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L81705 Baulärm Salzburg;Norm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schrefler-König, über die Beschwerde des J in S, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Salzburg vom 17. Juni 1997, Zl. UVS-17/70/2-1997, betreffend eine Verwaltungsübertretung nach dem Salzburger Baupolizeigesetz (weitere Partei: Salzburger Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.010,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde
St. Johann im Pongau vom 12. Oktober 1993 wurde dem Beschwerdeführer die baupolizeiliche Bewilligung zur Errichtung eines Austragwohnhauses mit angebauter Pkw-Garage nach Maßgabe der angeschlossenen Niederschrift und den genehmigten Einreichplänen erteilt. Mit Anordnung des Bürgermeisters vom 11. Juli 1994 wurde die unverzügliche Einstellung der Bauarbeiten verfügt, weil aufgrund amtlicher Wahrnehmung festgestellt worden sei, daß das Objekt bei weitem nicht plangemäß ausgeführt worden sei. Anläßlich einer Niederschrift am 26. Juli 1994, bei der der Beschwerdeführer anwesend war, stellte der Sachverständige fest, daß die an der Südseite geplante Terrasse überbaut bzw. ausgebaut (Wintergarten und Zimmer im Erdgeschoß und zwei Zimmer im Obergeschoß) und das Haus in der Hauptabmessung um 4,53 m verlängert und um 2 m verbreitert worden sei. Im vergrößerten Kellergeschoß seien nunmehr gegenüber den Kellerräumen im genehmigten Projekt zwei Kleinwohneinheiten (Ferienwohnungen) vorgesehen. Im vergrößerten Erdgeschoß sei neben der Austragswohneinheit noch eine weitere Ferienwohnung integriert. Im ebenfalls vergrößerten Obergeschoß seien zwei weitere Ferienwohneinheiten geplant, die gegenüber dem bewilligten Obergeschoß wesentlich größer und komfortabler ausgebildet seien. In Summe stelle das bereits fast fertiggestellte Austragswohnhaus fünf Ferienwohnungen dar. Es handle sich um keine geringfügige Abweichung im Sinne des § 16 des Baupolizeigesetzes.
Der Beschwerdeführer ersuchte sodann um nachträgliche Erteilung der Baubewilligung für die Änderungen bzw. den Abbruch von Bauteilen, wobei das Baugesuch mit den Plänen der K.-U. PlanunggesmbH vom 22. August 1994 belegt war. Über dieses Baugesuch wurde eine Verhandlung am 27. Oktober 1994 durchgeführt, in der die erforderlichen und in den Plänen bereits dargestellten Änderungen erörtert wurden. Mit Bescheid des Bürgermeisters vom 10. November 1994 wurde dem Beschwerdeführer die beantragte Bewilligung zum Abbruch der nicht im Sinne des Bescheides vom 12. Oktober 1993 errichteten Bauteile erteilt, weiters wurden nachträgliche Änderungen an dem Austragwohnhaus bewilligt, wie sie aus dem Plan vom 22. August 1994 hervorgingen.
Mit Bescheid vom 23. Juni 1995 wurde dem Beschwerdeführer die Benützungsbewilligung für das fertiggestellte Austragwohnhaus erteilt. Anläßlich der diesem Bescheid zugrundeliegenden mündlichen Verhandlung vom 23. Mai 1995, an der der Beschwerdeführer teilgenommen hat, wurde festgestellt, daß die Baumaßnahmen im wesentlichen entsprechend dem Austauschplan (Bescheid vom 10. November 1994) durchgeführt wurden.
