TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/28 W159 2215715-1

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Veröffentlicht am 28.05.2020
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Entscheidungsdatum

28.05.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2

Spruch

W159 2215715-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörige von Serbien, gegen Spruchpunkt VII. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.02.2019, Zahl 1208352904 / 180933877, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VII. des bekämpften Bescheides wird mit der Maßgabe stattgegeben, dass die Dauer des Einreiseverbots gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG auf zwölf Monate herabgesetzt wird.

B)

Die Revision ist gem. Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin, eine serbische Staatsangehörige, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet gemeinsam mit ihren Eltern und ihren drei Geschwistern Anträge auf internationalen Schutz.

Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens erließ das BFA den im Spruch bezeichneten Bescheid, mit dem es den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten abwies (Spruchpunkte I. und II.), einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilte (Spruchpunkt III.), eine Rückkehrentscheidung erließ (Spruchpunkt IV.), feststellte, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin zulässig sei (Spruchpunkt V.), einer gegen diese Entscheidung erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannte und aussprach, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI.). Unter Spruchpunkt VII. erließ das BFA gem. § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG gegen die Beschwerdeführerin ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot. Unter Spruchpunkt VIII. merkte das BFA an, dass der Beschwerdeführerin mittels Verfahrensanordnung aufgetragen worden sei, in einem bestimmten Quartier Unterkunft zu nehmen.

Den - ausschließlich in Beschwerde gezogenen - Spruchpunkt VII. begründete das BFA im Wesentlichen damit, dass zwar keine der Alternativen des § 53 Abs. 2 FPG erfüllt sei, die dortige Aufzählung aber demonstrativ sei. In systematischer und teleologischer Interpretation der Gesetze und insbesondere der RückführungsRL ergebe sich im Falle der Beschwerdeführerin unzweifelhaft, dass in unbegründeter und missbräuchlicher Asylantrag vorliegt und dies eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit indiziere. Missbräuchliche und ungerechtfertigte Asylanträge, insbesondere aus sicheren Herkunftsstaaten oder ohne Vorbringen von Verfolgungsgründen, würden das gesamte Asylsystem blockieren, einen Missbrauch desselben darstellen und seien jedenfalls als Gefahr für die öffentliche Ordnung zu werten. Nicht zuletzt sehe der Gesetzgeber die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung vor, um "solche Personen" so rasch als möglich außer Landes zu bringen.

Das Fehlverhalten der Beschwerdeführerin, nämlich das Stellen eines unbegründeten und missbräuchlichen Asylantrages, könne zwar unter keine der Zahlen des § 53 FPG subsumiert werden, sei jedoch geeignet, die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu gefährden und widerlaufe den Interessen des Art. 8 EMRK.

In Zeiten eines "Migrationsstroms" nach Mitteleuropa könne ein Missbrauch des Asylrechts als Einwanderungsrecht niemals nur als geringfügige Beeinträchtigung der öffentlichen Interessen gewertet werden. Hier seien nicht nur spezialpräventive, sondern auch generalpräventive Überlegungen anzustellen. Unter Verweis auf die Rechtsprechung des VwGH und VfGH stünde fest, dass ein öffentliches Interesse daran bestehe, eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß aufgrund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten dürften, verhindert werden solle.

Ein Fehlverhalten könne auch dann zur Beurteilung einer Gefährdungsprogose herangezogen werden, wenn diese nicht zu einer gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Bestrafung geführt habe.

Da die Beschwerdeführerin offensichtlich nicht bereit sei, der österreichischen Rechtsordnung Beachtung zu schenken, komme das BFA zu dem Schluss, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde. Die Beschwerdeführerin sei nicht gewillt, sich rechtskonform zu verhalten. Daher könne nur eine negative Zukunftsprognose getroffen werden. Die Beschwerdeführerin sei mehrmals belehrt worden, was sie nicht davon abgehalten habe, einen unbegründeten und rechtsmissbräuchlichen Asylantrag zu stellen.

Humanitäre Gründe, die gegen die Erlassung des Einreiseverbotes sprechen würden, hätten nicht festgestellt werden können.

Zusammenfassend hielt das BFA fest, dass die Erlassung eines Einreiseverbotes in der angegebenen Dauer gerechtfertigt und notwendig sei, um die von der Beschwerdeführerin ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern. Das Einreiseverbot sei zur Erreichung der in Art. 8 EMRK genannten Ziele dringend geboten.

