TE Vwgh Beschluss 2020/8/24 Ra 2020/10/0042

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Veröffentlicht am 24.08.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
72/01 Hochschulorganisation

Norm

B-VG Art133 Abs4
UniversitätsG 2002 §58 Abs8
UniversitätsG 2002 §73 Abs3
UniversitätsG 2002 §87 Abs1
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und den Hofrat Dr. Fasching sowie die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bleiweiss, über die Revision des G L in M, vertreten durch Mag. Dr. Andreas Nödl, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Prinz-Eugen-Str. 50, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. April 2019, Zl. W128 2190071-1/4E, betreffend Verleihung eines akademischen Grades (belangte Behörde: Vizerektorin für Lehre der Wirtschaftsuniversität Wien, in 1020 Wien, Welthandelsplatz 1), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Schreiben vom 30. November 2012 beantragte der Revisionswerber, seinen Diplomstudiengang „Internationale Betriebswirtschaft“ nicht zu schließen, seinen Diplomstudiengang „Betriebswirtschaft“ zu öffnen, ihm in beiden Studiengängen den Studienplanpunkt „PI - Spezielle BWL PM A: Vertiefungskurs V - Tourismusanalyse und Freizeitmarketing“ zu erlassen und „Erlassen“ in seinen Sammelzeugnissen zu vermerken, die „Diplomarbeit (Beurteilungsprotokoll) einzureichen“ und die „Anerkennung der Diplomarbeit von einem Studiengang auf den anderen“ durchzuführen.

2        Mit Schreiben vom 6. Dezember 2012 teilte die Leiterin des Bereiches Studienrecht der Wirtschaftsuniversität Wien dem Revisionswerber mit, das Diplomstudium laufe ex lege aus, weshalb es weder ein Antragsrecht noch eine bescheidmäßige Erledigung gebe. Beim Auslaufen der Diplomstudien gebe es aufgrund der Gesetzeslage keinen Ermessensspielraum, weshalb das Diplomstudium des Revisionswerbers geschlossen werden müsse. Diplomstudien könnten aus diesem Grund auch nicht mehr neu aufgenommen werden; es sei nur mehr die Zulassung zu einem Bachelorstudium möglich. Das „Erlassen“ von Lehrveranstaltungen sei nicht zulässig. Für die Verleihung eines akademischen Grades sei das Absolvieren einer bestimmten Anzahl von ECTS vorgesehen. Würden Teile des Studiums „erlassen“ werden, könnte kein akademischer Grad verliehen werden. Bis zum 30. November 2012 habe die Möglichkeit bestanden, das Beurteilungsprotokoll der Diplomarbeit einzureichen. Außerdem sei die Anerkennung von Diplomarbeiten seit dem 1. Jänner 2011 gesetzlich ausgeschlossen (Hinweis auf § 143 Abs. 19 UG 2002).

3        Mit Schreiben vom 14. März 2018 erhob der Revisionswerber Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht nach Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde). Der Revisionswerber beantragte, seine am 25. November 2012 eingereichte Diplomarbeit der Begutachtung zuzuführen und ihm nach deren positiver Beurteilung und Veröffentlichung sowie unter Akzeptanz der Geltung des von ihm am 21. Jänner 2013 im Bachelorstudium absolvierten „Vertiefungskurses V“ als „Vertiefungskurs V“ des Diplomstudiums „Internationale Betriebswirtschaft“ - in Stattgebung seiner Säumnisbeschwerde - den akademischen Grad eines „Magisters der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften“ zu verleihen.

4        Mit Schriftsatz vom 19. November 2018 stellte der Revisionswerber den Antrag, das Verwaltungsgericht möge seine am 25. November 2012 eingereichte („hochgeladene“) Diplomarbeit unverzüglich einer Begutachtung zuführen.

