Entscheidungsdatum
02.06.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W167 2001886-2/16E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Daria MACA-DAASE als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl Regionaldirektion Niederösterreich (BFA) vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A)
1. Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG stattgegeben. Die Spruchpunkte I., III., IV., V. und VI. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.
2. In Erledigung der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird dem Antrag vom XXXX auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 stattgegeben und die befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter um zwei Jahre verlängert.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein männlicher Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Mit Bescheid vom XXXX (im Folgenden: Zuerkennungsbescheid) wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: "belangte Behörde") den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status eine Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.). Hingegen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt (Spruchpunkt II.) und gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum XXXX erteilt (Spruchpunkt III.).
In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Eine asylrelevante Verfolgung liege nicht vor, da es sich beim behaupteten Fluchtgrund um eine private Auseinandersetzung gehandelt habe, deren Ursache auch nicht im Zusammenhang mit einem der in der GFK abschließend angeführten Verfolgungsgründe stehe. Begründend zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer im Iran geboren und aufgewachsen sei und in Afghanistan über keinerlei soziale oder familiäre Netzwerke verfüge. Er wäre im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan vorerst vollkommen auf sich alleine gestellt und jedenfalls gezwungen, nach einem Wohnraum zu suchen, ohne jedoch über ausreichende Kenntnisse der örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten zu verfügen. Die belangte Behörde ging davon aus, dass nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden könne, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr einer realen Gefahr im Sinne des Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre.
3. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde. Mit Erkenntnis vom XXXX wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet ab.
4. In der Folge wurde die befristete Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers mit Bescheid der belangten Behörde vom XXXX (im Folgenden: Verlängerungsbescheid) bis zum XXXX verlängert, da die Voraussetzungen für die Verlängerung nach Ansicht der belangten Behörde vorlagen.
5. Am XXXX beantragte der Beschwerdeführer neuerlich die Verlängerung seiner befristeten Aufenthaltsberechtigung.
6. Am XXXX fand eine niederschriftliche Einvernahme vor der belangten Behörde betreffend die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten statt.
7. Mit dem angefochtenen Bescheid vom XXXX (im Folgenden: angefochtener Bescheid) erkannte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer den Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 von Amts wegen ab (Spruchpunkt I.). Der Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung wurde gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II). Dem Beschwerdeführer wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).
Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten begründete die belangte Behörde im Wesentlichen damit, dass sich die subjektive Lage des Beschwerdeführers im Vergleich zum seinerzeitigen Entscheidungszeitpunkt geändert habe. Dem Beschwerdeführer sei der Status des subsidiär Schutzberechtigten lediglich deshalb zuerkannt worden, weil er damals minderjährig war und darüber hinaus über keine familiären Anknüpfungspunkte in seinem Herkunftsland verfügt haben wollte. Seine subjektive Lage habe sich jedoch dahingehend geändert, indem ihm nunmehr eine innerstaatliche Fluchtalternative mit Kabul zur Verfügung stehe. Zudem habe der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen können, dass er im Herkunftsstaat über keine familiären bzw. sozialen Anknüpfungspunkte verfüge. Darüber hinaus könne der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr finanzielle Unterstützung von seinen im Iran aufhältigen Familienangehörigen erwarten.
8. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde. Darin führte er im Wesentlichen aus, dass sich die Lage in Afghanistan sowie auch in Kabul nicht gebessert habe, sondern diese gefährlicher und auswegloser geworden sei. Hinsichtlich seiner fehlenden familiären oder sozialen Anknüpfungspunkte in Afghanistan habe der Beschwerdeführer immer kohärente und nachvollziehbare Angaben gemacht. Auch zwischen dem Alter des Beschwerdeführers bei der letzten Erteilung der Verlängerung und der mittlerweile erreichten Volljährigkeit sei kein relevanter Unterschied zu sehen. Der Beschwerdeführer beherrsche zudem schon sehr gut die deutsche Sprache und habe sich in Österreich integriert. Im Falle der Rückkehr nach Afghanistan wäre er einem realen Risiko im Sinne des Art. 3 EMRK ausgesetzt.
9. Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor.
10. Das Bundesverwaltungsgericht führte am XXXX und am XXXX eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch. Der Beschwerdeführer wurde im Beisein seines Vertreters und eines Dolmetschers für die Sprache Dari befragt. Die belangte Behörde nahm an beiden Verhandlungstagen durch einen Vertreter teil.
11. Im Rahmen des Parteiengehörs vom XXXX wurde dem Beschwerdeführer sowie der belangten Behörde die aktuelle Fassung des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation Afghanistan vom 13.11.2019 übermittelt.
12. Mit Schreiben vom XXXX langte eine Stellungnahme der belangten Behörde ein, wonach keine dergestaltige Änderung der Lage erkannt werde, sodass nunmehr eine Rückkehr für volljährige, gesunde, arbeitsfähige Afghanen in die Großstädte Kabul/Mazar-e Sharif/Herat auszuschließen wäre. Es werde daher erneut der Antrag gestellt, die Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I-III als unbegründet abzuweisen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten durch die belangte Behörde stützte sich auf folgende Feststellungen zur Person sowie zur Rückkehrsituation des Beschwerdeführers:
Die belangte Behörde stellte insbesondere fest, dass der damals minderjährige im Iran geborene und aufgewachsene junge und gesunde Beschwerdeführer der Volksgruppe der Hazara und dem muslimisch-schiitischen Glauben angehört, im Iran fünf Jahre ein Grundschule besucht und nie in seiner Heimat gearbeitet hat, einen Monat lag in Kabul lebte, XXXX seine Cousine mit Familie im Iran lebt und er keinerlei soziale Anknüpfungspunkte in Afghanistan hat. (Zuerkennungsbescheid S. 10 f.)
"Es konnte festgestellt werden, dass Ihnen im Heimatland die Lebensgrundlage gänzlich entzogen wäre, zumal sie über keinerlei soziale oder familiäre Netzwerke in Afghanistan verfügen, XXXX . Auch Ihre Cousine lebt mittlerweile im Iran." (Zuerkennungsbescheid, Seite 12)
"Die soziale Absicherung liegt traditionell bei den Familien und Stammesverbänden. Afghanen, die außerhalb des Familienverbandes oder nach einer langjährigen Abwesenheit im Ausland zurückkehren, stoßen auf große Schwierigkeiten, da ihnen das notwendige soziale und familiäre Netzwerk sowie die erforderlichen Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlen. Es muss aber berücksichtigt werden, dass keiner Ihrer Familienangehörigen mehr in Afghanistan lebt. Da sie in Afghanistan über keinerlei soziale oder familiäre Netzwerke verfügen, wären sie im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan vorerst vollkommen auf sich alleine gestellt und jedenfalls gezwungen, nach einem Wohnraum zu suchen, ohne jedoch über ausreichende Kenntnisse der örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten in Afghanistan zu verfügen. Wie aus den Länderfeststellungen ersichtlich, ist die Versorgung mit Wohnraum und Nahrungsmittel insbesondere für alleinstehende Rückkehrer ohne jeglichen familiären Rückhalt fast nicht möglich, zudem auch keine diesbezügliche staatliche Unterstützung zu erwarten ist. In Ihrem Fall ging die Behörde davon aus, dass nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass Sie im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan einer realen Gefahr im Sinne des Art. 3 EMRK ausgesetzt wären." (Zuerkennungsbescheid, Seite 29)
1.2. Die belangte Behörde verlängerte die befristete Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers als dieser XXXX Jahre alt war.
