittellosigkeit eines Fremden die Gefahr der Beschaffung der Unterhaltsmittel aus illegalen Quellen bzw. einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft resultiert, weshalb im Fall des Fehlens ausreichender Unterhaltsmittel auch die Annahme einer Gefährdung im Sinn des § 53 Abs. 2 FPG gerechtfertigt ist.
II.3.1.4. Für die gegenständlichen Fälle bedeutet dies:
Die mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.01.2020 erlassenen Rückkehrentscheidungen sind in Rechtskraft erwachsen. Vor diesem Hintergrund erweist sich die alleinige Behandlung der Erlassung eines Einreiseverbotes als zulässig (VwGH 22.5.2013, 2011/18/0259).
Von der belangten Behörde wurde zu Recht angeführt, dass die gegenständlichen Verfahren in den Anwendungsbereich des Artikels 11 der Rückführungsrichtlinie (Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger) fallen würden, welcher die verpflichtende Verbindung einer Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot vorsehe, soweit keine Frist für eine freiwillige Ausreise eingeräumt wurde oder falls der Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen wurde.
Die belangte Behörde war somit schon aufgrund Art. 11 der Rückführungsrichtlinie berechtigt, die Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot zu verbinden.
In den vorliegenden Fällen ist die belangte Behörde weiters zu Recht davon ausgegangen, dass das Fehlverhalten der BF, nämlich die Nichteinhaltung der behördlichen Anweisung, in der gewährten Frist das Bundesgebiet zu verlassen, geeignet sei, die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Bundesgebiet zu gefährden und sohin der Tatbestand des § 53 Abs. 2 FPG verwirklicht sei, auch wenn dieses Fehlverhalten in keine der in § 53 FPG genannten Ziffern subsumiert werden könne. Die Missachtung der Ausreiseaufforderung nach einem negativen Asylverfahren sei als Beeinträchtigung der öffentlichen Interessen zu werten. Darüber hinaus würden die Verfahrensparteien seit dem gesamten Aufenthalt in Österreich ausschließlich von Mitteln der öffentlichen Hand leben. Die belangte Behörde hat die Verhängung des gegenständlichen Einreiseverbotes insbesondere mit dem Umstand begründet, dass der Aufenthalt der BF aufgrund ihrer Mittellosigkeit als Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung anzusehen sei.
Die BF haben bereits zweimal unbegründete und missbräuchliche Asylanträge gestellt. Seit den Erkenntnissen des BVwG vom 20.12.2017, rechtskräftig mit 27.12.2017, bestanden gegen die BF aufrechte Rückkehrentscheidungen. Sie verblieben trotz rechtskräftiger Rückkehrentscheidung und Verstreichen der eingeräumten Frist zur freiwilligen Rückkehr unrechtmäßig im österreichischen Bundesgebiet. Das illegale Verbleiben der BF nach Abschluss ihrer Asylverfahren und die Unwilligkeit, ihrer Ausreiseverpflichtung nachzukommen, welche sich insbesondere in der nochmaligen unbegründeten und missbräuchlichen Asylantragstellung manifestiert, stellen eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen dar und haben die BF kein Verhalten an den Tag gelegt, welches eine positive Zukunftsprognose zulassen würde.
Darüber hinaus sind die BF nicht in der Lage, den Besitz der Mittel zu ihrem Unterhalt nachzuweisen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass er nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhalts verfügt, sondern sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint. Die Verpflichtung, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, besteht insoweit, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 21. Juni 2012, Zl. 2011/23/0305, mwN).
Hinsichtlich der Frage, ob der Tatbestand des § 53 Abs. 2 Z 6 FPG erfüllt ist, ist auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, welcher in seiner bisherigen Rechtsprechung davon ausgegangen ist, dass der Umstand, dass einem Fremden Grundversorgung gewährt wird, Mittellosigkeit geradezu bestätigt (VwGH 25.10.2018, Ra 2018/20/0318, mit Verweis auf Ra 20.09.2018, Ra 2018/20/0349). Die BF haben weder vorgebracht noch nachgewiesen, dass sie ihren Unterhalt aus anderen (legalen) Mitteln decken können und wird auch in der Beschwerde ihre Mittellosigkeit zugestanden. Es ist daher der Tatbestand des § 53 Abs. 2 Z 6 FPG als erfüllt anzusehen. Ferner hat der Verwaltungsgerichtshof in dem bereits zitierten Erkenntnis vom 20. September 2018, Ra 2018/20/0349, ausgeführt, dass aus der Mittellosigkeit eines Fremden die Gefahr der Beschaffung der Unterhaltsmittel aus illegalen Quellen bzw. einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft resultiert, weshalb im Fall des Fehlens ausreichender Unterhaltsmittel auch die Annahme einer Gefährdung im Sinn des § 53 Abs. 2 FPG gerechtfertigt ist.
Zur Dauer des Einreiseverbotes wird festgehalten, dass die belangte Behörde nicht einmal die Hälfte der möglichen Dauer verhängt hat, was angesichts der wiederholten unbegründeten Asylantragsstellung, der Nichtbefolgung der Ausreiseverpflichtung und des Unvermögens der BF, trotz fünfjährigem Aufenthalt in Österreich eine Selbsterhaltungsfähigkeit zu erlangen bzw. die Mittel zu ihrem Unterhalt nachzuweisen, nicht zu beanstanden ist. Die Beschwerde zeigt auch keine Gründe auf, wonach die Ermessensübung durch die belangte Behörde nicht im Sinn des Gesetzes erfolgt wäre.
Auch unter Berücksichtigung der persönlichen und familiären Interessen der BF gelangt das BVwG zu keinem anderen – für die BF günstigeren – Ergebnis, zumal sich in den gegenständlichen Verfahren keine maßgebliche Änderung des Privat- und Familienlebens im Vergleich zu den Vorverfahren ergeben hat.
Die Beschwerde wendet sich zwar gegen die Verhängung des Einreiseverbotes und dessen Dauer, gesteht aber auch die Mittellosigkeit der BF zu und wies begründend letztlich nur auf die Unbescholtenheit der BF hin. Die Beschwerde zeigt auch keine Gründe auf, wonach die Ermessensübung durch die belangte Behörde nicht im Sinn des Gesetzes erfolgt wäre.
Zusammenfassend ist sohin das Einreiseverbot von der belangten Behörde zu Recht erlassen und die gewählte Dauer von zwei Jahren als angemessen angesetzt worden.
Somit war auch die Beschwerde gegen Spruchpunkt VIII. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.
II.3.2. Entfall der mündlichen Verhandlung:
Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.
Zu Spruchteil B):
Gemäß § 25 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht weiters hervor, dass das erkennende Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des VwGH abgeht. Darüber hinaus wird zu diesem Thema keine Rechtssache, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, erörtert.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Änderung maßgeblicher Umstände entschiedene Sache ersatzlose Teilbehebung Familienverfahren Folgeantrag res iudicata Rückkehrentscheidung Unterkunft wesentliche SachverhaltsänderungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:L529.2146536.3.00Im RIS seit
25.09.2020Zuletzt aktualisiert am
04.03.2021