TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/19 L512 2155935-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.11.2019
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Entscheidungsdatum

19.11.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §58 Abs10
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

L512 2155937-2/10E

L512 2155929-2/12E

L512 2155940-2/8E

L512 2155943-2/8E

L512 2155935-2/8E

L512 2155932-2/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

1.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marlene JUNGWIRT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. der Volksrepublik Bangladesch, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Andreas WALDHOF, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Tirol, vom XXXX , Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 58 Abs. 10 AsylG, § 10 Abs. 3 AsylG iVm §9 BFA-VG, §§ 52 Abs. 3 und 9, 46, 55 Abs. 1 bis 3 und 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marlene JUNGWIRT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. der Volksrepublik Bangladesch, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Andreas WALDHOF, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Tirol, vom XXXX , Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 58 Abs. 10 AsylG, § 10 Abs. 3 AsylG iVm §9 BFA-VG, §§ 52 Abs. 3 und 9, 46, 55 Abs. 1 bis 3 und 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

3.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marlene JUNGWIRT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. der Volksrepublik Bangladesch, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Andreas WALDHOF, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Tirol, vom XXXX , Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 58 Abs. 10 AsylG, § 10 Abs. 3 AsylG iVm §9 BFA-VG, §§ 52 Abs. 3 und 9, 46, 55 Abs. 1 bis 3 und 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

4.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marlene JUNGWIRT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. der Volksrepublik Bangladesch, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Andreas WALDHOF, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Tirol, vom XXXX , Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 58 Abs. 10 AsylG, § 10 Abs. 3 AsylG iVm §9 BFA-VG, §§ 52 Abs. 3 und 9, 46, 55 Abs. 1 bis 3 und 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

5.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marlene JUNGWIRT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. der Volksrepublik Bangladesch, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Andreas WALDHOF, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Tirol, vom XXXX , Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 58 Abs. 10 AsylG, § 10 Abs. 3 AsylG iVm §9 BFA-VG, §§ 52 Abs. 3 und 9, 46, 55 Abs. 1 bis 3 und 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

6.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marlene JUNGWIRT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. der Volksrepublik Bangladesch, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Andreas WALDHOF, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Tirol, vom XXXX , Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A) A) Die Beschwerde wird gemäß § 58 Abs. 10 AsylG, § 10 Abs. 3 AsylG iVm §9 BFA-VG, §§ 52 Abs. 3 und 9, 46, 55 Abs. 1 bis 3 und 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Die Beschwerdeführer 1-6 (in weiterer Folge kurz als "BF1-6" bezeichnet), Staatsangehörige der Volksrepublik Bangladesch, (in weiterer Folge "Bangladesch" genannt), stellten nach illegaler Einreise am XXXX (BF1-4) bzw. XXXX (BF5-6) Anträge auf internationalen Schutz. Die minderjährigen BF3-6 sind die Kinder der BF1-2.

I.2. Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (kurz: BFA) vom XXXX , Zlen.: XXXX , wurden die Anträge der BF1-6 auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status von Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurden nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurden Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung der BF1-6 nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

I.3. Die gegen die Bescheide des BFA vom XXXX , Zlen.: XXXX erhobene Beschwerde wurde mit Erkentnissen des Bundesverwaltungsgerichtes (kurz: BVwG) vom XXXX , GZlen. XXXX , gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 57 und 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 als unbegründet abgewiesen. Mit ordnungsgemäßer Zustellung erwuchsen diese Erkenntnisse am XXXX in Rechtskraft.

I.4. Die BF1-6 kamen ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nach und wurden am 19.02.2018 Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für die BF1-6 gemäß § 55 Abs 1 AsylG gestellt. Es wurde ein Konvolut von Teilnahmebestätigungen an Kursen (u. a. Erste-Hilfe-Kurs, div. Sportarten), Unterstützungsschreiben, Unterschriftenlisten, Bestätigungen von Schulen und Kindergarten, Zertifikate von Deutschprüfungen sowie Bestätigungen über ehrenamtliche Tätigkeiten vorgelegt.

I.5. Mit Schreiben des BFA vom 26.03.2018 wurden die BF1-6 unter anderem aufgefordert binnen zwei Wochen eine schriftliche Begründung der Antragstellung im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG einzubringen.

