TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/2 W170 2229480-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.04.2020
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Entscheidungsdatum

02.04.2020

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z15
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §75 Abs24
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W170 2229480-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas MARTH über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , staatenlos, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH als Mitglieder der ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 05.02.2020, Zl. IFA-Zahl/Verfahrenszahl: 1246886805/190969593, zu Recht:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß Art. 12 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. Nr. L 337 vom 20.12.2011, in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 53/2019, der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 4 leg.cit. kommt XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigte für drei Jahre zu. Gemäß § 3 Abs. 5 leg.cit. wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 16/2020, nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. XXXX (in Folge: beschwerdeführende Partei) stellte am 23.09.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Im Rahmen des Administrativverfahrens brachte die beschwerdeführende Partei im Wesentlichen vor, sie habe Syrien aus Angst vor dem Krieg verlassen sowie, da sie sich als alleinstehende, ältere Frau nicht sicher fühle. Einer ihrer Söhne sei in Österreich asylberechtigt.

Im Rahmen des Administrativverfahrens legte die beschwerdeführende Partei ein auf diese lautendes, syrisches Reisedokument für Palästinenser vor.

3. Nach Durchführung des oben dargestellten Ermittlungsverfahrens wurde der gegenständliche Antrag der beschwerdeführenden Partei mit im Spruch bezeichneten Bescheid vom 05.02.2020, erlassen am 11.02.2020, hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen. Unter einem wurde dieser der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, sie habe keine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen geltend gemacht. Der schwierigen und ihrer individuellen Situation werde jedoch durch die Zuerkennung des Status einer subsidiär Schutzberechtigten Rechnung getragen.

4. Mit am 04.03.2020 bei der Behörde eingebrachtem Schriftsatz wurde gegen Spruchpunkt I. des im Spruch bezeichneten Bescheides Beschwerde erhoben.

Begründend wurde ausgeführt, die beschwerdeführende Partei sei als staatenlose Palästinenserin bei UNRWA registriert und sei auch tatsächlich unter deren Schutz gestanden, daher würde ihr eine ipso facto Anerkennung nach Art. 1 D der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. 07.1951, BGBl 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 31.01.1967, BGBl. 78/1974 (in Folge: GFK) zustehen. Zusätzlich wurde auch eine auf die beschwerdeführende Partei lautende UNRWA Registrierungskarte vorgelegt mit dem Hinweis, diese auch schon im Administrativverfahren vorgelegt zu haben.

5. Die Beschwerde wurde samt den bezugnehmenden Verwaltungsakten am 11.03.2020 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die rechtzeitige und zulässige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. XXXX ist eine volljährige staatenlose Palästinenserin, deren Identität feststeht und die in Österreich unbescholten ist.

1.2. XXXX war bis zum 21.06.2019 durchgängig in Syrien aufhältig und hat dann Syrien verlassen, reiste schließlich legal mit einem Visum C ins Bundesgebiet ein, wo sie am 23.09.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

XXXX wurde in XXXX geboren, zog jedoch dann nach XXXX , wo sie lebte und auch bei UNRWA registriert war. Sie lebte dort bis zu ihrer Ausreise. Sie verließ das Einsatzgebiet der UNRWA, da sie im syrischen Bürgerkrieg um ihr Leben fürchtete.

1.3. Mit Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wurde XXXX der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Staat Syrien wegen der realen Gefahr einer ernsthaften individuellen Bedrohung ihres Lebens aufgrund des innerstaatlichen Konfliktes in Syrien zuerkannt.

1.4. Nach Ansicht von UNHCR benötigen palästinensische Flüchtlinge aus Syrien wahrscheinlich internationalen Schutz im Sinne der GFK, sofern keine Ausschlussklauseln anwendbar sind.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Beweiswürdigung zu 1.1.:

Die Feststellungen zur Person der beschwerdeführenden Partei gründen sich im Wesentlichen auf das vorgelegte, unbedenkliche syrische Reisedokument für Palästinenser sowie insbesondere aus der vorgelegten Registrierungskarte von UNRWA und den diesbezüglich glaubhaften Angaben der beschwerdeführenden Partei. Die Feststellung der Unbescholtenheit gründet sich auf die im Verfahren eingeholte Strafregisterauskunft.