1.3. Am XXXX beantragte der Beschwerdeführer die neuerliche Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung.
1.4. Im angefochtenen Bescheid begründete die belangte Behörde die amtswegige Aberkennung gemäß § 9 Absatz 1 Ziffer 1 AsylG 2005 wie folgt:
In Bezug auf den Beschwerdeführer ging die belangte Behörde - anders als Zuerkennungsbescheid - davon aus, dass der Beschwerdeführer über familiäre/soziale Anknüpfungspunkte in Afghanistan verfüge (angefochtener Bescheid S. 9).
"Die Gründe für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten liegen nicht mehr vor. Ihre subjektive Lage hat sich im Vergleich zum seinerzeitigen Entscheidungszeitpunkt, als Ihnen subsidiärer Schutz gewährt wurde, geändert. Eine aktuelle bzw. individuelle Furcht vor Verfolgung in Afghanistan brachten Sie nicht vor. In Ihrem Fall besteht eine taugliche innerstaatliche Fluchtalternative. Sie können Ihren Lebensunterhalt in Kabul bestreiten und würden ebendort Arbeitsmöglichkeiten vorfinden." (angefochtener Bescheid S. 9 f.)
In der rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde diesbezüglich insbesondere aus, dass die Gründe für die Zuerkennung es Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen. Aus der allgemeinen Lage im Heimatland des Beschwerdeführers allein ergebe sich keine Gefährdungslage im Sinne § 8 AsylG und nahm eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul an. Der Beschwerdeführer habe seine Familienverhältnisse, insbesondere im Zusammenhang mit der angeblich nicht existierenden Verwandtschaft in Afghanistan nicht glaubhaft machen können. Von den Verwandten im Iran könne er im Falle einer Rückkehr (zumindest) finanzielle Unterstützung erwarten, zumal der Geldtransfers zwischen Iran und Afghanistan möglich sei. Zudem sei davon auszugehen, dass er auch durch seien Volksgruppe geschützt und unterstützt werden könne. (angefochtener Bescheid S. 69 ff.)
1.5. Der Beschwerdeführer war und ist ledig, kinderlos, jung, gesund und arbeitsfähig. Er hat in Österreich die Pflichtschulabschlussprüfung und eine Deutschprüfung (Niveau B2) bestanden und arbeitet seit XXXX in Vollzeit. Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.6. Der Beschwerdeführer verfügte weder zur Zeit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes, noch zur Zeit der Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung, noch zur Zeit der Aberkennung über ein tragfähiges familiäres oder soziales Netz in Afghanistan. Dies hat sich auch im gegenständlichen Beschwerdeverfahren nicht geändert.
Unter Berücksichtigung der individuellen Situation des Beschwerdeführers und der Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan (einschließlich der urbanen Gebiete, insbesondere Kabul, Mazar-e Sharif und Herat-Stadt) wird daher festgestellt, dass sich die Umstände, die zur Gewährung des subsidiären Schutzes geführt haben, seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten durch die belangte Behörde sowie seit der Verlängerung nicht wesentlich und nachhaltig verändert bzw. verbessert haben.
1.7. Zur aktuellen Situation in Afghanistan:
Die Länderfeststellungen zur Lage in Afghanistan basieren auf nachstehenden Quellen: Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan in der Fassung der Gesamtaktualisierung vom 13.11.2019 (LIB), UNHCR Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 (UNHCR) und EASO Country Guidance: Afghanistan vom Juni 2019 (EASO):
Allgemeine Sicherheitslage
Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind. Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern leben ca. 32 Millionen Menschen (LIB, Kapitel 2).
Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen anderen gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren (LIB, Kapitel 3). Die Hauptlast einer unsicheren Sicherheitslage in der jeweiligen Region trägt die Zivilbevölkerung (UNHCR, Kapitel II. B).
In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv, welche eine Bedrohung für die gesamte regionale Sicherheit und Stabilität in Afghanistan darstellen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und Angriffen auf staatliche Einrichtungen und gegen Gläubige und Kultstätten bzw. religiöse Minderheiten aus (LIB, Kapitel 3).
Allgemeine Wirtschaftslage
Afghanistan ist nach wie vor eines der ärmsten Länder der Welt und stark von internationalen Hilfsgeldern abhängig. Dabei bleibt das Gefälle zwischen urbanen Zentren und ländlichen Gebieten Afghanistans eklatant. Lebensgrundlage für rund 80% der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (LIB, Kapitel 21).
Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist angespannt und die Arbeitslosigkeit ist hoch. Persönliche Kontakte, Empfehlungen sowie ein Netzwerk sind wichtig um einen Job zu finden. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen. Fähigkeiten, die sich Rückkehrer im Ausland angeeignet haben, können eine wichtige Rolle bei der Arbeitsplatzsuche spielen. Der afghanische Arbeitsmarkt ist durch eine starke Dominanz des Agrarsektors, eine Unterrepräsentation von Frauen und relativ wenigen Möglichkeiten für junge Menschen gekennzeichnet. Ebenso korreliert ein Mangel an Bildung mit Armut, wobei ein niedriges Bildungsniveau und Analphabetismus immer noch weit verbreitet sind. In Afghanistan existiert keine finanzielle oder sonstige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit (LIB, Kapitel 21).
In den Jahren 2016-2017 lebten 54,5% der Bevölkerung unterhalb der nationalen Armutsgrenze. Immer mehr Menschen greifen auf negative Bewältigungsmechanismen wie Kleinkriminalität, Kinderehen, Kinderarbeit und Betteln zurück, von denen insbesondere Binnenvertriebene betroffen sind. Der Zugang zu einer produktiven oder entgeltlichen Beschäftigung ist begrenzt, 80% der Beschäftigung gelten als anfällig und unsicher in Form von Selbst- oder Eigenbeschäftigung, Tagarbeit oder unbezahlter Arbeit. Der saisonale Effekt ist erheblich. Die Arbeitslosenquote ist in den Frühlings- und Sommermonaten relativ niedrig (rund 20%), während sie im Winter 32,5% erreichen kann (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
In Afghanistan gibt es neben der Zentralbank auch mehrere kommerzielle Banken. Es ist mittlerweile auch relativ einfach, in Afghanistan ein Bankkonto zu eröffnen. Geld kann auch über das Hawala System (Form des Geldtausches) transferiert werden. Dieses System funktioniert schnell, zuverlässig und günstig. Spezielle Dokumente sind nicht notwendig und der Geldtransfer ist weltweit möglich und wird von verschiedenen Bevölkerungsschichten verwendet (LIB, Kapitel 21).