5        Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 4. April 2019 wies das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: Verwaltungsgericht) den Antrag des Revisionswerbers vom 30. November 2012 auf Verleihung eines akademischen Grades ab. Weiters sprach es aus, dass die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

6        Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, der Revisionswerber sei von 17. August 2005 bis 30. November 2012 zum Diplomstudium „Internationale Betriebswirtschaft 03 J 157“, vom 21. Oktober 2004 bis zum 29. April 2011 zum Diplomstudium „Betriebswirtschaft 03 J 151“ und vom 9. Februar 2011 bis zum 1. Mai 2016 zum Bachelorstudium „Wirtschaftsrecht 09“ an der Wirtschaftsuniversität Wien zugelassen gewesen. Am 25. November 2012 habe er seine Diplomarbeit für das Diplomstudium „Internationale Betriebswirtschaft 03 J 157“ zur Beurteilung eingereicht. Das Diplomstudium „Internationale Betriebswirtschaft 03 J 157“ sei am 30. November 2012 studienrechtlich geschlossen worden. Der Revisionswerber habe die Lehrveranstaltung „SBWL Kurs V - Tourismusanalyse und Freizeitmarketing“ am 21. Jänner 2013 positiv abgeschlossen.

7        Rechtlich schlussfolgerte das Verwaltungsgericht, die vom Revisionswerber erhobene Säumnisbeschwerde sei zulässig, weil das für die studienrechtlichen Angelegenheiten zuständige Organ der Wirtschaftsuniversität Wien nicht binnen der in § 87 Abs. 1 UG 2002 festgelegten einmonatigen Entscheidungsfrist über den am 30. November 2012 gestellten Antrag auf Verleihung eines akademischen Grades entschieden habe. Der Revisionswerber habe zum Zeitpunkt des Endes seiner Zulassung am 30. November 2012 über keine positiv beurteilte Diplomarbeit verfügt. Außerdem sei eine Anerkennung von Prüfungen, die erst nach dem Erlöschen der Zulassung zum Diplomstudium in weiterführenden Studien abgelegt worden seien, nicht möglich. Der Revisionswerber habe daher im Rahmen seines Diplomstudiums „Internationale Betriebswirtschaft 03 J 157“ weder eine Diplomarbeit abgeliefert noch die Lehrveranstaltung „Spezielle BWL PM A: Vertiefungskurs V - Tourismusanalyse und Freizeitmarketing“ positiv absolviert. Da das einschlägige Studium aktuell nicht mehr betrieben werden könne, könnten weder vorgeschriebene Prüfungen noch nicht abgelieferte wissenschaftliche Arbeiten nachgereicht werden. Die Verleihung des beantragten akademischen Grades sei daher nicht möglich.

8        Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 11. Dezember 2019, E 1880/2019-5, ablehnte und sie mit Beschluss vom 24. Jänner 2020, E 1880/2019-7, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

9        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

11       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12       Die maßgeblichen Bestimmungen des Universitätsgesetzes 2002 (UG 2002), BGBl. I Nr. 120/2002 idF BGBl. I Nr. 3/2019, inklusive Überschriften lauten:

Curricula

§ 58. [...]

(8) Im Curriculum sind für Lehrveranstaltungen mit einer beschränkten Zahl von Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Anzahl der möglichen Teilnehmerinnen und Teilnehmer sowie das Verfahren zur Vergabe der Plätze festzulegen. Dabei ist darauf zu achten, dass den bei einer Anmeldung zurückgestellten Studierenden daraus keine Verlängerung der Studienzeit erwächst. Im Bedarfsfall sind überdies Parallellehrveranstaltungen, allenfalls auch während der lehrveranstaltungsfreien Zeit, anzubieten.

[...]

Nichtigerklärung von Beurteilungen

§ 73. [...]

(3) Prüfungen, die außerhalb des Wirkungsbereiches einer Fortsetzungsmeldung abgelegt wurden, und Beurteilungen wissenschaftlicher sowie künstlerischer Arbeiten, die außerhalb des Wirkungsbereiches einer Fortsetzungsmeldung erfolgten, sind absolut nichtig. Eine Anrechnung auf die Gesamtzahl der Wiederholungen erfolgt nicht.

[...]

Verleihung des akademischen Grades oder der akademischen Bezeichnung

§ 87. (1) Das für die studienrechtlichen Angelegenheiten zuständige Organ hat den Absolventinnen und Absolventen der ordentlichen Studien, mit Ausnahme der Erweiterungsstudien, nach der positiven Beurteilung aller im jeweiligen Curriculum vorgeschriebenen Prüfungen und in den Diplom-, Master- und Doktoratsstudien nach der Ablieferung der positiv beurteilten wissenschaftlichen oder künstlerischen Arbeit oder der Dokumentation der künstlerischen Arbeit, den festgelegten akademischen Grad durch einen schriftlichen Bescheid unverzüglich, jedoch spätestens einen Monat nach der Erfüllung aller Voraussetzungen von Amts wegen zu verleihen.

