Entscheidungsdatum
15.10.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
L521 2168583-1/11Z
L521 2168585-1/33Z
L521 2168587-1/15Z
L521 2181155-1/11Z
IM NAMEN DER REPUBLIK!
I. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Mathias Kopf, LL.M. über die Beschwerden des XXXX , alle Staatsangehörigkeit Irak, alle vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, 1090 Wien, Alser Straße 20, jeweils gegen die Spruchpunkte III. und IV. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.08.2017, Zlen. XXXX , XXXX und XXXX , nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 04.07.2019 zu Recht:
A) Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
II. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Mathias Kopf, LL.M. über die Beschwerde des XXXX , Staatsangehörigkeit Irak, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, 1090 Wien, Alser Straße 20, gegen die Spruchpunkte III., IV., V. und VI. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.12.2017, Zl. 1175121609-171328184, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 04.07.2019 zu Recht:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Erstbeschwerdeführer ist mit der Zweitbeschwerdeführerin verheiratet, die minderjährige Drittbeschwerdeführerin und der minderjährige Viertbeschwerdeführer sind die ehelichen Kinder der Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin.
Sämtliche Beschwerdeführer sind Staatsangehörige des Irak und gehören der arabischen Volksgruppe an.
2.1. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin stellten am 06.09.2015 im Gefolge ihrer unrechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Rahmen der niederschriftlichen Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am Tag der Antragstellung legte der Erstbeschwerdeführer dar, den Namen XXXX zu führen. Er sei am XXXX in Bagdad geboren, Angehöriger der arabischen Volksgruppe und bekenne sich zum Islam. Zuletzt habe er in Bagdad gelebt und als Angestellter gearbeitet.
Im Hinblick auf den Reiseweg brachte der Erstbeschwerdeführer zusammengefasst vor, den Irak etwa einen Monat vor der Einreise mit der Zweitbeschwerdeführerin legal von Bagdad ausgehend im Luftweg in die Türkei verlassen zu haben. In der Folge sei er schlepperunterstützt auf dem Seeweg nach Griechenland gelangt und dort des Landes verwiesen worden. Daraufhin sei er mit der Fähre nach Athen gereist und von dort aus nach der Herstellung des Kontaktes zu einem Schlepper auf dem Landweg mit verschiedenen Fahrzeugen nach Österreich verbracht worden. Sein Reisedokument habe er "im Meer verloren".
Zu den Gründen der Ausreise befragt, führte der Erstbeschwerdeführer aus, er sei im Irak aufgrund seines Bekenntnisses zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam von schiitischen Milizen mit dem Tod bedroht worden. Er sei einmal entführt und sein Haus in Brand gesetzt worden.
2.2. Die Zweitbeschwerdeführerin brachte im Rahmen der niederschriftlichen Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes vor, den Namen XXXX zu führen. Sie sei am XXXX in Bagdad geboren, Angehörige der arabischen Volksgruppe und bekenne sich zum Islam. Zuletzt habe sie in Bagdad gelebt und den Haushalt geführt.
Zu den Gründen der Ausreise befragt, führte die Zweitbeschwerdeführerin aus, der Erstbeschwerdeführer sei von schiitischen Milizen bedroht und einmal entführt worden. Ihr Reisedokument habe sie ebenfalls "im Meer verloren".
2.3. Die Drittbeschwerdeführerin wurde am XXXX in Krems an der Donau geboren. Am 08.06.2016 stellten der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin als gesetzliche Vertreterin der Drittbeschwerdeführerin für diesen einen Antrag auf internationalen Schutz.
Der Viertbeschwerdeführer wurde am XXXX in St. Pölten geboren. Am 21.11.2017 stellte der Erstbeschwerdeführer als gesetzlicher Vertreter des Viertbeschwerdeführers für diesen einen Antrag auf internationalen Schutz.
2.4. Nach Zulassung der Verfahren wurde der Erstbeschwerdeführer am 10.11.2016 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, im Beisein eines gerichtlich beeideten Dolmetschers in der Sprache Arabisch niederschriftlich einvernommen.
Eingangs bestätigte der Erstbeschwerdeführer, einvernahmefähig zu sein und die arabische Sprache zu verstehen. Zu seiner Person legte er konkretisierend dar, den Namen XXXX zu führen, sich zum Islam der sunnitischen Glaubensrichtung zu bekennen und nunmehr identitätsbezeugende Dokument im Original vorlegen zu können.
Er habe im Herkunftsstaat dreizehn Jahre die Schule besucht und die Matura erlangt. Im Anschluss daran habe er zwei Jahre studiert, das Studium jedoch im Jahr 2007 aufgrund der Sicherheitslage abgebrochen. Zuletzt habe er in Bagdad im Bezirk XXXX gemeinsam mit der Zweitbeschwerdeführerin in einem gemieteten Haus gelebt und ein Geschäft für EDV-Reparaturen und Handyzubehör geführt. Seine Eltern sowie sein Bruder und seine zwei Schwestern lebten nach wie vor in Bagdad.
Befragt nach dem Grund für das Verlassen des Heimatstaates gab der Erstbeschwerdeführer an, er sei bedroht und sein Haus verbrannt worden, "sie" würden ihn entführen und töten wollen.
Auf Nachfrage legte der Beschwerdeführer dar, dass er von der Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq bedroht worden sei. Die Miliz habe von ihm einen Internetanschluss verlangt, was er jedoch abgelehnt habe. Zwei Tage später hätten ihn fünf Personen in seinem Geschäft aufgesucht und ihm mitgeteilt, dass er ein vollständiges Internetsystem für die Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq spenden müsse. Nachdem er abgelehnt habe, sei er als Sunnite beschimpft worden. Am nächsten Tag habe er einen Drohbrief erhalten und sich mit seiner Gattin umgehend zu deren Familie begeben. Vier Tage später habe er erfahren, dass sein Haus abgebrannt sei. Auf dem Weg dorthin sei er von einem Fahrzeug verfolgt und daraus beschossen worden. In der Folge habe er sich zur Ausreise entschieden.
Am 04.08.2017 wurde der Erstbeschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, im Beisein eines geeigneten beeideten Dolmetschers in der Sprache Arabisch einer ergänzenden Einvernahme vor dem zur Entscheidung berufenen Organwalter unterzogen. Er legte dabei insbesondere dar, der einzige Sunnite in einem schiitischen Gebiet gewesen zu sein. Den Drohbrief könne er nicht im Original beischaffen, da sein Schwiegervater diesen entsorgt habe.
2.5. Die Zweitbeschwerdeführerin wurde ebenfalls zunächst am 10.11.2016 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, im Beisein eines gerichtlich beeideten Dolmetschers in der Sprache Arabisch niederschriftlich vor dem zur Entscheidung berufenen Organwalter einvernommen.
Auch die Zweitbeschwerdeführerin bestätigte eingangs, einvernahmefähig zu sein und die arabische Sprache zu verstehen. Zu ihrer Person legte sie konkretisierend dar, sich zum Islam der sunnitischen Glaubensrichtung zu bekennen und nunmehr identitätsbezeugende Dokument im Original vorlegen zu können. Im Irak habe sie die Grundschule und die Mittelschule im Gesamtausmaß von neun Jahren besucht und zuletzt den Haushalt geführt.
Ihre Eltern und ihre zwei Brüder sowie sieben Onkel und fünf Tanten väterlicherseits sowie fünf Onkeln und zwei Tanten mütterlicherseits würden allesamt im Irak leben. Sie selbst wolle keine eigenen Ausreisegründe vorbringen und habe auch keine Verfolgungshandlungen vor der Ausreise erlitten. Der Erstbeschwerdeführer sei jedoch in seinem Geschäft bedroht worden. Einige Zeit später sei ihr ein Drohbrief zuhause zugegangen.
Am 04.08.2017 wurde auch die Zweitbeschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, im Beisein eines geeigneten beeideten Dolmetschers in der Sprache Arabisch einer ergänzenden Einvernahme vor dem zur Entscheidung berufenen Organwalter unterzogen. Sie legte dabei im Wesentlichen dar, dass sich ihre Familie in Bagdad aufhalten und es ihr gut gehen würde. Im Fall einer Rückkehr könne sie sich an ihre Eltern wenden, ihre Geschwister wären noch zu jung.