Aufgrund einer anonymen Anzeige betreffend die Durchführung nachträglicher Bauarbeiten ohne Baubewilligung wurde am 9. Februar 1996 eine Bauverhandlung durchgeführt, in der das Wohnhaus einer Überprüfung unterzogen wurde. Hiebei wurde festgestellt, daß die nunmehr geänderten Baumaßnahmen im wesentlichen so ausgeführt wurden, wie sie in einem Einreichplan vom 8. Juni 1994, der nicht bewilligt wurde, dargestellt sind. Im Untergeschoß lagen nunmehr zwei Wohneinheiten mit dazugehörigen Sanitärräumen vor. Eine davon stand leer, die zweite wurde von einem Sohn bewohnt. Der im nicht bewilligten Plan dargestellte Abstellraum wurde als Kinderzimmer verwendet, der genehmigte Plan sah in diesem Bereich lediglich Lager- und Wirtschaftsräume vor. Das Erdgeschoß wurde durch die Herstellung eines abgeschlossenen Wintergartens inklusive einer massiven Stahlbetondecke darüber erweitert. Vom Beschwerdeführer wurde dazu ausgeführt, daß es sich um eine Holzdecke handle. Im Obergeschoß wurden zwei Appartements bestehend aus je zwei Schlafzimmern, einer Wohnküche sowie Bad mit WC hergestellt. Genehmigt sei lediglich ein Appartement, bestehend aus einem Schlafzimmer, einer Wohnküche und einem Bad mit WC. Die Gesamtgeschoßfläche betrage überschlägig berechnet ca. 360 m2. Es werde die zulässige Geschoßfläche für Austragshäuser beinahe um das Doppelte überschritten. Der Beschwerdeführer äußerte sich dazu, daß der Ausbau aus finanziellen Gründen erfolgt sei, da er das Objekt nicht ohne vollständige Nutzung stehen lassen könne. Weiters gab er an, daß er diese Baumaßnahme in der Zeit von September bis November 1995 selbst ohne Inanspruchnahme eines Bauführers durchgeführt habe. Er ersuche die Baubehörde, diese Baumaßnahmen nachträglich zu bewilligen.
Mit Aufforderung zur Rechtfertigung als Beschuldigter wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, es sei anläßlich einer Verhandlung vom 9. Februar 1996 festgestellt worden, daß bei der Errichtung des Austragswohnhauses auf der GP 579/1, KG P., wesentlich von der Baubewilligung abgewichen worden sei. Die geänderten Baumaßnahmen seien im wesentlichen so ausgeführt worden, wie sie in einem Einreichplan vom 8. Juni 1994, der nicht bewilligt worden sei, dargestellt worden seien.
Baumaßnahmen seien vom Beschwerdeführer von September bis November 1995 durchgeführt worden, nachdem mit Bescheid des Bürgermeisters vom 23. Juni 1995 bereits die plan- und bescheidmäßige Ausführung festgestellt worden sei. In der mündlichen Verhandlung vor der Behörde erster Instanz gab der Beschwerdeführer an, er werde für die nicht konsensgemäßen Baumaßnahmen nachträglich um Baubewilligung ansuchen. Die Baumaßnahmen seien durchgeführt worden, weil dies finanziell notwendig geworden sei. In einer ergänzenden Rechtfertigung als Beschuldigter gab der nunmehr anwaltlich vertretene Beschwerdeführer an, die inkriminierten baulichen Maßnahmen seien einerseits wegen der schwierigen wirtschaftlichen Situation und andererseits wegen der bautechnischen Gegebenheiten gesetzt worden.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft
St. Johann im Pongau vom 17. April 1994 wurde über den Beschwerdeführer eine Strafe von S 70.000,-- (Ersatzarrest 12 Tage) wegen Übertretung des § 23 Abs. 1 iVm § 16 Abs. 4 des Salzburger Baupolizeigesetzes verhängt. Der Tatvorwurf des Spruches ist gleichlautend mit der Aufforderung zur Rechtfertigung als Beschuldigter.