TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/23 W183 2213084-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.03.2020
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Entscheidungsdatum

23.03.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52
FPG §55
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W183 2213084-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Dr. PIELER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen die Spruchpunkte I.-V. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.11.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 10.12.2019 zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird Folge gegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Die Spruchpunkte II. bis VI. des angefochtenen Bescheides werden gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin verließ im Jahr 2016 Iran, stellte am 20.11.2016 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Am 19.04.2018 und am 19.09.2018 wurde die Beschwerdeführerin von der nunmehr belangten Behörde, dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), zu ihren Fluchtgründen niederschriftlich einvernommen.

Im behördlichen Verfahren gab die Beschwerdeführerin als Fluchtgrund im Wesentlichen an, dass sie zum Christentum konvertiert sei.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid (zugestellt am 29.11.2018) wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt, sondern gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Iran zulässig ist (Spruchpunkte III. bis V.). Unter Spruchpunkt VI. wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.

Das BFA stellte der Beschwerdeführerin amtswegig einen Rechtsberater zur Seite.

3. Mit Schriftsatz vom 17.12.2018 erhob die Beschwerdeführerin durch ihre Rechtsvertretung binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde gegen die Spruchpunkte I.-V. des Bescheides. Zusätzlich zu den bereits im Verwaltungsverfahren vorgebrachten Fluchtgründen wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin befinde sich seit November 2016 in psychiatrischer Behandlung und es sei bei ihr eine schizoaffektive Erkrankung festgestellt worden; ein ärztlicher Befundbericht vom 13.12.2018 wurde beigelegt. Aus Angst vor einer Abschiebung habe sie dies in der Einvernahme nicht erwähnt. Auch sei die Beschwerdeführerin als Frau in Iran als Teil einer sozialen Gruppe anzusehen. Hinsichtlich ihrer Konversion wurde ein Zeuge beantragt.

4. Mit Schriftsatz vom 14.01.2019 (eingelangt am 16.01.2019) legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Bezug habenden Verwaltungsunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht vor.

Aufgrund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 28.03.2019 wurde die gegenständliche Rechtssache der bislang zuständigen Gerichtsabteilung abgenommen und der nun zuständigen Gerichtsabteilung neu zugewiesen (eingelangt am 15.05.2019).

5. Mit Schreiben vom 23.10.2019 wurden die Beschwerdeführerin sowie das BFA zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 10.12.2019 geladen und wurde in den Ladungen darauf hingewiesen, dass das Bundesverwaltungsgericht beabsichtigt, die Länderberichte gemäß dem "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Iran, Gesamtaktualisierung am 14. Juni 2019" sowie dem "Länderreport 10 des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Iran - Situation der Christen, Stand 3/2019" als Grundlage für die Feststellungen zur Situation in Iran heranzuziehen. Es wurde Gelegenheit zur Einsicht- und Stellungnahme gegeben. Seitens der Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin wurde eine Kursbesuchsbestätigung über einen Deutschkurs auf A1-Niveau vorgelegt.

6. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 10.12.2019 unter Beiziehung eines Dolmetschs für die Sprache Farsi eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher die Beschwerdeführerin sowie ihre Rechtsvertretung und eine Vertreterin des BFA teilnahmen. Die Beschwerdeführerin wurde ausführlich zu ihrer Person, ihren Fluchtgründen sowie religiösen Aktivitäten in Österreich befragt. Es wurde ihr Gelegenheit gegeben, alle Gründe umfassend darzulegen, zu den ins Verfahren eingeführten Länderberichten Stellung zu nehmen und ihre Situation in Österreich darzustellen.

7. Seitens der Beschwerdeführerin wurde dem Bundesverwaltungsgericht ein mit 28.01.2020 datierter psychiatrischer Befund übermittelt. Dieser wurde dem BFA zum Parteiengehör gebracht. Es langten keine weiteren Stellungnahmen ein.

8. Das Bundesverwaltungsgericht führte zuletzt am 09.03.2020 eine Strafregisterabfrage durch.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin

Die Beschwerdeführerin ist eine volljährige iranische Staatsangehörige. Sie trägt den im Erkenntniskopf genannten Namen und ist am dort angeführten Datum geboren. Ihre Identität steht fest.

Die Beschwerdeführerin stammt aus Teheran und lebte zuletzt dort, zwischendurch lebte sie auch in Garmsar, Karaj und Sari. Sie gehört der Volksgruppe der Perser an, spricht Farsi, verfügt über einen Universitätsabschluss und arbeitete in Iran als Juristin.