Im Zeitraum von 2016 bis 2017 waren 44,6% der afghanischen Bevölkerung sehr stark bis mäßig von Lebensmittelunsicherheit betroffen. In allen Wohnbevölkerungsgruppen war seit 2011 ein Anstieg festzustellen, wobei der höchste Anstieg in den ländlichen Gebieten zu verzeichnen war (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
Afghanistans jährliche Wachstumsrate der städtischen Bevölkerung gehört zu den höchsten der Welt. Kabul war das Zentrum des Wachstums, und der Rest der städtischen Bevölkerung konzentriert sich hauptsächlich auf vier andere Stadtregionen: Herat, Mazar-e Sharif, Kandahar und Jalalabad. Die große Mehrheit (72%, basierend auf ALCS-Zahlen für 2016-2017) der afghanischen Stadtbevölkerung lebt in Slums oder in ungenügenden Wohnungen. 86% der städtischen Häuser in Afghanistan können (gemäß der Definition von UN-Habitat) als Slums eingestuft werden. Der Zugang zu angemessenem Wohnraum stellt für die Mehrheit der Afghanen in den Städten eine große Herausforderung dar (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
In den Städten besteht grundsätzlich die Möglichkeit sicheren Wohnraum zu mieten. Darüber hinaus bieten die Städte die Möglichkeit von "Teehäusern", die mit 30 Afghani (das sind ca. ? 0,35) bis 100 Afghani (das sind ca. ? 1,20) pro Nacht relativ günstig sind. "Teehäuser" werden von Reisenden, Tagesarbeitern, Straßenhändlern, jungen Menschen, alleinstehenden Männern und anderen Personen, die in der Gegend keine ständige Unterkunft haben, als vorübergehende Unterkunft genutzt (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
Der Zugang zu sauberem Trinkwasser sowie angemessenen sanitären Einrichtungen hat sich in den letzten Jahren erheblich verbessert. Der Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen, wie Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, war in den Städten im Allgemeinen besser als auf dem Land. Der Zugang zu Trinkwasser ist für viele Afghanen jedoch nach wie vor ein Problem, und die sanitären Einrichtungen sind weiterhin schlecht (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
Kabul-Stadt:
Die Provinz Kabul liegt im Zentrum Afghanistans. Kabul-Stadt ist die Hauptstadt Afghanistans und auch ein Distrikt in der Provinz Kabul. Die Stadt Kabul ist die bevölkerungsreichste Stadt Afghanistans, sie hat geschätzt 5.029.850 Einwohner wobei die Bevölkerungszahl umstritten ist. Die Bevölkerung besteht aus Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus. Kabul ist Zielort für verschiedene ethnische, sprachliche und religiöse Gruppen, und jede von ihnen hat sich an bestimmten Orten angesiedelt. Die Stadt Kabul ist über Hauptstraßen mit den anderen Provinzen des Landes verbunden und verfügt über einen internationalen Flughafen (LIB Kapitel 3.1).
Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul. Nichtsdestotrotz, führten Aufständische, Taliban und andere militante Gruppierungen, im gesamten Jahr 2018, als auch in den ersten fünf Monaten 2019, insbesondere in der Hauptstadtregion weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele durch, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen. Die Hauptursache für zivile Opfer in der Provinz Kabul (596 Tote und 1.270 Verletzte im Jahr 2018) waren Selbstmord- und komplexe Angriffe, gefolgt von improvisierten Sprengkörpern (improvised explosive devices, IEDs) und gezielten Tötungen (LIB, Kapitel 3.1).
Kabul (inklusive Kabul-Stadt) zählt zu jenen Provinzen, in denen es zu willkürlicher Gewalt kommt, jedoch nicht auf hohem Niveau. Dementsprechend ist ein höheres Maß an individuellen Risikofaktoren erforderlich, um wesentliche Gründe für die Annahme aufzuzeigen, dass ein in dieses Gebiet zurückgekehrter Zivilist einem realen ernsthaften Risiko ausgesetzt wäre, Schaden im Sinne von Artikel 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie zu nehmen (EASO, Kapitel Guidance note: Afghanistan, III.3).
In Kabul leben 70.000 bis 80.000 Binnenvertriebene (LIB, Kapitel 3.1).
Afghanistans jährliche Wachstumsrate der städtischen Bevölkerung gehört zu den höchsten der Welt. Kabul war in den letzten Jahren das Zentrum dieses Wachstums. Schätzungsweise 70% der Bevölkerung Kabuls lebt in informellen Siedlungen (Slums), welche den meisten Einwohnern der Stadt preiswerte Wohnmöglichkeiten bieten. (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
Kabul ist das wichtigste Handels- und Beschäftigungszentrum Afghanistans und hat ein größeres Einzugsgebiet in den Provinzen Parwan, Logar und Wardak. Es gibt eine dynamischere Wirtschaft mit einem geringeren Anteil an Arbeitssuchenden, Selbständigen und Familienarbeitern. Menschen aus kleinen Dörfern pendeln täglich oder wöchentlich nach Kabul, um landwirtschaftliche Produkte zu handeln oder als Wachen, Hausangestellte oder Lohnarbeiter zu arbeiten. Die besten (Arbeits-)Möglichkeiten für Junge existieren in Kabul. (LIB, Kapitel 21). Die Gehälter in Kabul sind in der Regel höher als in anderen Provinzen (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
Das Hunger-Frühwarnsystem (FEWS) stufte Kabul im Dezember 2018 als "gestresst" ein, was bedeutet, dass Haushalte nur einen gerade noch angemessenen Lebensmittelverbrauch aufweisen und nicht in der Lage seien sich wesentliche, nicht nahrungsbezogenen Güter zu leisten, ohne irreversible Bewältigungsstrategien anzuwenden (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
Schätzungen zufolge haben 32% der Bevölkerung Kabuls Zugang zu fließendem Wasser, und nur 10% der Einwohner erhalten Trinkwasser. Diejenigen, die es sich leisten können, bohren ihre eigenen Brunnen. Viele arme Einwohner von Kabul sind auf öffentliche Zapfstellen angewiesen, die oft weit von ihren Häusern entfernt sind. Der Großteil der gemeinsamen Wasserstellen und Brunnen in der Hauptstadt ist durch häusliches und industrielles Abwasser verseucht, das in den Kabul-Fluss eingeleitet wird, was ernste gesundheitliche Bedenken aufwirft. Fast die Hälfte der Bevölkerung in Kabul verfügt über sanitäre Grundversorgung (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
In der Stadt Kabul besteht Zugang zu öffentlichen und privaten Gesundheitsdiensten. Nach verschiedenen Quellen gibt es in Kabul ein oder zwei öffentliche psychiatrische Kliniken (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
Mazar-e Sharif/ Herat Stadt
Mazar-e Sharif ist die Provinzhauptstadt von Balkh, einer ethnisch vielfältigen Provinz, welche von Paschtunen, Usbeken, Hazara, Tadschiken, Turkmenen, Aimaq, Belutschen, Arabern und sunnitischen Hazara (Kawshi) bewohnt wird. Sie hat 469.247 Einwohner und steht unter Kontrolle der afghanischen Regierung (LIB, Kapitel 3.5).
