TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/17 W159 2183603-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.02.2020
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Entscheidungsdatum

17.02.2020

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W159 2183603-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.01.2018, Zahl XXXX , nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 31.01.2020 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gem. § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Gem. § 3 Abs. 5 leg. cit. wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, der Volksgruppe der Hazara zugehörig, schiitischer Moslem, volljährig und ledig gelangte (spätestens) am 05.11.2015 unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich und stellte an diesem Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der am 06.12.2015 erfolgten Erstbefragung nach dem Asylgesetz durch die polizeiliche Sicherheitsbörde gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt an, er habe sich illegal im Iran aufgehalten und iranische Sicherheitsorgane hätten ihn zwingen wollen, in Syrien zu kämpfen.

In der niederschriftlichen Einvernahme vom 09.01.2018 brachte der Beschwerdeführer diverse ärztl. Befunde, Integrationsbestätigungen der Diakonie und ein ÖSD Zertifikat A2 in Vorlage. Er gab an er habe Afghanistan verlassen, als er ungefähr drei Jahre alt gewesen sei. Sein Vater hätte als Mitglied einer Gruppe gegen die Taliban gekämpft und sei deshalb bedroht worden, weswegen er mit seiner Familie Afghanistan verlassen habe. Der Beschwerdeführer gab an, er sei persönlich in Afghanistan nicht bedroht oder verfolgt worden, er sei nicht vorbestraft und werde nicht von der Polizei, einer Staatsanwaltschaft, einem Gericht oder einer sonstigen Behörde gesucht. Der Beschwerdeführer sei kein Mitglied einer politischen Gruppierung oder Partei gewesen, und sei nicht wegen seiner politischen Gesinnung oder der Religion verfolgt worden. Er sei auch nicht von staatlicher Seite wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit verfolgt worden.

Der Beschwerdeführer gab nachgefragt an, sein Vater sei verstorben, seine Mutter und seine Schwester würden im Iran leben. Er hätte keine Verwandten mehr in Afghanistan.

Mit dem im Spruch bezeichneten Bescheid vom 09.01.2018 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt. Es wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, dem Beschwerdeführer wurden 14 Tage Frist für eine freiwillige Ausreise gegeben (Spruchpunkte III. bis IV.).

In der Begründung des Bescheides führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer keine Verfolgungshandlung oder Bedrohungsszenario in Afghanistan darlegen hätte können. Es gäbe auch keine Hinweise dafür, dass der Beschwerdeführer in eine existenzbedrohende Notlage bei der Rückkehr in sein Heimatland kommen könnte.

Die belangte Behörde hielt rechtlich begründend zu Spruchpunkt I. fest, dass der Beschwerdeführer im Heimatland keine Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK glaubhaft machen konnte.

Zu Spruchteil II. wurde festgestellt, dass sich aus der allgemeinen Lage im Heimatland des Beschwerdeführers keine Gefährdungslage im Sinne des § 8 AsylG ergeben würde. Demnach sei auch kein Abschiebungshindernis ersichtlich. Es wäre eine Rückkehr bzw. Neuansiedlung trotz der insgesamt als prekär zu bezeichnenden Sicherheitslage im Heimatland des Beschwerdeführers, im Hinblick auf die unterschiedlichen Sicherheitslagen in den Regionen und Distrikten möglich. Es sei ein Neustart in Kabul zumutbar. Der Beschwerdeführer sei jung, arbeitsfähig, volljährig, grundsätzlich gesund und könne bei einer Rückkehr für seinen Lebensunterhalt sorgen, somal er über den kulturellen Hintergrund und die erforderlichen Sprachkenntnisse für Afghanistan verfüge.

Zu Spruchpunkt III. bis IV. wurde festgestellt, dass diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden gewesen sei, da der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen und ein Aufenthaltstitel nicht zuerteilt worden sei. Es hätte kein Aufenthaltstitel erteilt werden können, da der belangten Behörde keine Hinweise auf das Vorliegen eines schützenswertens Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK bekannt gewesen seien. Mit der Rückkehrentscheidung wurde eine vierzehntägige Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

Der Beschwerdeführer, vertreten durch den XXXX , erhob beim Bundesverwaltungsgericht gegen diesen Bescheid Beschwerde, wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts, mangelhafter bzw. unrichtiger Bescheidbegründung sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge von Verletzung der Verfahrensvorschriften.

In der Begründung der Beschwerde wurde das bisherige Vorbringen vor der belangten Behörde wiedergegeben und um länderspezifische Ausführungen ergänzt. Mit der Beschwerdevorlage vom 18.01.2018 verzichtete die belangte Behörde auf die Durchführung und Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung.

Mit 24.01.2018 wurden diverse Kursbestätigungen zur Integration in Vorlage gebracht.

In der Stellungnahme, eingebracht durch den nunmehr bevollmächtigten Rechtsvertreter XXXX , eingelangt am 27.01.2020, brachte der Beschwerdeführer div. Dokumente in Vorlage: Austrittsbestätigung aus der islamischen Glaubensgemeinschaft vom 17.01.2020; Bestätigung des Bundes der Baptistengemeinden in Österreich vom 17.01.2020; ÖSD-Zertifikat A2 vom 04.06.2018; ÖSD-Zertifikat B1 vom 21.11.2018; Arbeitsbestätigung BM für Nachhaltigkeit und Tourismus vom 26.06.2018; Vereinbarung XXXX vom März 2018; Urkunde AI zum Engagement bei "Bilder im Kopf, Menschenrechte im Alltag" vom 21.10.2019; Schulbesuchsbestätigung XXXX WS 2019/20; Bestätigung XXXX vom 13.01.2020; Kursabschlussbestätigung XXXX vom 09.07.2019; div. Unterstützungsschreiben, Stahlmann, Friederike: Studie zum Verbleib und zu den Erfahrungen abgeschobener Afghanen, Asylmagazin 8-9/2019, S.176ff.

Zum Fluchtgrund wurde angegeben, dass der Beschwerdeführer im Alter von etwa drei Jahren mit seiner Familie von Afghanistan in den Iran geflüchtet sei, weil der Vater gegen die Taliban gekämpft habe. Da die Familie des Beschwerdeführers über keine legale Aufenthaltsberechtigung verfügt habe, habe der Beschwerdeführer auch nicht legal arbeiten dürfen. Der Beschwerdeführer habe neuerlich flüchten müssen, als er als Kämpfer für den Krieg in Syrien ekrutiert hätte werden sollen.

Der Beschwerdeführer würde einer relativ konservativen Familie entstammen, insbesondere seine Mutter sei sehr religiös. Seit seiner Flucht nach Österreich habe sich der Beschwerdeführer kontinuierlich vom Islam distanziert. Er habe einerseits seinen Glauben abgelegt, andererseits habe er mehr und mehr begonnen eine säkulare Lebens- und Denkweise anzunehmen. Beispielsweise habe der Beschwerdeführer begonnen hin und wieder Schweinefleisch zu essen und Alkohol zu trinken.

"Zusätzlich lernte der Beschwerdefüher etwa im Sommer 2017 in seiner im Rahmen der Grundversorgung zur Verfügung gestellten Unterkunft Frau K. kennen, die dort als Betreuerin für den Arbeitersamariterbund tätig war. Die beiden knüpften zunächst eine Freundschaft, ab Herbst/Winter 2017, als der Beschwerdeführer aus dem Quartier auszog, entstand daraus eine Liebenbeziehung. Ab Beginn des Jahres 2018 verbrachte der Beschwerdeführer den Großteil seiner Freizeit mit und bei Frau K., seit April 2018 lebt das Paar offiziell im gemeinsamen Haushalt zusammen. Nach inzwischen rund zweijähriger Beziehung planen die beiden auch schon konkret ihre gemeinsame Zukunft. So hatten sie bereits überlegt zu heiraten, bisher scheiterte dieser Plan jedoch an den fehlenden Dokumenten des Beschwerdeführers. Zusätzlich wollte der Beschwerdeführer zunächst Klarheit über seinen Aufenthaltsstatus erlangen und in Österreich eine Beschäftigung aufnehmen. Darüber hinaus wünschen sich der Beschwerdeführer und seine Lebensgefährtin gemeinsame Kinder und hoffen diese jederzeit darauf, schwanger zu werden.

