TE Bvwg Beschluss 2019/11/15 L524 2220328-1

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Veröffentlicht am 15.11.2019
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Entscheidungsdatum

15.11.2019

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
GRC Art47

Spruch

L524 2220328-1/13E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER LL.B. über den Antrag von XXXX , geb. XXXX , StA Türkei, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, Wattgasse 48, 1170 Wien, auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung, den Beschluss:

A) Dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung wird nicht stattgegeben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Feststellungen:

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.10.2019, L524 2220328-1/6E, wurde die Beschwerde des nunmehrigen Antragstellers gegen den Bescheid des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 14.05.2019, Zl. 1180533509-180123000/BMI-BFA_STM_AST, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG und dem FPG, als unbegründet abgewiesen. Dieses Erkenntnis wurde dem Beschwerdeführer am 18.10.2019 zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 06.11.2019 richtete der Antragsteller an den Verwaltungsgerichtshof einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, protokolliert zur Zl. Ra 2019/14/0533. Dieser Antrag wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 13.11.2019 abgewiesen.

Mit Schriftsatz vom 11.11.2019 beantragte der Antragsteller die Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz in Form einer einstweiligen Anordnung auf Grund des Unionsrechts.

Es kann nicht festgestellt werden, wann der Antragsteller in die Türkei abgeschoben werden soll. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Abschiebung des Antragstellers in die Türkei unmittelbar bevorsteht.

Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Antragsteller ein schwerer und nicht wieder gut zu machender Schaden durch die Abschiebung in die Türkei droht.

II. Beweiswürdigung:

Im Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung wird vorgebracht, dass die Abschiebung des Antragstellers unmittelbar bevorsteht. Im Antrag wird angeführt, dass der Antragsteller am Tag der Antragstellung um 7 Uhr zum Zweck der Abschiebung festgenommen worden sei. Diese bloße Behauptung wurde jedoch durch keinerlei Belege untermauert. Ebenso wenig wird die behauptete unmittelbar bevorstehende Abschiebung belegt. Es finden sich im Antrag nicht einmal Ausführungen dazu, wann die Abschiebung des Antragstellers erfolgen soll.

Im Antrag wird nicht vorgebracht, welcher schwere und nicht wieder gut zu machende Schaden dem Antragsteller durch die Abschiebung in die Türkei droht. Diesbezüglich wird im Antrag nur ausgeführt, dass dem Antragsteller in der Türkei auf Grund fehlender Existenzgrundlage, insbesondere vor dem Hintergrund der kurdischen Volksgruppenzugehörigkeit und der Behinderung sowie den damit einhergehenden Diskriminierungen bei einer allfälligen Rückkehr eine erniedrigende und unmenschliche Behandlung iSd Art 3 EMRK droht. Mit diesem pauschalen Vorbringen wird kein schwerer und nicht wieder gut zu machender Schaden dargelegt.

III. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

1. Der Antrag auf Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz in Form einer einstweiligen Anordnung auf Grund des Unionsrechts ist darauf gerichtet, dass bereits vor Revisionseinbringung die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zur Sicherung der über die Revision ergehenden Entscheidung begehrt wird.

Das Verwaltungsgericht ist sowohl bei einer ordentlichen Revision als auch im Falle einer außerordentlichen Revision bis zur Vorlage der Revision an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung über einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Revision (oder einen Antrag auf Erlassung einstweiliger Anordnungen) zuständig und zur Entscheidung verpflichtet (vgl. VwGH 31.10.2019, Ra 2019/20/0470).

2. Der EuGH hält in seiner im Anwendungsbereich des Unionsrechtes relevanten Rechtsprechung (aufbauend auf Art. 160 seiner Verfahrensordnung ("Anträge auf Aussetzung oder einstweilige Anordnungen")) fest, dass Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz den Streitgegenstand bezeichnen und die Umstände, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt, sowie den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung dem ersten Anschein nach rechtfertigenden Sach- und Rechtsgründe anführen müssen (vgl. dazu und zum Folgenden EuGH (Große Kammer) 20.11.2017, C- 441/17 R, Europäische Kommission gegen Republik Polen, Rz 28 ff, mwH). Der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter darf diesen nur dann gewähren, wenn die Notwendigkeit der Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft gemacht (fumus boni iuris) und ferner dargetan ist, dass sie dringlich in dem Sinne ist, dass sie zur Verhinderung eines schweren und nicht wieder gut zu machenden Schadens für die Interessen des Antragstellers bereits vor der Entscheidung der Hauptsache erlassen werden und ihre Wirkungen entfalten muss. Der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter nimmt gegebenenfalls auch eine Abwägung der widerstreitenden Interessen vor. Diese Voraussetzungen bestehen kumulativ, sodass der Antrag auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht erfolgreich sein kann, wenn eine von ihnen fehlt (vgl. VwGH 05.09.2018, Ra 2018/03/0056).

Im Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung ist konkret darzulegen, aus welchen tatsächlichen Umständen sich der behauptete schwere und nicht wieder gut zu machende Schaden ergibt. Auch nach der Rechtsprechung des EuGH hat eine Partei, die einen solchen Schaden geltend macht, diesen nachzuweisen; auch wenn insoweit keine absolute Gewissheit des Schadenseintritts erforderlich ist, sondern eine hinreichende Wahrscheinlichkeit genügt, ist eine antragstellende Partei gleichwohl verpflichtet, die Umstände nachzuweisen, die einen solchen Schaden erwarten lassen (EuGH (Große Kammer) 20.11.2017, C-441/17 R, Europäische Kommission gegen die Republik Polen, Rz 44). Die antragstellende Partei muss konkrete Angaben machen, die es dem entscheidenden Gericht erlauben, die genauen Auswirkungen abzuschätzen, die in Ermangelung der beantragten Maßnahme wahrscheinlich eintreten würden (vgl. VwGH 05.09.2018, Ra 2018/03/0056); Borchart in Lenz/Borchart, EU-Verträge Kommentar6, 2012, Art. 278, 279 AEUV, Rz 17 uH auf unionsrechtliche Rechtsprechung).

3. Der Antragsteller hat in seinem Antrag nicht konkret dargelegt, welcher schwere und nicht wieder gut zu machende Schaden ihm bei einer Abschiebung in die Türkei drohen würde. Es wird bloß pauschal vorgebracht, dass ihm eine erniedrigende und unmenschliche Behandlung drohen würde. Dabei handelt es sich jedoch nicht um die konkrete Darlegung eines schweren und nicht wieder gut zu machenden Schadens, weshalb die Dringlichkeit der beantragten Anordnung nicht dargetan wurde.

Der Antragsteller hat somit die Notwendigkeit der Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nicht glaubhaft gemacht. Dem Antrag war daher nicht stattzugeben.

Zu B) Zulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die zu lösende Rechtsfrage wurde in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet. Die Frage der Zuständigkeit für die Entscheidung über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung ist nicht geklärt. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschlüssen vom 28.08.2019, Ra 2019/18/0345, und vom 08.10.2019, Ra 2019/18/0400, seine Zuständigkeit angenommen und über den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung abgesprochen. Im Beschluss vom 31.10.2019, Ra 2019/20/0470, hat der Verwaltungsgerichtshof eine Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts angenommen und den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen.

Schlagworte

Abschiebung einstweilige Anordnung EuGH Glaubhaftmachung Rechtsschutzinteresse schwerer Schaden Unionsrecht Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L524.2220328.1.01

Im RIS seit

24.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

24.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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