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, es sei schon in der Verhandlungsschrift vom 1. September 1993, auf deren Grundlage der baubehördliche Bewilligungsbescheid vom 12. Oktober 1993 ergangen sei, festgehalten, daß im Untergeschoß Aufenthaltsräume sowie diverse Abstellräume vorgesehen seien. Es sei somit von vornherein immer eine Bewilligung auch für Räume für den Aufenthalt von Menschen vorgelegen. Auch der einen Bestandteil des Bescheides vom 10. November 1994 bildende Plan sehe im Erdgeschoß neben der Austragswohnung eine Ferienwohnung vor. Es könne daher von vornherein keine Rede davon sein, daß es sich beim gegenständlichen Objekt nur um ein Austragshaus mit der Maßgabe gehandelt habe, daß die Gesamtgeschoßfläche 200 m2 nicht überschreiten dürfe. In der Baubewilligung vom 10. November 1994 sei die Objektnutzung dahingehend modifiziert worden, daß sich in dem Gebäude zwar eine Austragswohnung befindet, es aber nicht mehr insgesamt als Austragshaus einzuordnen sei. Wenn es im Straferkenntnis heiße, im Obergeschoß seien zwei Appartements hergestellt worden, so decke sich dies mit der vorbeschriebenen Baubewilligung vom 12. Oktober 1993. Es folgen Ausführungen zur Strafhöhe.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 17. Juni 1997 wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis keine Folge gegeben, das erstinstanzliche Erkenntnis wurde mit der Maßgabe bestätigt, daß in der Tatumschreibung die Wortfolge "bei der Errichtung des Austragwohnhauses auf GP 579/1, KG P., wesentlich von der Baubewilligung abgewichen wurde" durch die Wortfolge "am Austragwohnhaus auf GP 579/1, KG P., (baupolizeilicher Benützungsbewilligungsbescheid vom 23.6.1995 des Bürgermeisters der Marktgemeinde St. Johann im Pongau, Zahl 1632/13/1993) Baumaßnahmen ohne baubehördliche Genehmigung ausgeführt wurden" zu ersetzen sind; im zweiten Satz der Tatumschreibung habe das Wort "geänderten" zu entfallen und es sei das Zitat der übertretenen Norm "§ 16 Abs 4" durch § 12 Abs 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 lit. a) und e)" zu ersetzen. Dem Beschwerdeführer wurde zu dem Kostenbeitrag im erstinstanzlichen Verfahren ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in der Höhe von S 14.000,-- auferlegt.
Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, aus der Baugenehmigung vom 10. November 1994 ergebe sich betreffend die Verwendung des Kellergeschosses eine solche ausschließlich für Lager- und Wirtschaftsräume. Diesbezüglich stehe nunmehr unbestritten fest, daß in diesem Bereich u.a. zwei Wohneinheiten einschließlich Sanitärräume eingerichtet worden seien. Aufgrund der geänderten Baubewilligung vom 10. November 1994 habe weder jene aus dem Jahre 1993 noch die diesbezügliche Verhandlungsschrift substantielle Bedeutung. Hinsichtlich der Herstellung des Wintergartens einschließlich der darüber situierten Holzdecke ergebe sich aus dem Bescheid vom 10. November 1994 in Verbindung mit der Bauverhandlungsschrift vom 27. Oktober 1994 unzweifelhaft, daß dieser Bereich im Sinne dieser Baugenehmigung offen zu gestalten gewesen sei. Darüber hinaus könne im Zusammenhang mit der Errichtung des geschlossenen Wintergartens mit darüber situierter Holzdecke keinesfalls von einer baubehördlich bewilligten Maßnahme ausgegangen werden. Bezüglich des Dachgeschosses gehe die baubehördliche Bewilligung vom 10. November 1994 von der zulässigen Errichtung einer Wohneinheit im Gesamtausmaß von ca. 56 m2 aus. Darüber hinaus sei dieser Bereich als Dachboden zu nutzen. Auch insofern liege im gegenständlichen Fall durch die Errichtung von zwei Wohneinheiten eine bewilligungspflichtige Maßnahme im Sinne des Baupolizeigesetzes vor. Diese Maßnahmen seien vom Beschwerdeführer ohne baubehördliche Genehmigung nach Erteilung der baupolizeilichen Benützungsbewilligung vom 23. Juni 1995 realisiert worden, es liege daher eine entsprechende Übertretung des § 12 Abs. 1 des Baupolizeigesetzes vor. Es folgen Ausführungen zur Strafbemessung.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zunächst wird in der Beschwerde gerügt, daß zu Unrecht keine mündliche Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat durchgeführt worden sei. Anläßlich dieser Verhandlung hätte der Beschwerdeführer anhand der Einreichpläne nachweisen können, daß die durchgeführten Maßnahmen durch die Baubewilligung gedeckt seien und daher der angefochtene Bescheid einen anderen Inhalt haben könnte.