2.2. Beweiswürdigung zu 1.2.:

Die Feststellungen, dass die beschwerdeführende Partei bis zum 21.06.2019 durchgängig in Syrien aufhältig war und dann Syrien verlassen hat sowie schließlich legal mit einem Visum C ins Bundesgebiet einreiste, wo sie am 23.09.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte, gründen sich auf die Aktenlage und das Vorbringen der beschwerdeführenden Partei, das die Behörde ihrer Entscheidung unterstellt hat.

Die Feststellungen, dass die beschwerdeführende Partei in XXXX geboren wurde, dann nach XXXX zog, wo sie bei UNRWA registriert war und bis zu ihrer Ausreise lebte, ergeben sich aus dem Vorbringen der beschwerdeführenden Partei; selbiges gilt für die Feststellung, warum die beschwerdeführende Partei das Lager verlassen hat.

Die Registrierung der beschwerdeführenden Partei bei UNRWA (Syrien) ergibt sich weiters aus der vorgelegten Registrierungskarte von UNRWA.

2.3. Beweiswürdigung zu 1.3.:

Die Feststellung zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten durch Spruchpunkt II. des verfahrensgegenständlichen Bescheides ergibt sich aus der Aktenlage.

2.4. Beweiswürdigung zu 1.4.:

Diese Feststellung ergibt sich aus folgender Quelle: UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, 5. aktualisierte Fassung aus November 2017.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 53/2019 (in Folge: AsylG), ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Gemäß § 6 Abs. 1 AsylG ist ein Fremder von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten unter anderem dann ausgeschlossen, wenn und solange er Schutz gemäß Art. 1 Abschnitt D der GFK genießt (Z 1).

Gemäß § 6 Abs. 2 AsylG kann, wenn ein Ausschlussgrund nach Abs. 1 vorliegt, der Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ohne weitere Prüfung abgewiesen werden. § 8 AsylG gilt.

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der "Rasse", Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Nach Art. 1 Abschnitt D GFK findet das Abkommen auf Personen keine Anwendung, die derzeit von anderen Organen oder Organisationen der Vereinten Nationen als dem Hochkommissär der Vereinten Nationen für Flüchtlinge Schutz oder Hilfe erhalten. Wenn dieser Schutz oder diese Hilfe aus irgendeinem Grunde wegfällt, ohne dass die Stellung dieser Personen gemäß den bezüglichen Beschlüssen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig geregelt ist, so werden diese Personen ipso facto der Vorteile dieses Abkommens teilhaftig.

Gemäß Art. 12 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. Nr. L 337 vom 20.12.2011 (im Folgenden: Status-RL), ist ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen, wenn er den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Institution der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge gemäß Artikel 1 Abschnitt D GFK genießt. Wird ein solcher Schutz oder Beistand aus irgendeinem Grund nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig geklärt worden ist, genießt er ipso facto den Schutz dieser Richtlinie.

Die beschwerdeführende Partei legte im Verfahren eine Registrierungskarte von UNRWA, ausgestellt auf die beschwerdeführende Partei, vor.

Bei UNRWA handelt es sich um eine Organisation der Vereinten Nationen iSd Art. 1 Abschnitt D GFK, auf den sowohl Art. 12 Abs. 1 lit. a Status-RL sowie § 6 Abs. 1 Z 1 AsylG Bezug nehmen. Die Rechtsstellung von Asylwerbern, die grundsätzlich dem Schutz einer von Art. 1 Abschnitt D GFK erfassten Organisation unterstehen, unterscheidet sich in folgender Hinsicht von jener anderer Asylwerber: Art. 12 Abs. 1 lit. a Status-RL sieht - in Entsprechung des Art. 1 Abschnitt D GFK - einerseits vor, dass Drittstaatsangehörige oder Staatenlose von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen sind, wenn sie unter dem Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Institution der Vereinten Nationen für Flüchtlinge gemäß Art. 1 Abschnitt D GFK stehen. Andererseits genießen vom Anwendungsbereich der genannten Bestimmungen erfasste Personen dann, wenn der Schutz oder Beistand einer solchen Organisation "aus irgendeinem Grund" nicht länger gewährt wird, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig geklärt worden ist, "ipso facto" den Schutz der Status-RL bzw. der GFK. Auf Grund dieses in Art. 12 Abs. 1 lit. a der Status-RL angeordneten "ipso facto"-Schutzes sind die Mitgliedstaaten der Europäischen Union verpflichtet, vom Anwendungsbereich dieser Bestimmung erfassten Personen auf Antrag den Status von Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn der Beistand einer Organisation der Vereinten Nationen iSd Art. 1 Abschnitt D GFK "aus irgendeinem Grund" wegfällt und keiner der in Art. 12 Abs. 1 lit. b oder Abs. 2 und 3 Status-RL genannten Ausschlussgründe vorliegt (vgl. EuGH 19.12.2012, C-364/11, Mostafa Abed El Karem El Kott u.a., Rz 76).

