Index
24/01 Strafgesetzbuch;Norm
BDG 1979 §126 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des Gerold K in T, vertreten durch Dr. Thomas Mader, Rechtsanwalt in Wien I, Rauhensteingasse 1, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 15. Mai 1996, Zl. 2/13-DOK/93, betreffend Disziplinarstrafe der Entlassung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Revierinspektor in einem öffentlich-rechtlichem Dienstverhältnis zum Bund. Er ist im Bereich des Landesgendarmeriekommandos für Niederösterreich tätig (zur Zeit der streitgegenständlichen Disziplinarvergehen war er dem Gendarmerieposten Schottwien zugeteilt).
Der Verwaltungsgerichtshof verweist zur Vermeidung von Wiederholungen zur Darstellung der Vorgeschichte auf das Erkenntnis vom 18. Jänner 1996, Zl. 93/09/0312. Mit diesem Erkenntnis wurde der Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 23. März 1993, mit welchem diese die von der ersten Instanz ausgesprochene Entlassung des Beschwerdeführers in die Disziplinarstrafe einer Geldstrafe umgewandelt hatte, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Die belangte Behörde hatte den Erschwerungsgrund des Vorliegens einer disziplinarrechtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers außer acht gelassen.
Mit dem nunmehr angefochtenen (Ersatz-)Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge und bestätigte das - auf die § 43 Abs. 1 und 2 sowie § 44 Abs. 1 BDG 1979 gegründete - erstinstanzliche Disziplinarerkenntnis. Die wesentliche Begründung des angefochtenen Bescheides lautet:
"Der erkennende Senat ist nunmehr unter Berücksichtigung auch des Erschwerungsgrundes der auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden disziplinären Verurteilung des Beschuldigten mit Disziplinarerkenntnis vom 29. März 1989, Zl. 1/33-DK/45/89, zu einer Geldstrafe von S 15.000,-- zum Ergebnis gelangt, daß für den Beschuldigten angesichts der Art und Schwere der begangenen Straftaten eine andere Disziplinarmaßnahme als jene der Entlassung nicht in Betracht kommt, weshalb alle möglicherweise sonst gegebenen Milderungsgründe dahinstehen. Rechtfertigen nämlich die aus der Schwere des Dienstvergehens entstandenen Nachteile die Beendigung des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses durch Entlassung, ist also der Gesetzesbefehl, auf diese Nachteile Rücksicht zu nehmen, nur durch die Verhängung der Disziplinarstrafe der Entlassung befolgt, so können andere Gründe (Existenzvernichtung, Arbeitslosigkeit etc.) nicht mehr entscheidend sein (VwGH 19.1.1989, Zl. 88/09/0148; 23.3.1994, Zl. 93/09/0391 ua.).
Der Senat wertete hiebei die dem Disziplinarbeschuldigten zum Faktum 3 des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses angelasteten Dienstpflichtverletzungen als die schwersten iS des § 93 Abs. 2 BDG 1979.
Die Respektierung fremden Eigentums durch die Organe der Exekutive, welche in sämtlichen Bereichen ihrer Tätigkeit mit fremdem Eigentum in Berührung kommen bzw. solches ihnen anvertraut wird, ist oberstes Gebot für ein ordnungsgemäßes Funktionieren des Exekutivdienstes. Die Verfehlungen des Beschuldigten stellen in ihrer Vielzahl und nach ihrer Art einen derart eklatanten und schweren Vertrauensbruch dar, daß eine Weiterverwendung des Beschuldigten im öffentlichen Dienst sowohl für den Dienstgeber als auch für die Allgemeinheit unzumutbar ist.