2.6. Mit den hier angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.08.2017, Zlen. 1085909010-151280225, 1085909805-151280233 und 1118014309-160800511, wurden die Anträge des Erstbeschwerdeführers, der Zweitbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführerin auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten jeweils gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak jeweils gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde wider die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG 2005 erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer in den Irak gemäß § 46 FPG 2005 zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 2005 betrage die Frist für eine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).
Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen aus, die vorgebrachte Bedrohung werde als nicht glaubhaft erachtet. Der Erstbeschwerdeführer sei zunächst nur zur Übergabe einer EDV-Anlage erhalten worden, im Fall des Zutreffens der behaupteten Furcht wäre lebensnah, die Aufforderung zu erfüllen. Der vorgelegte Drohbrief nehme auf die vorangehenden Ereignisse keinen Bezug und sei inhaltlich unbestimmt. Darüber hinaus habe sich der Beschwerdeführer in Widersprüche in Bezug auf die Erstbefragung verwickelt und es sei nicht nachvollziehbar, dass er nicht bei seinen Schwiegereltern von den schiitischen Milizen aufgefunden wurde.
Eine Rückkehr in den Irak sei den Beschwerdeführern möglich und zumutbar, da der Erstbeschwerdeführer gesund und arbeitsfähig sei und sowohl er als auch die Zweitbeschwerdeführerin in Bagdad über zahlreiche Familienangehörige verfügen würden.
2.7. Mit dem hier ebenfalls angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.12.2017, Zl. 1175121609-171328184, wurde der Antrag des Vierbeschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wider den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG 2005 (Spruchpunkt IV.) erlassen sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Irak gemäß § 46 FPG 2005 zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 2005 wurde ausgesprochen, dass die Frist für eine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).
Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen unter weitgehender Bezugnahme auf die in der Sache des Erstbeschwerdeführers ergangene Entscheidung aus, der Viertbeschwerdeführer habe keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht. Da den Anträgen der Angehörigen des Viertbeschwerdeführer auf internationalen Schutz kein Erfolg beschieden gewesen sei, könne der Viertbeschwerdeführer im Wege des Familienverfahrens keinen Schutz erlangen. Eine Rückkehr in den Herkunftsstaat sei ihm im Familienverband möglich und zumutbar.
2.8. Mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.08.2017 bzw. vom 01.12.2017 wurde den Beschwerdeführern gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben und die Beschwerdeführer ferner gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG darüber informiert, dass sie verpflichtet sind, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.
2.9. Gegen die dem Erstbeschwerdeführer, der Zweitbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführerin am 09.08.2017 eigenhändig zugestellten Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.08.2017, Zlen. 1085909010-151280225, 1085909805-151280233 und 1118014309-160800511, richtet sich die im Wege der beigegebenen Rechtsberatungsorganisation fristgerecht eingebrachte gemeinsame Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht vom 17.08.2017.
In dieser wird inhaltliche Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften moniert und beantragt, die angefochtenen Bescheide abzuändern und dem Antrag auf internationalen Schutz Folge zu geben und dem Erstbeschwerdeführer, der Zweitbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführerin den Status eines Asylberechtigten oder hilfsweise den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen oder ihnen hilfsweise einen Aufenthaltstitel aus den Gründen des §§ 55 AsylG 2005 oder § 57 AsylG 2005 zuzuerkennen und die Rückkehrentscheidung aufzuheben. Darüber hinaus wird jedenfalls eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht begehrt.
In der Sache wird nach neuerlicher Darlegung des aus Sicht der Beschwerdeführer maßgeblichen Sachverhaltes im Wesentlichen vorgebracht, bei der Erstbefragung wären Übersetzungsfehler unterlaufen und liege der vermeintliche Widerspruch somit nicht vor. Ansonsten habe sich der Beschwerdeführer als von der Miliz ausgenutzt und provoziert erachtet und sich deshalb anfänglich den Forderungen verweigert. Beim versuchten Schussattentat habe der Beschwerdeführer aus Angst gegenüber der Polizei nicht offengelegt, dass er sich von einer Miliz als verfolgt erachte, da er befürchtet habe, dass einer der Polizisten der Miliz angehören könnte. Überhaupt habe er ein nachvollziehbares und konkretes Vorbringen erstattet, wenn das belangte Bundesamt nähere Angaben vermisse, liege das an unzureichenden Nachfragen.
Das belangte Bundesamt habe die angefochtenen Bescheide auch auf unzureichende Länderinformationen gestützt. Den Länderberichten zufolge sei der Irak in mehrfacher Hinsicht ein gescheiterter Staat und es wären regierungstreue Milizen für zahlreiche Menschenrechtsverletzungen verantwortlich. Der Staat könne die Grundversorgung der Bürger auch nicht stetig und in allen Landesteilen gewährleisten.
2.10. Gegen den dem Erstbeschwerdeführer als gesetzlichen Vertreter des Viertbeschwerdeführers am 06.12.2017 durch Hinterlegung zugestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.12.2017, Zl. 1175121609-171328184, richtet sich die ebenfalls im Wege der beigegebenen Rechtsberatungsorganisation fristgerecht eingebrachte gemeinsame Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht vom 11.12.2017.
In dieser wird inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften moniert und beantragt, den angefochtenen Bescheid abzuändern und dem Antrag auf internationalen Schutz Folge zu geben und dem Viertbeschwerdeführer den Status eines Asylberechtigten oder hilfsweise den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen oder ihm hilfsweise einen Aufenthaltstitel aus den Gründen des §§ 55 AsylG 2005 oder § 57 AsylG 2005 zuzuerkennen und die Rückkehrentscheidung aufzuheben. Eventualiter wird ein Aufhebungsantrag gestellt und jedenfalls die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht begehrt.
In der Sache wird auf die den am 17.08.2017 eingebrachten Beschwerdeschriftsatz verwiesen und ergänzend vorgebracht, dass der Viertbeschwerdeführer von "Sippenhaftung bzw. Reflexverfolgung" betroffen wäre. Darüber hinaus wird aus einer zum Irak ergangenen Anfragebeantwortung zur Lage von sunnitischen Rückkehrern in vom Islamischen Staat befreiten und von schiitischen Milizen kontrollierten Gebieten zitiert.
3. Die Beschwerdevorlage betreffend den Erstbeschwerdeführer, die Zweitbeschwerdeführerin und die Drittbeschwerdeführerin langte am 24.08.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Die Rechtssachen wurden in weiterer Folge der nun zur Entscheidung berufenen Abteilung des Bundesverwaltungsgerichts zugewiesen.
Die Beschwerdevorlage betreffend den Viertbeschwerdeführer langte am 29.12.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Auch diese Rechtssache wurde aufgrund der Anhängigkeit der Rechtssachen der Familienmitglieder der nun zur Entscheidung berufenen Abteilung des Bundesverwaltungsgerichts zugewiesen.
4. Mit Note des Bundesverwaltungsgerichts vom 06.06.2019 wurden der rechtsfreundlichen Vertretung der Beschwerdeführer aktuelle Länderdokumentationsunterlagen zur allgemeinen Lage im Irak, der Country of Origin Information Report von EASO vom März 2019 zum Irak betreffend Targeting of Individuals, der Country of Origin Information Report von EASO vom März 2019 zum Irak betreffend Security Situation, der Country of Origin Information Report von EASO vom März 2019 zum Irak betreffend Iraq Body Count - civilian deaths 2012, 2017-2018, der Country of Origin Information Report von EASO vom Februar 2019 zum Irak betreffend Key socio-economic indicators, der EASO Meeting Report Iraq vom 25.04.2017 und vom 26.04.2017, der Bericht des Home Office vom Juni 2017 betreffend Iraq - Sunni (Arab) Muslims, die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 16.05.2019 zur Lage von Kindern in Bagdad und der den Artikel von Thomas Schmidinger zur Lage in Bagdad vom 12.11.2018 zur Vorbereitung der für den 04.07.2019 anberaumten mündlichen Verhandlung übermittelt und die Möglichkeit einer Stellungnahme freigestellt.
