TE Vwgh Beschluss 1997/11/19 97/09/0318

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Veröffentlicht am 19.11.1997
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
22/02 Zivilprozessordnung
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §74 Abs1
VwGG §61
VwGG §61 Abs1
VwGG §62 Abs1
ZPO §68
ZPO §68 Abs4
ZPO §73 Abs2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden

Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Blaschek und

Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers

Mag. Loibl, in der Beschwerdesache des Y in W,

vertreten durch Dr. Alfred Richter, Rechtsanwalt in Wien I,

Grillparzerstraße 7, gegen den Bescheid der

Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom

11. April 1997, Zl. LGSW/Abt. 10/13117/1997, betreffend

Feststellung nach dem Assoziationsabkommen EWG-Türkei, den

Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stellte am 11. April 1997 einen

Verfahrenshilfeantrag (hg. Zl. VH 97/09/0018) zur Erhebung

einer Beschwerde gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle

des Arbeitsmarktservice Wien vom 7. April 1997

(Zl. LGSW/Abt. 10/13117/1997). Der Beschluß des

Verwaltungsgerichtshofes vom 18. April 1997 über die

Bewilligung der Verfahrenshilfe und der Bestellungsbescheid des

Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vom 23. April 1997

wurden am 15. Mai 1997 an den Verfahrenshelfer abgefertigt. Der

Verfahrenshelfer nahm am 26. Juni 1997 (in den

Verfahrenshilfeakt VH 97/09/0018) Akteneinsicht.

Anstelle einer Beschwerde gegen den genannten Bescheid vom

7. April 1997 brachte der Verfahrenshelfer - unter Bezugnahme

auf die am 16. Mai 1997 ihm zugestellte Bewilligung der

Verfahrenshilfe - einen am 30. Juni 1997 eingelangten Antrag

auf Entziehung der bewilligten Verfahrenshilfe beim

Verwaltungsgerichtshof ein. Dieser Antrag wurde mit Beschluß

vom 19. August, Zl. VH 97/09/0018-6, vom Verwaltungsgerichtshof

abgewiesen.

In der am 13. Oktober 1997 zur Post gegebenen Beschwerde

gegen den genannten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des

Arbeitsmarktservice Wien vom 7. April 1997 wird zur

Rechtzeitigkeit dieser Beschwerdeerhebung vorgebracht, dem

Verfahrenshelfer sei der Beschluß über die Abweisung des (von

ihm gestellten) Entziehungsantrages "innerhalb der letzten

6 Wochen" zugestellt worden. Die Beschwerde werde "(siehe

AnwBl 81/391, SZ 51/59) in offener Frist" erhoben.

Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof hat gemäß § 28

Abs. 1 Z. 7 VwGG die Angaben zu enthalten, die erforderlich

sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig

eingebracht ist. Im vorliegenden Fall ist diesen Angaben zur

Rechtzeitigkeit zu entnehmen, daß die Beschwerde - ausgehend

von einer unzutreffenden Rechtsansicht - verspätet erhoben

wurde.