Ein Sicherheitsbeamter, der zu wiederholten Malen und während eines längeren Zeitraumes mit Organstrafverfügungen manipuliert und sich Teile der eingehobenen Beträge zueignet, setzt nicht nur sein eigenes Ansehen, sondern auch das der Beamtenschaft im allgemeinen und seines Exekutivkörpers im besonderen herab. Dies wiederum hat zur Folge, daß nicht nur die Achtung, sondern auch das Vertrauen, das gerade die Stellung eines Sicherheitswachebeamten erfordert, schwer erschüttert wird. (VwGH 28.5.1980, Zl. 2289/79). Allein schon diese Verfehlungen machen den Beschuldigten wegen des dadurch eingetretenen schweren Vertrauensverlustes für den Weiterverbleib im öffentlichen Dienst untragbar. Hinzu kommen erschwerend die zum Faktum 1 und 2 angelasteten Dienstpflichtverletzungen sowie die bereits genannte auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende disziplinäre Verurteilung.
Der Beschuldigte hat durch die ihm angelasteten Verfehlungen gerade jene Rechtsgüter, zu deren Schutz er nach den Gesetzen dieses Staates berufen ist, bewußt verletzt.
Besonders rücksichtswürdige Gründe, die etwa für die Verfehlungen des Beschuldigten ausschlaggebend gewesen wären und welche die Verhängung der schwersten Disziplinarstrafe allenfalls nicht gerechtfertigt erscheinen lasse, sind in diesem Verfahren nicht hervorgekommen.
Was die Geltendmachung des Milderungsgrundes der Schadenswiedergutmachung nach erfolgter Tat anlangt, so ist zunächst festzustellen, daß der Beschuldigte mehrmals deliktisch gehandelt hat und daher nicht von einer einmaligen unbedachten Gelegenheitstat ("Augenblickstat") gesprochen werden kann. Diesem Milderungsgrund könnte bei Wiedergutmachung der Tat vor ihrer Entdeckung daher allenfalls bei einem einmaligen Zugriff Relevanz zukommen, nicht aber bei der Vielzahl von Zugriffen über einen längeren Zeitraum (VwGH vom 29.9.1992, Zl. 91/09/0186)."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens unter Verzicht auf die Erstattung einer Gegenschrift vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 91 BeamtendienstrechtsG 1979 (BDG 1979) lautet:
"Der Beamte, der schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt, ist nach diesem Abschnitt zur Verantwortung zu ziehen."
§ 92 Abs. 1 Z. 4 BDG 1979 lautet:
"Disziplinarstrafen sind ...
4. die Entlassung."
§ 93 BDG 1979 lautet:
"(1) Das Maß für die Höhe der Strafe ist die Schwere der Dienstpflichtverletzung. Dabei ist jedoch darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründe sind dem Sinne nach zu berücksichtigen; weiters ist auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beamten Bedacht zu nehmen.
(2) Hat der Beamte durch eine Tat oder durch mehrere selbständige Taten mehrere Dienstpflichtverletzungen begangen und wird über diese Dienstpflichtverletzung gleichzeitig erkannt, so ist nur eine Strafe zu verhängen, die nach der schwersten Dienstpflichtverletzung zu bemessen ist, wobei die weiteren Dienstpflichtverletzungen als Erschwerungsgrund zu werten sind."
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgeführt hat, wird - soweit wie im vorliegenden Fall eine Ahndung des Verhaltens gemäß § 43 Abs. 2 BDG 1979 in Betracht kommt - ein "disziplinärer Überhang" immer vorliegen, weil diese Bestimmung des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 auf einen spezifisch dienstrechtlichen Aspekt abstellt, der von keinem Tatbestand eines anderen Strafrechtsbereiches wahrgenommen wird (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 18. Oktober 1989, Zl. 86/09/0178, und die dort angeführte Vorjudikatur, sowie vom 18. November 1993, Zlen. 93/09/0320 und 93/09/0361).
Eine andere Auffassung hätte im übrigen die zweifellos vom Gesetzgeber nicht beabsichtigte Folge, daß im Falle einer entsprechenden gerichtlichen Bestrafung des Beamten eine Auflösung von dessen öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis gegen seinen Willen trotz gegebener Untragbarkeit nicht zulässig wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. November 1993, Zl. 93/09/0320).