Österreich ist seiner Verpflichtung, die Status-RL und damit auch den genannten Art. 12 der Status-RL in innerstaatliches Recht umzusetzen, insoweit nachgekommen, als nach dem in § 6 Abs. 1 Z 1 AsylG normierten Asylausschlussgrund einem Fremden kein Asyl gewährt werden kann, "so lange er Schutz gemäß Art. 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt". Eine ausdrückliche Regelung, die die - in Satz 2 des Art. 12 Abs. 1 lit. a Status-RL vorgesehene - "ipso facto"-Zuerkennung von Asyl an Personen, denen gegenüber der Beistand der UNRWA "aus irgendeinem Grund" weggefallen ist, anordnen würde, enthält das AsylG jedoch nicht. Der "ipso facto"-Schutz bewirkt insofern eine Privilegierung von Personen, die unter dem Schutz von UNRWA gestanden sind, als diese - im Unterschied zu nicht unter Art. 12 Abs. 1 lit. a der Status-RL fallende Personen - für die Zuerkennung des Status von Asylberechtigten keine Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A GFK genannten Gründen glaubhaft machen müssen, sondern nur darzutun haben, dass sie unter dem Schutz von UNRWA gestanden sind, dass dieser Beistand aus irgendeinem Grund weggefallen ist und dass keiner der in Art. 12 Abs. 1 lit. b oder Abs. 2 und 3 Status-RL genannten Ausschlussgründe vorliegt (vgl. EuGH 19.12.2012, C-364/11, Mostafa Abed El Karem El Kott u.a., Rz 76). Somit dürfte es sich bei dem zweiten Satz des Art. 12 lit. a Status-RL um eine den Einzelnen begünstigende unionsrechtliche Regelung handeln, die mangels Umsetzung innerhalb der am 10. Oktober 2006 abgelaufenen Umsetzungsfrist (vgl. Art. 38 Status-RL) unmittelbar anzuwenden sein dürfte (VfGH 12.09.2013, U 1053/2012; 29.06.2013, U 706/2012; 29.06.2013, U 674/2012).

Die dargestellte Judikatur des EuGH und des VfGH erging zwar zur Status-RL 2004/83/EG, welche mittlerweile durch die Status-RL 2011/95/EU neu gefasst wurde, jedoch blieb Art. 12 Abs. 1 lit. a dadurch inhaltlich unverändert, sodass nach wie vor auf die dargestellte Judikatur zurückgegriffen werden kann. Die Verpflichtung zur Umsetzung der inhaltlich unveränderten Bestimmungen in innerstaatliches Recht ergibt sich (gemäß Erwägungsgrund 52 der RL 2011/95/EU) aus der RL 2004/83/EG.

Ausgehend davon ist im Fall der beschwerdeführenden Partei, die ihre Registrierung bei UNRWA bescheinigt hat, keine Glaubhaftmachung einer Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A GFK genannten Gründen zu prüfen, sondern (lediglich), ob ein Asylausschlussgrund im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 1 AsylG bzw. Art. 1 Abschnitt D GFK vorliegt oder ob die beschwerdeführende Partei gemäß Art. 12 Abs. 1 lit. a Status-RL "ipso facto" den Schutz dieser Richtlinie genießt, was wiederum Fragen dahingehend aufwirft, ob die beschwerdeführende Partei unter dem Schutz oder dem Beistand von UNRWA gestanden ist, ob dieser Schutz oder Beistand aus "irgendeinem Grund" weggefallen ist, ohne dass die Lage der Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig geklärt worden ist, und ob einer der in Art. 12 Abs. 1 lit. b oder Abs. 2 und 3 Status-RL genannten Ausschlussgründe vorliegt.