Vor etwa einem Jahr begann sich der Beschwerdeführer in einer schwierigen Lebensphase zusätzlich immer intensiver mit anderen Glaubensrichtungen auseinanderzusetzen. Über einen Freund, Herrn Q., gelangte er in Kontakt mit der Kirche des Bundes der Baptistengemeinden in Österreich. Nach anfänglich unregelmäßigen Teilnahmen am Gottesdienst, begann der Beschwerdeführer ab November 2019, regelmäßig freitags und sonntags den farsi-sprachigen Glaubenskurs sowie Gottesdienst zu besuchen. Seit etwa zwei Monaten bereitet er sich im Glaubenskurs zudem intensiv auf seine Taufe vor, die spätestens im Sommer 2020 geplant ist. Zusätzlich trifft sich der Beschwerdefüher regelmäßig zum Beten und privatem Bibelstudium mit Freunden und Freundinnen.

Dem Beschwerdeführer war nicht bewusst, dass in Österreich neben der Taufe auch die Möglichkeit eines formellen Austritts aus der islamischen Glaubensgemeinschaft besteht, weshalb er diesen erst nach entsprechender Information durch seinen ausgewiesenen Vertreter vergleichsweise spät vornahm.

Die Lebensgemeinschaft des Beschwerdeführers ist auch insofern relevant, als seine Lebensgefährtin eine getaufte Christin ist. Zwar praktiziert Frau K. ihren Glauben nicht intensiv, sie stammt jedoch ebenfalls aus einer relativ gläubigen Familie und feiert jedenfalls alle wichtigen christlichen Feuertage; nunmehr auch gemeinsam mit dem Beschwerdeführer. Gemeinsame Kinder möchte der Beschwerdeführer zwar gläubig erziehen, ihm und seiner Lebensgefährtin ist es jedoch sehr wichtig, dass sich ein gemeinsames Kind den eigenen Glauben frei und ohne Druck aussuchen kann.

Aus Sicht des Islam, in jener Form, wie er in Afghanistan praktiziert wird, wäre nicht nur eine Beziehung mit einer Christin oder schlicht nicht muslimischen Frau problematisch, sondern allgemein eine voreheliche Liebesbeziehung. Eine solche könnte als sogenanntes Zina-Verbrechen qualifiziert und strafrechtlich sanktioniert werden.

Der Beschwerdeführer vertritt auch über seine Position zur Religion hinaus eine sehr liberale, moderne Haltung. So spricht er sich offen und ausdrücklich für die in Österreich geltende Werte wie Demokratie, die Achtung der Menschenrechte, die Trennung von Staat und Religion sowie die absolute Gleichberechtigung von Frauen aus. Auch den gemeinsamen Haushalt gestaltet das Paar gleichberechtigt; sollte der Beschwerdefüher Vater einer Tochter werden, wünscht er sich für diese natürlich, dass sie ein selbstbestimmtes, unabhängiges Leben führen kann.

Der Glaubenswechsel des Beschwerdeführers beruht auf seiner inneren Überzeugung und prägt seinen Alltag intensiv, weshalb ihm nicht zuzumuten ist, diesen zu verbergen bzw. auf die Religionsausübung zu verzichten. Zusätzlich versteht der Beschwerdeführer missionarische Tätigkeiten als Pflicht jedes/jeder gläubigen Christ/Christin. Zwar würde er es aus Angst vor massiven Konsequenzen im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan vermeiden, ihm völlig unbekannte Personen zur Konversion zum Christentum zu motivieren, gegenüber vertrauten Personen würde er sich dazu jedoch verpflichtet fühlen. Trotz eines gewissen Vertrauensverhältnisses könnte natürlich nie ausgeschlossen werden, dass diese Personen wiederum weiteren Dritten vom Glaubenswechsel des Beschwerdeführers erzählen und dadurch eine Gefahr für den Beschwerdeführer entsteht.

Als der Beschwerdeführer seiner Mutter im Iran von seiner Konversion berichtete, reagierte diese im Gegensatz zu seinervergleichsweise liberalen Schwester sehr zornig und bracht den Kontakt zum Beschwerdefüher ab. Der Beschwerdeführer hat in Afghanistan weder Familienmitglieder, noch Freunde/Freundinnen, weshalb er dort bisher niemandem aktiv von seinem Glaubenswechsel berichtete. In seiner Gemeinde in XXXX gibt es jedoch zahlreiche Mitglieder, die ebenfalls aus Afghanistan stammen und natürlich über die Konversion des Beschwerdeführers Bescheid wissen. Es ist ebenfalls nicht auszuschließen, dass diese anderen Gemeindemitglieder Personen in Afghanistan vom Glaubenswechsel des Beschwerdeführers informierten und dadurch eine zusätzliche Gefahr für den Beschwerdeführer entsteht.

Der Beschwerdeführer und seine Lebensgefährtin sind auch auf diversen sozialen Medien aktiv. Aufgrund dieser Aktivitäten könnten ihre Liebesbeziehung sowie die Konversion des Beschwerdeführers theoretisch einer breiten Öffentlichkeit bekannt werden. Ein Konvolut an Screenshots dieser Aktivitäten wird im Rahmen der Verhandlung am 31.01.2020 vorgelegt.

Abschließend wird darauf hingewiesen, dass die Beziehung zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Lebensgefährtin zum Zeitpunkt der Einvernahme vor dem BFA zwar schon bestanden hatte, allerdings erst seit wenigen Wochen. Der Beschwerdeführer konnte zum damaligen Zeitpunkt noch nicht einschätzen, als wie intensiv und beständig sich diese erweisen würde und wollte seine nunmehrige Lebensgefährtin nicht dadurch unter Druck setzen, dass er sie vor dem BFA erwähnte. Seine Konversion trat erst später ein, weshalb diese jedenfalls nicht vom Neuerungsverbot iSd § 20 BFA-VG umfasst ist. Dem Beschwerdeführer kann zudem nicht vorgeworfen werden, dass er nicht schon damals von seiner zunehmenden Distanzierung vom Islam berichtete, da er im Rahmen der Einvernahme vor dem BFA nur nach jenen Gründen befragt wurde, aus denen seine Familie ursprünglich Afghanistan verließ. Der zum damaligen Zeitpunkt unvertretene, rechts- und weitgehend sprachunkundige Beschwerdeführer konnte ohne entsprechende Information nicht einschätzen, welche Erlebnisse bzw. tatsächlichen Veränderungen in seinem Leben er wie detailliert darlegen sollte, um eine positive Entscheidung über seinen Antrag auf internationalen Schutz zu erhalten. Vielmehr wäre es die Verpflichtung des BFA gewesen, im Rahmen seiner amtswegigen Ermittlungspflicht Fragen zu sämtlichen indizierten und potentiell entscheidungsrelevanten Sachverhaltselementen zu stellen.

Im Rahmen der Einvernahme vor dem BFA kam es auch insofern zu einem Missverständnis, als fälschlich protokolliert wurde, dass die Mutter des Beschwerdeführers im Iran als Ärztin arbeite. Tatsächlich ist die Mutter des Beschwerdeführers Analphabetin und hält sich wie auch der Beschwerdeführer nicht legal im Iran auf. Durch die Pflege der eigenen Schafe erlangte die Mutter minimale medizinische Kenntnisse und verabreichte später gegen Geld Injektionen. Der Beschwerdeführer bedauert diesen Fehler und vermutet, dass dieser auf ein Missverständnis zwischen ihm und dem beigezogenen Dolmetscher zurückzuführen ist."