Das Niveau an willkürlicher Gewalt ist in der Stadt Mazar-e Sharif so gering, dass für Zivilisten an sich nicht die Gefahr besteht, von erheblichen Eingriffen in die psychische oder physische Unversehrtheit betroffen zu sein (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, III).
Mazar-e Sharif ist über die Autobahn sowie über einen Flughafen (mit nationalen und internationalen Anbindungen) legal zu erreichen (LIB, Kapitel 21). Der Flughafen von Mazar-e Sharif (MRZ) liegt 9 km östlich der Stadt im Bezirk Marmul. Die Befahrung der Straßen von diesem Flughafen bis zur Stadt Mazar-e Sharif ist zur Tageszeit im Allgemeinen sicher (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
Mazar-e Sharif ist ein Import-/Exportdrehkreuz, ein regionales Handelszentrum sowie ein Industriezentrum mit großen Fertigungsbetrieben und einer Vielzahl von kleinen und mittleren Unternehmen (LIB, Kapitel 21). Mazar-e Sharif gilt im Vergleich zu Herat oder Kabul als wirtschaftlich relativ stabiler. Die größte Gruppe von Arbeitern in der Stadt Mazar-e Sharif sind im Dienstleistungsbereich und als Verkäufer tätig (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
Die Unterkunftssituation stellt sich in Mazar-e Sharif, wie in den anderen Städten Afghanistans auch, für Rückkehrer und Binnenflüchtlinge als schwierig dar. Viele Menschen der städtischen Population lebt in Slums oder nichtadäquaten Unterkünften. In Mazar-e Sharif besteht grundsätzlich die Möglichkeit, sicheren Wohnraum, wie beispielsweise in Teehäusern, zu mieten. (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
Die meisten Menschen in Mazar-e Sharif haben Zugang zu erschlossener Wasserversorgung (76%), welche in der Regel in Rohrleitungen oder aus Brunnen erfolgt. 92% der Haushalte haben Zugang zu besseren Sanitäreinrichtungen (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
In der Stadt Mazar-e Sharif gibt es 10 - 15 - teils öffentliche, teils private - Krankenhäuser. In Mazar-e Sharif existieren mehr private als öffentliche Krankenhäuser. Private Krankenhäuser sind sehr teuer, jede Nacht ist kostenpflichtig. Zusätzlich existieren etwa 30-50 medizinische Gesundheitskliniken die zu 80% öffentlich finanziert sind (LIB, Kapitel 22).
Herat-Stadt ist die Provinzhauptstadt der Provinz Herat. Umfangreiche Migrationsströme haben die ethnische Zusammensetzung der Stadt verändert, der Anteil an schiitischen Hazara ist seit 2001 durch Iran-Rückkehrer und Binnenvertriebene besonders gestiegen. Sie hat 556.205 Einwohner (LIB, Kapitel 3.13).
Herat ist durch die Ring-Road sowie durch einen Flughafen mit nationalen und internationalen Anbindungen sicher und legal erreichbar (LIB, Kapitel 3.13). Der Flughafen Herat (HEA) liegt 13 km südlich der Stadt im Distrikt Gozara. Die Straße, welche die Stadt mit dem Flughafen verbindet wird laufend von Sicherheitskräften kontrolliert. Unabhängig davon gab es in den letzten Jahren Berichte von Aktivitäten von kriminellen Netzwerken, welche oft auch mit Aufständischen in Verbindung stehen (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
Herat gehört zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen Afghanistans, jedoch sind Taliban-Kämpfer in einigen abgelegenen Distrikten aktiv und versuchen oft terroristische Aktivitäten auszuüben. Je mehr man sich von Herat-Stadt (die als "sehr sicher" gilt) und den angrenzenden Distrikten Richtung Norden, Westen und Süden entfernt, desto größer wird der Einfluss der Taliban. Das Niveau an willkürlicher Gewalt ist in der Stadt Herat so gering, dass für Zivilisten an sich nicht die Gefahr besteht von erheblichen Eingriffen in die psychische oder physische Unversehrtheit betroffen zu sein (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, III).
Im Vergleich mit anderen Teilen des Landes weist Herat wirtschaftlich und sicherheitstechnisch relativ gute Bedingungen auf. Es gibt Arbeitsmöglichkeiten im Handel, darunter den Import und Export von Waren mit dem benachbarten Iran, wie auch im Bergbau und Produktion. Die Industrie der kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMUs) ist insbesondere im Handwerksbereich und in der Seiden- und Teppichproduktion gut entwickelt und beschäftigt Tagelöhner sowie kleine Unternehmer (LIB, Kapitel 21).
Die Unterkunftssituation stellt sich in Herat, wie in den anderen Städten Afghanistans auch, für Rückkehrer und Binnenflüchtlinge als schwierig dar. Viele Menschen der städtischen Population lebt in Slums oder nichtadäquaten Unterkünften. In Herat besteht grundsätzlich die Möglichkeit, sicheren Wohnraum, wie beispielsweise in Teehäusern, zu mieten (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
Die meisten Menschen in Herat haben Zugang zu Elektrizität (80 %), zu erschlossener Wasserversorgung (70%) und zu Abwasseranlagen (30%). 92,1 % der Haushalte haben Zugang zu besseren Sanitäreinrichtungen und 81,22 % zu besseren Wasserversorgungsanlagen (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
Situation für Rückkehrer/innen
Soziale, ethnische und familiäre Netzwerke sind für einen Rückkehrer unentbehrlich. Der Großteil der nach Afghanistan zurückkehrenden Personen verfügt über ein familiäres Netzwerk, auf das in der Regel zurückgegriffen wird. Wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage, den ohnehin großen Familienverbänden und individuellen Faktoren ist diese Unterstützung jedoch meistens nur temporär und nicht immer gesichert. Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z.B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen beruflichen Netzwerken sowie politische Netzwerke usw. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer dar. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB, Kapitel 23).
Rückkehrer aus dem Iran und aus Pakistan, die oft über Jahrzehnte in den Nachbarländern gelebt haben und zum Teil dort geboren wurden, sind in der Regel als solche erkennbar. Offensichtlich sind sprachliche Barrieren, von denen vor allem Rückkehrer aus dem Iran betroffen sind, weil sie Farsi (die iranische Landessprache) oder Dari (die afghanische Landessprache) mit iranischem Akzent sprechen. Es gibt jedoch nicht viele Fälle von Diskriminierung afghanischer Rückkehrer aus dem Iran und Pakistan aufgrund ihres Status als Rückkehrer. Fast ein Viertel der afghanischen Bevölkerung besteht aus Rückkehrern. Diskriminierung beruht in Afghanistan großteils auf ethnischen und religiösen Faktoren sowie auf dem Konflikt (LIB, Kapitel 23).