Die Beschwerdeführerin ist ledig und hat keine Kinder. In Iran lebt eine Schwester der Beschwerdeführerin.

Die Beschwerdeführerin reiste legal nach Österreich ein und stellte am 20.11.2016 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Ein nicht auf das Asylgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht besteht derzeit nicht. Die Beschwerdeführerin hält sich bereits seit 27.09.2016 in Österreich auf; ihr Visum C war von 17.09.2016 bis 04.12.2016 gültig.

Die Beschwerdeführerin leidet an einer psychotischen Erkrankung mit Verdacht auf Schizophrenie, nimmt Abilify sowie Sertralin, leidet unter Konzentrationsschwierigkeiten und ist seit November 2016 in psychiatrischer Behandlung bei einem Facharzt für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin.

In Österreich leben die Mutter und zwei Schwestern sowie ein Neffe der Beschwerdeführerin. Das Verhältnis zu ihnen ist gut, die Beschwerdeführerin lebt mit ihrer Mutter und einer Schwester im gemeinsamen Haushalt. Aufgrund u.a. der Betreuung durch ihre Schwester hat sich der psychiatrische Zustand vergleichsweise gebessert.

Die Beschwerdeführerin bezieht in Österreich keine Leistungen aus der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig, sie lebt von ihren Ersparnissen und wird von ihrer Familie in Österreich finanziell unterstützt.

Die Beschwerdeführerin spricht Deutsch in Ansätzen und hat einen Deutschkurs auf Niveau A1 absolviert.

Die Beschwerdeführerin ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten und hat keinen Asylausschlussgrund gesetzt.

1.2. Zum Fluchtvorbringen

Die Beschwerdeführerin war ursprünglich muslimischen Glaubens, interessierte sich aber bereits in Iran für das Christentum und kam in Österreich intensiv mit dem Christentum in Kontakt. In Österreich konvertierte die Beschwerdeführerin zum Christentum. Sie besuchte den Taufunterricht und wurde von der iranisch christlichen Gemeinde im Jahr 2018 getauft. Sie besucht seit 2016 regelmäßig Gottesdienste und Veranstaltungen. Die Beschwerdeführerin ist Mitglied der iranisch christlichen Gemeinde.

Es wird festgestellt, dass sich die Beschwerdeführerin ernsthaft dem christlichen Glauben zugewandt hat, sich öffentlich dazu bekennt und den neuen Glauben praktiziert sowie am Leben der Kirchengemeinde aktiv teilnimmt. Der christliche Glaube wurde wesentlicher Bestandteil der Identität der Beschwerdeführerin. Es ist davon auszugehen, dass sich die Beschwerdeführerin aus innerer Überzeugung zum Christentum bekennt und dementsprechend im Falle einer Rückkehr nach Iran nicht zum Islam zurückkehren, sondern Christin bleiben und diesen Glauben aktiv leben würde.

Es kann nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr nach Iran Verfolgung durch staatliche Akteure droht.

1.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat

Aus dem ins Verfahren eingeführten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Iran vom 14. Juni 2019 (LIB 2019) ergibt sich wie folgt:

Zu Apostasie und Konversion

Apostasie (d.h. Religionswechsel weg vom Islam) ist im Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht (ÖB Teheran 12.2018). Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel "mohareb" ("Waffenaufnahme gegen Gott"), "mofsid-fil-arz/fisad-al-arz" ("Verdorbenheit auf Erden"), oder "Handlungen gegen die nationale Sicherheit". In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie selten, bei keiner der Hinrichtungen in den letzten zehn Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie ein bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen gab es mehrere Exekutionen wegen "mohareb" (ÖB Teheran 12.2018, vgl. DIS/DRC 23.2.2018). Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen keine geläufige Bestrafung. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt (DIS/DRC 23.2.2018). Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen (Open Doors 2019). Anklagen lauten meist auf "Organisation von Hauskirchen" und "Beleidigung des Heiligen", wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden (AA 12.1.2019). Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Fälle von Konversion gelten daher als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Nach anderen Quellen wurden im Jahr 2017 gegen mehrere christliche Konvertiten hohe Haftstrafen (10 und mehr Jahre) verhängt [Anmerkung der Staatendokumentation: Verurteilungsgrund unklar] (AA 12.1.2019, vgl. AI 22.2.2018). Laut Weltverfolgungsindex 2019 wurden im Berichtszeitraum viele Christen, besonders solche mit muslimischem Hintergrund, vor Gericht gestellt und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt bzw. warten noch auf ihren Prozess. Ihre Familien sind während dieser Zeit öffentlichen Demütigungen ausgesetzt (Open Doors 2019).

Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Trotz des Verbots nimmt die Konversion weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen (AA 12.1.2019). Laut der iranischen NGO Article 18 wurden von Jänner bis September 2018 37 Konvertiten zu Haftstrafen wegen "Missionsarbeit" verurteilt (HRW 17.1.2019). In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind (ÖB Teheran 12.2018).

Einige Geistliche, die in der Vergangenheit in Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben) (ÖB Teheran 12.2018).

Es liegen keine Daten bzw. Details zu Rechtsprechung und Behördenpraxis im Zusammenhang mit "Konversion" vom Schiitentum zum Sunnitentum vor. Diese "Konversion" ist auch nicht als Apostasie zu werten; bislang wurde noch kein solcher Fall als Apostasie angesehen. Aufgrund von Diskriminierung von Sunniten im Iran könnten öffentlich "konvertierte" Sunniten jedoch Nachteile in Beruf und Privatleben erfahren. Außerdem werden Personen, die vom schiitischen zum sunnitischen Glauben übertreten und dies öffentlich kundtun, zunehmend verfolgt. Im derzeitigen Parlament sind Sunniten (vorwiegend aus Sistan-Belutschistan) vertreten. Gewisse hohe politische Ämter sind jedoch de facto Schiiten vorbehalten. Keine besonderen Bestimmungen gibt es zur Konversion von einer nicht-islamischen zu einer anderen nicht-islamischen Religion, da diese nicht als Apostasie gilt (ÖB Teheran 12.2018).

Die Schließungen der "Assembly of God"-Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen. Dieser Anstieg bei den Hauskirchen zeigt, dass sie - obwohl sie verboten sind - trotzdem die Möglichkeit haben, zu agieren. Obwohl die Behörden die Ausbreitung der Hauskirchen fürchten, ist es schwierig, diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind. Nichtsdestotrotz werden sie teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren, deshalb organisieren sich die Hauskirchen in kleinen und mobilen Gruppen. Wenn Behörden Informationen bezüglich einer Hauskirche bekommen, wird ein Überwachungsprozess in Gang gesetzt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Behörden sofort reagieren, da man zuerst Informationen über die Mitglieder sammeln und wissen will, wer in der Gemeinschaft welche Aufgaben hat. Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online-Aktivitäten ist weit verbreitet. Es kann jedoch nicht klargestellt werden, wie hoch die Kapazitäten zur Überwachung sind. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018).

In den letzten Jahren gab es mehrere Razzien in Hauskirchen und Anführer und Mitglieder wurden verhaftet (FH 4.2.2019). Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die abnormale Aktivitäten um ein Haus bemerken und dies den Behörden melden. Ansonsten haben die Behörden eigentlich keine Möglichkeit eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind (DIS/DRC 23.2.2018).

Organisatoren von Hauskirchen können sich dem Risiko ausgesetzt sehen, wegen "Verbrechen gegen Gott" angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hätte. In Bezug auf die Strafverfolgung von Mitgliedern von Hauskirchen besagt eine Quelle, dass eher nur die Anführer von Hauskirchen gerichtlich verfolgt würden, während eine andere Quelle meint, dass auch "low-profile" Mitglieder davon betroffen sein können. Manchmal werden inhaftierte Anführer von Hauskirchen oder Mitglieder auf Kaution entlassen, und wenn es ein prominenter Fall ist, werden diese Personen von den Behörden gedrängt, das Land zu verlassen. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird normalerweise nach 24 Stunden wieder freigelassen, mit der Bedingung, dass sie sich vom Missionieren fernhalten. Eine Vorgehensweise gegen Hauskirchen wäre, dass die Anführer verhaftet und dann wieder freigelassen werden, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Wenn sie das Missionieren stoppen, werden die Behörden i.d.R. aufhören, Informationen über sie zu sammeln. Es soll auch die Möglichkeit geben, sich den Weg aus der Haft zu erkaufen (DIS/DRC 23.2.2018).