Die belangte Behörde ist daher - im Gegensatz zur Ansicht des Beschwerdeführers, nach der die vom Strafgericht gemäß § 302 Abs. 1 StGB geahndete Manipulation von Organstrafverfügungen nicht für die Strafbemessung heranzuziehen wäre - zu Recht vom Vorliegen eines "disziplinären Überhanges" im konkreten Fall ausgegangen, und hat diese Tathandlungen zu Recht in die Strafbemessung einbezogen.
Des weiteren wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Annahme des Vertrauensverlustes.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 29. September 1992, Zl. 92/09/0025, und vom 11. April 1996, Zl. 95/09/0050) ausgesprochen hat, ist die Disziplinarstrafe der Entlassung keine Strafe, die der Sicherung der Gesellschaft, der Resozialisierung des Täters oder gar der Vergeltung dient, sondern eine dienstrechtliche Maßnahme zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes. Im Vordergrund steht dabei die Frage des durch die Verfehlung eingetretenen Vertrauensverlustes. Die Gründe für eine solche Unvereinbarkeit lassen sich nur den Anforderungen entnehmen, die das Dienstrecht an einen Beamten stellt. Wird dieser überhaupt nicht mehr der Achtung und dem Vertrauen gerecht, das seine Stellung als Beamter fordert, hat er das Vertrauensverhältnis zwischen sich und der Verwaltung zerstört, dann kann er auch nicht mehr im Dienst verbleiben. Ist das gegenseitige Vertrauensverhältnis zerstört, fehlt es an der Grundlage für weitere Differenzierungen und Ermessenserwägungen. Verträgt die Funktion der staatlichen Verwaltung die Weiterbeschäftigung eines Beamten nicht mehr, dann auch nicht teilweise. Hier geht es nicht, wie beim Strafrecht, um die Wiedereingliederung in die soziale Gemeinschaft, sondern um die weitere Tragbarkeit in einem besonderen Dienstverhältnis (vgl. zu diesen Ausführungen und insbesondere zum sogenannten "Untragbarkeitsgrundsatz" das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Februar 1991, Zl. 90/09/0191, mit zahlreichen Beispielen aus der Vorjudikatur). Gerade der Exekutivdienst erfordert ein ungetrübtes Vertrauensverhältnis zwischen der Verwaltung und dem Beamten (vgl. in dieser Hinsicht beispielsweise die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. Mai 1990, Zl. 86/09/0200, vom 19. Dezember 1996, Zl. 96/09/0153, und vom 7. Mai 1997, Zl. 95/09/0045).
Der belangten Behörde ist beizupflichten, daß der Beschwerdeführer mit seinem Verhalten ein derart bedenkliches charakterliches und moralisches Versagen und ein unwürdiges Verhalten gezeigt hat, durch das er nicht nur sein eigenes Ansehen, sondern auch das der Beamtenschaft im allgemeinen und seines Exekutivkörpers im besonderen in einem Ausmaß herabgesetzt hat, das die Fortsetzung des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses als unzumutbar erscheinen lassen mußte (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 1995, Zl. 93/09/0418). Der Beschwerdeführer verkennt, daß die belangte Behörde ausdrücklich die objektive Schwere der Dienstpflichtverletzungen des Beschwerdeführers hervorgehoben hat. In einem solchen Fall können das sonstige Wohlverhalten des Beschwerdeführers, eine günstige Zukunftsprognose, und die dem Beschwerdeführer durch Existenzvernichtung und Arbeitslosigkeit drohenden Nachteile nicht den eingetretenen schweren Vertrauensverlust aufheben (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 8. Februar 1996, Zl. 95/09/0032).
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als
unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996090218.X00Im RIS seit
20.11.2000