Ausschließlich gegen Spruchpunkt VII. erhob die Beschwerdeführerin durch den Verein Menschenrechte Österreich eine - gemeinsam alle Familienmitglieder umfassende - Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin wurde soweit wesentlich vorgebracht, die Beschwerdeführerin sei am 07.09.2018 freiwillig ausgereist, weshalb er auf eine Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis V. (gemeint: I. bis VI.) verzichte.

Mit näherer Begründung führt die Beschwerde aus, der Antrag auf internationalen Schutz sei nicht von vornherein rechtsmissbräuchlich gewesen. Vom Beschwerdeführer gehe überhaupt keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit aus. Keiner der Beschwerdeführer sei vorbestraft und Verstöße gegen das AuslBG seien nicht erfolgt. Im konkreten Fall sei lückenhaft und inhaltlich falsch ermittelt worden.

Die Beschwerde stellt die Anträge, Spruchpunkt VII. ersatzlos aufzuheben, in eventu, dahingehend abändern, dass die Dauer des Einreiseverbotes reduziert werde, sowie in eventu, Spruchpunkt VII. zu beheben und zur neuerlichen Verhandlung an die erste Instanz zurückzuverweisen.

Festgestellt wird, dass die Beschwerdeführerin und ihre Eltern versucht haben, das BFA über das Vorliegen von Asylgründen zu täuschen und offenbar unbegründete Asylanträge in dem Ansinnen, das Einwanderungsrecht zu umgehen, gestellt haben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A:

Der mit "Einreiseverbot" überschriebene § 53 FPG lautet:

"(1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

(1a) (aufgehoben durch BGBl. I Nr. 68/2013)

(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige

1. wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, iVm § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs. 1, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;

2. wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;

3. wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt;

4. wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;

5. wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;

6. den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag;

7. bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;

8. eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt hat oder

9. an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, der Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt oder die Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat.

(3) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn

1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist;

3. ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;

4. ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;

5. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

6. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB) oder eine Person zur Begehung einer terroristischen Straftat anleitet oder angeleitet hat (§ 278f StGB);

7. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

8. ein Drittstaatsangehöriger öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Die Frist des Einreiseverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

(5) Eine gemäß Abs. 3 maßgebliche Verurteilung liegt nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. § 73 StGB gilt.

(6) Einer Verurteilung nach Abs. 3 Z 1, 2 und 5 ist eine von einem Gericht veranlasste Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gleichzuhalten, wenn die Tat unter Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes begangen wurde, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht."

Auf Grundlage des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich:

Der VwGH hat in seinem Erkenntnis vom 15.12.2011, 2011/21/0237, zur Rechtslage vor dem FPG idgF (in Kraft seit 01.01.2014) erwogen, dass bei der Festsetzung der Dauer des Einreiseverbotes nach dem FrÄG 2011 eine Einzelfallprüfung vorzunehmen (vgl. ErläutRV, 1078 BlgNR 24. GP 29 ff. und Art. 11 Abs. 2 Rückführungs-RL) sei. Dabei hat die Behörde das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen zu beurteilen und zu berücksichtigen, ob (bzw. inwieweit über die im unrechtmäßigen Aufenthalt als solchen zu erblickende Störung der öffentlichen Ordnung hinaus) der (weitere) Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Eine derartige Gefährdung ist nach der Gesetzessystematik insbesondere in den Fällen der Z 1 bis 9 des § 53 Abs. 2 FPG idF FrÄG 2011 anzunehmen. In den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 1 bis 8 FPG idF FrÄG 2011 ist das Vorliegen einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit indiziert, was dann die Verhängung eines Einreiseverbotes in der Dauer von bis zu zehn Jahren und, liegt eine bestimmte Tatsache im Sinn der Z 5 bis 8 vor, von unbefristeter Dauer ermöglicht. Dass bei Vorliegen der letztgenannten Konstellation - wie die ErläutRV formulieren - "jedenfalls" ein unbefristetes Einreiseverbot zu erlassen ist, findet im Gesetz aber keine Deckung und stünde auch zu Art. 11 Abs. 2 der Rückführungs-RL (arg.: "kann") in Widerspruch. Dagegen ist festzuhalten, dass - wie schon nach bisheriger Rechtslage (vgl. VwGH 20.11.2008, 2008/21/0603) - in Bezug auf strafgerichtliche Verurteilungen nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern immer auf das zugrundeliegende Verhalten abzustellen ist. Maßgeblich sind Art und Schwere der zugrundeliegenden Straftaten und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild; darauf kommt es bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots an.