Rückkehrer aus Europa oder dem westlichen Ausland werden von der afghanischen Gesellschaft häufig misstrauisch wahrgenommen. Es sind jedoch keine Fälle bekannt, in denen Rückkehrer nachweislich aufgrund ihres Aufenthalts in Europa Opfer von Gewalttaten wurden. Wenn ein Rückkehrer mit im Ausland erlangten Fähigkeiten und Kenntnissen zurückkommt, stehen ihm mehr Arbeitsmöglichkeiten zur Verfügung als den übrigen Afghanen, was bei der hohen Arbeitslosigkeit zu Spannungen innerhalb der Gemeinschaft führen kann (LIB, Kapitel 23).
Der Mangel an Arbeitsplätzen stellt für den Großteil der Rückkehrer die größte Schwierigkeit dar. Der Zugang zum Arbeitsmarkt hängt maßgeblich von lokalen Netzwerken ab. Die afghanische Regierung kooperiert mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Für Afghanen, die im Iran geboren oder aufgewachsen sind und keine Familie in Afghanistan haben, ist die Situation problematisch (LIB, Kapitel 23).
Viele Rückkehrer leben in informellen Siedlungen, selbstgebauten Unterkünften oder gemieteten Wohnungen. Die meisten Rückkehrer im Osten des Landes leben in überbelegten Unterkünften und sind von fehlenden Möglichkeiten zum Bestreiten des Lebensunterhaltes betroffen (LIB, Kapitel 23).
Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, können verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Rückkehrer erhalten Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) (LIB, Kapitel 23).
Für Rückkehrer leisten UNHCR und IOM in der ersten Zeit in Afghanistan Unterstützung. Bei der Anschlussunterstützung ist die Transition von humanitärer Hilfe hin zu Entwicklungszusammenarbeit nicht immer lückenlos. Es gibt keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer. Der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer aus Europa kehrt direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Es befinden sich viele Rückkehrer in Gebieten, die für Hilfsorganisationen aufgrund der Sicherheitslage nicht erreichbar sind (LIB, Kapitel 23).
Die "Reception Assistance" umfasst sofortige Unterstützung oder Hilfe bei der Ankunft am Flughafen: IOM trifft die freiwilligen Rückkehrer vor der Einwanderungslinie bzw. im internationalen Bereich des Flughafens, begleitet sie zum Einwanderungsschalter und unterstützt bei den Formalitäten, der Gepäckabholung, der Zollabfertigung, usw. Darüber hinaus arrangiert IOM den Weitertransport zum Endziel der Rückkehrer innerhalb des Herkunftslandes und bietet auch grundlegende medizinische Unterstützung am Flughafen an. 1.279 Rückkehrer erhielten Unterstützung bei der Weiterreise in ihre Heimatprovinz. Für die Provinzen, die über einen Flughafen und Flugverbindungen verfügen, werden Flüge zur Verfügung gestellt. Der Rückkehrer erhält ein Flugticket und Unterstützung bezüglich des Flughafen-Transfers. Der Transport nach Herat findet in der Regel auf dem Luftweg statt (LIB, Kapitel 23).
Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB, Kapitel 23).
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen wurden auf Grundlage des übermittelten Verwaltungsaktes, insbesondere dem Bescheid der Zuerkennung des Status des subsidiäre Schutzberechtigten sowie des Verlängerungsbescheides sowie der Befragung vor der belangten Behörde im Aberkennungsverfahren, des angefochtenen Bescheides, der rechtzeitigen und zulässigen Beschwerde dagegen, der mündlichen Verhandlungen vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie aller im Verwaltungs- und Gerichtsakt einliegenden Schriftstücke bzw. Nachweise getroffen.
2.2. Die Feststellungen zum bisherigen Verfahrensgang ergeben sich zweifelsfrei aus dem vorliegenden Akteninhalt. Hinsichtlich der wiedergegebenen Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers ist auch im Beschwerdeverfahren nichts Gegenteiliges hervorgekommen (zur Frage der familiären/sozialen Anknüpfungspunkte siehe unten). Die Gründe, aus denen die belangte Behörde dem Beschwerdeführer den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt hat, ergeben sich zweifelsfrei aus dem aktenkundigen Zuerkennungsbescheid, die Gründe für die Aberkennung ergeben sich zweifelsfrei aus dem angefochtenen Bescheid.
2.3. Die Feststellungen zum Beschwerdeführer und seinem Leben in Österreich ergeben sich aus seinen gleichbleibenden Angaben, den Feststellungen in den Bescheiden der belangten Behörde und aus den in der Verhandlung vorgelegten Unterlagen.
2.4. Die Feststellungen zu den individuellen Verhältnissen des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat beruhen auf seinen diesbezüglich gleichbleibenden und glaubwürdigen Angaben im Asylverfahren. Insbesondere die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan keine Verwandten hat bzw. keinen Kontakt mehr zu seinen Verwandten hat, ergibt sich aus den diesbezüglich gleichbleibenden Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren (siehe Wiedergabe der Befragungen bei der belangten Behörde im Zuerkennungsbescheid S. 6 und im angefochtenen Bescheid S. 3 f. sowie in der mündlichen Verhandlung OZ 11, S. 4).
Laut den im nunmehr angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen verfügt der Beschwerdeführer über familiäre/soziale Anknüpfungspunkte in Afghanistan. Begründet wird dies damit, dass die vom Beschwerdeführer gemachten Angaben im Rahmen der Einvernahme im Aberkennungsverfahren nach Ansicht der belangten Behörde nicht glaubhaft wären. Insbesondere sei unplausibel, dass der Beschwerdeführer seine Eltern nicht nach deren Geschwistern gefragt habe. Unglaubwürdig wäre zudem, dass der Beschwerdeführer von seiner Cousine vom Tod seines Vaters informiert worden sei, diese jedoch keine näheren Angaben zu den Umständen des Todes machen wollte. Die belangte Behörde ging daher davon aus, dass der Beschwerdeführer mit allen Mitteln versucht habe, seinen verwandtschaftlichen Hintergrund zu verschleiern und jegliche Anknüpfungspunkte in Afghanistan zu verheimlichen.
Dazu ist auszuführen, dass bereits im Zuerkennungsbescheid die Feststellung getroffen wurde, dass der Beschwerdeführer über keinerlei soziale oder familiäre Netzwerke in Afghanistan verfügt, XXXX und auch seine Cousine mittlerweile im Iran leben würde. Auch im Verlängerungsbescheid wurden diesbezüglich keine Zweifel geäußert. Weshalb die belangte Behörde nunmehr im angefochtenen Bescheid davon ausgeht, dass die Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich der nicht vorhandenen familiären Anknüpfungspunkte unplausibel und glaubwürdig wären, ist nicht nachvollziehbar. Der bloße Verdacht, dass der Beschwerdeführer etwaige familiäre Anknüpfungspunkte zu verschleiern versucht, reicht jedenfalls nicht aus, um eine wesentliche und nachhaltige Änderung der subjektiven Lage des Beschwerdeführers anzunehmen. Auch das Vorhandensein von Angehörigen der gleichen Religions- bzw. Volksgruppe in den Städten Afghanistans reicht im Beschwerdefall nicht aus, um davon zu sprechen, dass nunmehr ein soziales Netzwerk besteht, welches den Beschwerdeführer bei Wiederansiedelung in Afghanistan unterstützen wird, da dieser Umstand bereits bei der Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. im Zeitpunkt des Verlängerungsbescheides gegeben war und somit diesbezüglich keine Änderung eingetreten ist.