Schon dieses Vorbringen ist geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen:
Gemäß § 51e Abs. 1 VStG 1991, in der Fassung BGBl. Nr. 620/1995, ist dann, wenn die Berufung nicht zurückzuweisen ist oder wenn nicht bereits aus der Aktenlage oder aufgrund ergänzender Erhebungen ersichtlich ist, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, eine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen. Zu dieser sind die Parteien und die zu hörenden Personen, insbesondere Zeugen und Sachverständige, zu laden. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung kann dann, wenn in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder wenn sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid oder nur gegen die Höhe der Strafe richtet oder wenn im bekämpften Bescheid eine S 3.000,-- nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, eine Verhandlung unterbleiben, es sei denn, daß eine Partei die Durchführung einer Verhandlung ausdrücklich verlangt. Nach Abs. 3 dieser Bestimmung kann von der Verhandlung abgesehen werden, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten.
Im Beschwerdefall hat der Beschwerdeführer in seiner Berufung im Tatsachenbereich ein Vorbringen dahingehend erstattet, daß die von ihm durchgeführten Baumaßnahmen bewilligt sind. Es lag somit kein Fall vor, in dem gemäß § 51e Abs. 1, 2 oder 3 VStG 1991 von einer Verhandlung abgesehen werden konnte. In der Beschwerde wurde auch die Relevanz des Verfahrensmangels behauptet.
In dem erstinstanzlichen Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer, entsprechend der Aufforderung zur Rechtfertigung als Beschuldigter, zur Last gelegt, daß bei der Errichtung des Austragswohnhauses wesentlich von der Baubewilligung abgewichen wurde. Im nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die Tatumschreibung insofern geändert, als dem Beschwerdeführer nunmehr zur Last gelegt wurde, daß am Austragwohnhaus (baupolizeilicher Benützungsbewilligungsbescheid vom 23. Juni 1995) Baumaßnahmen ohne baubehördliche Genehmigung ausgeführt wurden. Während im erstinstanzlichen Bescheid noch davon ausgegangen wurde, daß anläßlich der Errichtung des Austragswohnhauses von der Baubewilligung abgewichen wurde, geht der nunmehr angefochtene Bescheid davon aus, daß am Austragswohnhaus nach Erteilen der baubehördlichen Benützungsbewilligung Baumaßnahmen ohne baubehördliche Genehmigung ausgeführt wurden. Ein derartiger Austausch des Tatvorwurfes stellt aber nicht eine zulässige Konkretisierung des inkriminierten Tatbestandes dar, es handelt sich hiebei vielmehr um die Zurlastlegung einer anderen Tat als jener, die Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens war. Durch den Austausch der Wortfolge "bei der Errichtung des Austragwohnhauses ... von der Baubewilligung abgewichen wurde"
durch die Wortfolge "... am Austragwohnhaus (baupolizeilicher Benützungsbewilligungsbescheid vom 23.6.1995) Baumaßnahmen ohne behördliche Genehmigung ausgeführt wurden" ist die als erwiesen angenommene Tat im Sinne des § 44a Z. 1 VStG so abgeändert worden, daß wesentliche Tatbestandsmerkmale ausgetauscht wurden.
Damit ist aber der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, sodaß er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verwaltungsstrafrecht Spruch der Berufungsbehörde Änderungen des Spruches der ersten InstanzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997060170.X00Im RIS seit
03.05.2001