Entscheidungsdatum
01.04.2020Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W170 2224074-1/16E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas MARTH über die Beschwerde der XXXX , vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Kristina GRUBER-MARIACHER, gegen den Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 11.12.2018, 1 Jv 4868-38A4/18y, zu Recht:
A) Der Beschwerde wird stattgegeben und der Bescheid wegen Unzuständigkeit des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Innsbruck gemäß §§ 27, 28 Abs. 1 und 2 Verwaltungs-gerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2018, 78 Abs. 4 Gerichtsorganisationsgesetz, RGBl. Nr. 217/1896 in der Fassung BGBl. I Nr. 44/2019, ersatzlos aufgehoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 16/2020, nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Mit Schriftsatz vom 03.07.2018, am 06.07.2018 beim Bezirksgericht Lienz eingelangt, beschwerte sich XXXX (in Folge: Beschwerdeführerin) "bezüglich Assistent XXXX ". Dieser ist der für ein gegen die Mutter der Beschwerdeführerin unter der Zl. 4 E 2837/17t beim Bezirksgericht Lienz geführtes Exekutionsverfahren zuständige Gerichtsvollzieher des Bezirksgerichts Lienz.
Der Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom 03.07.2018 ist an "Frau Richterin Mag. XXXX " gerichtet und wurde - wie oben festgestellt - am 07.07.2018 beim Bezirksgericht Lienz eingebracht, dessen Gerichtsvorsteherin zu diesem Zeitpunkt XXXX war. Diese leitete das Schreiben mit Anschreiben vom 26.07.2018 an das Oberlandesgericht Innsbruck "zur dienstaufsichtsbehördlichen Prüfung" weiter.
1.2. Auf Grund von bestimmten Formulierungen in diesem Schreiben sah der als Dienstbehörde einschreitende Präsident des Oberlandesgerichtes Innsbruck (in Folge: Behörde) dieses als grob ungebührlich und beleidigend an. Dieses Schreiben verletze die einem Gerichtsbeamten in Vollziehung seiner Aufgaben geschuldete Achtung. Daher wurde von der Behörde mit Bescheid vom 11.12.2018, 1 Jv 4868-38A4/18y, eine Ordnungsstrafe von ? 500 gegen die Beschwerdeführerin verhängt.
Der Bescheid wurde nach einem Zustellversuch am 19.12.2018 ab dem 20.12.2018 im zuständigen Postamt zur Abholung bereitgehalten und am 19.02.2019 der Behörde als nicht behoben rückgemittelt.
Zu diesem Zeitpunkt war die Beschwerdeführerin in der Lage, den Bescheid entgegenzunehmen bzw. diesen zu beheben, d.h. sich in Begleitung zum Postamt zu begeben oder eine andere Person, etwa die mit ihr in Hausgemeinschaft lebende Mutter, zur Behebung des Bescheides zu bevollmächtigen. Die Beschwerdeführerin war zu diesem Zeitpunkt in der Lage, die Bedeutung und Tragweite der Zustellung bzw. der Erlassung eines Bescheides, mit dem gegen sie eine Ordnungsstrafe verhängt wurde, zu verstehen und sich entsprechend zu verhalten bzw. auf den Bescheid entsprechend zu reagieren.
1.3. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Lienz vom 04.06.2019, 7 P 16/2019 f-11, wurde Rechtsanwältin Dr. Kristina GRUBER-MARIACHER (in Folge: Erwachsenenvertreterin) für die Beschwerdeführerin mit sofortiger Wirksamkeit als einstweilige Erwachsenenvertreterin bestellt, insbesondere mit dem Aufgabenbereich Vertretung vor Ämtern und Behörden.
1.4. Mit Schriftsatz vom 13.08.2019, am gleichen Tag bei der Behörde eingebracht, wurde von der Erwachsenenvertreterin für die Beschwerdeführerin ein Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 71 AVG sowie mit diesem verbunden eine näher begründete Beschwerde eingebracht.