Es war daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat nach wie vor über kein tragfähiges familiäres oder soziales Netzwerk verfügt.
In diesem Zusammenhang wird festgehalten, dass auch nicht von einer finanziellen Unterstützungsfähigkeit des Beschwerdeführers durch seine im Iran aufhältige Cousine auszugehen ist, zumal über die wirtschaftliche Lage der Cousine bereits bei der belangten Behörde keine Informationen vorlagen und derzeit glaubwürdig kein Kontakt mehr zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Cousine besteht.
2.5. Im angefochtenen Bescheid wurde - ohne dass dazu Feststellungen getroffen wurden (angefochtener Bescheid S. 9 f.) - auch auf Berufserfahrung des Beschwerdeführers verwiesen (angefochtener Bescheid S. 74). Hierzu wird festgehalten, dass der Zuerkennungsbeschied explizit festhält, dass der Beschwerdeführer fünf Jahre eine Grundschule im Iran besucht hat und in seiner Heimat nie einer Arbeit nachging (Zuerkennungsbescheid S. 11). Im übermittelten Verwaltungsakt finden sich zudem keine Hinweise auf Berufserfahrung des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides.
2.6. Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde im angefochtenen Bescheid neben dem Vorhandensein von familiären Anknüpfungspunkten damit begründet, dass der Beschwerdeführer zum Entscheidungszeitpunkt des Zuerkennungsbescheids minderjährig war und nunmehr volljährig ist (angefochtener Bescheid S. 67 und 73). Dem ist entgegenzuhalten, dass sich aus dem Zuerkennungsbescheid in keinster Weise ergibt, dass die Minderjährigkeit des Beschwerdeführers ein entscheidungswesentliches Element für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten war. Vielmehr wurde die Entscheidung mit den fehlenden sozialen oder familiären Netzwerken sowie der fehlenden Kenntnisse der örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten in Afghanistan begründet (Zuerkennungsbescheid S. 29).
Zudem war der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Verlängerung bereits fast volljährig. Es ist somit nicht ersichtlich, inwiefern sich die subjektive Lage des Beschwerdeführers seither grundlegend geändert hätte.
2.7. Soweit die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid weiters argumentiert, dass dem Beschwerdeführer nunmehr eine innerstaatliche Fluchtalternative mit Kabul zur Verfügung stehe, so wird den nunmehr aktuellen Länderinformationen - insbesondere dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation in der Gesamtaktualisierung vom 13.11.2019 (die hier nicht zugrunde gelegte Aktualisierung vom 18.05.2020 führt diesbezüglich zu keinem anderen Ergebnis) und der UNHCR-Richtlinie vom 30.08.2018 - folgend festgehalten, dass sich die Sicherheits- und Versorgungslage in Kabul seit der Zuerkennung und der Verlängerung nicht wesentlich und nachhaltig verändert bzw. verbessert hat und schon deshalb der Beschwerdeführer nicht nach Kabul als innerstaatliche Fluchtalternative verwiesen werden kann.
Zudem ist zwar aus der UNHCR-Richtline ableitbar, dass jungen, alleinstehenden, gesunden und arbeitsfähigen Männern ohne familiäres Netzwerk in Afghanistan eine innerstaatliche Fluchtalternative möglich ist, es ist jedoch immer auf den Einzelfall abzustellen. Die EASO Country-Guidance vom Juni 2018 (die aktuellere Fassung vom Juni 2019 enthält keine hier relevanten Neuerungen) nimmt von dieser Gruppe allerdings jene aus, die außerhalb Afghanistans geboren wurden oder lange Zeit außerhalb Afghanistans gelebt haben. Für die genannte Personengruppe komme eine innerstaatliche Fluchtalternative dann nicht in Betracht, wenn am Zielort der aufenthaltsbeendenden Maßnahme kein Unterstützungsnetzwerk für die konkrete Person vorhanden sei, das sie bei der Befriedigung grundlegender existenzieller Bedürfnisse unterstützen könnte, und dass es einer Beurteilung im Einzelfall unter Heranziehung der folgenden Kriterien bedürfe: Unterstützungsnetzwerk, Ortskenntnis der betroffenen Person bzw. Verbindungen zu Afghanistan sowie sozialer und wirtschaftlicher Hintergrund (insbesondere Bildungs- und Berufserfahrung, Selbsterhaltungsfähigkeit außerhalb Afghanistans). Im Hinblick auf den Beschwerdeführer liegen keine Umstände vor, welche eine innerstaatliche Fluchtalternative für den Beschwerdeführer möglich erscheinen lassen, zumal er insbesondere über kein Unterstützungsnetzwerk verfügt, nur sehr kurz in Afghanistan aufhältig war und daher keine Ortskenntnis hat und auch über keine Berufsausbildung oder nennenswerte Berufserfahrung verfügt.
2.7. Eine Feststellung des Inhalts, dass sich die Umstände, die zur Gewährung subsidiären Schutzes geführt haben, wesentlich und nachhaltig verändert haben, konnte im Lichte eines Vergleichs der individuellen Situation des Beschwerdeführers sowie der Sicherheits- und Versorgungslage in (ganz) Afghanistan zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Zuerkennung sowie der Verlängerung des subsidiären Schutzes einerseits und zum Zeitpunkt des angefochtenen Bescheides bzw. der vorliegenden Entscheidung andererseits nicht getroffen werden (vgl. dazu näher die nachfolgenden rechtlichen Ausführungen). Dabei erfolgte insbesondere eine Gegenüberstellung des Inhalts der dem Zuerkennungbescheid und dem Verlängerungsbescheid zugrunde gelegten Länderberichte mit jener Berichtslage, die die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides herangezogen hat, sowie auch mit der zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung bestehenden Lage im Herkunftsstaat. Die sicherheitsrelevante Situation hat sich nicht wesentlich verändert. Die wirtschaftliche Situation für Rückkehrer - insbesondere in der verwiesenen Stadt Kabul, aber auch in anderen Städten wie Mazar-e Sharif und Herat-Stadt - hat sich insgesamt jedenfalls nicht wesentlich und nachhaltig verändert bzw. verbessert.
2.8. Zu den Feststellungen zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:
Die verfahrenswesentlichen Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes zur Situation in Afghanistan beruhen auf den angeführten Quellen und stammen aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation in der Gesamtaktualisierung vom 13.11.2019. Die Länderfeststellungen basieren auf aktuellen Berichten angesehener staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen und stellen angesichts der bisherigen Ausführungen im konkreten Fall eine hinreichende Basis zur Beurteilung des Vorbringens des Beschwerdeführers dar. Auch die Aktualisierung des genannten Länderinformationsblatts vom 18.05.2020 hat keine wesentliche und nachhaltige Änderung bzw. Verbesserung der Sicherheits- und Versorgungslage aufgezeigt.
