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L85007 Straßen Tirol;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schrefler-König, über die Beschwerde des B in N, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 28. Mai 1996, Zl. IIb1-L-2135/10-1996, betreffend Enteignung gemäß §§ 62 ff Tiroler Straßengesetz (mitbeteiligte Partei: Weggemeinschaft O, vertreten durch den Obmann), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.160,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Schriftsatz vom 8. Februar 1995 (bei der belangten Behörde
eingelangt am 10. Februar 1995) wurde von der Weggemeinschaft O
die Durchführung des Grundeinlöseverfahrens "betreffend
Interessentschaftsweg O Gp. 3560/1 in EZ 239 KG N... im Ausmaß
von 333 m2 lt. Baubewilligungsbescheid ... der Tiroler
Landesregierung" vom 11. Juni 1968 beantragt. Die
Rechtsvorgänger des Beschwerdeführers erhoben nach Anberaumung
der mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom 30. März 1995
Einwendungen dahingehend, daß bei einer Enteignung zugunsten
einer öffentlichen Privatstraße eine mit der Rechtskraftklausel
versehene Ausfertigung des Bescheides nach § 61 Abs. 2 Tiroler
Straßengesetz anzuschließen sei. Die belangte Behörde hätte auf
Antrag der Wegeinteressentschaft O mit Bescheid festzustellen,
daß das Vorhaben im öffentlichen Verkehrsinteresse gelegen sei.
Ein derartiger Bescheid liege bisher nicht vor. Ein öffentliches Verkehrsinteresse liege nicht vor. Eine mündliche Verhandlung über den Enteignungsantrag habe nur stattzufinden, wenn der Enteignungsantrag nicht als unzulässig zurückzuweisen sei. Es sei eine andere Straße vorhanden, die nicht durch bestehende Höfe eingeengt sei und bei der ein Verkehrsaufkommen schon aufgrund des Straßenverlaufes leichter zu bewältigen wäre. In der Verhandlung vom 10. April 1995 verwiesen die Rechtsvorgänger des Beschwerdeführers auf die Ausführungen des erwähnten Schriftsatzes vom 30. März 1995, wobei neuerlich insbesondere das Vorliegen des öffentlichen Verkehrsinteresses bestritten wurde.
In einer weiteren Stellungnahme u.a. der Rechtsvorgänger des Beschwerdeführers wurde die rechtliche Existenz der Weggemeinschaft O in Frage gestellt, da einige Miteigentümer des Grundstückes Nr. 3560/1 KG. N. die Ladung zur mündlichen Verhandlung nicht erhalten hätten bzw. der Bescheid einigen Miteigentümern nie zugestellt worden sei. Die Weggemeinschaft habe am 24. April 1967 um die Durchführung einer Bauverhandlung angesucht. Gegenstand sei der Ausbau der Straße von Milders nach Seduk gewesen. Eine "Parteienverhandlung" sei am 3. Mai 1968 ergebnislos verlaufen. Es sei in der Folge eine Baubewilligungs- und Enteignungsverhandlung am 30. Mai 1968 anberaumt worden. Wiederum hätten einige Miteigentümer keine Ladung erhalten. Es sei in der Folge ein Bescheidkonzept von der Behörde ausgearbeitet worden. Da der Obmann der Weginteressentschaft den Antrag in einer Niedrschrift vom 25. November 1968 zurückgezogen habe, sei ein Bescheid in diesem Verfahren nie ergangen. Es liege somit keine straßenbaurechtliche Bewilligung für die Straße vor. Es bestehe keine Verordnung, die die Straße zur Gemeindestraße erkläre und es liege kein Beschluß oder Bescheid vor, die vorliegende Straße zu einer öffentlichen Interessentenstraße zu erklären.
Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 28. Mai 1996 wurde in Spruchpunkt I. ausgesprochen,
"daß für die Ermöglichung der Durchfahrt des Hofraumes GSt. Nr. 3560/1, GB ... die Einräumung eines Servituts des Errichtens und der Erhaltung der Straße zugunsten der Straßeninteressentschaft O und des Benützens im Sinne des Tiroler Straßengesetzes notwendig ist.
Diese Dienstbarkeit wird somit im Sinne des zugrundeliegenden Projektsplanes (333 m2) eingeräumt."
In Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides ist für die zwangsweise Einräumung der Dienstbarkeit gegenüber dem Beschwerdeführer, als einem Miteigentümer, eine Entschädigung pro m2 von S 20,-- vorgesehen. Der angefochtene Bescheid ist damit begründet, daß die durchgeführte mündliche Verhandlung ergeben habe, daß zur Benützung der O-Straße die Beanspruchung der Grundparzelle 3560/1 notwendig sei. Acht Miteigentümer dieser Grundfläche hätten der Grundabtretung und -einlöse zugestimmt. Der Beschwerdeführer habe sich der Grundeinlöse widersetzt, aber einer Benützung des Hofraumteiles zugestimmt. Da im Enteignungsverfahren das geringste zielführende Mittel anzuwenden sei, sei die genannte Dienstbarkeit eingeräumt worden.
In der dagegen zunächst beim Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde, deren Behandlung vom Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG mit Beschluß vom 2. Oktober 1996, B 2423/96-3, abgelehnt und die dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten wurde, wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 61 Tiroler Straßengesetz, LGBl. Nr. 13/1989 (im folgenden: StrG), kann u.a. enteignet werden
"a)
für den Neubau einer Straße und für bauliche Änderungen einer Straße,
b)
...,
c)
...,
d)
für den Erwerb des Eigentums an einer privaten Straße oder an einer öffentlichen Privatstraße, die zur Landesstraße, Gemeindestraße oder öffentlichen Interessentenstraße erklärt wurde,
e)
für den Erwerb des Eigentums an dem im Eigentum einer Straßeninteressentschaft stehenden Straßengrund einer öffentlichen Interessentenstraße, die zur Landesstraße erklärt wurde,
f)
... ."
Gemäß § 61 Abs. 2 StrG ist eine Enteignung zugunsten einer öffentlichen Privatstraße nur zulässig, wenn die Behörde auf Antrag des Straßenverwalters mit Bescheid festgestellt hat, daß das Vorhaben, dessen Verwirklichung die Enteignung dienen soll, im öffentlichen Verkehrsinteresse gelegen ist. Gemäß § 62 Abs. 1 StrG ist eine Enteignung nur zulässig, wenn
a)
für das Vorhaben, dessen Verwirklichung die Enteignung dienen soll, ein Bedarf besteht, dessen Deckung im öffentlichen Verkehrsinteresse gelegen ist,
b)
der Gegenstand der Enteignung geeignet ist, der zweckmäßigen und wirtschaftlichen Verwirklichung des Vorhabens zu dienen,
c)
der Gegenstand der Enteignung nicht anders als durch Enteignung beschafft werden kann und
d)
durch die Enteignung ihr Zweck unmittelbar verwirklicht werden kann.
Gemäß § 62 Abs. 2 StrG gilt bei Bauvorhaben, die einer Straßenbaubewilligung bedürfen, der Bedarf hiefür im Sinne des Abs. 1 lit. a leg. cit. mit dem Eintritt der Rechtskraft der Straßenbaubewilligung als nachgewiesen. Gemäß § 63 Abs. 1 lit. a leg. cit. können durch Enteignung an Grundstücken das Eigentum sowie Dienstbarkeiten und andere Rechte, die zum Gebrauch oder zur Nutzung des Grundstückes berechtigen, eingeräumt werden.
Der Beschwerdeführer macht geltend, daß die Enteignung im vorliegenden Fall einer rechtskräftigen Straßenbaubewilligung bedürfe. Eine solche liege nicht vor. Dem Rechtsvorgänger des Beschwerdeführers A.H. sei zwar im November 1994 ein Schriftstück, datiert mit 11. Juni 1968, zugestellt worden. Dies sei aber keine Straßenbaubewilligung entsprechend § 44 StrG. Der Vertreter des Rechtsvorgängers des Beschwerdeführers habe dagegen Berufung erhoben, weil ihm nicht klar gewesen sei, welche rechtliche Qualität dieses Schriftstück vom 11. Juni 1968 überhaupt haben sollte. Die belangte Behörde habe in der Begründung ihres Bescheides vom 3. Jänner 1995 - mit dem, so ist anzumerken, die erwähnte Berufung als unzulässig zurückgewiesen worden ist - ausgeführt, daß das Schriftstück als Bescheid über die Baubewilligung für die Errichtung des Interessentschaftsweges O erachtet werde. Dieses Schriftstück enthalte aber keinerlei Bezug auf das Grundstück Nr. 3560/1 bzw. auf den Rechtsvorgänger des Beschwerdeführers, sodaß sich dieser durch diesen Bescheid in seinen Rechten nicht betroffen und beschwert gefühlt habe. Nach Auffassung des Beschwerdeführers weise diese Erledigung nicht den Inhalt und die Form eines Bescheides entsprechend dem § 58 ff AVG auf. Das Schriftstück sei nicht als Bescheid, sondern als Konzept bezeichnet. Der Bescheid enthalte auch nicht die gesetzlichen Erfordernisse eines Spruches und sei in wesentlichen Teilen nicht leserlich. Er nehme nicht bezug auf ein Straßenobjekt, das das angeführte Grundstück bzw. die Rechte des Beschwerdeführers betreffe. Diese Erledigung vom 11. Juni 1968 stelle daher keine Straßenbaubewilligung dar. Der angefochtene Bescheid sei daher aus diesem Grund mangelhaft. Der Bau und die Erhaltung der öffentlichen Interessentenstraße der Weginteressentschaft O bedürfe einer rechtskräftigen Straßenbaubewilligung, da durch dieses Vorhaben jedenfalls Interessen im Sinne des § 37 Abs. 1 StrG beeinträchtigt werden könnten.