Bei Razzien in Hauskirchen werden meist die religiösen Führer zur Verantwortung gezogen, vor allem aus politischen Gründen. Aufgrund der häufigen Unterstützung ausländischer Kirchen für Kirchen in Iran und der Rückkehr von Christen aus dem Ausland lautet das Urteil oft Verdacht auf Spionage und Verbindung zu ausländischen Staaten und Feinden des Islam (z.B. Zionisten), oder Bedrohung für die nationale Sicherheit. Diese Urteile sind absichtlich vage formuliert, um ein größtmögliches Tätigkeitsspektrum abdecken zu können. Darüber hinaus beinhalten die Urteile auch den Konsum von Alkohol während der Messe (obwohl der Alkoholkonsum im Rahmen der religiösen Riten einer registrierten Gemeinschaft erlaubt ist), illegale Versammlung, Respektlosigkeit vor dem Regime und Beleidigung des islamischen Glaubens. Den verhafteten Christen werden teilweise nicht die vollen Prozessrechte gewährt - oft werden sie ohne Anwaltsberatung oder ohne formelle Verurteilung festgehalten bzw. ihre Haft über das Strafmaß hinaus verlängert. Berichten zufolge sollen auch Kautionszahlungen absichtlich sehr hoch angesetzt werden, um den Familien von Konvertiten wirtschaftlich zu schaden. Im Anschluss an die Freilassung wird Konvertiten das Leben erschwert, indem sie oft ihren Job verlieren bzw. es ihnen verwehrt wird, ein Bankkonto zu eröffnen oder ein Haus zu kaufen (ÖB Teheran 12.2018). Die Regierung nutzt Kautionszahlungen, um verurteilte Christen vorsätzlich verarmen zu lassen, und drängt sie dazu, das Land zu verlassen (Open doors 2019).

Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten, und ob er/sie auch im Ausland bekannt ist, ab. Normale Mitglieder von Hauskirchen riskieren, zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden, da die Behörden diese Personen schikanieren und einschüchtern wollen. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion aber andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder andere Personen im Glauben zu unterrichten, dann kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen (DIS/DRC 23.2.2018).

Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, werden für die Behörden nicht von Interesse sein. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, dann wäre eine Rückkehr nach Iran kein Problem. Konvertiten, die ihre Konversion aber öffentlich machen, können sich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen, einschließlich Facebook berichtet, können die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang würde davon abhängen, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein "high-profile"-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, wird der Konvertit wohl keine harsche Strafe bekommen. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein, würde nicht zu einer Verfolgung führen, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, würde er/sie nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das zu einem Problem werden (DIS/DRC 23.2.2018).

Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Während Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagen, dass eine Taufe keine Bedeutung habe, ist sich ein Ausländer mit Kontakt zu Christen in Iran darüber unsicher; Middle East Concern, eine Organisation, die sich um die Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten und Nordafrika kümmert, ist der Meinung, dass eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein könnte (DIS/DRC 23.2.2018).

Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein, und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Auch Publikationen, die sich mit dem Christentum beschäftigen und schon auf dem Markt waren, wurden konfisziert, obwohl es von der Regierung genehmigte Übersetzungen der Bibel gibt. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken (US DOS 29.5.2018).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der

* Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 3.6.2019

* AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425078.html, Zugriff 3.6.2019

* DIS/DRC - The Danish Immigration Service/Danish Refugee Councile (23.2.2018): IRAN - House Churches and Converts. Joint report from the Danish Immigration Service and the Danish Refugee Council based on interviews in Tehran, Iran, Ankara, Turkey and London, United Kingdom, 9 September to 16 September 2017 and 2 October to 3 October 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426255/1788_1520517773_house-churches-and-converts.pdf, Zugriff 3.6.2019

* FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2006369.html, Zugriff 3.6.2019

* HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002197.html, Zugriff 3.6.2019

* ÖB Teheran (12.2018): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007543/Asyll%C3%A4nderbericht+2018.pdf, Zugriff 3.6.2019

* Open Doors (2019): Weltverfolgungsindex 2019 Länderprofil Iran, https://www.opendoors.de/christenverfolgung/weltverfolgungsindex/laenderprofile/iran, Zugriff 3.6.2019

* US DOS - US Department of State (29.5.2018): 2017 Report on International Religious Freedom - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1436871.html, Zugriff 3.6.2019

Aus dem Länderreport 10 Iran zur Situation der Christen des Deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Stand 3/2019) ergibt sich wie folgt:

Ein Mitglied einer Hauskirche, das Mission betreibt, an christlichen Konferenzen außerhalb Irans teilnimmt, sich möglicherweise auch im Besitz christlicher Materialen befindet und insofern in den Fokus der Ordnungskräfte oder Geheimdienste geraten kann, wird bestenfalls vernommen und verwarnt. Es kann aber auch zu einer Festnahme mit anschließendem Strafverfahren führen. Das Ziel der vorgenannten Sicherheitskräfte ist nicht die Privatperson, sondern die Hauskirche als Organisation und die aktiv missionierenden Führungspersonen. Organisatoren von Hauskirchen können sich dem Risiko ausgesetzt sehen, wegen "Verbrechen gegen Gott" angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall eines Konvertiten bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hat. Mitglieder von Hauskirchen, die nicht der Leitung der Gemeinschaft zugerechnet werden, werden oftmals nach einer zweitägigen Haft und verschiedenen Vernehmungen, in deren Verlauf sie zu der Organisation der Hauskirche und eventuellen noch nicht bekannten Mitgliedern befragt werden, wieder auf freien Fuß gesetzt. (S 8f.)

Die Rückkehr von Konvertiten in den Iran führt nicht zwingend zu einer Festnahme oder Inhaftierung. In den vergangenen zehn Jahren wurde seitens der in Iran vertretenen westlichen Botschaften, die grundsätzlich Rückführungen iranischer Staatsangehöriger vor Ort kontrollieren, kein Fall der Festnahme eines Konvertiten bei der Einreise gemeldet. (S 11)

Die zu Apostasie und Konversion festgestellte Situation stellt sich im gesamten iranischen Staatsgebiet gleichermaßen dar.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen ergeben sich aus den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsunterlagen sowie den Aktenbestandteilen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Als Beweismittel insbesondere relevant sind die Niederschriften der Einvernahmen durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und durch das BFA sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung samt Zeugenbefragung vor dem Bundesverwaltungsgericht, der Beschwerdeschriftsatz, das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Iran vom 14. Juni 2019 mit den darin enthaltenen, bei den Feststellungen näher zitierten Berichten, der Länderreport 10 Iran zur Situation der Christen des Deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Stand 3/2019), die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Dokumente (Taufzeugnis, Sprachkurs, psychiatrischer Befund) und die Strafregisterabfrage vom 09.03.2020.

2.2. Zu folgenden Feststellungen wird näher ausgeführt wie folgt:

2.2.1. Zur Person der Beschwerdeführerin

Aufgrund des bei der Erstbefragung vorgelegten unbedenklichen Reisepasses, der kriminalpolizeilich untersucht wurde, steht die Identität der Beschwerdeführerin fest. Dies hat auch das BFA seiner Entscheidung unterstellt.

Das Bundesverwaltungsgericht erachtet die Beschwerdeführerin betreffend weitere Personenmerkmale (Alter, Staatsangehörigkeit, ethnische Zugehörigkeit, Herkunftsregion, Sprachkenntnisse, Ausbildung und Berufserfahrung, Familienstand und Familienverhältnisse) sowie ihre Situation in Österreich für persönlich glaubwürdig, weil sie im Verfahren im Wesentlichen gleichbleibende Angaben dazu machte. Es gibt keine Gründe, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln.

Betreffend ihren Gesundheitszustand legte die Beschwerdeführerin einen aktuellen psychiatrischen Befund als Beleg vor. Auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung zeigte sich, dass die Beschwerdeführerin offenbar im psychischen Bereich liegende Schwierigkeiten hat, welche sich in einer mangelnden Konzentrationsfähigkeit äußerten.

Die Feststellung zur Einreise ergibt sich aus dem kriminalpolizeilich untersuchten Visum C im Reisepass der Beschwerdeführerin sowie dem Einreisestempel.

Die Feststellungen zur Situation der Beschwerdeführerin in Österreich ergeben sich aus der Einvernahme in der mündlichen Verhandlung. Betreffend die Deutschkenntnisse legte die Beschwerdeführerin eine Deutschkursbestätigung vor und konnte sich das Bundesverwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung ein aktuelles Bild von den bloß ansatzweise vorhandenen Deutschkenntnissen machen.

2.2.2. Zum Fluchtvorbringen

Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes folgt, dass, sobald auf Grund äußerer Tatsachen ein Wechsel der Religion aus innerer Überzeugung nicht unwahrscheinlich ist, sich das Gericht auf Grund einer ausführlichen Beurteilung der Persönlichkeit und aller Umstände der persönlichen Glaubwürdigkeit sowie darauf aufbauend einer ins einzelne gehenden Beweiswürdigung und allenfalls der Einvernahme von Personen, die Auskunft über den Glaubenswechsel und die diesem zugrunde liegenden Überzeugungen geben können, einen detaillierten Eindruck darüber verschaffen muss, inwieweit der Religionswechsel auf einer persönlichen Glaubensentscheidung beruht (vgl. VwGH 23.01.2019, Ra 2018/19/0260 unter Bezugnahme auf VfGH 27.02.2018, E 2958/2017).

Im gegenständlichen Fall ergeben sich die Feststellungen zu den christlich-religiösen Aktivitäten der Beschwerdeführerin in Österreich aus dem vorgelegten Taufzeugnis vom 17.02.2018, der Zeugenaussage ihres Pastors sowie der Einvernahme der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung prüfte das erkennende Gericht die von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Konversion entsprechend den in der Folge unter Punkt 3.1.1. zitierten Vorgaben des Verwaltungsgerichtshofes und befragte die Beschwerdeführerin zu ihrer Motivation für den Glaubenswechsel, ihrem Wissen in Bezug auf das Christentum, ihren Gottesdienstbesuchen und sonstigen religiösen Aktivitäten und einer allfälligen Verhaltens- und Einstellungsänderung. Die Befragung widmete sich der Glaubensüberzeugung der Beschwerdeführerin sowohl im Hinblick auf eine öffentliche Ausübung des Glaubens als auch auf die persönliche, innere Beziehung zum Christentum.

Die Beschwerdeführerin konnte in der mündlichen Verhandlung glaubwürdig darlegen, dass sie sowohl von der inneren Überzeugung her, als auch in der Praxis ein Leben nach christlichen Grundsätzen führt und aktives Mitglied der iranisch christlichen Kirchengemeinde ist. Die Beschwerdeführerin praktiziert in Österreich bereits seit etwa dreieinhalb Jahren den christlichen Glauben. Bei den Wissensfragen hat das Bundesverwaltungsgericht als Maßstab die Glaubensinhalte jener Religionsgemeinschaft herangezogen, der die Beschwerdeführerin angehört (vgl. VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0350). Betreffend die gegenständlich relevante, dem evangelischen Zweig zurechenbare iranisch christliche Religionsgemeinschaft verfügt die Beschwerdeführerin über ein hinreichendes Wissen. Sie konnte etwa die Bedeutung der Abendmahlszeremonie erklären und einen besonderen Bezug zu den Grundsätzen der Nächstenliebe und der Vergebung der Sünden herstellen. Sie konnte das Wesen der Dreifaltigkeit beschreiben, kennt das Glaubensbekenntnis und erklärte, warum eine bestimmte Stelle in der Bibel sie besonders anspricht. Auch hat sie sich über einen hinreichend langen Zeitraum auf die Konversion vorbereitet und besuchte den Taufkurs. Insbesondere ist hervorzuheben, dass die Beschwerdeführerin durch den neuen Glauben mehr Kontrolle über ihr Handeln erhält und die innere Ruhe betont, was gerade vor dem Hintergrund ihrer psychischen Erkrankung wesentlich ist.

Anhand einer Zeugenaussage konnte sich das Bundesverwaltungsgericht nachvollziehbar ein breites Bild von der Beschwerdeführerin und deren aktueller Glaubensüberzeugung sowie gemeinschaftlicher Aktivität machen. Auch der die Beschwerdeführerin als Seelsorger betreuende Zeuge bestätigte deren Verhaltensänderung und dass diese sich trotz deren "seelischen Schwierigkeiten" besonders bemüht habe, an der Taufvorbereitung teilzunehmen. Er betonte ihre Entwicklung: So habe sie sich wirklich verändert, könne ruhiger beim Gottesdienst sitzen bleiben und es gehe ihr besser. Der befragte Zeuge war insofern glaubwürdig, als er nicht in übertriebener Weise über die Beschwerdeführerin berichtete, sondern nur zu Umständen Auskunft gab, die er selbst wahrnehmen konnte. Aus einer Zusammenschau der Aussagen der Beschwerdeführerin mit jenen des Zeugen ist auch ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin die wesentlichen Lehren der christlichen Kirche kennt bzw. verinnerlicht hat.

Auch das persönlich glaubwürdige, von Emotionen getragene Auftreten der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung, die authentische Erzählweise sowie die ausführliche und persönliche Beantwortung der Fragen zum neuen Glauben lassen keinen Zweifel an der tatsächlichen Hinwendung zum Christentum zu. Das Bundesverwaltungsgericht berücksichtigt hier insbesondere, dass es sich bei der Beschwerdeführerin um eine psychisch erkrankte Person handelt und der christliche Glaube ihr bei ihrer Erkrankung einen besonderen Halt gibt. Insbesondere Jesus Christus ist in ihrem Leben eine wichtige Stütze. Aufgrund ihrer Erkrankung und den negativen Erlebnissen in Iran als Frau, welche sie auf islamische Vorschriften zurückführt, versteht die Beschwerdeführerin das Christentum als ihre persönliche Erlösung und dementsprechend persönlich waren auch ihre Antworten in der mündlichen Verhandlung. Auch innerhalb ihrer in Österreich lebenden Familie wird ihr christlicher Glaube akzeptiert und führt dies zu einer weiteren Verfestigung. Darüber hinaus konnte die Beschwerdeführerin glaubwürdig vermitteln, dass sie ihren Glauben nicht leugnen würde, sondern immer ihren religiösen Pflichten nachgehen würde. Ein Leben ohne Christentum ist für die Beschwerdeführerin nicht vorstellbar und sagte sie dies auch sehr nachdrücklich in der Verhandlung. Die Beschwerdeführerin erweckt schließlich auch nicht den Eindruck, Fakten auswendig gelernt zu haben, sondern berichtet authentisch von ihren Gefühlen und ihrem Verständnis ihres neuen Glaubens. Die Beschwerdeführerin erlebt die Kirche als Gemeinschaft und das Christentum als Botschaft, die ihr Halt im Leben gibt.

2.2.3. Zur Situation in Iran

Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat ergeben sich aus den unter Punkt 1.3. genannten Länderberichten samt den darin zitierten Quellen. Die aktuellen Länderberichte beruhen auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von staatlichen und nichtstaatlichen Stellen und bieten dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche, weshalb im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass besteht, an der Richtigkeit dieser Berichte zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

Das Bundesverwaltungsgericht teilte den Verfahrensparteien im Rahmen der Ladung zur mündlichen Verhandlung mit, welche Berichte es beabsichtigt, der Entscheidung zugrunde zu legen, und bot die Möglichkeit zur Einsicht- und Stellungnahme an. Den Länderberichten wurde nicht substantiiert entgegengetreten, weshalb für das Bundesverwaltungsgericht auch aus diesem Grund keine Zweifel an deren Richtigkeit bestehen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten)

3.1.1. Rechtsgrundlagen

Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (in Folge: AsylG 2005), ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

Gemäß Abs. 2 leg. cit. kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen."

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26.11.2003, 2003/20/0389, ausführte, ist das individuelle Vorbringen eines Asylwerbers ganzheitlich zu würdigen und zwar unter den Gesichtspunkten der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit und der objektiven Wahrscheinlichkeit des Behaupteten.

Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an (vgl. etwa VwGH 27.06.2019, Ra 2018/14/0274). Bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion kommt es auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist (vgl. VwGH 29.05.2019, Ra 2019/20/0230; 23.01.2019, Ra 2018/19/0453 und Ra 2018/19/0260). Es kommt nicht entscheidend darauf an, ob der Fremde schon im Iran mit dem Christentum in Berührung gekommen ist (vgl. VwGH 17.09.2008, 2008/23/0675); ebenso wenig, ob der Religionswechsel durch die Taufe erfolgte oder bloß beabsichtigt ist (VwGH 29.05.2019, Ra 2019/20/0230). Die Behauptung eines "Interesses am Christentum" reicht zur Darlegung einer inneren Glaubensüberzeugung nicht aus (VwGH 23.01.2019, Ra 2018/19/0453).

In Bezug auf die asylrechtliche Relevanz einer Konversion zum Christentum ist entscheidend, ob der Fremde bei weiterer Ausübung seines (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden (vgl. VwGH 29.05.2019, Ra 2019/20/0230; 07.05.2018, Ra 2018/20/0186). Maßgebliche Indizien für einen aus innerer Überzeugung vollzogenen Religionswechsel sind beispielsweise das Wissen über die neue Religion, die Ernsthaftigkeit der Religionsausübung, welche sich etwa in regelmäßigen Gottesdienstbesuchen oder sonstigen religiösen Aktivitäten manifestiert, eine mit dem Religionswechsel einhergehende Verhaltens- bzw. Einstellungsänderung des Konvertiten sowie eine schlüssige Darlegung der Motivation bzw. des auslösenden Moments für den Glaubenswechsel (VwGH 14.03.2019, Ra 2018/18/0455).