Aus dem Akteninhalt ist ersichtlich, dass von der belangten Behörde zur Beurteilung der maßgeblichen Lage im Herkunftsstaat im Zuerkennungsbescheid die Länderberichte der Staatendokumentation von September 2013 und im angefochtenen Bescheid die Länderberichte der Staatendokumentation mit Stand vom 02.03.2017, letzte Kurzinformation vom XXXX , herangezogen wurden.
Aus den Länderberichten lässt sich nicht ableiten, dass sich die Versorgungslage sowie die Sicherheitslage in Afghanistan seit Zuerkennungsbescheid bzw. dem Verlängerungsbescheid wesentlich und nachhaltig verbessert hat. Ebenso wenig geht bei einem Abgleich der Länderberichte hervor, dass sich die Situation für Rückkehrer, insbesondere die Wohn- und Lebenshaltungskosten, bzw. die sozioökonomische Lage in Kabul, Herat-Stadt oder Mazar-e Sharif seither wesentlich und nachhaltig verbessert hat. Ebenso wenig hat sich eine wesentliche Änderung der Situation betreffend die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer Rückkehrhilfe und der Unterstützung durch verschiedene Organisationen vor Ort ergeben.
3. Rechtliche Beurteilung
Zu A) Stattgabe der Beschwerde
3.1. Gemäß § 9 Abs. 1 Ziffer 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) nicht oder nicht mehr vorliegen.
Im zweiten Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 (Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten liegen nicht mehr vor) wird auf eine Änderung der Umstände abgestellt, die so wesentlich und nicht nur vorübergehend ist, dass die Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hatte, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden.
Der zweite Fall des § 9 Abs. 1 Ziffer 1 AsylG 2005 betrifft jene Kostellationen, in denen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nachträglich weggefallen sind (vergleiche VwGH 29.01.2020, Ra 2019/18/0262 mit weiteren Judikaturverweisen).
Aus den Feststellungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid ergibt sich zweifelsfrei, dass diese davon ausgeht, dass die Gründe für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen und dass sich die subjektive Lage des Beschwerdeführers im Vergleich zum seinerzeitigen Entscheidungszeitpunkt geändert habe (vergleiche angefochtener Bescheid S. 9 und S 69 f.). Die belangte Behörde stützte sich somit zweifelsfrei auf den zweiten Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005.
3.2. Der zweite Fall des § 9 Abs. 1 Ziffer 1 AsylG 2005 setzt voraus, dass sich der Sachverhalt seit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. der erfolgten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG 2005 (die nur im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen für die Zuerkennung erteilt werden darf) geändert hat (vgl. dazu etwa VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0353, mwN). Nicht jede Änderung des Sachverhalts rechtfertigt allerdings die Aberkennung des subsidiären Schutzes. Eine maßgebliche Änderung liegt unter Bedachtnahme auf die unionsrechtlichen Vorgaben von Art. 19 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 16 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie) vielmehr nur dann vor, wenn sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, dass ein Anspruch auf subsidiären Schutz nicht länger besteht. Der Wegfall der Notwendigkeit, auf den Schutz eines anderen Staates angewiesen zu sein, kann sich dabei auch als Ergebnis unterschiedlicher Entwicklungen von Ereignissen, die sowohl in der Person des Fremden als auch in der in seinem Heimatland gegebenen Situation gelegen sind, darstellen (vgl. VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0381, Rn. 14 und 15, mwN). (VwGH 29.01.2020, Ra 2019/18/0262)
3.3. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid eine grundlegende und dauerhafte Änderung jener Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt haben, nicht dargetan:
Im Zuerkennungsbescheid stützte die belangte Behörde die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten im Wesentlichen auf die Feststellung, dass der Beschwerdeführer über keine familiären oder sonstigen sozialen Anknüpfungspunkte in Afghanistan verfügt und im Falle einer Rückkehr vorerst vollkommen auf sich alleine gestellt und jedenfalls gezwungen wäre, nach einem Wohnraum zu suchen, ohne jedoch über ausreichende Kenntnisse der örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten in Afghanistan zu verfügen. Die belangte Behörde sah folglich im Zeitpunkt der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten das Bestehen einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative (in urbanen bzw. semi-urbanen Gebieten Afghanistans) nicht gegeben.
Die belangte Behörde verlängerte die Aufenthaltsberechtigung und ging daher davon aus, dass die Voraussetzungen für den subsidiären Schutz auch weiterhin vor vorlagen.
Die belangte Behörde begründet im nunmehr angefochtenen Bescheid die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 damit, dass sich die subjektive Lage des Beschwerdeführers im Vergleich zum seinerzeitigen Entscheidungszeitpunkt dahingehend geändert habe, dass ihm nun eine innerstaatliche Fluchtalternative mit Kabul zur Verfügung steht, umso mehr er nunmehr volljährig sei und demnach auch auf sich alleine gestellt seinen Lebensunterhalt bestreiten könne. Als wesentliche Änderung im Hinblick auf die individuelle Situation des Beschwerdeführers im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat wurde von der belangten Behörde folglich zunächst das Erreichen der Volljährigkeit ins Treffen geführt. Richtig ist zwar, dass der Beschwerdeführer bei Zuerkennung des subsidiären Schutzes XXXX Jahre bzw. bei der Verlängerung XXXX Jahre alt und damit minderjährig war, während er im Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung zwei Jahre später bereits die Volljährigkeit erreicht hatte. Die Begründung des Zuerkennungsbescheides gibt allerdings keinen Hinweis darauf, dass die damalige Minderjährigkeit des Beschwerdeführers für die Gewährung von subsidiärem Schutz von Bedeutung bzw. ein tragendes Element gewesen wäre. Insofern lässt sich auch nicht ohne Weiteres argumentieren, dass das im Zeitpunkt der Aberkennung dieses Status durch die belangte Behörde das fortgeschrittene Alter des Beschwerdeführers (und die damit erreichte Volljährigkeit) für sich betrachtet als maßgebliche Änderung der Umstände ins Treffen geführt werden kann (vgl. VwGH 29.01.2020, Ra 2019/18/0262).
Hinsichtlich der familiären Verhältnisse des Beschwerdeführers wurde im Zuerkennungsbescheid festgehalten: "Sie konnten glaubhaft schildern, dass XXXX und Ihre Cousine im Iran lebt. Auch Ihre Aussage, dass Sie sich nur einen Monat ihres Lebens, vor Ihrer Ausreise, in Afghanistan/Kabul aufgehalten haben, konnten Sie glaubhaft schildern." (Zuerkennungsbescheid S. 12)
Zur Situation des Beschwerdeführers im Fall einer Rückkehr wurde u.a. festgehalten: "Es konnte aber festgestellt werden, dass Ihnen im Heimatland die Lebensgrundlage gänzlich entzogen wäre, zumal sie über keinerlei soziale oder familiäre Netzwerke in Afghanistan verfügen, XXXX . Auch Ihre Cousine lebt mittlerweile im Iran." (Zuerkennungsbescheid S. 12)
Wie bereits beweiswürdigend ausgeführt, ist für das Bundesverwaltungsgericht nicht ersichtlich, weshalb die belangte Behörde nunmehr im angefochtenen Bescheid von einer Unglaubwürdigkeit dieser Feststellungen ausgeht, zumal sich im Verwaltungsakt keine diesbezüglichen Anhaltspunkte finden.