[...]“

13       Zunächst bringt der Revisionswerber unter Hinweis auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes E 304/2014 vor, die ordentliche Revision sei zulässig, weil das angefochtene Erkenntnis in Einzelrichterbesetzung ergangen sei.

In dem zitieren Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26. September 2014 geht es um die Frage, ob bzw. in welchen Fällen Verwaltungsgerichte letztinstanzliche Gerichte sind, die zur Vorlage an den Europäischen Gerichtshof verpflichtet sind. Inwiefern sich aus dieser Entscheidung ergeben soll, dass bei Einzelrichterentscheidungen die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig sein müsste, wird nicht aufgezeigt und ist auch sonst nicht ersichtlich. Mit diesem Vorbringen wird daher keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt.

14       Darüber hinaus bringt der Revisionswerber vor, es gebe zu § 73 Abs. 3 Universitätsgesetz 2002 (UG 2002) iVm § 33 Abs. 4 der WU-Satzung sowie zu § 58 Abs. 8 UG 2002 iVm § 73 Abs. 3 UG 2002 keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Es fehle demnach Judikatur zur Frage, wann eine Diplomarbeit oder eine Prüfung als außerhalb des Wirkungsbereiches einer Fortsetzungsmeldung beurteilt bzw. abgelegt gelte.

15       Diesbezüglich ist darauf hinzuweisen, dass diese Frage für den konkreten Fall nicht entscheidungswesentlich ist, da - auch nach dem Vorbringen des Revisionswerbers in der Revision - jedenfalls keine nach § 87 Abs. 1 UG 2002 für die Verleihung des akademischen Grades erforderliche positive Beurteilung der Diplomarbeit des Revisionswerbers vorliegt. Mit einem - hier allein verfahrensgegenständlichen - Antrag auf Verleihung eines akademischen Grades kann eine solche Beurteilung auch nicht erzielt werden. Es stellt sich daher die Frage nach einer „außerhalb des Wirkungsbereiches einer Fortsetzungsmeldung“ liegenden Beurteilung mangels Vorliegens einer solchen nicht. An der Nichtbeurteilung seiner Diplomarbeit ändert auch das Vorbringen des Revisionswerbers, die Diplomarbeiten anderer Studierender, die diese ebenfalls zwischen Anfang Oktober und Ende November 2012 eingereicht hätten, seien beurteilt worden, nichts.

16       In Hinblick auf die - nach einem anderen Studienplan - absolvierte Lehrveranstaltung ist auszuführen, dass es für die Verleihung eines akademischen Grades nach § 87 UG 2002 erforderlich ist, dass zunächst alle im Curriculum vorgeschriebenen Prüfungen positiv beurteilt worden sind und eine positiv beurteilte wissenschaftliche oder künstlerische Arbeit abgeliefert wurde. Da der Revisionswerber, wie ausgeführt, schon die Voraussetzung der abzuliefernden positiv beurteilten wissenschaftlichen oder künstlerischen Arbeit nicht erfüllt, ist es für die Entscheidung in einem Verfahren zur Verleihung eines akademischen Grades nicht wesentlich, ob zusätzlich eine noch fehlende Prüfung außerhalb des Wirkungsbereiches einer Fortsetzungsmeldung abgelegt wurde.

17       Gleiches gilt für die in der Zulässigkeitsbegründung der Revision ebenfalls aufgeworfene Frage, ob eine Prüfung - unter der Voraussetzung, dass im auslaufenden Studium zu wenig Lehrveranstaltungen angeboten waren - auch dann gültig sei, wenn die gleichwertige Prüfung im neuen Studium zwei Monate nach Auslaufen des alten Studiums abgelegt worden sei.

18       Auch den im Zusammenhang mit diesen aus rechtlichen Gründen nicht erheblichen Umständen geltend gemachten Verfahrensmängeln kommt daher keine Relevanz zu.

19       In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher ohne weiteres Verfahren mit Beschluss gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 24. August 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020100042.L00

Im RIS seit

07.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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