1.5. Mit Bescheid der Behörde vom 28.08.2019, 1 Jv 4868-38A4/18y, der Erwachsenenvertreterin am 02.09.2019 zugestellt, wurde der Wiedereinsetzungsantrag in Bezug auf die Versäumung der Beschwerdefrist gegen den im Spruch bezeichneten Bescheid bewilligt. Gegen diesen Bescheid wurde kein Rechtsmittel erhoben.
1.6. Die Beschwerde wurde samt den bezughabenden Verwaltungsakten am 04.10.2019 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus der unstrittigen Aktenlage, hinsichtlich der Feststellung, dass die Beschwerdeführerin im Dezember 2018 in der Lage gewesen ist, den Bescheid entgegenzunehmen bzw. diesen zu beheben, d.h. sich in Begleitung zum Postamt zu begeben oder eine andere Person, etwa die mit ihr in Hausgemeinschaft lebende Mutter, zur Behebung des Bescheides zu bevollmächtigen und zu diesem Zeitpunkt in der Lage gewesen ist, die Bedeutung und Tragweite der Zustellung bzw. der Erlassung eines Bescheides, mit dem gegen sie eine Ordnungsstrafe verhängt wurde, zu verstehen und sich entsprechend zu verhalten bzw. auf den Bescheid entsprechend zu reagieren, aus dem Gutachten des Sachverständigen XXXX vom 22.02.2020. Dieses Gutachten wurde den Parteien vorgehalten und sind diese dem Gutachten weder auf gleichem wissenschaftlichem Niveau (v.a. durch Vorlage eines Gegengutachtens) entgegengetreten noch haben diese die Unvollständigkeit und/oder Unschlüssigkeit des Gutachtens dargetan. Auch ist weder eine Unvollständigkeit und/oder eine Unschlüssigkeit des Gutachtens vom Bundesverwaltungsgericht zu erkennen, sodass dieses der Sachverhaltsfeststellung zu Grunde zu legen ist.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass das Bundesverwaltungsgericht an die Rechtskraft der Bewilligung des Wiedereinsetzungsantrages durch die Behörde mit Bescheid vom 28.08.2019, 1 Jv 4868-38A4/18y, gebunden ist, auch wenn es der Ansicht wäre (ist), dass kein Wiedereinsetzungsgrund vorläge (vorliegt).
Die mit dem Wiedereinsetzungsantrag verbundene Beschwerde ist daher rechtzeitig und ist auch kein Grund zu sehen, warum diese aus anderen Gründen unzulässig sein sollte.
3.2. Gemäß § 27 1. Fall Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2018 (in Folge: VwGVG) hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid im Falle einer Parteienbeschwerde auf Grund der Beschwerde zu überprüfen.
Gemäß § 78 Abs. 3 Gerichtsorganisationsgesetz, RGBl. Nr. 217/1896 in der Fassung BGBl. I Nr. 44/2019 (in Folge: GOG), können Beschwerden gegen Beamte der Gerichtskanzlei und Vollstreckungsbeamte wegen Nichtbefolgung oder unrichtiger Vollziehung der ihnen gesetzlich obliegenden oder vom Gerichte aufgetragenen Amtshandlungen, sofern nicht für einzelne Fälle etwas anderes angeordnet ist, mündlich oder schriftlich bei den mit der Aufsicht über die Gerichtkanzlei betrauten richterlichen Beamten, bei dem Executionscommissär oder bei dem Vorsteher des Gerichtes angebracht werden, bei dem der Beamte verwendet wird.
Gemäß § 78 Abs. 4 GOG ist vom Vorsteher des Gerichtes oder der Justizbehörde, bei der die Beschwerde eingebracht wurde, mit einer Ordnungsstrafe zu belegen, wer in einer Aufsichtsbeschwerde die dem Gerichte schuldige Achtung durch beleidigende Ausfälle verletzt oder Richter, Beamte, Parteien, Vertreter, Bevollmächtigte, Zeugen oder Sachverständige grundlos beleidigt, ist, unbeschadet der deshalb eintretenden strafgerichtlichen Verfolgung.