Zunächst ist dazu festzuhalten, dass die Lage der Personen, die den Beistand von UNRWA genießen, bislang nicht endgültig geklärt worden ist (vgl. auch EuGH 19.12.2012, C-364/11, Mostafa Abed El Karem El Kott u.a., Rz 54).

Fallbezogen ist weiters auf Grund der Vorlage der UNRWA-Registrierungskarte zugrunde zu legen, dass die beschwerdeführende Partei tatsächlich unter dem Schutz/Beistand von UNRWA gestanden ist. Allerdings ist diesbezüglich nicht von einer aktuellen ("zurzeit") tatsächlichen Inanspruchnahme der Hilfe/Unterstützung von UNRWA (und daher nicht vom Bestehen eines Asylausschlussgrundes gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 AsylG bzw. Art. 1 Abschnitt D der GFK) auszugehen (vgl. EuGH 17.06.2010, C-31/09, Bobol, wonach die Ausschlussklausel des Art. 1 Abschnitt D der GKF eng auszulegen ist und nicht auch Personen erfassen kann, die berechtigt sind oder waren, den Schutz oder Beistand dieses Hilfswerks in Anspruch zu nehmen).

Es ist daher die Frage von Bedeutung, ob die beschwerdeführende Partei nicht "ipso facto" den Schutz der Status-RL genießt, weil ihr der Beistand von UNRWA zwar in der Vergangenheit gewährt wurde, nunmehr jedoch aus "irgendeinem Grund" iSd Status-RL nicht länger gewährt wird.

Dafür reicht das bloße oder das freiwillige Verlassen des Einsatzgebietes von UNRWA nicht aus, vielmehr muss der Wegzug aus diesem Gebiet durch von der Betroffenen nicht zu kontrollierende und von ihrem Willen unabhängige Gründe, die sie dazu zwingen, dieses Gebiet zu verlassen und den von UNRWA gewährten Beistand zu genießen, gerechtfertigt sein. Was im Einzelfall die (von den zuständigen nationalen Behörden und Gerichten vorzunehmende) Prüfung der Umstände angeht, die dem Verlassen des Einsatzgebiets von UNRWA zugrunde liegen, muss das Ziel von Art. 1 Abschnitt D der Genfer Konvention, auf den Art. 12 Abs. 1 lit. a dieser Richtlinie verweist, nämlich, die Fortdauer des Schutzes der palästinensischen Flüchtlinge als solche zu gewährleisten, bis ihre Lage gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig geklärt worden ist, berücksichtigt werden. Angesichts dieses Ziels ist ein palästinensischer Flüchtling dann als gezwungen anzusehen, das Einsatzgebiet von UNRWA zu verlassen, wenn er sich in einer sehr unsicheren persönlichen Lage befindet und es dieser Organisation unmöglich ist, ihm in diesem Gebiet Lebensverhältnisse zu gewährleisten, die mit der ihr übertragenen Aufgabe im Einklang stehen (EuGH 19.12.2012, C-364/11, Mostafa Abed El Karem El Kott u.a.).

UNHCR führt dazu (unter Hinweis auf die Rechtssache vor dem EuGH, C-364/11, Mostafa Abed El Karem El Kott u.a.) in seiner "Note on UNHCR's Interpretation of Article 1 D of the 1951 Convention relating to the Status of Refugees and Article 12(1)(a) of the EU Qualification Directive in the context of Palestinian refugees seeking international protection" vom Mai 2013 aus, dass es für einen antragstellenden palästinensischen Flüchtling unter anderem dann nicht möglich sein wird, zurückzukehren oder sich unter den Schutz von UNRWA zu stellen, wenn damit eine Bedrohung des Lebens, der körperlichen Unversehrtheit oder der persönlichen Freiheit verbunden wäre, sowie aus anderen ernst zu nehmenden Schutzproblemen, wie beispielsweise bei Vorliegen von bewaffneten Konflikten oder von anderen Gewaltsituationen sowie in Bürgerkriegssituationen.