Nach der Rechtsprechung des VwGH zum früher geltenden § 63 FPG (idF vor dem FrÄG 2011), der die Festlegung der Gültigkeitsdauer eines Aufenthaltsverbotes regelte, war ein Aufenthaltsverbot für jenen Zeitraum zu erlassen, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird, und auf unbestimmte Zeit (unbefristet), wenn ein Wegfall des Grundes für seine Verhängung nicht vorhergesehen werden kann.

§ 53 Abs. 3 FPG idgF hat im Vergleich zur Rechtslage vor dem 01.01.2014 keine inhaltliche Änderung erfahren. Daraus ist zu schließen, dass auch in Bezug auf die vom VwGH statuierten (obgenannten) Kriterien, die bei der Verhängung des Einreiseverbots und seiner Dauer zur Anwendung gelangen sollen, kein Wandel stattgefunden hat. Aus diesem Grund erachtet das Gericht diese auch nach wie vor als anwendbar.

Nach dem nunmehr geltenden § 53 Abs. 2 zweiter Satz FPG ist bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes von der Behörde das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen miteinzubeziehen und zu berücksichtigen, ob der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. In diesem Sinn sind auch die bei einem auf § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 FPG gegründeten Einreiseverbot die dort genannten Umstände als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant sind, zu berücksichtigen (VwGH 22.05.2013, 2011/18/0259).

Im zu beurteilenden Fall stützte das BFA das für eine Dauer von zwei Jahren verhängte Einreiseverbot im Spruch auf den Tatbestand des § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 - den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag - FPG. In seiner Begründung hielt das BFA allerdings fest, dass zwar kein Tatbestand des § 53 Abs. 2 erfüllt sei, die dortige Aufzählung allerdings demonstrativ ist. Das ist richtig (arg.: "insbesondere"). Die Beschwerdeführerin hat aufgrund des Umstandes, dass sie gemeinsam mit ihren Eltern offenbar das Asylrecht zur Umgehung niederlassungsrechtlicher Bestimmungen missbrauchen wollte, ein Verhalten gesetzt, welches letztlich eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch ihre Person indiziert. Die vom BFA festgesetzte Dauer des Einreiseverbotes von zwei Jahren ist allerdings nahe an der Hälfte der maximalen Dauer von fünf Jahren, die im Falle der Beschwerdeführerin verhängt hätte werden können. Da § 53 Abs. 2 FPG auch wesentlich schwerwiegendere Verstöße nennt, als sich die Beschwerdeführerin durch den "bloßen" Asylrechtsmissbrauch vorhalten lassen muss - insbesondere schwerwiegende Verwaltungsübertretungen, Übertretungen des NAG oder des AuslBG, Aufenthaltsehen etc. -, ist das Bundesverwaltungsgericht der Ansicht, dass bei der Zumessung der Dauer des Aufenthaltsverbotes im Falle der Beschwerdeführerin eine Orientierung im unteren Bereich geboten ist. Daher erweist sich allerdings die vom BFA verhängte Dauer des Einreiseverbotes mit zwei Jahren als nicht angemessen. Dies insbesondere auch aufgrund der Tatsache, dass die Beschwerdeführerin strafrechtlich unbescholten ist. Es konnte daher mit einer Befristung von zwölf Monaten das Auslangen gefunden werden.

Im Hinblick darauf und unter Berücksichtigung der sonstigen persönlichen Umstände der Beschwerdeführerin war die Dauer des Einreiseverbots daher in angemessener Weise herabzusetzen und der Beschwerde insoweit stattzugeben.

Entfall der mündlichen Verhandlung:

Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Verhandlung gem. § 21 Abs. 7 BFA-VG, wonach eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht, sind im gegenständlichen Fall erfüllt, zumal in den entscheidungswesentlichen Punkten die Beschwerde dem angefochtenen Bescheid nicht ausreichend substantiiert entgegen trat, und die Entscheidungsgrundlagen unzweifelhaft vorlagen (vgl. VwGH 17.11.2016, Ra 2016/21/0316; 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018; 22.11.2006, 2005/20/0406 uva.).

Zu B - Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gem. Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenso wenig liegen sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist daher gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Schlagworte

Dauer Einreiseverbot Gefährdung der Sicherheit Herabsetzung Mittellosigkeit Teilstattgebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W159.2215715.1.00

Im RIS seit

25.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

25.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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