Die Beschwerdeführer übermittelten dazu am 02.07.2019 im Wege ihrer rechtsfreundlichen Vertretung Ablichtungen zweier Schriftstücke in arabischer Sprache und brachten dazu vor, dass es sich dabei um einen Haftbefehl und ein Schriftstück über den Stammesausschluss handeln würde. Am 03.07.2019 wurden außerdem Beweismittel im Hinblick auf die Integration im Bundesgebiet in Vorlage gebracht.
5. Am 04.07.2019 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung im Beisein des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin, ihrer rechtsfreundlichen Vertretung und eines Dolmetschers für die arabische Sprache durchgeführt. Im Verlauf dieser Verhandlung wurde dem Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführerin - auch in ihrer Eigenschaft als gesetzliche Vertreter ihrer minderjährigen Kinder - einerseits Gelegenheit gegeben, neuerlich ihre Ausreisemotivation sowie ihre Rückkehrbefürchtungen umfassend darzulegen sowie die aktuelle Lageentwicklung im Irak anhand der im Vorfeld übermittelten Länderdokumentationsunterlagen und Anfragebeantwortungen erörtert. Im Gefolge der mündlichen Verhandlung begehrten die Beschwerdeführer eine Nachfrist zur Vorlage weiterer Beweismittel zu ihrer Integration im Bundesgebiet.
Hinsichtlich der gegen die Spruchpunkte I. und II. der angefochtenen Bescheide erhobenen Beschwerde wurde das Beschwerdeverfahren vom Bundesverwaltungsgerichte als entscheidungsreif erachtet und im Anschluss an die mündliche Verhandlung die gegen Spruchpunkt I. und II. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.08.2017, Zlen. 1085909010-151280225, 1085909805-151280233 und 1118014309-160800511 bzw. die gegen die Spruchpunkt I. und II. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.12.2017, Zl. 1175121609-171328184, erhobenen Beschwerden mit mündlich verkündetem Teilerkenntnis jeweils als unbegründet abgewiesen.
7. Mit Eingabe vom 22.07.2019 brachte der Erstbeschwerdeführer eine Einstellungszusage als Servicekraft in einer Pizzeria in Vorlage und übermittelte außerdem eine Anmeldung zu einer Deutschprüfung. Am 23.07.2019 brachten die Beschwerdeführer im Wege ihrer rechtsfreundlichen Vertretung ergänzend vor, dass die Zweitbeschwerdeführerin nunmehr einen Integrationskurs besuche und seitens der Beschwerdeführer die Ansicht vertreten werde, dass eine beachtenswerte Integration vorliegen würde.
8. Am 01.08.2019 brachten die Beschwerdeführer dem Bundesverwaltungsgericht im Wege ihrer rechtsfreundlichen Vertretung zur Kenntnis, dass der Erstbeschwerdeführer nicht zur Prüfung antreten habe können, da das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ihm die Aufenthaltsberechtigungskarte gemäß § 51 AsylG 2005 abgenommen habe und diese bei der Prüfung vorgewiesen werden müsse.
9. Mit Eingabe vom 02.08.2019 brachten die Beschwerdeführer im Wege ihrer rechtsfreundlichen Vertretung eine Teilnahmebestätigung über die Teilnahme der Zweitbeschwerdeführerin an einem Werte- und Orientierungskurs in Vorlage und teilten unter einem mit, dass der Erstbeschwerdeführer doch zur Deutschprüfung habe antreten können und er nun auf das Ergebnis warten müsse.
10. Am 20.08.2019 brachte der Erstbeschwerdeführer schließlich im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung ein Zertifikat über die erfolgreiche Ablegung der Prüfung über Kenntnisse der deutschen Sprache auf dem Niveau A2 in Vorlage.
11. Da eine schriftliche Ausfertigung der am 04.07.2019 mündlich verkündeten Teilerkenntnisses innerhalb der dafür vorgesehenen Frist nicht beantragt wurde, wurden am heutigen Tage gekürzte Ausfertigungen gemäß § 29 Abs. 5 VwGVG hergestellt und den Beschwerdeführern zugestellt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person der Beschwerdeführer:
1.1.1. Der Erstbeschwerdeführer führt den Namen XXXX , er ist Staatsangehöriger des Irak und Angehöriger der arabischen Volksgruppe. Er wurde am XXXX in Bagdad geboren und lebte dort zuletzt gemeinsam mit der Zweitbeschwerdeführerin im Stadtteil XXXX im Distrikt XXXX in einem gemieteten Haus mit zwei Stockwerken. Der Erstbeschwerdeführer ist Moslem und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam, er ist mit der Zweitbeschwerdeführerin seit dem 01.09.2014 verheiratet und der leibliche Vater der Drittbeschwerdeführerin und des Viertbeschwerdeführers.
Der Erstbeschwerdeführer ist gesund und steht nicht in medizinischer Behandlung.
Die Erstbeschwerdeführer besuchte im Irak die Grundschule und eine weiterführende Schule im Gesamtausmaß von dreizehn Jahren und erlangte die Matura. In der Folge begann er ein Universitätsstudium der Biologie mit dem Schwerpunkt Anthropologie, verließ die Universität jedoch nach zwei Jahren im Jahr 2007 aufgrund der damaligen Sicherheitslage ohne Abschluss. Der Erstbeschwerdeführer trat in das Erwerbsleben ein und war zuletzt vom Jahr 2009 an bis zur Ausreise als Inhaber eines Geschäftes für Telekommunikationsartikel und damit zusammenhängende Reparaturen selbständig erwerbstätig.
Die Eltern des Erstbeschwerdeführers sowie sein jüngerer Bruder leben in Bagdad im Bezirk XXXX des Distriktes XXXX . Der Vater des Erstbeschwerdeführers ist Unternehmer und handelt mit Baustoffen und mit Fenstern, seine Mutter führt den Haushalt. Der Bruder des Erstbeschwerdeführers ist Student und lebt noch bei den Eltern. Der Erstbeschwerdeführer verfügt außerdem über zwei Schwestern, die bereits verheiratet sind und bei ihren Familien ebenfalls in Bagdad leben.
Am 01.08.2015 verließ der Erstbeschwerdeführer den Irak von Bagdad ausgehend gemeinsam mit der Zweitbeschwerdeführerin im Luftweg in die Türkei und gelangte in der Folge auf dem Seeweg nach Griechenland und weiter nach Österreich, wo er am 06.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
1.1.2. Die Zweitbeschwerdeführerin führt den Namen XXXX , sie ist Staatsangehörige des Irak und Angehörige der arabischen Volksgruppe. Sie wurde am XXXX in XXXX geboren lebte dort gemeinsam mit dem Erstbeschwerdeführer im Stadtteil XXXX im Distrikt XXXX in einem gemieteten Haus mit zwei Stockwerken. Die Zweitbeschwerdeführerin ist Moslemin, sie bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam, sie ist mit dem Erstbeschwerdeführer seit dem 01.09.2014 verheiratet und die leibliche Mutter der Drittbeschwerdeführerin und des Viertbeschwerdeführers.
Die Zweitbeschwerdeführerin ist gesund und steht nicht in medizinischer Behandlung.
Die Zweitbeschwerdeführerin besuchte im Irak die Grundschule und die Mittelschule im Ausmaß von neun Jahren. Sie trat nicht in das Erwerbsleben ein und widmete sich nach ihrer Eheschließung der Führung des Haushaltes.
Die Eltern der Zweitbeschwerdeführerin leben nördlich von Bagdad in einem sunnitisch geprägten Vorort von Bagdad am rechten Ufer des Tigris namens XXXX unweit der Ortschaft XXXX in der Nähe der XXXX . Der Vater der Zweitbeschwerdeführerin betreibt dort einen Supermarkt, ihre Mutter führt den Haushalt. Die Zweitbeschwerdeführerin hat zwei Brüder, die beide bei den Eltern leben und die Schule bzw. die Universität besuchen.
Am 01.08.2015 verließ die Zweitbeschwerdeführerin den Irak von XXXX ausgehend gemeinsam mit dem Erstbeschwerdeführer im Luftweg in die Türkei und gelangte in der Folge auf dem Seeweg nach Griechenland und weiter nach Österreich, wo sie am 06.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
1.1.3. Die Drittbeschwerdeführerin führt den Namen XXXX , sie ist Staatsangehörige des Irak und Angehörige der arabischen Volksgruppe. Sie wurde am XXXX in XXXX geboren. Die Drittbeschwerdeführerin ist - von trockner Haut, die mit Salben behandelt wird, abgesehen - gesund und steht nicht in medizinischer Behandlung.
Sie stellte am 08.06.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.
1.1.4. Der Viertbeschwerdeführer führt den Namen XXXX er ist Staatsangehöriger des Irak und Angehöriger der arabischen Volksgruppe. Er wurde am XXXX in XXXX geboren. Der Viertbeschwerdeführer ist gesund und steht nicht in medizinischer Behandlung.
Er stellte am 21.11.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz.
1.1.5. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweibeschwerdeführerin verfügen über irakische Ausweisdokumente (Personalausweis) im Original. Die Drittbeschwerdeführerin und der Viertbeschwerdeführer verfügen über keine irakischen Ausweisdokumente im Original. Ihre Identität steht aufgrund der vorgelegten Geburtsurkunden fest.
1.2. Zu den Ausreisegründen der Beschwerdeführer und zur Rückkehrgefährdung:
1.2.1. Die Beschwerdeführer gehören keiner politischen Partei oder politisch aktiven Gruppierung an und hatten in ihrem Herkunftsstaat vor der Ausreise keine Schwierigkeiten mit staatlichen Organen, Sicherheitskräften oder Justizbehörden zu gewärtigen. Die Beschwerdeführer hatten darüber hinaus vor der Ausreise keine Schwierigkeiten aufgrund ihre ethnischen Zugehörigkeit zur arabischen Volksgruppe zu gewärtigen.
1.2.2. Die Zweibeschwerdeführerin, die Drittbeschwerdeführerin und der Viertbeschwerdeführer brachten keine eigenen asylrelevanten Ausreisegründe vor.
1.2.3. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Erstbeschwerdeführer vor seiner Ausreise von Kämpfern der Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq bedroht wurde, weil er sich weigerte, ihnen unentgeltlich einen Internetzugang zur Verfügung zu stellen. Ferner kann nicht festgestellt werden, dass das Haus des Erstbeschwerdeführers vor seiner Ausreise von Kämpfern der Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq niedergebrannt oder auf ihn im Gefolge eines Entführungsversuchs ein Schussattentat verübt wird.
1.2.4. Es kann nicht festgestellt werden, dass die minderjährigen Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr in den Irak mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von geschlechtsspezifischer Gewalt, häuslicher Gewalt, Zwangsprostitution, Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit oder Zwangsehe betroffen wären.
1.2.5. Es kann schließlich nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer vor ihrer Ausreise aus ihrem Herkunftsstaat einer anderweitigen individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt in seinem Herkunftsstaat durch staatliche Organe oder durch Dritte ausgesetzt waren oder sie im Falle einer Rückkehr dorthin einer solchen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wären.
Die Beschwerdeführer sind im Fall einer Rückkehr in ihre Herkunftsregion auch nicht einer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eintretenden individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt aufgrund ihres Bekenntnisses zum sunnitischen Islam ausgesetzt. Den Beschwerdeführern droht außerdem im Rückkehrfall keine strafrechtliche Verfolgung.
Ihr Antrag auf internationalen Schutz wurde hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten mit Teilerkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.07.2019 rechtskräftig abgewiesen und seitens der Beschwerdeführer innerhalb der dafür vorgehenden Frist keine schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Teilerkenntnisses beantragt.
1.2.6. Es kann nicht festgestellt werden, dass den Beschwerdeführern im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat die Todesstrafe droht. Ebenso kann keine anderweitige individuelle Gefährdung der Beschwerdeführer festgestellt werden, insbesondere im Hinblick auf eine im Irak drohende unmenschliche Behandlung, Folter oder Strafe sowie im Hinblick auf kriegerische Ereignisse, extremistische Anschläge, stammesbezogene Gewalt oder organisierte kriminelle Handlungen.
1.2.7. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer vor ihrer Ausreise in ihrem Herkunftsstaat von einer existentiellen Notlage betroffen waren, vielmehr lebten die Beschwerdeführer in geordneten Verhältnissen und verfügten über ein Kraftfahrzeug. Die Beschwerdeführer verfügen auch gegenwärtig im Fall ihrer Rückkehr über eine gesicherte Existenzgrundlage in ihrer Herkunftsregion Bagdad sowie über familiäre Anknüpfungspunkte in ihrer Herkunftsregion Bagdad in Gestalt der dort lebenden zahlreichen Familienangehörigen des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin.
Der Erstbeschwerdeführer ist ein gesunder, arbeitsfähiger Mensch mit hervorragende Ausbildung in der Schule und einem begonnenen Universitätsstudium sowie mit im Herkunftsstaat erworbener Berufserfahrung als selbständiger Unternehmer. Ihm ist die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zur Sicherstellung des Familienauskommens im Rückkehrfall möglich und zumutbar.
Die Zweitbeschwerdeführerin ist ebenfalls ein gesunder, arbeitsfähiger Mensch mit mehrjähriger Ausbildung in der Schule. Auch der Zweitbeschwerdeführerin ist die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zur Sicherstellung des Familienauskommens im Rückkehrfall - soweit es die Betreuungspflicht in Ansehung der minderjährigen Beschwerdeführer zulässt - grundsätzlich möglich und zumutbar.
1.2.8. Die minderjährige Drittbeschwerdeführerin und der minderjährige Viertbeschwerdeführer verfügen in ihrer Herkunftsregion Bagdad über eine - wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherte Existenzgrundlage, ferner ist eine hinreichende Betreuung durch ihre Eltern und den Familienverband und eine hinreichende Absicherung in ihren altersentsprechenden Grundbedürfnissen gegeben. Den minderjährigen Beschwerdeführern steht ferner kostenfreier und nichtdiskriminierender Zugang zum öffentlichen Schulwesen sowie leistbarer und nichtdiskriminierender Zugang zu einer adäquaten medizinischen Versorgung zur Verfügung.
1.2.9. Die irakische Hauptstadt Bagdad ist im Luftweg mit Linienflügen (Schwechat-Istanbul-Bagdad) direkt und gefahrlos erreichbar.
1.2.10. Der Antrag der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz wurde hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ebenfalls mit Teilerkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.07.2019 rechtskräftig abgewiesen und seitens der Beschwerdeführer innerhalb der dafür vorgehenden Frist keine schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Teilerkenntnisses beantragt. Die Beschwerdeführer stellten bis zum heutigen Tag auch keinen neuen Antrag auf internationalen Schutz.
1.3. Zur Lage der Beschwerdeführer im Bundesgebiet:
1.3.1. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin halten sich seit dem 06.09.2015 im Bundesgebiet auf. Sie reisten rechtswidrig in das Bundesgebiet ein, sie sind Asylwerber und verfügen über keinen anderen Aufenthaltstitel.
Die Drittbeschwerdeführerin wurde am XXXX im Bundesgebiet geboren, sie stellte am 08.06.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Der Viertbeschwerdeführer wurde am XXXX im Bundesgebiet geboren und stellte am 21.11.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz. Die minderjährigen Beschwerdeführer sind ebenfalls Asylwerber und verfügen über keinen anderen Aufenthaltstitel.
Die Beschwerdeführer leben nach einer anfänglichen Unterbringung in Übergangsquartieren des Bundes vom 05.01.2016 zunächst in der Stadtgemeinde XXXX . Seit dem 01.09.2017 leben die Beschwerdeführer in der Stadt XXXX .
Die Beschwerdeführer beziehen seit der Antragstellung bis dato Leistungen der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber und sind nicht erwerbstätig. Der Erstbeschwerdeführer verrichtete eigenen Angaben zufolge gemeinnützige Arbeit in der Stadtgemeinde XXXX und führte Reinigungstätigkeiten durch, einen dahingehenden Nachweis brachte er nicht in Vorlage.
Der Erstbeschwerdeführer hat mit dem Betreiber einer Pizzeria in der Stadtgemeinde Stockerau einen aufschiebend bedingten Dienstvertrag über eine Anstellung als Hilfskraft im Service zu einem monatlichen Bruttogehalt von EUR 1.798,00 abgeschlossen. Die Zweitbeschwerdeführerin hat keine Erwerbstätigkeit am regulären Arbeitsmarkt in Aussicht.
Der Erstbeschwerdeführer legte am 22.06.2019 mündlich und am 26.07.2019 schriftlich die Prüfung auf dem Niveau A2. Der Erstbeschwerdeführer verfügt über grundlegende Kenntnisse der deutschen Sprache, die für eine Verständigung im Alltag auf einfachem Niveau ausreichen. Er absolvierte am 28.02.2019 einen Werte- und Orientierungskurs.
Die Zweitbeschwerdeführerin legte keine Prüfungen über Kenntnisse der deutschen Sprache ab. Sie absolvierte am 22.07.2019 einen Werte- und Orientierungskurs.
Die Drittbeschwerdeführerin besucht seit dem 20.05.2019 den Kindergarten in der Stadt XXXX . Der Viertbeschwerdeführer wird von der Zweitbeschwerdeführerin betreut.
Die Beschwerdeführer sind nicht Mitglied eines Vereins und pflegen im Übrigen normale soziale Kontakte. Ein besonderes Naheverhältnis der minderjährigen Beschwerdeführer zu bestimmten Bezugspersonen außerhalb der Kernfamilie (Freunde, Mitschüler, Lehrpersonen) kann nicht festgestellt werden.
1.3.2. Die Beschwerdeführer verfügen über keine Verwandten im Bundesgebiet.
1.3.3. Die Beschwerdeführer sind in Österreich strafrechtlich unbescholten. Der Aufenthalt der Beschwerdeführer im Bundesgebiet war und ist nicht nach § 46a Abs. 1 Z. 1 oder Abs. 1a FPG 2005 geduldet. Ihr Aufenthalt ist nicht zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig. Sie wurden nicht Opfer von Gewalt im Sinn der §§ 382b oder 382e EO.
1.4. Zur Lage im Herkunftsstaat:
1.4.1. Zur aktuellen Lage im Irak werden folgende Feststellungen unter Heranziehung der abgekürzt zitierten und gegenüber dem Beschwerdeführer offengelegten Quellen getroffen:
1. Aktuelle Ereignisse
13.05.2019: Die Sicherheitsrelevanten Vorfälle bleiben im bisherigen Verlauf des Monats Mai auf einem niedrigen Niveau. Berichten zufolge war die Provinz Diyala mit fünf Vorfällen am häufigsten betroffen. Vier davon ereigneten sich in Baquba und al-Muqdadiyya im Osten und in der Mitte der Provinz. Vier Vorfälle wurden aus der Provinz Salah ad-Din gemeldet. Weiterhin betroffen war Kirkuk mit drei Angriffen mit Schusswaffen und Mossul mit einem Autobombenattentat sowie der Entführung von vier Menschen. Ebenso kamen bei einem Selbstmordattentat auf einem Marktplatz in Bagdad mindestens sieben Menschen ums Leben, zahlreiche Personen wurden verletzt.
Der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch zufolge hat das nationale Versöhnungskomitee der irakischen Regierung einen Plan vorgelegt, der die Internierung von etwa 250.000 Personen in abgeschlossene Wohneinheiten außerhalb von Städten ermöglichen soll. Das Verlassen der Wohnkomplexe solle nur in Ausnahmesituationen (z.B. Krankenhausbesuche) möglich sein. Betroffen wären die Kernfamilien (inklusive Geschwister) von mutmaßlichen Kämpfern des Islamischen Staates, somit vor allem Frauen und Kinder. Auf den Geländen sollen Kliniken, Schulen und Deradikalisierungs- sowie Berufsausbildungsprogramme entstehen. Einkommensmöglichkeiten soll es nicht geben. Die Rückkehr von Familien aus der Internierung in ihre Heimatorte soll nur nach Abschluss des Deradikalisierungsprogramms und Zustimmung der lokalen Gemeinde in den Heimatorten möglich sein. Ein Zeitfenster für diesen Vorgang wurde nicht bekannt gegeben. Nur im Fall einer Rückkehrerlaubnis würden die Betroffenen Personaldokumente erhalten. HRW kritisiert die geplante Internierung ohne Einhaltung internationaler Standards (z.B. fairer Gerichtsprozess) und die kollektive Bestrafung von Familien.
20.05.2019: Am 19.05.2019 schlug in der hoch gesicherten sogenannten Grünen Zone in Bagdad eine Katjuscha-Rakete ein. Dem irakischen Militär zufolge habe es keine Verletzten gegeben. Die Straßen, die zur Grünen Zone führen, sollen kurzzeitig gesperrt gewesen sein. Erst im Dezember 2018 hatte die irakische Regierung die Grüne Zone wieder teilweise für den öffentlichen Verkehr freigegeben. Die Explosion ereignete sich inmitten erhöhter Spannungen zwischen den USA und dem Iran. Am 15.05.2019 hatten die US den Abzug aller bis auf unverzichtbarer Botschaftsmitarbeitenden aus der amerikanischen Botschaft in Bagdad und dem Generalkonsulat in Erbil angeordnet.
Nachdem mehrere Korruptionsfälle von der Sadr-Bewegung nahestehenden Geschäftsmännern bekannt wurden, kam es in mehreren Städten im Süd-Irak zu Protesten. Muqtada as-Sadr hatte zu Demonstrationen gegen Korruption aufgerufen. Neben friedlichen Kundgebungen sollen Demonstranten betroffene Büros und Geschäfte angegriffen haben. In Nadschaf schossen Wachmänner eines Einkaufszentrums auf die Demonstrierenden. Dabei wurden vier Personen getötet und weitere 17 verletzt. Irakischen Medien zufolge wurden in diesem Zusammenhang fünf Wachmänner verhaftet.
27.05.2019: Am 26.05.2019 starb ein Mitglied der sunnitischen Miliz Hashd al-Ashairi, als eine Sprengvorrichtung am Straßenrand bei Ramadi in der Provinz Anbar explodierte.
In mehreren Provinzen kam es zur Verbrennung landwirtschaftlicher Flächen. Medienberichten zufolge soll der Islamische Staat Felder von Bauern angezündet haben, die nicht mit ihm kooperierten oder die geforderten Steuern nicht zahlten. Am 23.05.2019 soll sich der Islamische Staat in seiner Zeitung Al-Naba zur Brandstiftung in den Provinzen Kirkuk, Diyala, Ninewa und Salah ad-Din und in Provinzen in Syrien bekannt haben. Kurdische Medien berichteten zudem von Brandstiftung in Daquq, Khanaqin und Makhmour. Das irakische Ministerium für Landwirtschaft richtete am 20.05.2019 einen Krisenstab ein.
03.06.2019: Am 30.05.2019 kam es im Zentrum von Kirkuk zu einer Reihe von Explosionen. Dabei wurden mindestens drei Menschen getötet und 16 weitere verletzt. Die Sicherheitskräfte entschärften zwei weitere Sprengvorrichtungen, bevor es zu Explosionen kam.
Lokalen Medienberichten zufolge erhielt der irakische Parlamentssprecher al-Halbousi einen Drohbrief. Grund für die Bedrohung sei seine Position als Vermittler in der Krise zwischen Washington und Teheran. Hinweise deuten darauf hin, dass die Drohung von Seiten der irakischen Hizbollah-Brigade ausging.
Der lokal bekannte Journalist und Leiter der irakischen Nachrichtenagentur Baghdad Today, Nabil Jassim, erhielt am 26.05.2019 Drohanrufe. Zuvor hatte die Nachrichtenagentur eine Reihe von Dokumenten veröffentlicht, welche die Korruption eines Politikers beweisen sollen. Die irakische Journalistengewerkschaft verurteilte die Bedrohungen und forderte in einer Stellungnahme das irakische Innenministerium zu Ermittlungen auf. Die irakischen Sicherheitsbehörden teilten in einer Stellungnahme mit, dass die Quelle der Drohanrufe unbekannt sei.
17.06.2019: Die irakische Armee startete am 16.06.2019 - unterstützt von der Bundespolizei (Federal Police) und den PMF - eine groß angelegte Militäroperation nordöstlich von Baquba, um Kämpfer des Islamischen Staates aufzuspüren. Aufgrund schwerer Brände auf Weizen- und Gerstenfeldern in der Gegend um Sinjar, Provinz Ninawa, schätzungsweise flohen 700 Familien nach Mossul. Zwei Bauern seien ums Leben gekommen. Irakische Sicherheitskräfte machen Kämpfer des IS für die Brände verantwortlich. In der vorangegangenen Woche habe es auf landwirtschaftlichen Flächen in der Region mehrmals gebrannt.
Am 10.06.2019 wurde Nechirvan Barzani, Neffe des langjährigen Präsidenten Massud Barzani, als Präsident der Kurdischen Region-Irak vereidigt. Das kurdische Regionalparlament hatte Barzani vor zwei Wochen zum Präsidenten gewählt.
Anfang Juni 2019 verurteilte ein irakisches Gericht zwei weitere mutmaßliche IS-Kämpfer aus Frankreich. Irakischen Justizkreisen zufolge seien damit nun mehr als neun Franzosen wegen Mitgliedschaft in der Terrormiliz IS zum Tode verurteilt worden. Gegen die Urteile kann Berufung eingelegt werden.
24.06.2019: In Irak kommt es weiterhin zu Anschlägen. So wurde in der vergangenen Woche von Raketen-, Mörser- und IED-Angriffen insbesondere in den Provinzen Diyala, Ninive, Bagdad und Babil berichtet. Allein in Bagdad wurden am 21.06.19 bei einem Selbstmordanschlag auf eine schiitische Moschee im Distrikt Sadr City mindestens zehn Menschen getötet und mindestens 17 weitere verletzt.
In der Nähe der Stadt Basra schlug am Sitz mehrerer Ölkonzerne am 19.06.19 eine Rakete des Typs Katjuscha ein. Dabei wurden drei Menschen verletzt.
08.07.2019: Irakische Sicherheitskräfte starteten am 06.07.19 einen großangelegten Einsatz gegen den Islamischen Staat. Angaben des Generalleutnants Abdul Amir Rasheed Yarallah zufolge betreffe die Operation "Will of Victory" die Provinzen Anbar und die zentralen und nördlichen Regionen von Salah ad-Din und Ninawa. Im Fokus stehen die Provinzen an der Grenze zu Syrien. Der Einsatz werde mehrere Tage dauern.
15.07.2019: Laut Executive Order No. 37 der irakischen Regierung vom 01.07.2019 sollen die PMF-Militen (Hashd al-Shaabi) vollständig in die irakischen Sicherheitskräfte eingegliedert werden. Die betroffenen Milizen haben bis zum 31.07.2019 Zeit, die Anordnung umzusetzen, z.B. durch Schließung der Milizenbüros. Formal unterstehen die PMF-Milizen seit 2016 der Befehlsgewalt des Premierministers.
Am 03.07.19 veröffentliche die irakische Nationale Journalistengewerkschaft ihre Bedenken gegenüber dem Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen Journalisten in Basra. Ein Mitglied der Sicherheitskräfte hätte angekündigt, Journalisten verhaften zu lassen, die über nicht genehmigte Demonstrationen berichteten. Zuletzt sei mindestens ein Journalist des irakischen Senders al-Sumaria verhaftet worden. In Basra war es wie im vergangenen Jahr zu Protesten gegen die schlechte Versorgungslage, Arbeitslosigkeit und Korruption gekommen.
22.07.2019: Am 17.07.19 wurde ein türkischer Konsulatsmitarbeiter in einem Restaurant in Erbil erschossen. Ein irakischer Staatsbürger wurde ebenfalls getötet und ein weiterer erlag seinen Verletzungen. Die kurdische Regionalregierung bezeichnete den Vorfall als geplanten Terroranschlag. Am 20.07.2019 wurde ein Verdächtiger von kurdischen Sicherheitskräften verhaftet.
Der Direktor des Al-Jazeera Büros in Erbil, Ahmad al-Zawiti, soll laut einer Stellungnahme des Senders während der Berichterstattung vor Ort von Sicherheitskräften zusammengeschlagen worden sein. Der irakischen Beobachtungsstelle für Pressefreiheit zufolge wurden in diesem Jahr 139 Fälle von Verletzungen der Pressefreiheit in der KR-I dokumentiert.
29.07.2019: Nach wie vor kommt es zu Zusammenstößen zwischen irakischen Sicherheitskräften und IS-Kämpfern. Laut Informationen aus Sicherheitskreisen vom 19.07.19 hat die zweite Phase der Anti-IS-Militäroffensive "Will of Victory" (vgl. BN v. 08.07.19) im Norden von Bagdad und den Provinzen Diyala, Salahaddin und Anbar begonnen.
Am 22.07.19 wurden 60 Personen bei einer Demonstration in Midhatiya in der Provinz Babil verhaftet. Sicherheitskräften zufolge war die Demonstration unangemeldet. Demonstranten versuchten dabei, das Verwaltungsgebäude zu stürmen. Laut lokalen Medienberichten handelt es sich um die fünfte Demonstration, die bessere Grundversorgung in Midhatiya einfordert.
12.08.2019: Am 04.08.19 wurde die Inhaberin eines Schönheitssalons in Bagdad getötet und eine Mitarbeiterin verletzt, als eine Sprengvorrichtung im Briefkasten des Salons explodierte. Auch in den Provinzen Anbar, Bagdad, Basra und Diyala kamen bei Explosionen von improvisierten Sprengvorrichtungen und Minen mehrere Zivilisten und Sicherheitskräfte ums Leben.
Am 05.08.19 begann die dritte Phase der Anti-IS-Militäroffensive "Will of Victory" (vgl. BN v. 29.07.19) in den Provinzen Diyala und Ninive. Die Volksmobilisierungsfront verkündete am 06.08.19 das erfolgreiche Ende der dritten Phase.
Am 10.08.19 brachen 15 des Drogenhandels Verdächtige aus dem Polizeigewahrsam (Polizeistation al-Russafa) in Bagdad aus. In einem Video der Überwachungskamera ist zu sehen, wie die Verdächtigen ohne offensichtlichen Widerstand der Sicherheitskräfte die Wache verlassen. Das Personal der Wache ist teils in Zivil gekleidet und unbewaffnet zu sehen. Acht der Verdächtigen wurden mittlerweile wieder gefasst. Medienberichten zufolge seien einige der Sicherheitsverantwortlichen entlassen worden
Am 06.08.19 übertrug Premierminister Abd al-Mahdi die Sicherheitsverantwortung an die lokale Shabak-Einheit (Brigade 30) der Volksmobilisierungsfront, die lokale Polizei und das Militär. Die vorausgehende Entscheidung der zentralirakischen Regierung, die Brigade 30 von allen Checkpoints in der Ninive-Ebene abzuziehen, hatte Proteste der Lokalbevölkerung ausgelöst. Am 01.07.19 hatte die zentralirakische Regierung einen Beschluss zur vollständigen Eingliederung der Volksmobilisierungsfront in die irakischen Sicherheitskräfte erlassen (vgl. BN v. 15.07.19).
26.08.2019: In Irak kommt es weiterhin zu Anschlägen. So wurden am 20.08.19 bei einem Angriff auf eine Armee-Patrouille nordöstlich von Baqubah, Provinz Diyala, ein Offizier und drei Soldaten verletzt. Am 22.08.19 griffen Aufständische in dem Sub-Distrikt Qara-Tappeh in der Provinz Diyala Stellungen der irakischen Polizei an. Irakische Sicherheitskräfte töteten sechs der Angreifer bei einem Feuergefecht, vier von ihnen trugen Selbstmordwesten. Ebenfalls in der Provinz Diyala, im Sub-Distrikt Jalawla, wurde ein irakischer Soldat durch einen Scharfschützen verwundet. Am 23.08.19 wurden bei einem Motorradbombenanschlag auf einem Marktplatz in der Stadt al-Musayib in der Provinz Babil, etwa 60 Kilometer südlich von Bagdad, nahezu 40 Menschen verletzt. Einer anderen Meldung zufolge sollen vier Menschen getötet und 30 weitere verletzt worden sein. Ebenfalls am 23.08.19 wurden bei einem Mörserangriff von IS-Kämpfern in der Provinz Diyala ein irakischer Sicherheitsbeamter getötet und zwei weitere verletzt.
Am 21.08.19 gab das Innenministerium den Beschluss bekannt, 25.938 Polizisten wieder einzustellen, die während des Konflikts mit dem IS aus dem Dienst entlassen worden waren. Angaben von Minister Yaseen al-Yasiri zufolge sind 13.252 Polizisten in Ninive, 7.636 weitere in Anbar, 3.462 in Salah ad-Din, 1.072 in Diyala und 516 in Kirkuk von der Entscheidung betroffen.
Am 18.08.19 demonstrierten Dutzende von Menschen in dem Sub-Distrikt Suweir in der Provinz Muthanna für eine bessere Grundversorgung. Den Demonstranten zufolge leiden dort angeblich 50.000 Menschen seit 15 Jahren unter unzureichender Grundversorgung.
Der Iraqi High Commission for Human Rights zufolge, sind in diesem Jahr bereits mehr als 100 Häftlinge hingerichtet worden.
02.09.2019: In Irak kommt es weiterhin zu Anschlägen. Die am stärksten betroffenen Provinzen waren Anbar, Kirkuk, Diyala, Bagdad und Babil. Bei einer Sicherheitsoperation der irakischen Sicherheitskräfte gegen den IS in der Provinz Diyala wurden am 30.08.19 zwei IS-Kämpfer getötet, darunter ein lokaler IS-Führer. In Sinjar, Provinz Ninive, wurde ein Massengrab mit mindestens 13 Opfern gefunden.
Am 28.08.19 führten die irakischen Behörden Hunderte von Binnenvertriebenen aus dem Lager Hammam al-Alil, Provinz Ninive, in den Distrikt Hawijah in der Provinz Kirkuk zurück, aus dem sie ursprünglich stammen.
09.09.2019: Bei Sicherheitsoperationen gegen den IS wurden am 03.09.19 in einem Tunnel in der Region Sihaji südwestlich von Mosul neun IS-Kämpfer und in der Provinz Salahaddin fünf IS-Kämpfer getötet.
Am 02.09.19 veranlasste die irakische Kommunikations- und Medienkommission die temporäre Schließung der irakischen Büros des in den US-ansässigen Fernsehsenders Al-Hurra. Grund für die Schließung war eine Sendung zum Thema Korruption in religiösen Institutionen im Irak.
Die irakische Beobachtungsstelle für Pressefreiheit (JFO) kommentierte die Veröffentlichung von Namenslisten wenige Stunden nach der Suspension des Senders Al-Hurra. Die Listen führen Namen, Fotos, sowie teilweise Adressen bekannter Schriftsteller und Journalisten. Die genannten Personen werden u.a. der Zusammenarbeit mit Israel beschuldigt. Die JFO drückt Sorge um die Sicherheit der genannten Personen aus. Der Beobachtungsstelle zufolge wanderten seit 2003 viele Journalistinnen und Journalisten auf Basis solcher Listen und konkreter Bedrohungen aus dem Irak aus. In den vergangen Monaten wurde vermehrt Vorgehen gegen Journalisten dokumentiert (vgl. BN v. 29.07.19).
In Shoura, 60 Kilometer südlich von Mosul, Provinz Ninive, wurde am 05.09.19 ein Massengrab mit 13 Frauenleichen entdeckt, die Opfer des IS waren.
16.09.2019: In Irak kommt es weiterhin zu sicherheitsrelevanten Vorfällen. Insbesondere betroffen waren die Provinzen Diyala, Salahaddin, Kirkuk und Ninive. So wurde bei der Explosion einer IED südlich von Mosul am 09.09.19 ein Zivilist getötet und weitere sechs verletzt. Am 10.09.19 kam ebenfalls bei der Explosion einer IED südlich von Kirkuk eine Zivilperson ums Leben und in der Nähe von Muqdadiya in der Provinz Diyala wurden drei Zivilisten durch eine Mörsergranate verletzt. Bei zwei Bombenanschlägen auf Patrouillen der irakischen Sicherheitskräfte in der Region Nida, östlich von Baquba in der Provinz Diyala wurde am 11.09.19 ein Angehöriger der Sicherheitskräfte getötet und drei weitere verletzt. Ebenfalls am 11.09.19 starb ein irakischer Soldat an einem Kontrollpunkt der irakischen Sicherheitskräfte im Gebiet Dawaleeb, nordöstlich von Baquba in der Provinz Diyala. Bei einem Angriff von IS-Kämpfern auf irakische Sicherheitskräfte wurde am 13.09.19 in einem Gebiet zwischen den Provinzen Diyala und Salahaddin ein Soldat getötet und zwei verwundet. Irakischen Angaben zufolge haben IS-Kämpfer in dem Gebiet ihre Angriffe auf irakische Sicherheitskräfte und Zivilisten verstärkt.
Bei Sicherheitsoperationen der irakischen Sicherheitskräfte (ISF) mit Unterstützung der internationalen Koalition wurden am 09.09.19 drei IS-Verstecke in Mtaibijah an der Grenze zwischen den Provinzen Diyala und Salah ad-Din bombardiert und 15 IS-Kämpfer getötet sowie neun verhaftet. Ebenfalls am 09.09.19 wurden von der von den USA geführten Koalition mit Unterstützung der Peshmerga südwestlich von Erbil im Gebiet des Mount Qara-Chokh im Bezirk Makhmour zehn IS-Kämpfer getötet. Am 10.09.19 bombardierte die US-Luftwaffe Stellungen des IS auf der Insel Qanus im Fluss Tigris. Videoaufnahmen deuten darauf hin, dass IS-Positionen und Personal auf der Insel massive Schäden erlitten hätten. Am 11.09.19 töteten irakische Sicherheitskräfte durch Raketenbeschuss drei IS-Führer in einem Gebiet zwischen den Provinzen Diyala und Salah ad-Din. Bei Sicherheitsoperationen in der Provinz Anbar am 12.09.19 wurden in einem IS-Versteck 570 Sprenggürtel sowie andere Sprengsätze, Granaten und Minen entdeckt.
Am 10.09.19 kamen bei einer Massenpanik während des schiitischen Ashura-Festes in der Stadt Kerbala mindestens 31 Menschen ums Leben, 100 Menschen seien verletzt worden, zehn davon schwer. Irakischen Angaben zufolge sei es wegen eines großen Andrangs von Gläubigen am Eingang zur Grabmoschee Husseins zu dem Unglück gekommen.
2. Politische Lage
Die politische Landschaft des Irak hat sich seit dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 enorm verändert (KAS 2.5.2018). Gemäß der Verfassung ist der Irak ein demokratischer, föderaler und parlamentarisch-republikanischer Staat mit allen Merkmalen der Gewaltenteilung (AA 12.01.2019), der aus 18 Provinzen (muhafazät) besteht (Fanack 27.9.2018). Artikel 47 der Verfassung sieht eine Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Judikative vor (RoI 15.10.2005). Die Autonome Region Kurdistan ist Teil der Bundesrepublik Irak und besteht aus den drei nördlichen Provinzen Dohuk, Erbil und Sulaymaniya. Sie wird von einer Regionalverwaltung, der kurdischen Regionalregierung, verwaltet und verfügt über eigene Streitkräfte (Fanack 27.9.2018).
An der Spitze der Exekutive steht der irakische Präsident, der auch das Staatsoberhaupt ist. Der Präsident wird mit einer Zweidrittelmehrheit des irakischen Parlaments (majlis al-nuwwab, engl.: Council of Representatives, dt.: Repräsentantenrat), für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt und genehmigt Gesetze, die vom Parlament verabschiedet werden. Der Präsident wird von zwei Vizepräsidenten unterstützt. Zusammen bilden sie den Präsidialrat (Fanack 27.9.2018).
Teil der Exekutive ist auch der Ministerrat, der sich aus dem Premierminister und anderen Ministern der jeweiligen Bundesregierung zusammensetzt (Fanack 27.9.2018; vgl. RoI 15.10.2005). Der Premierminister wird vom Präsidenten designiert und vom Parlament bestätigt (RoI 15.10.2005). Am 002.10.2018 wählte das neu zusammengetretene irakische Parlament den moderaten kurdischen Politiker Barham Salih zum Präsidenten des Irak (DW 02.10.2018). Dieser wiederum ernannte den schiitischen Politik-Veteranen Adel Abd al-Mahdi zum Premierminister und beauftragte ihn mit der Regierungsbildung (BBC 3.10.2018). Abd al-Mahdi ist seit 2005 der erste Premier, der nicht die Linie der schiitischen Da'wa-Partei vertritt, die seit dem Ende des Krieges eine zentrale Rolle in der Geschichte Landes übernommen hat. Er unterhält gute Beziehungen zu den USA. Der Iran hat sich seiner Ernennung nicht entgegengestellt (Guardian 3.10.2018).
Der Premierminister führt den Vorsitz im Ministerrat und leitet damit die tägliche Politik (Fanack 27.9.2018) Im Gegensatz zum Präsidenten, dessen Rolle weitgehend zeremoniell ist, liegt beim Premierminister damit die eigentliche Exekutivgewalt (Guardian 3.10.2018). Die gesetzgebende Gewalt, die Legislative, wird vom irakischen Repräsentantenrat (Parlament) ausgeübt (Fanack 27.9.2018). Er besteht aus 329 Abgeordneten (CIA 17.10.2018). Die konfessionell/ethnische Verteilung der politischen Spitzenposten ist nicht in der irakischen Verfassung festgeschrieben, aber seit 2005 üblich (Standard 3.10.2018). So ist der Parlamentspräsident gewöhnlich ein Sunnite, der Premierminister ist ein Schiite und der Präsident der Republik ein Kurde (Al Jazeera 15.9.2018).
In weiten Teilen der irakischen Bevölkerung herrscht erhebliche Desillusion gegenüber der politischen Führung (LSE 7.2018; vgl. IRIS 11.5.2018). Politikverdrossenheit ist weit verbreitet (Standard 13.5.2018). Dies hat sich auch in der niedrigen Wahlbeteiligung bei den Parlamentswahlen im Mai 2018 gezeigt (WZ 12.5.2018). Der Konfessionalismus und die sogennante "Muhassasa", das komplizierte Proporzsystem, nach dem bisher Macht und Geld unter den Religionsgruppen, Ethnien und wichtigsten Stämmen im Irak verteilt wurden, gelten als Grund für Bereicherung, überbordende Korruption und einen Staat, der seinen Bürgern kaum Dienstleistungen wie Strom- und Wasserversorgung, ein Gesundheitswesen oder ein Bildungssystem bereitstellt (TA 12.5.2018).
Viele sunnitische Iraker stehen der schiitischen Dominanz im politischen System kritisch gegenüber. Die Machtverteilungsarrangements zwischen Sunniten und Schiiten sowie Kurden festigen den Einfluss ethnisch-religiöser Identitäten und verhindern die Herausbildung eines politischen Prozesses, der auf die Bewältigung politischer Sachfragen abzielt. Im Führungsgremium der Kommission für die Vorbereitung und Durchführung der Wahlen 2018 waren nur Schiiten, Sunniten und Kurden vertreten. Jeweils ein Turkmene und ein Christ waren nicht-stimmberechtigte Mitglieder. (AA 12.01.2019).
Die Zeit des Wahlkampfs im Frühjahr 2018 war nichtsdestotrotz von einem Moment des verhaltenen Optimismus gekennzeichnet, nach dem Sieg über den sogenannten Islamischen Staat (IS) im Dezember 2017 (ICG 9.5.2018). Am 09.12.2017 hatte Haider al-Abadi, der damalige irakische Premierminister, das Ende des Krieges gegen den IS ausgerufen (BBC 9.12.2017). Irakische Sicherheitskräfte hatten zuvor die letzten IS-Hochburgen in den Provinzen Anbar, Salah al-Din und Ninewa unter ihre Kontrolle gebracht. (UNSC 17.1.2018).
Im Irak leben ca. 36 Millionen Einwohner, wobei die diesbezüglichen Schätzungen unterschiedlich sind. Die letzte Volkszählung wurde 1997 durchgeführt. Im Gouvernement Bagdad leben ca. 7,6 Millionen Einwohner. Geschätzte 99% der Einwohner sind Moslems, wovon ca. 60%-65% der schiitischen und ca. 32%-37% der sunnitischen Glaubensrichtung angehören (CIA World Factbook 2014-2015, AA 12.01.2019). Die ethnische und religiöse Zusammensetzung der einzelnen Regionen des Irak ist aus der Grafik im Punkt Minderheiten ersichtlich.
Die infolge der Parlamentswahlen im Jahr 2018 neu gebildete Regierung von Ministerpräsident Adel Abdul-Mahdi steht unter erheblichem Druck, Reformen zu implementieren, die staatlichen Dienstleistungen zu verbessern und Korruption zu bekämpfen. Gleichzeitig muss der Sicherheitssektor umfassend reformiert werden. Milizen agieren zwar formell größtenteils unter dem Premierminister als Oberbefehlshaber, sind jedoch oftmals der verlängerte Arm politischer Akteure. Es besteht weiterhin enormer Bedarf an Stabilisierung, Wiederaufbau und Versöhnung in den vom IS befreiten Gebieten(AA 12.01.2019).
2.1. Parteienlandschaft
Es gibt vier große schiitische politische Gruppierungen im Irak: die Islamische Da'wa-Partei, den Obersten Islamischen Rat im Irak (OIRI) (jetzt durch die Bildung der Hikma-Bewegung zersplittert), die Sadr-Bewegung und die Badr-Organisation. Diese Gruppen sind islamistischer Natur, sie halten die meisten Sitze im Parlament und stehen in Konkurrenz zueinander - eine Konkurrenz, die sich, trotz des gemeinsamen konfessionellen Hintergrunds und der gemeinsamen Geschichte im Kampf gegen Saddam Hussein, bisweilen auch in Gewalt niedergeschlagen hat (KAS 2.5.2018).
Die meisten politischen Parteien verfügen über einen bewaffneten Flügel oder werden einer Miliz zugeordnet (Niqash 7.7.2016; vgl. BP 17.12.2017) obwohl dies gemäß dem Parteiengesetz von 2015 verboten ist (Niqash 7.7.2016; vgl. WI 12.10.2015). Milizen streben jedoch danach, politische Parteien zu gründen (CGP 4.2018) und haben sich zu einer einflussreichen politischen Kraft entwickelt (Niqash 5.4.2018; vgl. Guardian 12.5.2018). Die sunnitische politische Szene im Irak ist durch anhaltende Fragmentierung und Konflikt gekennzeichnet, zwischen Kräften, die auf Provinz-Ebene agieren, und solchen, die auf Bundesebene agieren. Lokale sunnitische Kräfte haben sich als langlebiger erwiesen als nationale (KAS 2.5.2018)