Im vorliegenden Fall hat die beschwerdeführende Partei das Einsatzgebiet der UNRWA aufgrund des syrischen Bürgerkriegs verlassen. Fallbezogen hat die belangte Behörde (mit dem in Rechtskraft erwachsenen Spruchpunkt II. des verfahrensgegenständlichen Bescheides) der beschwerdeführenden Partei den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf - das gesamte Staatsgebiet von - Syrien wegen des Vorliegens einer Bedrohung ihres Lebens infolge eines bewaffneten innerstaatlichen Konfliktes zuerkannt.

Es ist - zumal eine unveränderte Tatsachenlage in diesem Bereich anzunehmen ist - ausgehend von dem zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes angenommenen Sachverhalt der belangten Behörde daher auch bei der Frage, ob ein palästinensischer Flüchtling als gezwungen anzusehen ist, das Einsatzgebiet von UNRWA zu verlassen, festzustellen, dass sich die beschwerdeführende Partei angesichts der Bürgerkriegssituation in Syrien in einer sehr unsicheren persönlichen Lage befindet, da sie dort tatsächlich Gefahr läuft, einer ernsthaften individuellen Bedrohung ihres Lebens ausgesetzt zu sein, bzw. dass es für die beschwerdeführende Partei nicht möglich sein kann, nach Syrien (in ihr Herkunftsgebiet in Syrien oder in einen anderen Teil Syriens) zurückzukehren oder sich dort unter den Schutz/den Beistand von UNRWA zu stellen, und es UNRWA auch nicht möglich ist, der beschwerdeführenden Partei dort Lebensverhältnisse zu gewährleisten, die mit der ihr übertragenen Aufgabe im Einklang stehen.

Im Ergebnis sind somit fallbezogen von der beschwerdeführenden Partei nicht zu kontrollierende und von ihrem Willen unabhängige Gründe für die nicht längere Gewährung des Beistandes von UNRWA zu bejahen. Zumal keiner der in Art. 12 Abs. 1 lit. b oder Abs. 2 und 3 der Status-RL genannten Ausschlussgründe vorliegt, genießt die beschwerdeführende Partei daher gemäß Art. 12 Abs. 1 lit. a der Status-RL "ipso facto" den Schutz dieser Richtlinie.

Es sind auch im Zuge des Verfahrens keine Hinweise hervorgekommen, wonach einer der in Art. 1 Abschnitt C oder F GFK genannten Endigungs- oder Ausschlusstatbestände eingetreten sein könnte.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG ist die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder aufgrund eines Antrages auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Der Beschwerde ist daher stattzugeben und festzustellen, dass der beschwerdeführenden Partei kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG kommt der beschwerdeführenden Partei damit eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigte zu.

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 in der Fassung BGBl. I Nr. 53/2019, - der diesbezüglich § 24 Abs. 4 VwGVG vorgeht (VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017) - kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig und in ordnungsgemäßem Ermittlungsverfahren erhoben wurde, zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes immer noch aktuell und vollständig ist und das Verwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilt.

Das ist hinsichtlich des entscheidungsrelevanten Sachverhalts hier der Fall, da dieser bereits von der Behörde ermittelt wurde; diese hat lediglich die sich aus dem ermittelten Sachverhalt ergebenden Rechtsfolgen übersehen und waren daher nur Rechtsfragen zu klären.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 16/2020 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2019 (in Folge: B-VG), zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Asyl auf Zeit Asylgewährung asylrechtlich relevante Verfolgung Asylverfahren befristete Aufenthaltsberechtigung begründete Furcht vor Verfolgung Fluchtgründe Flüchtlingseigenschaft Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit Registrierung staatenlos Statusrichtlinie UNRWA Verfolgungsgefahr Verfolgungshandlung wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W170.2229480.1.00

Im RIS seit

25.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

25.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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