TE Vwgh Beschluss 2020/9/10 Ra 2020/01/0181

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Veröffentlicht am 10.09.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

BFA-VG 2014 §9
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek sowie die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Terlitza als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision des M A, in W, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/2/23, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. April 2020, Zl. W148 2202584-1/10E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 16. Juli 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2        Mit Bescheid vom 6. Juli 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag auf internationalen Schutz zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel nach § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet ab und sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7        Den Antrag des (nunmehrigen) Revisionswerbers auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wies der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 24. Juni 2020 als aussichtslos ab.

8        In der Revision wird zu ihrer Zulässigkeit zunächst vorgebracht, das BVwG habe den Revisionswerber zu Unrecht nicht zu der „Covid-19-Risikogruppe“ der älteren Menschen gezählt, obwohl er im Entscheidungszeitpunkt 57 Jahre alt gewesen sei.

9        Mit diesen bloß pauschalen Zulässigkeitsausführungen legt die Revision nicht dar, dass solche exzeptionellen Umstände vorlägen, die eine Verletzung der nach Art. 3 EMRK garantierten Rechte des Revisionswerbers bewirken würden (vgl. zur Covid-19-Pandemie VwGH 23.6.2020, Ra 2020/20/0188; 6.7.2020, Ra 2020/01/0176; 6.7.2020, Ra 2020/01/0177, jeweils mwN).

10       Mit dem weiteren Zulässigkeitsvorbringen zur familiären Situation richtet sich der Revisionswerber gegen die vom BVwG vorgenommene Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG im Rahmen der Rückkehrentscheidung.

11       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich eiwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (vgl. VwGH 5.3.2020, Ra 2020/19/0010 bis 0012, mwN). In diesem Zusammenhang haben die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts bereits wiederholt die Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit den Auswirkungen einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme auf das Kindeswohl bei der nach § 9 BFA-VG vorzunehmenden Interessenabwägung zum Ausdruck gebracht (vgl. VwGH 8.4.2020, Ra 2020/14/0108, mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

12       Diesbezüglich hat das BVwG berücksichtigt, dass der Revisionswerber als Verfolger seiner Ehefrau nicht damit rechnen habe dürfen, von ihr abgeleitet den Status des Asylberechtigten zu erhalten. Der Revisionswerber sei zwar unbescholten, allerdings sei das gewalttätige Verhalten gegenüber seiner Ehefrau und gegenüber seinen Kinder zu berücksichtigen. Das Wohl seiner Kinder und seiner Ehefrau stünde seiner Außerlandesbringung nicht entgegen.

13       Mit den erneut lediglich pauschalen Ausführungen der Revision, es sei eine Abwägung des bestehenden Familienlebens gegenüber den entgegenstehenden öffentlichen Interessen durchzuführen, vermag der Revisionswerber nicht darzulegen, dass die vom BVwG vorgenommene Interessenabwägung unvertretbar wäre.

14       Zuletzt bringt die Revision vor, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die „freie Beweiswürdigung“ erst nach einer vollständigen Beweiserhebung einsetzen dürfe und eine vorgreifende Beweiswürdigung unzulässig sei.

15       Werden Verfahrensmängel - wie hier Ermittlungsmängel - als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, muss schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensmangels als erwiesen ergeben hätten. Im Fall einer unterbliebenen Vernehmung ist - um die Relevanz des behaupteten Verfahrensfehlers darzulegen - in der Revision konkret darzulegen, was die betreffende Person im Fall ihrer Vernehmung aussagen hätte können und welche anderen Feststellungen auf Grund dessen zu treffen gewesen wären (vgl. VwGH 31.10.2019, Ra 2019/20/0445, mwN).

16       Diesen Anforderungen entspricht die Revision - zumal die als fehlend monierte Einvernahme ohnehin stattgefunden hat - nicht.

17       In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 10. September 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020010181.L00

Im RIS seit

20.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

20.10.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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