Aus Art. 10 Abs. 1 lit. b RL 2011/95/EU (Statusrichtlinie) folgt, dass die Ausübung einer Glaubensüberzeugung nicht auf das sog. "forum internum" beschränkt werden darf, sondern vielmehr auch der öffentliche Bereich umfasst ist.

3.1.2. Umgelegt auf den gegenständlichen Fall findet die oben festgestellte, die Beschwerdeführerin treffende und glaubhaft gemachte Verfolgungsgefahr ihre Deckung in einem der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründe, weil der Beschwerdeführerin in Iran mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine aktuelle, aus politischen bzw. religiösen Gründen resultierende Verfolgung maßgeblicher Intensität durch staatliche Akteure droht. Ein aktives Ausleben des christlichen Glaubens und insbesondere eine missionarische Betätigung werden in Iran verfolgt und drohen hohe Haftstrafen, allenfalls auch die Todesstrafe. Die Beschwerdeführerin hat sich ernsthaft dem christlichen Glauben zugewandt und lebt diesen aktiv. Die nachvollziehbaren und persönlich glaubwürdigen Aussagen der Beschwerdeführerin machen eine innere Konversion glaubhaft. Durch die offiziell dokumentierte Taufe durch die iranisch christliche Gemeinde erfolgte auch eine Konversion nach außen. Zusammen mit den regelmäßigen Gottesdienstbesuchen ist der Glaubenswechsel der Beschwerdeführerin öffentlich geworden - auch innerhalb der iranischen "community". Es kann folglich nicht ausgeschlossen werden, dass im Falle einer Rückkehr nach Iran der Beschwerdeführerin eine asylrechtlich relevante Verfolgung droht. Auch ist es der Beschwerdeführerin nicht zumutbar, im Falle einer Rückkehr nach Iran den neuen Glauben vor den iranischen Behörden zu verleugnen und die Religionsausübung auf das sog. forum internum zu beschränken (vgl. Art. 10 Abs. 1 lit. b RL 2004/83/EG).

Eine innerstaatliche Fluchtalternative steht der Beschwerdeführerin nicht offen, weil sich - wie sich aus den Länderberichten ergibt - die drohende Verfolgung auf das gesamte Staatsgebiet erstreckt.

Da im Verfahren auch keine Asylausschlussgründe iSd § 6 Abs. 1 AsylG 2005 hervorkamen und die Beschwerdeführerin nicht straffällig wurde, war der Beschwerdeführerin gem. § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen und gem. § 3 Abs. 5 AsylG 2005 auszusprechen, dass ihr damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

3.2. Zur Behebung der Spruchpunkte II. bis VI. des angefochtenen Bescheides

Ist eine Nebenbestimmung von der übrigen Entscheidung nicht trennbar, richtet sich die Revision - ungeachtet einer anderslautenden Anfechtungserklärung - auch gegen diese (vgl. etwa VwGH Ro 2019/19/0006; 20.09.2017, Ra 2016/11/0169, mwN; vgl. auch zu untrennbaren Nebenbestimmungen in den Verfahren der Verwaltungsgerichte, VwGH 09.09.2015, Ro 2015/03/0032). (VwGH 25.09.2019, Ra 2019/19/0399)

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Vor dem Hintergrund der höchstgerichtlichen Judikatur sind somit nicht nur die angefochtenen Spruchpunkte II. bis V., sondern auch Spruchpunkt VI. ersatzlos zu beheben, da der Beschwerdeführerin der Status der Asylberechtigten zuerkannt wurde und diese Spruchpunkte damit ihre Grundlage verlieren.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl. die unter Punkt 3. angeführte Judikatur); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im Übrigen war eine auf die Umstände des Einzelfalls bezogene Prüfung vorzunehmen und waren Fragen der Beweiswürdigung entscheidend.

Es war somit insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Asylgewährung asylrechtlich relevante Verfolgung Asylverfahren begründete Furcht vor Verfolgung Behebung der Entscheidung Christentum ersatzlose Teilbehebung Fluchtgründe Flüchtlingseigenschaft Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit Kassation Konversion mündliche Verhandlung Nachfluchtgründe Religionsfreiheit religiöse Gründe Rückkehrentscheidung Spruchpunktbehebung Verfolgungsgefahr Verfolgungshandlung wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W183.2213084.1.00

Im RIS seit

25.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

25.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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