I.6. Mit Schriftsatz vom 11.04.2018 wurde eine Stellungnahme der Vertretung der BF1-6 abgegeben. Darin wurde im Wesentlichen auf die bisherigen Integrationsbemühungen der BF1-6 verwiesen. Weiters seien sie nicht im Besitz von Reisedokumenten und bestünde kein Kontakt zum Heimatland. Der Lebensmittelpunkt befände sich in Österreich. Im Falle einer Rückkehr würden die BF1-2 nicht in der Lage sein, für sich und ihre Kinder (BF3-6) die Grundbedürfnisse zu decken. Vorgelegt wurde unter anderem eine Einstellungszusage (aufschiebend bedingter Dienstvertrag) vom XXXX betreffend den BF1, ein Antrag auf Saisonbewilligung vom XXXX betreffend den BF1, eine Bestätigung über die Tätigkeit des BF1 im Flüchtlingsheim im Zeitraum vom XXXX bis XXXX , ein Schreiben XXXX Club betreffend BF1 (ohne Datum), eine Unterschriftenliste betreffend BF1-6, Schulbesuchsbestätigungen (betreffend BF 3 und 4), Bestätigungen vom Kindergarten (betreffend BF 5 und 6).

I.7. Mit Bescheiden des BFA vom XXXX , wurden die Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK vom 19.02.2018 (BF1-6) gemäß § 58 Abs 10 AsylG zurückgewiesen. Gemäß § 10 Abs 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurden gegen die BF1-6 Rückkehrentscheidungen erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebungen der BF1-6 zulässig seien. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise im Ausmaß von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt und gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 2 Z 6 FPG Einreiseverbote für die Dauer von einem Jahr erlassen.

In der Begründung wurde dargelegt, dass eine maßgebliche Sachverhaltsänderung in Bezug auf das Privat- und Familienleben der BF1-6 nicht eingetreten sei. Zwischen dem Zeitpunkt der jetzigen Entscheidung und der Bestätigung der Rückkehrentscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht liege nur eine kurze Zeitspanne und hätten sich im Vergleich zum Asylverfahren keine relevanten Änderungen ergeben bzw. sei kein maßgeblich geänderter Sachverhalt feststellbar. Auch die nunmehr vorgelegten integrationsfördernden Eingaben seien inhaltlich bereits im Asylverfahren berücksichtigt worden bzw. begründen keine weitere fortgeschrittene Integration, weshalb von keinem neuen Sachverhalt auszugehen sei. Zum Einreiseverbot wurde ausgeführt, dass die sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich sei, zumal die BF1-6 ihrer behördlichen Anordnung (Ausreiseverpflichtung) nicht Folge geleistet hätten und die finanziellen Mittel zu ihrem Unterhalt nicht nachweisen könnten.

I.8. Gegen die Bescheide des BFA vom XXXX , wurde mit in den Akten ersichtlichen Schriftsätzen innerhalb offener Frist Beschwerden erhoben.

I.9. Hinsichtlich des Verfahrensherganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

II.1.1. Die BF1-6 sind Staatsbürger der Volksrepublik Bangladesch, gehören zur Volksgruppe der Bengalen und bekennen sich zum sunnitischen Islam. Die BF1 und 2 sind verheiratet und die Eltern der minderjährigen BF3-6. Die Identität der BF1-6 steht fest.

Sie stellten am XXXX (BF1-4) bzw. XXXX (BF5-6) Anträge auf internationalen Schutz. Über diese Anträge wurde rechtskräftig mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX , zugestellt am XXXX , XXXX , negativ abgesprochen und wurden Rückkehrentscheidungen gegen die BF1-6 erlassen.

Die BF1-6 verfügten ab den rechtskräftigen negativen Entscheidungen des BVwG, somit ab XXXX , über kein Aufenthaltsrecht in Österreich.

Die BF1-6 kamen ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nach und brachten am 19.02.2018 bzw. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens ein.

Die BF1-2 sind junge, arbeitsfähige Menschen mit einer in Bangladesch - wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherten Existenzgrundlage. Die BF2-6 sind gesund.

Der BF1 leidet seit XXXX an einer depressiven Anpassungsstörung mit begleitender Schlafstörung und Somatisierungssymptomatik (Gelenksschmerzen) sowie an Angstsymptomen. Es handelt sich dabei nicht um eine lebensbedrohliche physische oder psychische Erkrankung und befindet sich der BF1 in einem arbeitsfähigen Zustand und Alter.

Die BF1-6 stammen aus dem Distrikt XXXX , Bezirk XXXX . Die BF1-2 haben jeweils acht Jahre die Grundschule besucht. Die BF1-6 sprechen Bengali.

In Bangladesch leben nach wie vor die Eltern und zwei Schwestern des BF1 sowie die Eltern der BF2.

