Entscheidungsdatum
24.08.2020Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
VStG §49Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat durch seinen Richter Dr. Wurdinger über die Beschwerde des Herrn AA, wohnhaft in Adresse 1, Z (im weiteren kurz Beschwerdeführer genannt), vertreten durch Herrn BB, Rechtsanwalt, Adresse 2, Y, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 03.06.2019, Zl ***, betreffend die Zurückweisung eines Einspruches gegen eine Strafverfügung als verspätet in öffentlicher mündlicher Verhandlung am 19.08.2020,
zu Recht erkannt:
1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
2. Die ordentliche Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang:
Mit Strafverfügung vom 19.04.2019, Zl ***, hat die Bezirkshauptmannschaft X dem Beschwerdeführer eine Übertretung gemäß § 37 Abs 1 in Verbindung mit § 1 Abs 3 Führerscheingesetz vorgeworfen und über ihn eine Geldstrafe in Höhe von Euro 200,00 (92 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.
Laut RSb-Rückschein wurde die Strafverfügung am 07.05.2019 hinterlegt, wobei als Beginn der Abholfrist der 08.05.2019 vom Zusteller vermerkt wurde.
Mit Datum 29. Mai 2019 hat der nunmehrige Beschwerdeführer per E-Mail Einspruch gegen die Strafverfügung erhoben.
Mit Bescheid vom 03.06.2019, Zl ***, hat daraufhin die Bezirkshauptmannschaft X den Einspruch gegen die Strafverfügung als verspätet eingebracht zurückgewiesen.
Gegen diesen Zurückweisungsbescheid wurde am 24. Juni 2019 Beschwerde erhoben und in dieser ausgeführt, wie folgt:
„In umseits bezeichneter Verwaltungsstrafsache erhebt der Beschuldigte durch seinen bevollmächtigten Vertreter BB, Rechtsanwalt in Y, Adresse 2, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 03.06.2019 zu ***, zugestellt am 05.06.2019, sohin innerhalb offener Frist, nachstehende
BESCHWERDE:
Der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 03.06.2019 zu *** wird seinem gesamten Inhalt und Umfang nach angefochten, und weiter ausgeführt wie folgt:
Mit nunmehr angefochtenem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 03.06.2019 zu *** wurde der Einspruch des Beschuldigten gegen die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft X vom 19.04.2019 zu ***, eingebracht am 29.05.2019, gemäß § 49 Abs 1 VStG als verspätet zurückgewiesen. Als Begründung wurde ausgeführt, dass die angefochtene Strafverfügung dem Beschuldigten am 08.05.2019 zugestellt worden sei. Der Beschuldigte habe den Einspruch trotz richtiger Rechtsmittelbelehrung am 29.05.2019 (Datum des Poststempels) bei der Bezirkshauptmannschaft X eingebracht, obwohl die für die rechtzeitige Einbringung eines Einspruches vorgesehene Frist am 22.05.2019, 24:00 Uhr, abgelaufen sei.
Der Beschuldigte war der Meinung, dass die Einspruchsfrist erst zu laufen beginnt, wenn er die Strafverfügung bei der Post abholt. Es kann einem rechtsunkundigen Menschen nicht zum Nachteil gereichen, dieser Meinung zu sein. Ferner ist zu berücksichtigen, dass der Beschuldigte aufgrund der Arbeitsüberlastung Ende Mai den Abholschein nicht genau gelesen hat, bzw. handelt es sich auf Seiten des Beschuldigten um einen Flüchtigkeitsfehler, nicht genau gelesen zu haben, was auf dem Abholschein steht. Der Beschuldigte war jedenfalls aufgrund des Arbeitsstresses der Meinung, dass er jedenfalls rechtzeitig den Einspruch am 29.05.2019 erhoben hat.
Bis zum eindeutigen Beweis des Gegenteils wird ausdrücklich bestritten, dass die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft X vom 19.04.2019 rechtsgültig zugestellt wurde. Es liegt somit keine rechtsgültige Zustellung nach dem Zustellgesetz vor.
Mit Schriftsatz vom 12.06.2019 hat der Beschuldigte rechtzeitig gegen den nunmehr angefochtenen Bescheid bei der Bezirkshauptmannschaft X einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand eingebracht.
Evident ist ferner, dass der Beschuldigte die ihm vorgeworfene Verwaltungsübertretungen (laut Strafverfügung der Bezirkshauptmannschafts X vom 19.04.2019 zu ***) nicht begangen hat. Ihm ist unerklärlich, wie die Behörde dazu kommt.
Aus obgenannten Gründen werden sohin gestellt die
ANTRÄGE:
Das Landesverwaltungsgericht Tirol wolle
1.) in Stattgebung dieser Beschwerde den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 03.06.2019 zu *** ersatzlos beheben, in eventu
2.) in Stattgebung dieser Beschwerde den seitens des Beschuldigten mit Schriftsatz vom 29.05.2019 eingebrachten Einspruch gegen die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft X vom 19.04.2019 zu *** als rechtszeitig erklären, in eventu
3.) in Stattgebung dieser Beschwerde den angefochtenen Bescheid aufheben, und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung, sowie zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Erstbehörde zurückverweisen.
4.) Eine mündliche Berufungsverhandlung wird ausdrücklich beantragt.
AA“
Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den Akt der Bezirkshauptmannschaft X, Zl *** sowie in den Akt des Landesverwaltungsgerichts Tirol, Zl 2019/21/2164. Beweis wurde weiters aufgenommen in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol am 19. August 2020. Zu dieser Verhandlung ist der Beschwerdeführer nicht erschienen. Der Beschwerdeführer war rechtsfreundlich vertreten.
Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers hat in der Verhandlung am 19. August 2020 weiter vorgebracht, wie folgt:
„Ein Beschuldigter in einem Verwaltungsstrafverfahren hat nicht die Verpflichtung, „sich frei zu beweisen“. Vielmehr hat die Behörde die Verpflichtung, einem Beschuldigten die vorgeworfene Verwaltungsübertretung zu beweisen. Aus diesem Grunde hat seitens der Behörde eine hinreichende Auseinandersetzung mit den vom Beschuldigten vorgebrachten – und für den Ausgang der Rechtssache wesentlichen – Argumenten zu erfolgen. Somit hat auch eine hinreichende Auseinandersetzung mit den Beweisanträgen eines Beschuldigten zu erfolgen, da ansonsten eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren gemäß Artikel 6 EMRK vorliegt (vgl Entscheidung des EGMR zu 18.498/15, Urteil vom 12.03.2020, Aslan Ismailov gg. Aserbaidschan).“
Die Verhandlung wurde sodann geschlossen und das Erkenntnis mündlich verkündet.
II. Sachverhaltsfeststellung:
Aufgrund der aufgenommenen Beweismittel steht folgender entscheidungswesentliche Sachverhalt fest:
Die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft X vom 19.04.2019 ist dem Beschwerdeführer durch Hinterlegung nachweislich am 07.05.2019 zugestellt worden. Dem Rückschein des RSb-Briefes, welcher im Akt einliegt, ist zu entnehmen, dass als Beginn der Abholfrist vom Zusteller der 08.05.2019 vermerkt wurde.
Es kann nicht festgestellt werden, dass bei der Zustellung irgendwelche Mängel aufgetreten sind. Festzustellen ist jedoch, dass der Beschwerdeführer nicht innerhalb der zweiwöchigen Einspruchsfrist gegen die Strafverfügung ein Rechtsmittel erhoben hat. Die Einspruchsfrist endete am 22. Mai 2019. Der Einspruch wurde am 29. Mai 2019 per E-Mail eingebracht. Im Einspruch wird fälschlicherweise behauptet, dass die Zustellung am 15.05.2019 erfolgt sei. Diese Behauptung steht in krassem Wiederspruch zu den Eintragungen des Zustellers am RSb-Rückschein, welcher sich im Akt befindet.
III. Beweiswürdigung:
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich für das erkennende Gericht zweifels- und widerspruchsfrei aus dem vorliegenden Akteninhalt. Das erkennende Gericht hat keinen Zweifel daran, dass die seinerzeitige Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft X ordnungsgemäß zugestellt worden war. Es besteht für das Gericht kein Anlass, an der Richtigkeit der Eintragungen am RSb-Rückschein zu zweifeln. Auf die Einvernahme des Zustellers als Zeugen konnte daher verzichtet werden, da es bei dem diesbezüglichen Beweisantrag wohl offensichtlich nur um einen Erkundungsbeweis geht. Es finden sich keine Anhaltspunkte, warum die Zustellung nicht ordnungsgemäß erfolgt sein sollte.
Die Tatsache, dass im verspäteten Einspruch die Zustellung am 15.05.2019 behauptet wird, vermag nicht zu überzeugen und hat offensichtlich lediglich den Zweck, der Behörde die Rechtzeitigkeit des Einspruches plausibel zu machen.
Auf die Einholung eines universitären Sachverständigengutachtens zur Frage ob die Hinterlegungsanzeige für einen rechtsunkundigen Bürger verständlich ist oder nicht, konnte ebenfalls verzichtet werden, da die Hinterlegungsanzeige der Zustellformularverordnung samt Anhängen entspricht.
Die Klärung der gegenständlichen Angelegenheit reduziert sich sohin auf die Lösung der dahinterstehenden Rechtsfrage, ob der Beschwerdeführer rechtzeitig ein Rechtsmittel gegen die Strafverfügung erhoben hat oder nicht. Hierzu bedurfte es nicht der Aufnahme weiterer Beweismittel.
IV. Rechtliche Beurteilung:
Nach § 49 Abs 1 VStG kann der Beschuldigte gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen.
Wie bereits oben ausgeführt, wurde die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft X dem Beschwerdeführer durch Hinterlegung rechtsgültig zugestellt am 07.05.2019 mit Beginn der Abholfrist 08.05.2019. Die Rechtsmittelfrist endete daher am 22.05.2019. Das Rechtsmittel des Einspruchs wurde erst am 29. Mai 2019 per E-Mail eingebracht und war somit verspätet und wurde der Einspruch daher richtigerweise von der belangten Behörde als verspätet eingebracht zurückgewiesen.
Für den Beschuldigten ist mit dem Vorbringen in der Beschwerde, wonach er der Meinung war, dass die Einspruchsfrist erst zu laufen beginnt, wenn er die Strafverfügung bei der Post abholt, nicht gewonnen. Die seinerzeitige Strafverfügung enthielt eine standardisierte, leicht verständliche Rechtsmittelbelehrung, die auch von rechtsunkundigen Menschen leicht verstanden werden kann. Die Tatsache, dass der Beschwerdeführer aufgrund der Arbeitsüberlastung Ende Mai den Abholschein nicht genau gelesen hat, ist ebenfalls nicht dazu angetan, die Fristversäumnis zu rechtfertigen.
Insgesamt war daher spruchgemäß zu entscheiden und die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.
Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.
Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.
Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.
Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Dr. Wurdinger
(Richter)
Schlagworte
Einspruch verspätetEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2020:LVwG.2019.21.2164.3Zuletzt aktualisiert am
24.09.2020