Eine Zuständigkeitsregelung muss nach der Rechtsprechung des Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshofes auch im Lichte des Legalitätsprinzips des Art. 18 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 83 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 16/2020 (in Folge: B-VG), klar und unmissverständlich sein, der Gesetzgeber ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes gerade in Bezug auf die Behörden- und Gerichtszuständigkeit zu einer präzisen, strengen Prüfungsmaßstäben standhaltenden Regelung verpflichtet (vgl. unter vielen etwa VfGH 11.03.2015, G 199-200/2014 und VwGH 24.10.2016, Ra 2016/02/0159).
3.3. Der als Beschwerde bezüglich Assistent XXXX bezeichnete Schriftsatz vom 03.07.2018 war an die Vorsteherin des Bezirksgerichts Lienz, Richterin XXXX , gerichtet und wurde beim Bezirksgericht Lienz eingebracht. Daher war nur diese als Vorsteherin des Bezirksgerichts Lienz, bei dem die Beschwerde eingebracht wurde, nicht aber der Präsident des Oberlandesgerichtes Innsbruck zuständig, die Beschwerdeführerin mit einer Ordnungsstrafe zu belegen. Eine Zuständigkeit des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Innsbruck lässt sich dem Gesetz hingegen nicht entnehmen.
Daher ist der Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 11.12.2018, 1 Jv 4868-38A4/18y, wegen Unzuständigkeit desselben zur Erlassung einer Ordnungsstrafe wegen eines beim Bezirksgericht Lienz eingebrachten Schreibens ersatzlos aufzuheben, ohne dass auf die Ausführungen in der Beschwerde eingegangen werden muss; diese ersatzlose Aufhebung steht einem weiterem Bescheid der eingeschrittenen Behörde - also des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Innsbruck - in dieser Angelegenheit entgegen (VwGH 25.03.2015, Ro 2015/12/0003), nicht aber einem Bescheid der zuständigen Behörde (ebenfalls VwGH 25.03.2015, Ro 2015/12/0003), hier der Vorsteherin bzw. des Vorstehers des Bezirksgerichts Lienz. Eine ersatzlose Aufhebung hat mit Erkenntnis und nicht Beschluss zu erfolgen (VwGH 20.7.2016, Ra 2015/22/0055).
3.5. Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 2. Fall VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist; dies ist hier der Fall, da sich die fehlende Zuständigkeit unmittelbar aus der Aktenlage ergibt.
3.5. Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 16/2020, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Soweit eine eindeutige Rechtslage vorliegt, kommt es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH 08.02.2018, Ra 2017/11/0292; VwGH 26.02.2015, Ra 2015/11/0008; VwGH 11.12.2017, Ra 2015/11/0102) nicht darauf an, ob es hinsichtlich gegenständlicher Rechtsfrage an einer Rechtsprechung fehlt. Wie oben dargestellt wurde, ergibt sich die fehlende Zuständigkeit der eingeschrittenen Behörde eindeutig aus dem klaren Gesetzeswortlaut, der nach der oben zitierten Rechtsprechung auch keiner über den Wortlaut hinausgehenden Interpretation zugänglich ist. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, daher ist die Revision unzulässig.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung Beleidigung Bindungswirkung Dienstaufsicht Dienstaufsichtsbeschwerde ersatzlose Behebung Exekutionsverfahren gerichtlicher Erwachsenenvertreter Gerichtsorganisation Gerichtsorganisationsgesetz Gerichtsvollzieher Ordnungsstrafe Umdeutung unzuständige Behörde UnzuständigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W170.2224074.1.01Im RIS seit
25.09.2020Zuletzt aktualisiert am
25.09.2020