Die BF1-2 sind strafrechtlich unbescholten. Die BF1-6 bezogen in Österreich Leistungen aus der Grundversorgung für Asylwerber. Der BF1 verfügt über Sprachkenntnisse auf dem Niveau A2. Die BF2 besuchte Deutschqualifizierungsmaßnahmen und verfügt über keine nennenswerten Deutschkenntnisse. Die BF3-4 besuchten die Volksschule, die BF5-6 den Kindergarten und verfügen die BF3-6 über Deutschkenntnisse auf einem guten Niveau.

Der BF1 hat in seiner Wohnsitzgemeinde gemeinnützige Tätigkeiten verrichtet, war Mitglied beim XXXX und hat einen Erste Hilfekurs absolviert. In der Flüchtlingsunterkunft hat der BF1 Hausmeistertätigkeiten verrichtet. Der BF3 besuchte das Kindertraining Taekwondo und hat an einem Schulschikurs teilgenommen.

Die BF1-6 haben keine über die Kernfamilie hinausgehenden familiären oder relevanten privaten Anknüpfungspunkte in Österreich.

Die BF1-6 brachten im Rahmen der verfahrensgegenständlichen Anträge neu vor, dass der BF1 über eine Einstellungszusage als XXXX (aufschiebend bedingter Dienstvertrag) verfügt und er einen Antrag auf eine zeitlich befristete Zulassung als Stammsaisonarbeitskraft ( XXXX ) gestellt hat. Neu in Vorlage gebracht wurden überdies Empfehlungs- und Unterstützungsschreiben samt Unterschriftenliste betreffend die BF1-6, eine Deutschkursbesuchsbestätigung (Niveau A1) betreffend die BF1 vom XXXX sowie ein entwicklungspsychologischer Befund betreffend BF5.

Ansonsten konnten keine maßgeblichen, insbesondere über die bereits im Zeitpunkt der Entscheidungen des BVwG vom XXXX hinausgehenden Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration der BF1-6 in Österreich in sprachlicher, beruflicher oder gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden. Die mit den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX ausgesprochenen Rückkehrentscheidungen sind bzw. waren zum Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide bis zur Abschiebung der BF1-6 nach Bangladesch gültig.

Festgestellt wird, dass aus dem Antragsvorbringen zu den Anträgen auf Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 im Hinblick auf das Privat- oder Familienleben der BF1-6 ein geänderter Sachverhalt nicht hervorgeht, und sohin eine diesbezügliche Sachverhaltsänderung seit der Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Erkenntnis des BVwG vom XXXX , rechtskräftig seit XXXX ) nicht vorliegt.

Die Verhältnisse in Bangladesch haben sich seit dem abweisenden Erkenntnis des BVwG vom XXXX , in welchen bereits geprüft und festgestellt wurde, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der BF1-6 in ihren Herkunftsstaat für sie keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeutet, und für sie als Zivilpersonen auch keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringt - nicht maßgeblich geändert.

In Bezug auf die individuelle Lage der BF1-6 im Falle einer Rückkehr nach Bangladesch konnte keine im Hinblick auf den Zeitpunkt, an dem über seinen Antrag auf internationalen Schutz inhaltlich entschieden wurde, maßgeblich geänderte Situation festgestellt werden.

Die BF1-6 wurden am XXXX nach Bangladesch abgeschoben.

II.1.2. Zur abschiebungsrelevanten Lage in Bangladesch werden folgende Feststellungen getroffen:

1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 23.3.2018, Oppositionsführerin Khaleda Zia zu fünf Jahren Haft verurteilt (relevant für Abschnitt 2. Politische Lage)

Am 8. Februar 2018 wurde Begum Khaleda Zia, die frühere Premierministerin von Bangladesch und Vorsitzende der oppositionellen Bangladesh Nationalist Party (BNP) durch ein Gericht in Dhaka für schuldig befunden, während ihrer ersten Amtszeit von 1991 bis 1996 Spendengelder in Höhe von 21 Millionen Taka (etwa 200.000 Euro) veruntreut zu haben, die für die wohltätige Organisation Zia Orphanage Trust bestimmt waren. Das Gericht verurteilte Khaleda Zia zu fünf Jahren Haft, vier Berater und ihren Sohn Tarique Rahman zu je zehnjährigen Haftstrafen (DW 8.2.2018; vgl. The Guardian 8.2.2018). Der in London im Exil lebende Tarique Rahman ist von der Parteiführung im Zuge des Urteils zum Leiter der BNP erkoren worden (Indianexpress 12.2.2018).