Es stellt sich im vorliegenden Fall schon als Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides dar, daß die belangte Behörde keine Feststellungen darüber getroffen hat, um welche Art Straße es sich im vorliegenden Fall handelt, insbesondere ob - wie im Verfahren behauptet - eine öffentliche Privatstraße vorliegt, für die § 61 Abs. 2 leg. cit. die Feststellung der Straßenbehörde verlangt, daß das Vorhaben im öffentlichen Verkehrsinteresse gelegen ist, oder eine öffentliche Interessentenstraße, in bezug auf die eine entsprechende Erklärung zur öffentlichen Interessentenstraße mit Bescheid der Straßenbehörde erfolgt ist. Sofern die verfahrensgegenständliche Straße als öffentliche Privatstraße zu qualifizieren ist, liegt - auch von der Behörde unbestritten - kein Feststellungsbescheid im Sinne des § 61 Abs. 2 StrG vor.
Überdies stellt das Straßenbauvorhaben jedenfalls ein Vorhaben dar, das einer Straßenbaubewilligung gemäß § 40 StrG bedarf. Gemäß § 62 Abs. 2 StrG muß in diesem Fall eine rechtskräftige Straßenbaubewilligung für ein solches Vorhaben vorliegen, womit der Bedarf für das Vorhaben im Sinne des § 62 Abs. 1 lit. a StrG nachgewiesen ist. Nach Auffassung der belangten Behörde erfolgte die straßenbaurechtliche Bewilligung mit Bescheid vom 11. Juni 1968. Von diesem straßenbaurechtlichen Verfahren liegt nach den Angaben der belangten Behörde nur mehr ein mit Konzept überschriebenes, im Akt befindliches Schriftstück vor, in dem maßgebliche Inklusionen aus der Verhandlungsschrift mangels Vorliegens dieser nicht mehr nachvollziehbar sind. Dieses Konzept enthält auch keinerlei nähere Angabe des in diesem Verfahren gegenständlichen Straßenprojektes. Die in diesem Konzept verwiesenen Pläne liegen gleichfalls nicht mehr vor. Dieses Schriftstück wurde dem Beschwerdeführer von der Weggemeinschaft im Jahr 1994 in Kopie zugestellt. Mit diesem Schriftstück ist dem Beschwerdeführer gegenüber schon deshalb kein Bescheid ergangen, weil dieses Schriftstück mangels eines Bewilligungsgegenstandes im Ergebnis keinen normativen Abspruch enthält. Es lag somit im verfahrensgegenständlichen Enteignungsverfahren eine rechtskräftige Straßenbaubewilligung - wie es § 62 Abs. 2 StrG vorsieht - nicht vor. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, die stets einer gleichfalls erkannten Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeht, aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG. Das Mehrbegehren war im Hinblick darauf abzuweisen, daß im vorliegenden Fall Stempelgebühren nur für die Beschwerde in dreifacher Ausfertigung, für den angefochtenen Bescheid in einfacher Ausfertigung und die weiteren zwei Beilagen in dreifacher Ausfertigung zustanden.
Schlagworte
Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Inhalt des Spruches Allgemein Angewendete GesetzesbestimmungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996060244.X00Im RIS seit
25.01.2001