Dem Beschwerdeführer drohe im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund seiner Konversion zum Christentum einerseits Verfolgung durch streng muslimische Private sowie radikal-muslimische Gruppierungen wie die Taliban und andererseits staatliche Verfolgung, im schlimmsten Fall die Todesstrafe (vgl. ua. BVwG 09.09.2019, W104 2195550-1; BVwG 02.09.2019, W222 2158076-1). Dies zusätzlich aufgrund seiner vorehelichen Liebesbeziehung mit einer Christin.

An der öffentlich mündlichen Verhandlung am 31.01.2020 vor dem Bundesverwaltungsgericht nahmen der Beschwerdeführer, seine Rechtsvertretung, eine Zeugin und ein Dolmetscher, bestellt für die Sprache Dari teil. Ein Vertreter der belangten Behörde ist nicht erschienen.

Die Rechtsvertretung brachte diverse Screenshots aus Instagram des Beschwerdeführers und Facebook (Lebensgefährtin) zum Beweise des Glaubenswechsels und der Lebensgemeinschaft in Vorlage.

Anmerkung: Der Beschwerdeführer trug eine goldene Kette mit einem Kreuz um den Hals.

Der Beschwerdeführer hielt sein bisheriges Vorbringen und die Beschwerde aufrecht. Der Beschwerdeführer korrigierte bzw. ergänzte sein Vorbringen: "Es gab ein paar Punkte die falsch geschrieben wurden. Es wurde zB geschrieben das ich 18 Jahre alt war, als mein Vater verstorben ist. Ich war aber erst 15 Jahre alt. Es gab auch einen anderen Punkt: Man hat mich gefragt ob ich iranische Dokumente mithabe, ich habe nein gesagt. Irrtümlich wurde aber ja protokolliert. Ein dritter Punkt: Ich habe auch erzählt wie mein Vater gestorben ist, es wurde aber protokolliert, dass ich das nicht weiß."

Der Beschwerdeführer gab nachgefragt an, er sei afghanischer Staatsangehöriger, Hazara, und jetzt Christ. Seine Familie sei schiitischen moslemischen Glaubens. Er würde keinerlei Dokumente über seine Staatsangehörigkeit besitzen.

Nachgefragt gab er an, er sei früher schiitischer Moslem gewesen, habe die Lehre nie verstanden und habe einfach mitmachen müssen. Er würde aus einer streng religiösen Familie stammen und habe diese Religion nicht freiwillig ausgeübt. Er habe immer schon Zweifel an der islamischen Religion gehabt: "Zuerst muss ich sagen, dass ich den Glauben an Gott nie verloren habe. Aber den Gott, den der Islam meint, habe ich nicht so gut verstanden, weil es sehr viel Zwang gibt. Um ein Beispiel zu nennen, man muss fünf Mal am Tag beten, einen Monat im Jahr fasten. Ich habe mir gedacht, dass es besser ist, die Zeit, die für fünf Mal am Tag beten beansprucht wird, dafür zu verwenden, jemandem zu helfen."

Er sei in Afghanistan in der Provinz Ghazni im Distrikt XXXX geboren worden. Er habe im Iran, in einer Stadt namens XXXX gelebt. Sein Vater hätte ihm gesagt, dass er drei Jahre alt gewesen sei, als die Familie in den Iran gezogen sei. Er sei im Iran fast sieben Jahre zur Schule gegangen. Es sei keine iranische staatliche Schule gewesen. Er habe Lesen, Schreiben und ein bisschen Rechnen gelernt. Solange der Vater gelebt hätte, hätte er sich um die Familie finanziell gekümmert. Nach dem Tod des Vaters hätten die Mutter des Beschwerdeführers und der Beschwerdeführer für den Lebensunterhalt gearbeitet.

Nachgefragt gab der Beschwerdeführer an, er habe keine persönlichen Probleme mit afghanischen Behördenorganen, bewaffneten Gruppierungen wie den Taliban oder mit Privatpersonen gehabt, da er nicht in Afghanistan gelebt hätte. Sein Vater hätte ihm aber gesagt, dass es in Afghanistan üblich sei, dass seinerzeitige Feinde die Nachfahren von Kämpfern töten würden. Er habe den Iran verlassen müssen, weil die iranische Polizei in aufgriffen habe. Statt nach Afghanistan abgeschoben zu werden, sei er in ein militärisches Ausbildungslager gebracht worden, um im Syrienkrieg zu kämpfen. Es sei ihm gelungen zu fliehen. Nachgefragt gab der Beschwerdeführer an, er habe weder Verwandte oder Freunde in Afghanistan. Auf die Frage des Richters, ob er gesundheitliche Probleme habe, anwortete der Beschwerdeführer: "Hin und wieder habe ich Alpträume. Ich träume immer wieder, das auf mich geschossen wird, das steht in Zusammenhang mit meiner Rekrutierung im iranischen Militär."

Der Beschwerdeführer gab an, er sei im Sommer 2019, durch einen Freund, der Baptist sei, mit dem Christentum - der Baptistenkirche - in Berührung gekommen. Er sei vom Christentum so fasziniert, weil er Gott hier gefunden habe, der all seine Fragen beantworten würde. Dieser Gott habe ihm auch seine Probleme aus der Welt geschafft.

Auf die Frage "Was hat Sie am Islam gestört, sodass Sie förmlich aus dem Islam ausgetreten sind?" antwortete der Beschwerdeführer: "Ich weiß viel vom Islam. Mich hat z.B. gestört, dass die Frauen keine Rechte haben. Sie haben ein Geschäft aus Gott gemacht. Außerdem habe ich von Gott damals Angst gehabt" (auf Deutsch).

Der Beschwerdeführer antwortet auf die Frage, ob er eine Glaubensunterweisung erhalten hätte, weiter in deutscher Sprache: "Ich habe einen ersten Kurs geschafft, heute beginnt der zweite. Bis zur Taufe ist noch ein dritter notwendig. Der Kurs dauert ca. ein bis eineinhalb Stunden am Freitagabend. Die Kurse finden auf Farsi statt bzw. werden auf Farsi übersetzt." Er habe noch nicht alle Kurse für die Taufe, deshalb sei er noch nicht getauft. Er habe die Absicht im Sommer 2020 getauft zu werden.

Auf die Frage, was er vom Leben von Jesus Christus wisse, erzählte der Beschwerdeführer: "Ich weiß, weswegen er zu uns gekommen ist. Er hat sich für uns geopfert, damit unsere Sünden vergeben werden. ... Der Vater ist Josef, die Mutter ist Maria. Jesus ist durch den heiligen Geist gezeugt worden. Es ist ein Engel Josef im Traum erschienen, dass das Kind der Sohn Gottes ist. Jesus ist in Bethlehem geboren in einem Stall."

Er habe als Kind flüchten müssen, "die Römer haben einen König namens Herodes eingesetzt. Sie haben geglaubt Jesus macht Herodes den Thron streitig. Sie wollten ihn töten. Es ist wieder Jesus ein Engel erschienen, der ihnen gesagt hat, dass sie nach Ägypten flüchten müssen. Er ist dort ein bisschen aufgewachsen und später zurückgekehrt. Seine Familie stammt aus Nazareth."

"Jesus ist durch Johannes getauft worden. Johannes hat gemeint, er ist so klein und nicht würdig Jesus zu taufen. Jesus hat aber gemeint, dass sie den Plan Gottes ausführen sollen. Es ist die Stimme Gottes erschienen, dass Jesus sein Sohn ist. Der Heilige Geist ist in Form einer Taube erschienen. Jesus wurde im Fluss Jordan getauft."

Der Richter erkundigte sich weiter ob Jesus Wunder gewirkt hätte. Der Beschwerdeführer bejaht die Frage. Er habe blinde Leute sehend gemacht, er habe Sterbende geheilt.