Die Anklage gegen Khaleda Zia und ihren ältere Sohn erfolgte bereits 2008 durch die damalige militärische Übergangsregierung (Indianexpress 12.2.2018).

BNP Generalsekretär Mirza Fakrul Islam Alamgir kritisierte das Urteil scharf als einen Versuch Khaleda Zia zu verunglimpfen und sie von der Teilnahme an den nächsten Wahlen auszuschließen und kündigte an, das Urteil anzufechten (DW 8.2.2018; vgl. The Guardian 8.2.2018).

Im Vorfeld der Urteilsverkündung gegen Khaleda Zia haben die Behörden am 30. Jänner damit begonnen landesweit Unterstützer der oppositionellen BNP zu verhaften (OMCT 22.3.2018). Die in Dhaka ansässigen Menschenrechtsorganisation Ain O Salish Kendra berichtet, dass in den acht Tagen vor der Urteilsverkündigung insgesamt 1.786 Personen, Mitglieder der BNP, der islamistischen politischen Partei Jamaat-e-Islami und parteilose, festgenommen wurden (HRW 8.2.2018). BNP-Sprecher Rizvi Ahmed spricht von der Verhaftung von ungefähr 3.500 Aktivisten und Funktionären (The Guardian 8.2.2018).

Noch vor der Urteilsverkündung kam es in Dhaka zu Zusammenstößen zwischen Gefolgsleuten der BNP und der Polizei. Im Fernsehen waren brennende Motorräder zu sehen. Die Sicherheitskräfte setzten Tränengas ein, um die Demonstranten, die ein behördliches Versammlungsverbot missachtet hatten, zu zerstreuen (DW 8.2.2018).

Auch nach der Urteilsverkündung kam es in Bangladeschs Großstädten zu Zwischenfällen bei denen Polizeibeamte und Anhänger der BNP verletzt wurden. In der nordöstlichen Stadt Sylhet feuerten Polizisten mit Gummigeschossen auf Demonstranten, wobei vier Personen verletzt wurden. In der Hafenstadt Chittagong wurden mindestens sieben BNP-Funktionäre, darunter der lokale Parteivorsitzenden verhaftet, nachdem es zu einem Handgemenge zwischen Anhänger der Opposition und der Polizei gekommen war (The Guardian 8.2.2018; vgl. BBC News 8.2.2018).

Etwa 5.000 Unterstützer der Opposition wurden bisher landesweit inhaftiert (OMCT 22.3.2018). Die Parteiführung der BNP fordert deren bedingungslose Freilassung (Dhaka Tribune 10.2.2018).

Seit der Inhaftierung von Khaleda Zia hat die BNP bei verschiedenen, friedlichen Aktionen, wie eine landesweite Flugblattaktion am 1. März, die Bildung einer Menschenkette in Dhaka am 6. März, sowie Sit-ins, symbolische Hungerstreiks und Protestzüge, ihre Freilassung gefordert (Dhaka Tribune 6.3.2018; vgl. Gulf Times 4.3.2018).

Am 19. März hat das Höchstgericht von Bangladesch den Beschluss des Obersten Gerichtshofs von Dhaka, der ehemaligen Premierministerin Khaleda Zia Kaution zu gewähren, bis zum 8. Mai ausgesetzt (ANI 19.3.2018).

Quellen:

- ANI - Asian News International (19.3.2018): B'desh SC stays Khaleda Zia's bail in orphanage graft case, https://www.aninews.in/news/world/asia/bdesh-sc-stays-khaleda-zias-bail-inorphanage-graft-case201803191613580001/, Zugriff 22.3.2018

- BBC News (8.2.2018): Bangladesh ex-PM Khaleda Zia jailed amid clashes, http://www.bbc.com/news/world-asia-42987765, Zugriff 22.3.2018

- Deutsche Welle (8.2.2018): Ex-Premierministerin Khaleda Zia zu fünf Jahren Haft verurteilt, http://www.dw.com/de/ex-premierministerin-khaleda-zia-zu-f%C3%Bcnf-jahren-haftverurteilt/a-42499619, Zugriff 22.3.2018

- Dhaka Tribune (10.2.2018): BNP announces more protest plans over Khaleda conviction, http://www.dhakatribune.com/bangladesh/politics/2018/02/10/bnp-announces-protest-planskhaleda-conviction/, Zugriff 22.3.2018

- Dhaka Tribune (6.3.2018): BNP forms human chain demanding Khaleda's release, http://www.dhakatribune.com/bangladesh/politics/2018/03/06/bnp-forms-human-chaindemanding-khaledas-release/, Zugriff 22.3.2018