Die in der Beschwerde angenommene Rechtzeitigkeit beruht

(nach den zitierten Fundstellen) auf der Rechtsansicht, die

Frist zur Beschwerdeerhebung sei durch den Antrag des

Verfahrenshelfers auf Entziehung der bewilligten

Verfahrenshilfe unterbrochen worden und habe erst mit

Zustellung der Entscheidung über diesen Antrag (neu) zu laufen

begonnen. Die dafür in der Beschwerde ins Treffen geführte

Rechtsprechung (des Obersten Gerichtshofes) ist jedoch aufgrund

einer anderen, im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof

nicht anzuwendenden Rechtslage ergangen. Abgesehen davon, daß

ein (zur Verfahrenshilfe) bestellter Rechtsanwalt auch zufolge

§ 68 Abs. 4 erster Satz ZPO bis zum Eintritt der Rechtskraft

des Beschlusses über die Entziehung der Verfahrenshilfe

verpflichtet bleibt, für die Partei zu handeln, soweit dies

nötig ist, um sie vor Rechtsnachteilen zu schützen, sind vom

Verwaltungsgerichtshof gemäß § 61 Abs. 1 VwGG nur die für die

Voraussetzungen und die Wirkungen der Bewilligung der

Verfahrenshilfe geltenden Vorschriften, nicht aber

verfahrensrechtliche Normen des zivilgerichtlichen Verfahrens

sinngemäß anzuwenden (vgl. auch den hg. Beschluß vom

2. April 1990, Zl. 90/19/0203). Die Bestimmungen der §§ 68

Abs. 4 und 73 Abs. 2 ZPO sind aber verfahrensrechtliche Normen

und demnach vom Verwaltungsgerichtshof nicht (auch nicht

sinngemäß) anzuwenden.

Die Beschwerdefrist für die Erhebung einer Beschwerde an

den Verwaltungsgerichtshof wird im § 26 VwGG geregelt. Soweit

dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt, gilt zufolge § 62

Abs. 1 VwGG im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof das AVG

(und nicht die ZPO). Auch dieser Verweis auf das AVG vermag der

angenommenen Rechtsansicht der beschwerdeführenden Partei

(hinsichtlich einer Unterbrechungswirkung) nicht zum Erfolg zu

verhelfen, da die Gewährung von Verfahrenshilfe im AVG nicht

vorgesehen ist (vgl. auch Walter/Mayer,

Verwaltungsverfahrensrecht, 6. Auflage, Rz 673).

Der von der beschwerdeführenden Partei vertretenen

Rechtsansicht, die Beschwerdefrist beginne mit Zustellung der

Entscheidung über den vom Verfahrenshelfer gestellten Antrag

auf Entziehung der bewilligten Verfahrenshilfe, fehlt es somit

an einer gesetzlichen Grundlage. Nach der vom

Verwaltungsgerichtshof anzuwendenden Rechtslage hat ein solcher

Antrag auf Entziehung der Verfahrenshilfe auf Beginn und Lauf

der Beschwerdefrist keine Auswirkungen. Eine Hemmung oder

Unterbrechung der Beschwerdefrist aus diesem Grunde ist sowohl

dem VwGG als dem AVG fremd. In diesem Zusammenhang ist darauf

hinzuweisen, daß ein Antrag auf Entziehung der Verfahrenshilfe

durch die Beendigung des Rechtsstreites bzw.

Beschwerdeverfahrens nicht gegenstandslos wird und demnach

selbst nach erfolgter (und zufolge der gegebenen Rechtslage für

den beigegebenen Verfahrenshilfevertreter auch gebotener)

Beschwerdeerhebung meritorisch zu behandeln ist, weil die

Entziehung der Verfahrenshilfe - würde sie bewilligt werden -

die rückwirkende Beseitigung der Begünstigung (ex tunc ab

Bewilligung) bewirkt und solcherart zur Nachzahlungspflicht für

alle gestundeten Beträge und das Honorar des

Verfahrenshilfeanwalts führen würde (vgl. hierzu den

hg. Beschluß vom 11. August 1993, Zl. 92/14/0144).

Die vorliegende Beschwerde wurde unbestrittenermaßen

aufgrund der unzutreffenden Rechtsansicht des beigegebenen

Verfahrenshelfers nicht innerhalb der im Beschwerdefall

maßgebenden Frist gemäß § 26 Abs. 3 VwGG erhoben. Daß diese

Frist gewahrt sei, wird auch in der Beschwerde in

sachverhaltsmäßiger Hinsicht nicht behauptet.

Die demnach verspätet erhobene Beschwerde war daher gemäß

§ 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist ohne

weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997090318.X00

Im RIS seit

24.07.2019

Zuletzt aktualisiert am

24.07.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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