Jesus Christus sei zu Tode gekommen, weil einer von seinen Jüngern ihn verraten hätte, Judas für 30 Silbermünzen. In diesem besagten Garten habe man ihn dann festgenommen. Die Volksmenge hätte bevorzugt einen Verbrecher frei zulassen und nicht Jesus. Sie hätten Jesus geschlagen. Sie hätten ihn dann auf einen Berg gebracht. Jesus habe das Kreuz auf den Berg tragen müssen. Er sei ans Kreuz geschlagen worden und hätte sowohl dem Exekutionskommando als auch anderen, die mit ihm hingerichtet worden seien, die Sünden vergeben. Nach seinem Tod, sei Jesus bestattet worden und nach drei Tagen wieder auferstanden. Dieses Fest werde zu Ostern gefeiert. 40 Tage sei er noch auf der Erde geblieben, dann sei er in den Himmel zurückgekehrt.

Auf die Frage des Richters, was geschehen sei, bevor Jesus verraten und verurteilt worden sei, als er sich noch mit seinen Jüngern getroffen habe, antwortete der Beschwerdeführer, am gleichen Abend sei Jesus verraten worden. "Er hat das Brot geteilt und jedem ein Glas Wein gegeben, er hat gesagt das Brot ist sein Körper und der Wein ist sein Blut."

Nachgefragt gab der Beschwerdeführer an, er kenne folgende Feiertage: Ostern, Weihnachten und Pfingsten. Weihnachten ist am 25. Dezember, da wird die Geburt Christus gefeiert. Zu Pfingsten ist Gott den Jüngern erschienen. Sie konnten sich in allen Sprachen verständigen.

Er kenne folgende Zweige des Christentums: Katholiken, die Baptisten, die Orthodoxen. Es sei ihm entfallen, welche Kirche Martin Luther gegründet habe.

Der Unterschied zwischen den Baptisten und anderen Christen sei, dass keine Kinder, sondern nur Erwachsene getauft werden würden. Die Priester würden normale Kleidung trage. Die Leitung bestünde aus den Gläubigen. Da er gerne in der Kirche aktiv sein wolle, sei er regelmäßig dort.

Der Richter erkundigte sich, wie sich sein Leben durch seine Wendung zum Christentum geändert habe. Der Beschwerdeführer erklärte: "Ja, es hat sich geändert. Jesus hat mir geholfen anders zu denken. Ich habe sogar der Person vergeben können, die mich zur Armee im Iran geschickt hat."

Der Beschwerdeführer gab an, er würde wöchentlich in den Glaubenskurs gehen, man würde sich ach jede Woche treffen, die Bibel lesen und darüber sprechen. Man spreche auch über die eigenen Probleme. Die Rechtsvertretung erkundigte sich: "Sie schreiben auch bei Instagram über Ihren Glauben. Ist es wichtig für Sie über Ihren Glauben zu sprechen?" Der Beschwerdeführer antwortete: "Ja, natürlich. Auch auf der Straße, wo ich das kann, spreche ich über meinen Glauben. Ich kann nicht den lebendigen Gott verstecken." Er sei früher in der Dunkelheit gewesen, er wolle darüber nicht mehr sprechen. Er sei mit seinem Leben sehr zufrieden, er hätte früher auf sein Leben nicht stolz sein können. Er lebe jetzt in einer Lebensgemeinschaft. Er habe seine Lebensgefährtin im Flüchtlingsheim, wo er untergebracht gewesen sei, kennen gelernt. Im Dezember 2017 hätte alles mit einer normalen Freundschaft begonnen. Sie sei für ihn immer wichtiger geworden. Seit 2018 würde er mit ihr zusammenleben. Er wolle mit ihr ein gemeinsames Leben aufbauen und Kinder bekommen.

Zurzeit bereite er sich in Österreich auf den Pflichtschulabschluss vor. Es fehle noch eine Prüfung. Am Tag besuche er einen Deutschkurs in B2. Er habe die Deutschdiplome A2 und B1 erworben. Er habe 2 Monate beim XXXX gearbeitet. So habe er jemanden kennengelernt, der ihm vermittelt hätte, dass er in den Gärten XXXX arbeiten könne. Er strebe an, das Gymnasium für Berufstätige abzuschließen und eine Ausbildung als Gesundheits- und Krankenpfleger zu machen. Er habe österreichische Freunde gefunden und Kontakt zur Familie seiner Lebensgefährtin, die ihm zu Weihnachten ein goldenes Kreuz an einer Kette geschenkt hätten. Seine Freundin sei keine Baptistin.

Seine Familie wisse auch von seinem Glaubensabfall. Seine Schwester würde wieder mit ihm reden, jedoch die Mutter nicht. Die Mutter dürfe auch nicht wissen, dass die Schwester mit ihm in Kontakt stehen würde. Er habe niemanden mehr in Afghanistan, den er von seinem Glauben berichten könnte, es sei jedoch im Internet ersichtlich.

Festgehalten wurde, dass der Beschwerdeführer die Fragen zum Glaubenswechsel und auch die meisten Fragen zur Integration auf Deutsch beantwortet hat.

Befragung der Zeugin:

Der Richter erkundigte sich, wie sie ihren Lebensgefährten kennengelernt habe. Die Zeugin antwortete: "Ich habe als Betreuerin im XXXX gearbeitet, dort war eine Flüchtlingsunterkunft. Ich war Karenzvertretung. Das war ca. Juni 2017. Zuerst waren es alle für mich normale Bewohner. Wir haben im August erfahren, dass die Einrichtung zugesperrt wird. Wir haben dann den Kontakt fortgesetzt, als die Flüchtlingsnunterkunft aufgelöst war. Er hat mich dann nach Haus begleitet. Es war ein langer Prozess, bis sich unsere Freundschaft intensiviert hat."

Sie sei im April 2018 mit dem Beschwerdeführer zusammengezogen. Sie hätte schon eine eigene Wohnung in XXXX . Er hätte Stress in seiner Unterkunft gehabt.

Die Zeugin gab an, sie sei als Studentin 2014 nach XXXX gekommen. Sie habe in Ungarn schon eine Ausbildung als Sozialarbeiterin gemacht und hier in Österreich eine Ausbildung als XXXX . Es sei ein Postgraduate Studium an der Uni XXXX . Das Masterstudium sei auf Englisch und Deutsch habe sie schon in der Schule in Ungarn gelernt. Beruflich sei sie Straßensozialarbeiterin und kümmere sich um Obdachlose.

Auf die Frage des Richters: "Unterstützen Sie den Beschwerdeführer finanziell?" antwortete die Zeugin: "Ja, wir haben eine gemeinsame Kasse und leben zusammen. Ich verdiene mehr wie er, aber wir unterstützen uns gegenseitig. Wir sprechen Deutsch miteinander." Nachgefragt gab sie an, sie sei noch nicht verheiratet gewesen und habe noch keine Kinder.

Der Richter erkundigte sich, was das Paar gemeinsam unternehme. Die Zeugin erzählte: "Wir kochen gerne zusammen, ich kann auch schon etwas afghanisch Kochen. Ich koche auch oft ungarisch. Wir gehen gerne zusammen radfahren. Wir würden auch gerne reisen, aber mein Lebensgefährte darf noch nicht reisen. Ich war schon zwei Mal in XXXX und er möchte dort gerne hin. Meine Eltern würden gerne meinen Lebensgefährten kennen lernen, aber sie können nicht mehr reisen. Mein Vater ist schon ein Pflegefall. Daher möchten wir gerne einmal gemeinsam meine Eltern besuchen. Ich stamme aus Südungarn, nahe der kroatischen Grenze."

Die beiden würden den Haushalt gemeinsam führen. Ihr Lebensgefährte habe mehr Zeit und würde auch die Wohnung putzen. In der Zukunft hätten sie gerne mindestens ein Kind, am liebsten eine Tochter. Sie würden gerne eine Familie gründen und heiraten.

Auf ihre Religion angesprochen antwortete die Zeugin, ihr Vater sei katholisch, sie gehöre der reformierten Kirche an. Religion interessiere sie nicht so sehr. Ihr Lebensgefährte sei Moslem gewesen, habe den Ramadan nicht eingehalten und auch keine islamischen Gebote. Jetzt sei er Christ, er gehe oft in die Kirche. Früher hätte er in seiner Geldbörse einen Stein mit einem Papier und einem Vers aus dem Koran gehabt, jetzt nicht mehr.

Der Beschwerdeführer zeigte ein Bild von Jesus Christus in seiner Geldbörse.

Die Zeugin führte weiter aus, während sie tägliche ihre Serie aus dem ungarischen Fernsehen schaue würde, würde er die Bibel lesen und bei ihr, die Sachen die er nicht verstehen würde, nachfragen. Sie könne ihm manchmal nicht weiterhelfen. Sie würden in einem Doppelbett schlafen. Früher hätte sie gemerkt, dass er Alpträume habe. Seit ein paar Monaten sei das nicht mehr der Fall und sie glaube, dass es auch an der Religion liegen würde.

Im aktuellen Strafregisterauskunft schien keine Verurteilung auf.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat wie folgt festgestellt und erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsbürger von Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und in Afghanistan geboren. Als der Beschwerdeführer etwa drei Jahre alt war, zogen seine Eltern illegal in den Iran. Dort wuchs er auf, ging in eine nicht offizielle Schule und verdiente nach dem Tod des Vaters einen Teil des Lebensunterhalts für die Familie. Der Beschwerdeführer floh nach Europa, weil die iranische Polizei ihn für den Syrienkrieg rekrutieren oder nach Afghanistan zurückschicken wollte.

In Österreich kam er mit dem baptistischen Christentum in Berührung. Er prüfte diesen Glauben, und nimmt zurzeit an der Taufvorbereitung teil und wird sich taufen lassen. Er hat jetzt schon ein fundamentieres Bibelwissen, er konnte die Fragen des Richters ausgezeichnet beantworten. Er hat den christlichen Glauben in sich aufgesogen und sein Leben neu nach christlichen Maßstäben geordnet. Seine Mutter hat jeglichen Kontakt zum Beschwerdeführer aufgrund der Konversion abgebrochen und seiner Schwester verboten mit ihm Kontakt zu haben.

Der Beschwerdeführer lebt mit seiner Lebensgefährtin, einer EU-Bürgerin und protestantischen Christin zusammen, sie praktiziert ihren Glauben nicht intensiv, stammt jedoch aus einer christlich gläubigen Familie. Der Beschwerdeführer vertritt über seine Religion eine sehr liberale und moderne Haltung. Er achtet die Werte wie Demokratie, Achtung der Menschenrechte, die Trennung von Staat und Religion und befürwortet die absolute Gleichberichtigung von Frauen. Diese erworbenen Kenntnisse setzt er auch in seiner Partnerschaft mit seiner Lebensgefährtin um. Er möchte seine Lebensgefährtin heiraten, eine Familie gründen und mit ihr Kinder bekommen.

Der Glaubenswechsel des Beschwerdeführers beruht auf seiner inneren Überzeugung und prägt wie in der Verhandlung hervorgekommen und im Verfahrensgang nachzulesen ist seinen Alltag intensiv.

Er erwarb das Deutschzertifikat Niveau A2 und B1, macht den Pflichtschulabschluss und ist lt. Strafregisterauszug unbescholten.

1.2 Zu Afghanistan wird folgendes Verfahrensbezogen festgestellt:

Religionsfreiheit

Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten (CIA 2017; vgl. USCIRF 2017). Schätzungen zufolge sind etwa 10 - 19% der Bevölkerung Schiiten (AA 5.2018; vgl. CIA 2017). Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie die der Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen ca. 0,3% der Bevölkerung aus. Offiziell lebt noch ein Jude in Afghanistan (USDOS 15.8.2017).

Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (USDOS 15.8.2017). Der politische Islam behält in Afghanistan die Oberhand; welche Gruppierung - die Taliban (Deobandi- Hanafismus), der IS (Salafismus) oder die afghanische Verfassung (moderater Hanafismus) - religiös korrekter ist, stellt jedoch weiterhin eine Kontroverse dar. Diese Uneinigkeit führt zwischen den involvierten Akteuren zu erheblichem Streit um die Kontrolle bestimmter Gebiete und Anhängerschaft in der Bevölkerung (BTI 2018).

Das afghanische Strafgesetzbuch, das am 15.2.2018 in Kraft getreten ist, enthält keine Definition von Apostasie (vgl. MoJ 15.5.2017). Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt die Konversion vom Islam zu einer anderen Religion als Apostasie. Jeder Konvertit soll laut

islamischer Rechtsprechung drei Tage Zeit bekommen, um seinen Konfessionswechsel zu widerrufen. Sollte es zu keinem Widerruf kommen, gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, während Frauen mit lebenslanger Haft bedroht werden. Ein Richter kann eine mildere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Auch kann die Regierung das Eigentum des/der Abtrünnigen konfiszieren und dessen/deren Erbrecht einschränken. Des Weiteren ist gemäß hanafitischer Rechtssprechung Proselytismus (Missionierung, Anm.) illegal. Dasselbe gilt für Blasphemie, die in der hanafitischen Rechtssprechungnter die Kapitalverbrechen fällt (USDOS 15.8.2017) und auch nach dem neuen Strafgesetzbuch unter der Bezeichnung "religionsbeleidigende Verbrechen" verboten ist (MoJ 15.5.2017: Art. 323). Zu Verfolgung von Apostasie und Blasphemie existieren keine Berichte (USDOS 15.8.2017).

Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 zwar verbessert, jedoch wird diese noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformerische Muslime behindert (FH 11.4.2018).

Anhänger religiöser Minderheiten und Nicht-Muslime werden durch das geltende Recht diskriminiert (USDOS 15.8.2017; vgl. AA 5.2018); so gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung für alle afghanischen Bürger/innen unabhängig von ihrer Religion (AA 5.2018). Wenn weder die Verfassung noch das Straf- bzw. Zivilgesetzbuch bei bestimmten Rechtsfällen angewendet werden können, gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung. Laut Verfassung sind die Gerichte dazu berechtigt, das schiitische Recht anzuwenden, wenn die betroffene Person dem schiitischen Islam angehört. Gemäß der Verfassung existieren keine eigenen, für Nicht- Muslime geltende Gesetze (USDOS 15.8.2017).

Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin einer anderen abrahamitischen Religion (Christentum oder Judentum) ist. Einer Muslima ist es nicht erlaubt, einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten (USDOS 15.8.2017). Ehen zwischen zwei Nicht-Muslimen sind legal, solange das Paar nicht öffentlich ihren nicht- muslimischen Glauben deklariert (HO U.K. 2.2017; vgl. USDOS 10.8.2016). Die nationalen Identitätsausweise beinhalten Informationen über die Konfession des/der Inhabers/Inhaberin. Das Bekenntnis zum Islam wird für den Erwerb der Staatsbürgerschaft nicht benötigt (USDOS 15.8.2017). Religiöse Gemeinschaften sind gesetzlich nicht dazu verpflichtet, sich registrieren zu lassen (USDOS 15.8.2017).

Laut Verfassung soll der Staat einen einheitlichen Lehrplan, der auf den Bestimmungen des Islam basiert, gestalten und umsetzen; auch sollen Religionskurse auf Grundlage der islamischen Strömungen innerhalb des Landes entwickelt werden. Der nationale Bildungsplan enthält Inhalte,

die für Schulen entwickelt wurden, in denen die Mehrheiten entweder schiitisch oder sunnitisch sind; ebenso konzentrieren sich die Schulbücher auf gewaltfreie islamische Bestimmungen und Prinzipien. Der Bildungsplan beinhaltet Islamkurse, nicht aber Kurse für andere Religionen. Für Nicht-Muslime an öffentlichen Schulen ist es nicht erforderlich, am Islamunterricht teilzunehmen (USDOS 15.8.2017).

Christen berichteten, die öffentliche Meinung stehe ihnen und der Missionierung weiterhin feindselig gegenüber. Mitglieder der christlichen Gemeinschaft, die meistens während ihres Aufenthalts im Ausland zum Christentum konvertierten, würden aus Furcht vor Vergeltung ihren Glauben alleine oder in kleinen Kongregationen in Privathäusern ausüben (USDOS 15.8.2017).

Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (CRS 13.12.2017).

Beobachtern zufolge sinkt die gesellschaftliche Diskriminierung gegenüber der schiitischen Minderheit weiterhin; in verschiedenen Gegenden werden dennoch Stigmatisierungsfälle gemeldet (USDOS 15.8.2017).

Mitglieder der Taliban und des IS töten und verfolgen weiterhin Mitglieder religiöser Minderheiten aufgrund ihres Glaubens oder ihrer Beziehungen zur Regierung (USDOS 15.8.2017; vgl. CRS 13.12.2017, FH 11.4.2018). Da Religion und Ethnie oft eng miteinander verbunden sind, ist es schwierig, einen Vorfall ausschließlich durch die religiöse Zugehörigkeit zu begründen (USDOS 15.8.2017).

Quellen:

-

- AA - Auswärtiges Amt (5.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/1434081/4598_1528111899_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und- abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-afghanistan-stand-mai-2018-31-05- 2018.pdf, Zugriff 6.6.2018

- BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): Afghanistan Country Report, https://www.bti-project.org/de/ berichte/laenderberichte/detail/itc/AFG/, Zugriff 6.4.2018

- MoJ - Ministry of Justice (15.5.2017): Strafgesetz: http://moj.gov.af/content/files/OfficialGazette/ 01201/OG_01260.pdf, Zugriff 12.2.2018

- CIA - Central Intelligence Agency (2017): The World Factbook - Afghanistan, https://www.cia.gov/library/publications/resources/the-world-factbook/geos/af.html, Zugriff 12.2.2018

- CRS - Congressional Research Service (13.12.2017): Afghanistan: Post-Taliban Governance, Security, and U.S. Policy, https://fas.org/sgp/crs/row/RL30588.pdf, Zugriff 12.2.2018

- FH - Freedom House (11.4.2018): Freedom in the World 2018 - Afghanistan https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2018/afghanistan, Zugriff 25.5.2018

- HO U.K. - Home Office United Kingdom (2.2017): Country Policy and Information Note Afghanistan: Hindus and Sikhs, https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/590778/AFG_-

- _Sikhs_and_Hindus_-_CPIN_-_v3_1 February_2017_.pdf, Zugriff 3.4.2018

- USCIRF - U.S. Commission on International Religious Freedom (2017): 2017 Annual Report: Afghanistan Chapter, http://www.uscirf.gov/sites/default/files/Afghanistan.2017.pdf, Zugriff 12.2.2018

- USDOS - U.S. Department of State (15.8.2017): 2016 Report on International Religious Freedom - Afghanistan, https://www.state.gov/j/drl/rls/irf/2016/sca/268924.htm, Zugriff 3.4.2018

- USDOS - U.S. Department of State (10.8.2016): 2015 Report on International Religious Freedom - Afghanistan, http://www.state.gov/j/drl/rls/irf/religiousfreedom/index.htm? year=2015&dlid=256299, Zugriff 6.6.2018

Schiiten

Die Bevölkerung schiitischer Muslime wird auf 10 - 15% geschätzt (CIA 2017; vgl. USCIRF 2017). Zur schiitischen Bevölkerung zählen die Ismailiten und ein Großteil der ethnischen Hazara (USDOS 15.8.2017). Die meisten Hazara-Schiiten gehören der Jafari-Sekte (Zwölfer-Sekte) an. Im letzten Jahrhundert ist allerdings eine Vielzahl von Hazara zur Ismaili-Sekte übergetreten. Es gibt einige Hazara-Gruppen, die zum sunnitischen Islam konvertierten. In Uruzgan und vereinzelt in Nordafghanistan leben einige schiitische Belutschen (BFA Staatendokumentation 7.2016). Afghanische Schiiten und Hazara neigen dazu, weniger religiös und gesellschaftlich offener zu sein als ihre Glaubensbrüder im Iran (CRS 13.12.2017).

Die politische Repräsentation und die Beteiligung an den nationalen Institutionen seitens der traditionell marginalisierten schiitischen Minderheit, der hauptsächlich ethnische Hazara angehören, ist seit 2001 gestiegen (FH 11.4.2018). Obwohl einige schiitischen Muslime höhere Regierungsposten bekleiden, behaupten Mitglieder der schiitischen Minderheit, dass die Anzahl dieser Stellen die demographischen Verhältnisse des Landes nicht reflektiere; auch vernachlässige die Regierung in mehrheitlich schiitischen Gebieten die Sicherheit. Das afghanische Ministry of Hajj and Religious Affairs (MOHRA) erlaubt sowohl Sunniten als auch Schiiten Pilgerfahrten zu unternehmen (USDOS 15.8.2017).

Im Ulema-Rat, der nationalen Versammlung von Religionsgelehrten, die u. a. dem Präsidenten in der Festlegung neuer Gesetze und Rechtsprechung beisteht, beträgt die Quote der schiitischen Muslime ca. 30% (AB 7.6.2017; vgl. USDOS 15.8.2017). Des Weiteren tagen rechtliche, konstitutionelle und menschenrechtliche Kommissionen, welche aus Mitgliedern der sunnitischen und schiitischen Gemeinschaften bestehen und von der Regierung unterstützt werden, regelmäßig, um die interkonfessionelle Schlichtung zu fördern (USDOS 15.8.2017).

Beobachtern zufolge ist die Diskriminierung der schiitischen Minderheit durch die sunnitische Mehrheit zurückgegangen; dennoch existieren Berichte zu lokalen Diskriminierungsfällen (USDOS 15.8.2017). Afghanischen Schiiten ist es möglich, ihre Feste öffentlich zu feiern; einige Paschtunen sind jedoch wegen der Feierlichkeiten missgestimmt, was gelegentlich in Auseinandersetzungen mündet (CRS 13.12.2017). In den Jahren 2016 und 2017 wurden schiitische Muslime, hauptsächlich ethnische Hazara, oftmals Opfer von terroristischen Angriffen u.a. der Taliban und des IS (HRW 2018; vgl. USCIRF 2017).

Unter den Parlamentsabgeordneten befinden sich vier Ismailiten. Einige Mitglieder der ismailitischen Gemeinschaft beanstanden die vermeintliche Vorenthaltung von politischen Posten (USDOS 15.8.2017).

Weiterführende Informationen zu Angriffen auf schiitische Glaubensstätten, Veranstaltungen und Moscheen können dem Kapitel 3. "Sicherheitslage" entnommen werden; Anmerkung der Staatendokumentation.

Quellen:

- AB - Afghan Bios (7.6.2017): National Ulema Council Afghanistan AUC, http://www.afghan- bios.info/index.php? option=com_afghanbios&id=1218&task=view&total=3340&start=3067&Itemid=2, Zugriff 6.4.2018

- BFA Staatendokumentation (7.2016): AfPak Grundlagen der Stammes- & Clanstruktur http://www.bfa.gv.at/files/berichte/AFGH_Stammes_und

- %20Clanstruktur_Onlineversion_2016_07.pdf, 12.2.2018

- CIA - Central Intelligence Agency (2017): The World Factbook - Afghanistan, https://www.cia.gov/library/publications/resources/the-world-factbook/geos/af.html, Zugriff 12.2.2018

- CRS - Congressional Research Service (13.12.2017): Afghanistan: Post-Taliban Governance, Security, and U.S. Policy, https://fas.org/sgp/crs/row/RL30588.pdfhttps://www.fas.org/sgp/crs/row/ RL30588.pdf, Zugriff 12.2.2018 ,

- FH - Freedom House (11.4.2018): Freedom in the World 2018 - Afghanistan https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2018/afghanistan, Zugriff 25.5.2018

- HRW - Human Rights Watch (2018): Afghanistan, Events of 2017, https://www.hrw.org/world- report/2018/country-chapters/afghanistan, Zugriff 9.4.2018

- USCIRF - U.S. Commission on the International Religious Freedom (2017): 2017 Annual Report: Afghanistan Chapter, http://www.uscirf.gov/sites/default/files/Afghanistan.2017.pdf, Zugriff 5.4.5018

- USDOS - U.S. Department of State (15.8.2017): 2016 Report on International Religious Freedom - Afghanistan, https://www.state.gov/j/drl/rls/irf/2016/sca/268924.htm, Zugriff 3.4.2018

Christentum und Konversionen zum Christentum

Nichtmuslimische Gruppierungen wie Sikhs, Baha'i, Hindus und Christen machen ca. 0.3% der Bevölkerung aus. Genaue Angaben zur Größe der christlichen und Bahai-Gemeinschaften sind nicht vorhanden (USDOS 15.8.2017; vgl. USCIRF 2017). Die einzige im Land bekannte christliche Kirche hat ihren Sitz in der italienischen Botschaft (USCIRF 2017) und wird von der katholischen Mission betrieben (FT 27.10.2017; vgl. AIK o.D.). Die afghanischen Behörden erlaubten die Errichtung einer katholischen Kapelle unter den strengen Bedingungen, dass sie ausschließlich

ausländischen Christen diene und jegliche Form des Proselytismus vermieden werde (vertrauliche Quelle 8.11.2017). Öffentlich zugängliche Kirchen existieren in Afghanistan nicht (USDOS 15.8.2017). Für christliche Afghanen gibt es keine Möglichkeit der Religionsausübung außerhalb des häuslichen Rahmens, da es in Afghanistan keine Kirchen gibt (abgesehen von einer katholischen Kapelle auf dem Gelände der italienischen Botschaft). Zu Gottesdiensten, die in Privathäusern von internationalen NGOs abgehalten werden, erscheinen sie meist nicht oder werden aus Sicherheitsgründen nicht eingeladen (AA 5.2018). Ausländische Christen dürfen ihren Glauben diskret ausüben (FT 27.10.2017).

Berichten zufolge gibt es im Land weiterhin keine christlichen Schulen (USDOS 15.8.2017); ein christliches Krankenhaus ist in Kabul aktiv (NYP 24.4.2014; vgl. CNN 24.4.2014, CURE o.D.). Auch gibt es in Kabul den Verein "Pro Bambini di Kabul", der aus Mitgliedern verschiedener christlicher Orden besteht, und eine Schule für Kinder mit Behinderung betreibt (PBK o.D.; vgl. FT 27.10.2017). Des Weiteren sind je zwei jesuitische und evangelische Missionare in Afghanistan aktiv (FT 27.10.2017).

Neben der drohenden strafrechtlichen Verfolgung werden Konvertiten in der Gesellschaft ausgegrenzt und zum Teil angegriffen (AA 5.2018). Christen berichteten von einer feindseligen Haltung gegenüber christlichen Konvertiten und der vermeintlichen christlichen Proselytenmacherei (USDOS 15.8.2017). Zu einer Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die speziell Christen diskriminiert, kommt es in Afghanistan in der Regel nur deshalb nicht, weil sich Christen nicht offen zu ihrem Glauben bekennen. In städtischen Gebieten sind Repressionen gegen Konvertiten aufgrund der größeren Anonymität weniger zu befürchten als in Dorfgemeinschaften (AA 9.2016). Beobachtern zufolge hegen muslimische Ortsansässige den Verdacht, Entwicklungsprojekte würden das Christentum verbreiten und Proselytismus betreiben (USDOS 15.8.2017).

Afghanische Christen sind in den meisten Fällen vom Islam zum Christentum konvertiert (AA 5.2018). Quellen zufolge müssen Christen ihren Glauben unbedingt geheim halten. Konvertiten werden oft als geisteskrank bezeichnet, da man davon ausgeht, dass sich niemand bei klarem Verstand vom Islam abwenden würde; im Falle einer Verweigerung, zu ihrem alten Glauben zurückzukehren, können Christen in psychiatrische Kliniken zwangseingewiesen, von Nachbarn oder Fremden angegriffen und ihr Eigentum oder Betrieb zerstört werden; es kann auch zu Tötungen innerhalb der Familie kommen. Andererseits wird auch von Fällen berichtet, wo die gesamte Familie den christlichen Glauben annahm; dies muss jedoch absolut geheim gehalten werden (OD 2018).

Mitglieder der christlichen Gemeinschaft, die oft während ihres Aufenthalts im Ausland konvertierten, üben aus Angst vor Diskriminierung und Verfolgung ihre Religion alleine oder in kleinen Kongregationen in Privathäusern aus (USDOS 15.8.2017). Zwischen 2014 und 2016 gab

es keine Berichte zu staatlicher Verfolgung wegen Apostasie oder Blasphemie (USDOS 15.8.2017). Der Druck durch die Nachbarschaft oder der Einfluss des IS und der Taliban stellen Gefahren für Christen dar (OD 2018).

Die im Libanon geborene Rula Ghani, Ehefrau von Staatspräsident Ashraf Ghani, entstammt einer christlich-maronitischen Familie (NPR 19.2.2015; vgl. BBC 15.10.2014). Einige islamische Gelehrte behaupten, es gebe keine öffentlichen Aufzeichnungen ihrer Konvertierung zum Islam (CSR 13.12.2017).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (5.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/1434081/4598_1528111899_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und- abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-afghanistan-stand-mai-2018-31-05- 2018.pdf, Zugriff 6.6.2018

- AA - Auswärtiges Amt (9.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/1253781/4598_1478857553_3-deutschland-auswaertiges-amt- bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebu ngsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-afghanistan- 19-10-2016.pdf, Zugriff 3.4.2018

- AIK - Ambasciata d'Italia Kabul (o.D.): La Cappella, https://ambkabul.esteri.it/ambasciata_kabul/it/ambasciata/la_sede/la-chiesa.html, Zugriff 10.4.2018

- BBC (15.10.2014): Afghanistan first lady Rula Ghani moves into the limelight, http://www.bbc.com/news/world-asia-29601045, Zugriff 9.4.2018

- CNN (24.4.2014): Afghanistan Violence, http://edition .cnn .com/ 2014/ 04/ 24/ world/ asia/ afghani stan-violence/ , Zugriff 9.4.2018

- CRS - Congressional Research Service (13.12.2017): Afghanistan: Post-Taliban Governance, Security, and U.S. Policy, https://fas.org/sgp/crs/row/RL30588.pdfhttps://www.fas.org/sgp/crs/row/ RL30588.pdf, Zugriff 12.2.2018

- CURE - CURE International Hospital of Kabul, https://cure.org/afghanistan/, Zugriff 6.4.2018

- FT - First Things (27.10.2017): The church in Afghanistan, https://www.firstthings.com/web- exclusives/2017/10/the-church-in-afghanistan, Zugriff 6.4.2018

- NPR - National Public Radio (19.2.2015): For The First Time, An Afghan First Lady Steps Into The Spotlight, http://www.npr.org/sections/parallels/2015/02/19/386950128/for-the-first-time-an- afghan-first-lady-steps-into-the-spotlight, Zugriff 12.2.2018

- NYP - The New York Post (24.4.2014): http://nypost.com/2014/04/24/3-foreigners-killed-in- attack-at-afghan-hospital/, 12.2.2018

- OD - Open Doors (2018): Weltverfolgungsindex, Afghanistan, https://www.opendoors.de/christenverfolgung/weltverfolgungsindex/laenderprofile/2018/ afghanistan, Zugriff 6.4.2018

- PBK - Pro Bamibini di Kabul (o.D.): Chi siamo, http://www.probambinidikabul.org/chi-siamo/, Zugriff 6.4.2018

- USCIRF - U.S. Commission on the International Religious Freedom (2017): 2017 Annual Report: Afghanistan Chapter, http://www.uscirf.gov/sites/default/files/Afghanistan.2017.pdf, Zugriff 5.4.5018

- USDOS - U.S. Department of State (15.8.2017): 2017 Report on International Religious Freedom - Afghanistan, https://www.state.gov/j/drl/rls/irf/2016/sca/268924.htm, Zugriff 3.4.2018

- Vertrauliche Quelle - Vertreter der katholischen Mission in Afghanistan mit Sitz in Kabul (8.11.2017): Informationen zur katholischen Mission in Afghanistan. Antwortschreiben, liegt bei der Staatendokumentation auf

Ethnische Minderheiten

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34.1 Millionen Menschen (CIA Factbook 18.1.2018). Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. CIA Factbook 18.1.2018). Schätzungen zufolge, sind: 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara und 9% Usbeken. Auch existieren noch andere ethnische Minderheiten, wie z.B. die Aimaken, die ein Zusammenschluss aus vier semi-nomadischen Stämmen mongolisch, iranischer Abstammung sind, sowie die Belutschen, die zusammen etwa 4 % der Bevölkerung ausmachen (GIZ 1.2018; vgl. CIA Factbook 18.1.2018).

Artikel 4 der Verfassung Afghanistans besagt: "Die Nation Afghanistans besteht aus den Völkerschaften der Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Paschai,

Nuristani, Aimaq, Araber, Kirgisen, Qizilbasch, Gojar, Brahui und anderen Völkerschaften. Das Wort ?Afghane' wird für jeden Staatsbürger der Nation Afghanistans verwendet." (BFA Staatendokumentation 7.2016). Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art.

sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht: Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri (AA 5.2018; vgl. MPI 27.1.2004). Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen (USDOS 20.4.2018).

Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung rechtlich verankert, wird allerdings in der gesellschaftlichen Praxis immer wieder konterkariert. Soziale Diskriminierung und Ausgrenzung anderer ethnischer Gruppen und Religionen im Alltag besteht fort und wird nicht zuverlässig durch staatliche Gegenmaßnahmen verhindert (AA 5.2018). Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 20.4.2018).

Hazara

Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus (CIA Factbook 18.1.2018; CRS 12.1.2015). Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (azarajat) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind einerseits ihr ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden (BFA Staatendokumentation 7.2016); andererseits gehören ethnische Hazara hauptsäch dem schiitischen Islam an

(mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. AJ 27.6.2016, UNAMA 15.2.2018). Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten (BFA Staatendokumentation 7.2016).

Ausführliche Informationen zu Angriffen auf schiitische Gedenkstätten, sind dem Kapitel Sicherheitslage zu entnehmen; Anmerkung der Staatendokumentation.

Die Hazara-Gemeinschaft/Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können (BFA Staatendokumentation 7.2016).

Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben (BFA Staatendokumentation 7.2016). Dennoch hat sich die Lage der Hazara, die während der Taliban- Herrschaft besonders verfolgt waren, grundsätzlich verbessert (AA 5.2018; vgl. IaRBoC 20.4.2016); vornehmlich aufgrund von Bildung und vor allem auf ökonomischem und politischem Gebiet (CRS 12.1.2015; vgl. GD 2.10.2017). Hazara in Kabul gehören jetzt zu den am besten gebildeten Bevölkerungsgruppen und haben auch eine Reihe von Dichtern und Schriftstellern hervorgebracht (BFA Staatendokumentation 7.2016). Auch wenn es nicht allen Hazara möglich war diese Möglichkeiten zu nutzen, so haben sie sich dennoch in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft etabliert (GD 2.10.2017).

So haben Hazara eine neue afghanische Mittelklasse gegründet. Im allgemeinen haben sie, wie andere ethnische Gruppen auch, gleichwertigen Zugang zum Arbeitsmarkt. Nichtsdestotrotz, sind sie von einer allgemein wirtschaftlichen Verschlechterung mehr betroffen als andere, da für sie der Zugang zu Regierungsstellen schwieriger ist - außer ein/e Hazara ist selbst Abteilungsleiter/in. Einer Quelle zufolge existiert in der afghanischen Gesellschaft die Auffassung, dass andere ethnische Gruppierungen schlecht bezahlte Jobs Hazara geben. Einer weiteren Quelle zufolge, beschweren sich Mitglieder der Hazara-Ethnie über Diskriminierung während des Bewerbungsprozesses, da sie anhand ihrer Namen leicht erkennbar sind. Die Ausnahme begründen Positionen bei NGOs und internationalen Organisationen, wo das Anwerben von neuen

Mitarbeitern leistungsabhängig ist. Arbeit für NGOs war eine Einnahmequelle für Hazara - nachdem nun weniger Hilfsgelder ausbezahlt werden, schrauben auch NGOs Jobs und Bezahlung zurück, was unverhältnismäßig die Hazara trifft (IaRBoC 20.4.2016). So berichtet eine weitere Quelle, dass Arbeitsplatzanwerbung hauptsächlich über persönliche Netzwerke erfolgt (IaRBoC 20.4.2016; vgl. BFA/EASO 1.2018); Hazara haben aber aufgrund vergangener und anhaltender Diskriminierung eingeschränkte persönliche Netzwerke (IaRBoC 20.4.2016).

Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (AA 9.2016; vgl. USDOS 20.4.2018); soziale Diskriminierung gegen schiitische Hazara basierend auf Klasse, Ethnie oder religiösen Ansichten finden ihre Fortsetzung in Erpressungen (illegale Steuern), Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Misshandlung und Festnahmen (USDOS 20.4.2018).

Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert (Brookings 25.5.2017).

Ausführliche Informationen zu den Hazara, können ebenso dem Dossier der Staatendokumentation (7.2016) entnommen werden; Anmerkung der Staatendokumentation.

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (5.2018): Bericht über asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/1434081/4598_1528111899_auswaertiges-amt-bericht-asyl- und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-afghanistan-stand-mai-2018-31- 05-2018.pdf, Zugriff 7.6.2018

- AA - Auswärtiges Amt (9.2016): Bericht über asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/1253781/4598_1478857553_3-deutschland-auswaertiges- amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik- afghanistan-19-10-2016.pdf, Zugriff 11.5.2018

- AJ - Al Jazeera (27.6.2016): the Hazaras are primarily Shia Muslims, https://www.aljazeera.com/indepth/features/2016/06/afghanistan-hazaras- 160623093601127.html, Zugriff 8.2.2018

- Brookings - The Brookings Institution (25.5.2017): Afghanistan Index, https://www.brookings.edu/wp-content/uploads/2016/07/21csi_20170525_afghanistan_index.pd f, Zugriff 15.2.2018

- BFA/EASO - BFA Staatendokumentation / European Asylum Support Office (1.2018): BFA- Arbeitsübersetzung des EASO Berichts "Afghanistan - Networks",

- https://www.ecoi.net/en/file/local/1424706/5818_1518791562_afgh-easo-bericht-netzwerke- 2018-02-15-ke.pdf, Zugriff 21.2.2018

- BFA Staatendokumentation (7.2016): AfPak - Grundlagen der Stammes- & Clanstruktur, https://www.ecoi.net/en/file/local/1236701/90_1470057716_afgh-stammes-und-clanstruktur- onlineversion-2016-07.pdf, Zugriff 21.2.2018)

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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