In beiden Einvernahmen vor der belangten Behörde sowie auch später in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerdeführer gleichlautend angegeben, über keine Familienangehörigen in Afghanistan zu verfügen bzw. keinen Kontakt mit seinen Familienangehörigen zu haben. Dieses Vorbringen hat die belangte Behörde schon bei der ersten Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz betreffend subsidiären Schutz ausdrücklich gewürdigt. Sie ist davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer über keinerlei soziale oder familiäre Netzwerke im Heimatstaat verfügt (Zuerkennungsbescheid S. 12) und es ist aus diesem Grund im Ergebnis zu einer Zuerkennung von subsidiärem Schutz gekommen.
Demgegenüber hat die belangte Behörde nunmehr im Aberkennungsverfahren dieses Vorbringen des Beschwerdeführers anders gewürdigt, wobei sich die belangte Behörde auf die persönliche Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers gestützt hat. Eine wesentliche Sachverhaltsänderung wird damit aber nicht dargetan, denn eine bloße unterschiedliche Beweiswürdigung eines im Wesentlichen gleichen Vorbringens ohne maßgebliches neues Sachverhaltssubstrat berechtigt für sich genommen nicht zu einer Aberkennung, da darin keine Änderung des Kenntnisstandes des Aufnahmemitgliedstaates liegt (vgl. VwGH 29.01.2020, Ra 2019/18/0262 unter Verweis auf EuGH 23.05.2019, Bilali, C-720/17, Rn 50).
Für das Bundesverwaltungsgericht ist somit im Hinblick auf sonstige fehlende familiäre oder soziale Anknüpfungspunkte keine Änderung des Sachverhalts zu erkennen. Dem Zuerkennungs-, Verlängerungs- und dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde liegen vielmehr dieselben entscheidungswesentlichen Feststellungen zur individuellen Situation des Beschwerdeführers zu Grunde.
Nach Erlassung des angefochtenen Bescheides hat der Beschwerdeführer eine Erwerbstätigkeit in Österreich aufgenommen. Jedoch reicht die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit für sich alleine noch nicht aus, um davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer deshalb in einem solchen Ausmaß an Lebens- und Berufserfahrung dazugewonnen hat, um von einer wesentlichen und nachhaltigen Änderung der maßgeblichen Umstände auszugehen, welche die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten rechtfertigen würden. Festgehalten wird in diesem Zusammenhang, dass es sich bei der aufgenommenen Erwerbstätigkeit um eine einfache Hilfstätigkeit im Gastronomiebereich handelt. Es war daher nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer durch die Aufnahme dieser Tätigkeit seine individuellen Fähigkeiten und Kenntnisse nachhaltig verbessern konnte. Dass der Beschwerdeführer grundsätzlich am Erwerbsleben teilnehmen und so für seinen Unterhalt sorgen kann, ist insgesamt kein wesentlich neuer Umstand, der sich erst seit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. der erfolgten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung ergeben hat.
3.4. Soweit die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 begründet, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr keinerlei realen Gefahr einer Bedrohung oder Verfolgung im Sinne der Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre, und nunmehr Kabul als innerstaatliche Fluchtalternative in Betracht kommt, so ist festzuhalten, dass den von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen zur Lage in Afghanistan keine grundlegenden Veränderungen - insbesondere in der als innerstaatliche Fluchtalternative vorgeschlagenen Stadt Kabul, aber auch in anderen Städten wie Mazar- e Sharif oder Herat-Stadt - seit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. der erfolgten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung zu entnehmen sind. Es ist auch nach wie vor davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer in Kabul nur einen Monat, in anderen afghanischen Städten nie gelebt hat, mit den dortigen Gegebenheiten nicht vertraut ist und jedenfalls dort über keine familiären oder sozialen Anknüpfungspunkte verfügt. Wenn die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid vermeint, dass dies nunmehr der Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative nicht entgegenstehe, so wird damit eine rechtliche Neubewertung derselben Umstände vorgenommen; es liegen aber tatsächlich keine - seit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. der erfolgten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung - neuen Umstände vor. Dies gilt ebenso für die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe, was grundsätzlich bereits bei Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus möglich war.
Hinsichtlich des im Bescheid enthaltenen Hinweises, wonach der Beschwerdeführer aufgrund seiner Volkszugehörigkeit aufgrund der Verbindungen der Volksgruppe der Hazara auf ein bestehendes Netzwerk zurückgreifen könne, ist nicht ersichtlich, inwieweit die belangte Behörde daraus eine Veränderung der individuellen persönlichen Umstände bzw. eine Änderung der Lage im Herkunftsstaat ableitet, zumal auch insoweit seit Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten keine Änderung des Sachverhalts eingetreten ist. Auch zum damaligen Entscheidungszeitpunkt gehörte der Beschwerdeführer der Volksgruppe der Hazara an und auch aus den Länderberichten haben sich diesbezüglich keine Änderungen ergeben.
Da sich aus dem Inhalt des Verwaltungsaktes bzw. aus dem bisherigen Verfahrensgang keine anderen Anhaltspunkte für die Aberkennung des subsidiären Schutzes ergeben, ist vielmehr naheliegend, dass die belangte Behörde die Aberkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten vor allem aufgrund einer von ihr verorteten Änderung der Entscheidungspraxis der Höchstgerichte betreffend alleinstehende, leistungsfähige Männer ohne soziales Netzwerk ausgesprochen hat. Festzuhalten ist, dass (lediglich) eine andere rechtliche Beurteilung oder Würdigung eines im Wesentlichen unveränderten Sachverhalts dem Wegfall oder (zumindest) der maßgeblichen Änderung jener Umstände, die zur rechtskräftigen Zuerkennung subsidiären Schutzes geführt haben, nicht gleichzuhalten ist. Eine andere rechtliche Würdigung vermag die Aberkennung eines rechtskräftig zuerkannten subsidiären Schutzes nach § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 somit nicht zu tragen.
3.5. Die Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 lagen sohin mangels wesentlicher und nachhaltiger Änderung der maßgeblichen Umstände im Beschwerdefall nicht vor. Auch bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass im vorliegenden Fall ein anderer Tatbestand des § 9 AsylG 2005, der die Aberkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten nach sich zieht, erfüllt ist.
Der Beschwerde war daher stattzugeben und Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ersatzlos zu beheben. Dem Beschwerdeführer kommt damit weiterhin der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zu. Damit verlieren auch die Spruchpunkte III., IV., V. und VI. ihre rechtliche Grundlage und sind ersatzlos zu beheben.
3.6. Vor diesem Hintergrund ist Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides spruchgemäß dahingehend abzuändern, dass dem Antrag des Beschwerdeführers auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 stattgegeben und die befristete Aufenthaltsberechtigung um zwei Jahre verlängert wird.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich z