TE Bvwg Beschluss 2019/11/5 L524 2146495-2

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Veröffentlicht am 05.11.2019
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Entscheidungsdatum

05.11.2019

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §32 Abs1 Z2

Spruch

L524 2146495-2/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER LL.B. über den Antrag des XXXX , geb. XXXX , staatenlos, Herkunftsstaat Irak, vertreten durch Unabhängige Rechtsberatung Tirol, Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, Bürgerstr. 21, 6020 Innsbruck, auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.01.2019, Zl. L524 2146495-1/18E, abgeschlossenen Asylverfahrens den Beschluss:

A) Der Antrag auf Wiederaufnahme wird gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der Wiederaufnahmewerber, ein staatenloser Palästinenser aus dem Irak, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 20.08.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 10.01.2017, Zl. 1083617801/151140954, wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung gem. § 46 FPG in den Irak zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

3. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

4. Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde am 16.01.2019 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, an der sowohl der Wiederaufnahmewerber als auch zwei Vertreter der belangten Behörde als Parteien teilnahmen. Es wurden Berichte zur Lage im Irak erörtert. Die Parteien verzichteten auf die Abgabe einer Stellungnahme.

5. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.01.2019, L524 2146495-1/18E, wurde die Beschwerde des Wiederaufnahmewerbers als unbegründet abgewiesen. Dieses Erkenntnis erwuchs am 24.01.2019 in Rechtskraft.

6. Mit Schreiben vom 22.10.2019 beantragte der Wiederaufnahmewerber die Wiederaufnahme des mit Erkenntnis vom 22.01.2019 abgeschlossenen Verfahrens. Begründend wurde ausgeführt, dass laut UNHCR-Kurzinformation zur Situation von Palästinensern im Irak vom April 2018 Palästinenser das Recht hätten, wieder in den Irak einzureisen. Es werde aber auch davon berichtet, dass Palästinensern bei Abwesenheiten von länger als sechs Monaten nach Ablauf ihres Ausreisevisums die Einreise verweigert würde. Dieser Umstand ergebe sich auch aus zwei Schreiben der irakischen Vertretungsbehörde in Stockholm, die diesem Antrag beigelegt seien. Zum Zeitpunkt des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.01.2019 seien bereits mehr als sechs Monate seit der Ausreise aus dem Irak vergangen, weshalb angenommen werden könne, dass die Unmöglichkeit der Wiedereinreise in den Irak bereits zum Entscheidungszeitpunkt bestanden habe und daher im Zuge eines Wiederaufnahmeantrags geltend zu machen sei.

II. Feststellungen:

Mit Erkenntnis vom 22.01.2019, L524 2146495-1/18E, wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde des Wiederaufnahmewerbers als unbegründet ab. Mit Schreiben vom 22.10.2019, beantragte der Wiederaufnahmewerber die Wiederaufnahme dieses Verfahrens.

In der Verhandlung vom 16.01.2019 wurden unter anderem folgende Berichte erörtert:

UNHCR-Kurzinformation zur Situation von Palästinensern im Irak, 27.04.2018

ACCORD: Lage von Palästinensern, 10.02.2016

UNHCR: Relevant COI on the Situation of Palestinian Refugees in Baghdad, 30.03.2017

Der Beschwerdeführer stützt seinen Wiederaufnahmeantrag auf einzelne Passagen in der UNHCR-Kurzinformation zur Situation von Palästinensern im Irak vom 27.04.2018 zur Wiedereinreise von Palästinensern in den Irak und Schreiben der irakischen Vertretungsbehörden, die ebenso Aussagen dazu treffen.

III. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen stützen sich auf das Verhandlungsprotokoll vom 16.01.2019, das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.01.2019, L524 2146495-1/18E und den Wiederaufnahmeantrag vom 22.10.2019.

IV. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Der allgemeinen Systematik des VwGVG folgend ist anzunehmen, dass sämtliche Entscheidungen über Wiederaufnahmeanträge - als selbstständige Entscheidungen - in Beschlussform erfolgen (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren², 2018, § 32 VwGVG, Anm 13).

Zu A) Abweisung des Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens:

Gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten.

Der Antrag auf Wiederaufnahme ist gemäß § 32 Abs. 2 VwGVG binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

In der Regierungsvorlage zum Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013 (2009 Blg NR, XXIV. GP) ist festgehalten, dass die Bestimmungen über die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im VwGVG weitgehend den Bestimmungen der §§ 69 bis 72 AVG mit den entsprechenden Anpassungen auf Grund der Einführung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz entsprechen. Durch den Ausschluss der Anwendung des IV. Teiles des AVG ist das AVG in diesem Bereich für unanwendbar erklärt worden, wobei aufgrund der inhaltlichen Übereinstimmung und ähnlichen Formulierung der Bestimmung des § 32 Abs 1-3 VwGVG mit § 69 AVG die bisher ergangenen höchstgerichtlichen Entscheidungen sinngemäß anzuwenden sind bzw die bisherigen Judikaturrichtlinien zu § 69 AVG herangezogen werden können.

Der gegenständliche Antrag zielt darauf ab, das mit dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.01.2019 abgeschlossene vorangegangene Verfahren wiederaufzunehmen.

Die Rechtzeitigkeit des Antrags auf Wiederaufnahme gemäß § 32 Abs. 2 VwGVG ist ausgehend von der Behauptung, dass der Beschwerdeführer am 09.10.2019 von jenem Sachverhalt Kenntnis erlangt habe, der den Wiederaufnahmegrund bilde, und seinen Wiederaufnahmeantrag am 22.10.2019 stellte, zu bejahen.

