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10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
AsylG 2005 §8 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens und die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, über die Revision des S A K, vertreten durch Dr. Christoph Wildmoser, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Dr. Karl Lueger-Platz 5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Dezember 2019, L506 1407896-2/15E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird im angefochtenen Umfang (Spruchpunkte A.1. und A.2.) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Pakistans, stellte am 14. November 2008 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2 Mit Bescheid vom 8. Juli 2009 wies das Bundesasylamt den Antrag des Revisionswerbers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab, erkannte ihm jedoch den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 7. Juli 2010.
3 Diese Aufenthaltsberechtigung wurde in der Folge mehrfach verlängert, zuletzt mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 2. Juli 2018 für einen Zeitraum bis zum 7. Juli 2020.
4 Mit Bescheid vom 22. Jänner 2019 erkannte das BFA dem Revisionswerber den Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, entzog ihm die befristete Aufenthaltsberechtigung, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Pakistan zulässig sei, legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest und erließ gegen ihn ein Einreiseverbot.
5 Begründend führte das BFA im Wesentlichen aus, dem Revisionswerber sei auf Grund seiner besonderen Hilfsbedürftigkeit als Minderjähriger der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden. Nunmehr sei der Revisionswerber jedoch volljährig und es bestehe keine besondere Schutzbedürftigkeit des jungen und arbeitsfähigen Revisionswerbers mehr. Auch aus der allgemeinen Lage in Pakistan ergebe sich keine Gefährdung.
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Revisionswerbers - mit einer hier nicht relevanten Maßgabe - als unbegründet ab (Spruchpunkte A.1. und A.2.) sowie die Anträge auf unentgeltliche Beigabe eines Verfahrenshelfers und auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unzulässig zurück (Spruchpunkte A.3. und A.4.). Unter einem sprach das BVwG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (Spruchpunkte B.).
7 Begründend führte das BVwG zusammengefasst aus, das „damalige BAA“ habe die Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten darauf gestützt, dass der Revisionswerber als Minderjähriger aus Pakistan geflüchtet sei und dort lediglich einen kranken Angehörigen gehabt habe. Darüber hinaus sei die Sicherheits-, Versorgungs- und Beschäftigungslage in der Heimatprovinz des Revisionswerbers „zu diesem Zeitpunkt“ schlecht gewesen. Mit Eintritt der Volljährigkeit des Revisionswerbers am 1. Jänner 2010 seien die Gründe, welche „ursprünglich“ zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten geführt hätten, weggefallen. Überdies habe der mittlerweile 27-jährige Revisionswerber Erfahrung in diversen Lebensbereichen gewonnen, sodass er keinem Personenkreis mehr angehöre, der hinsichtlich der Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger sei als die übrige Bevölkerung. Auch bestehe keine extreme Gefährdungslage in Pakistan und in der Herkunftsregion des Revisionswerbers.
8 Gegen dieses Erkenntnis - dem Inhalt der Revision nach jedoch mit Ausnahme der Spruchpunkte A.3. und A.4. - richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision, die das BVwG unter Anschluss der Akten vorgelegt hat. Das BFA hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.
9 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
10 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit u.a. vor, das BVwG habe für den Wegfall der Zuerkennungsvoraussetzungen zu Unrecht nicht auf die letzte Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung, sondern auf die ursprüngliche Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgestellt.
11 Die Revision ist im Sinne dieses Vorbringens zulässig und auch begründet.
12 Gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1 AsylG 2005) nicht oder nicht mehr vorliegen.
13 Das BVwG stützte, wie schon zuvor das BFA, die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten auf den zweiten Fall dieses Tatbestandes und begründete seine Entscheidung im Wesentlichen mit einer Änderung der persönlichen Umstände des Revisionswerbers (Eintritt der Volljährigkeit).
14 Die Begründung des angefochtenen Erkenntnisses zeigt, dass das BVwG von der unrichtigen Rechtsansicht ausging, die Änderung der Voraussetzungen iSd. § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 sei ausschließlich im Vergleich mit dem Bescheid vom 8. Juli 2009, mit welchem dem Revisionswerber der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt worden war, zu beurteilen, während das BVwG die (von ihm festgestellte) zuletzt erfolgte Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung durch Bescheid des BFA vom 2. Juli 2018 zu Unrecht nicht beachtet hat.
15 Schon dies führt aber zur Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 2019, Ra 2019/18/0353, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird; vgl. auch VwGH 28.1.2020, Ra 2019/20/0567; 29.1.2020, Ra 2019/18/0367), sodass auf das übrige Vorbringen der Revision nicht mehr einzugehen war.
16 Sohin war das angefochtene Erkenntnis im angefochtenen Umfang - also in seinen Spruchpunkten A.1. und A.2., in diesem Umfang jedoch zur Gänze, weil die Beschwerdeabweisung betreffend die übrigen von der Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten rechtlich abhängenden Aussprüche ihre Grundlage verliert - gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
17 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 3. September 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020190036.L00Im RIS seit
12.10.2020Zuletzt aktualisiert am
12.10.2020