Der Antrag auf Wiederaufnahme erweist sich aber als nicht berechtigt, da die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des Verfahrens - die Wiederaufnahmegründe sind taxativ in § 32 Abs. 1 VwGVG aufgezählt - nicht vorliegen. Im gegenständlichen Fall stützt sich der Wiederaufnahmeantrag auf § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG.

Nach § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG rechtfertigen neu hervorgekommene Tatsachen und Beweismittel (also solche, die bereits zur Zeit des früheren Verfahrens bestanden haben, aber erst später bekannt wurden) - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - eine Wiederaufnahme des Verfahrens, wenn sie die Richtigkeit des angenommenen Sachverhalts in einem wesentlichen Punkt als zweifelhaft erscheinen lassen; gleiches gilt für neu entstandene Beweismittel, sofern sie sich auf "alte" - d.h. nicht erst nach Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens entstandene - Tatsachen beziehen (vgl. VwGH 08.09.2015, Ra 2014/18/0089, mwN).

Die Wiederaufnahme des Verfahrens setzt u.a. die Eignung der neuen Tatsachen oder Beweismittel voraus, dass diese allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Ergebnis herbeigeführt hätten. Ob diese Eignung vorliegt, ist eine Rechtsfrage, die im Wiederaufnahmeverfahren zu beantworten ist; ob tatsächlich ein anderes Ergebnis des Verfahrens zustande kommt, ist sodann eine Frage, die im wiederaufgenommenen Verfahren zu klären ist (vgl. VwGH 19.04.2007, 2004/09/0159).

Tauglich ist ein Beweismittel als Wiederaufnahmegrund (ungeachtet des Erfordernisses der Neuheit) also nur dann, wenn es nach seinem objektiven Inhalt und unvorgreiflich der Bewertung seiner Glaubwürdigkeit die abstrakte Eignung besitzt, jene Tatsachen in Zweifel zu ziehen, auf welche das Bundesverwaltungsgericht entweder die den Gegenstand des Wiederaufnahmeverfahrens bildende Entscheidung oder zumindest die zum Ergebnis dieser Entscheidung führende Beweiswürdigung tragend gestützt hat (vgl. VwGH 19.04.2007, 2004/09/0159).

Neu entstandene Tatsachen ("nova causa superveniens"), also Änderungen des Sachverhalts nach Abschluss des Verfahrens, erübrigen eine Wiederaufnahme des Verfahrens. Bei Sachverhaltsänderungen, die nach der Entscheidung über einen Asylantrag eingetreten sind, ist kein Antrag auf Wiederaufnahme, sondern ein neuer Antrag (auf internationalen Schutz) zu stellen (vgl. dazu VwGH 17.02.2006, 2006/18/0031; 07.04.2000, 96/19/2240, 20.06.2001, 95/08/0036; 18.12.1996, 95/20/0672; 25. 11. 1994, 94/19/0145; 25.10.1994, 93/08/0123; 19.02.1992, 90/12/0224 ua).

Der Beschwerdeführer begründet seinen Wiederaufnahmeantrag damit, dass laut UNHCR-Kurzinformation zur Situation von Palästinensern im Irak vom April 2018 Palästinenser das Recht hätten, wieder in den Irak einzureisen. Es werde aber auch davon berichtet, dass Palästinensern bei Abwesenheiten von länger als sechs Monaten nach Ablauf ihres Ausreisevisums die Einreise verweigert würde. Dieser Umstand ergebe sich auch aus zwei Schreiben der irakischen Vertretungsbehörde in Stockholm, die dem gegenständlichen Antrag beigelegt seien.

Sofern der Beschwerdeführer auf die UNHCR-Kurzinformation zur Situation von Palästinensern im Irak vom April 2018 verweist, handelt es sich dabei um kein neu hervorgekommenes Beweismittel, da dieser Bericht bereits im Verfahren auf internationalen Schutz herangezogen wurde. Der Bericht wurde in der Verhandlung vom 16.01.2019 erörtert, zu dem der Beschwerdeführer keine Stellungnahme abgab und der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.01.2019 zugrunde gelegt.

Bei den vorgelegten Schreiben der irakischen Vertretungsbehörde in Stockholm und Wien, welche die in der UNHCR-Kurzinformation genannten Umstände bestätigen würden, handelt es sich somit auch um keine neuen Tatsachen, da diese bereits in der UNHCR-Kurzinformation genannt werden.

Es liegen somit keine neu hervorgekommenen Tatsachen und Beweismittel vor, die eine Wiederaufnahme des Verfahren begründen könnten.

Im Übrigen ist dem Antrag auf Wiederaufnahme nur dann stattzugeben, wenn die neu hervorgekommene Tatsache oder das neu hervorgekommene Beweismittel allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätte. Auch diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht gegeben, da der Hauptinhalt des Spruchs den Abspruch über den Antrag auf internationalen Schutz betrifft, die Begründung des Wiederaufnahmeantrags aber auf die Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung bzw. Duldung abzielt und somit nicht den Hauptinhalt des Spruchs betrifft.

Soweit in dem Wiederaufnahmeantrag vorgebracht wird, dem Beschwerdeführer sei bei der irakischen Botschaft mitgeteilt worden, dass er nicht in den Irak wiedereinreisen dürfe und er über keinen legalen Aufenthalt mehr verfüge, wird dieses Vorbringen durch die vorgelegten Dokumente der irakischen Botschaft in Wien gerade nicht belegt. In dem Schreiben der irakischen Botschaft wird nämlich der Beschwerdeführer namentlich gar nicht erwähnt.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung mit der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes übereinstimmt.

Schlagworte

Wiederaufnahme Wiederaufnahmeantrag Wiederaufnahmegrund

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L524.2146495.2.00

Im RIS seit

24.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

24.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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