- Gulf Times (4.3.2018): BNP announces fresh protest to demand release of Zia, http://www.gulf-times.com/story/583845/BNP-announces-fresh-protest-to-demand-release-of-Z, Zugriff 22.3.2018

- HRW - Human Rights Watch (8.2.2018): Bangladesh: End Crackdown on Opposition Supporters, https://www.ecoi.net/de/dokument/1423887.html, Zugriff 22.3.2018

- Indianexpress (12.2.2018): The solitary prisoner, http://indianexpress.com/article/opinion/columns/khaleda-zia-bangladesh-politics-bnp-thesolitary-prisoner-5060031/, Zugriff 22.3.2018

- OMCT -World Organisation Against Torture (22.3.2018): Bangladesh: Bangladesh: Civil society decries mass arrests amid worsening human rights situation, http://www.omct.org/monitoring-protectionmechanisms/statements/bangladesh/2018/03/d24780/, Zugriff 22.3.2018

- The Daily Star (25.2.2018): ASK blasts cop action on BNP programme, http://www.thedailystar.net/country/ain-o-salish-kendra-ask-blasts-police-action-bnpprogramme-153989, Zugriff 22.3.2018

- The Guardian (8.2.2018): Violent protests as opposition leader is jailed in Bangladesh, https://www.theguardian.com/world/2018/feb/08/violent-protests-opposition-leader-jailedbangladesh-khaleda-zia, Zugriff 22.3.2018

2. Politische Lage

Bangladesch ist eine Volksrepublik (People' s Republic of Bangladesh) mit einer seit 1991 wieder geltenden parlamentarischen Demokratie als Regierungsform (GIZ 5.2017).

Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der vom Parlament alle fünf Jahre gewählt wird, eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er übt Großteils zeremonielle Funktionen aus, die Macht liegt in den Händen des Premierministers als Regierungschef, der von der stärksten im Parlament vertretenen Partei nominiert und vom Präsidenten formell ernannt wird. Der Premierminister, ernennt die Regierungsmitglieder, die vom Präsidenten bestätigt werden. Nach Ende der 5-jährigen Legislaturperiode bildet der Präsident unter seiner Führung eine unabhängige "Caretaker"-Regierung, deren verfassungsmäßige Aufgabe es ist, innerhalb von 90 Tagen die Voraussetzungen für Neuwahlen zu schaffen (ÖB New Delhi 12.2016; vgl. GIZ 5.2017). Zusätzlich obliegt dem Premierminister die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten (GIZ 5.2017). Aktuell hat Sheikh Hasina von der Awami League (AL) das Amt der Premierministerin inne (ÖB New Delhi 12.2016)

Das Parlament (National Parliament oder Jatiya Sangsad) besteht aus einer Kammer mit 300 in Einzelwahlkreisen auf fünf Jahre direkt gewählten Abgeordneten (ÖB New Delhi 12.2016) mit zusätzlichen 50 Sitzen, die nur für Frauen reserviert sind (AA 14.1.2016). Das Parlament tagt nicht während der Amtszeit der "Caretaker"-Regierung. Das Mehrheitswahlrecht führt zu stabilen Mehrheiten im Parlament und hat die Herausbildung der Bangladesch Nationalist Party (BNP) und der Awami League (AL) als dominierende und konkurrierende Parteien begünstigt. Während die konservative BNP Verbündete bei den islamistischen Parteien wie der Jamaat-e-Islami (JI) hat, bekommt die AL traditionell Unterstützung von linken und säkularen Parteien, wie der Arbeiterpartei, der liberaldemokratischen Partei, der national-sozialen Partei Jatiyo Samajtantrik Dal und jüngst auch von der Jatiya Partei unter dem ehemaligen Militärdiktator Hossain Mohammad Ershad (ÖB New Delhi 12.2016).

Das politische Leben wird seit 1991 durch die beiden größten Parteien, die "Awami League" (AL) und "Bangladesh Nationalist Party" (BNP) bestimmt. Klientelismus und Korruption sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind stark politisiert und parteipolitisch durchdrungen (AA 3.2017a). AL und BNP werden quasi-dynastisch von Sheikh Hasina und Begum Khaleda Zia geführt, die das politische Vermächtnis ihrer ermordeten Männer fortführen und eine unangefochtene Machtstellung in ihrer jeweiligen Partei genießen. Sie beeinflussen den Kandidatenauswahlprozess für Partei- und Staatsämter und geben den Takt für die politischen Auseinandersetzungen vor. Die oppositionelle BNP hat aufgrund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potential, durch Generalstreiks (Hartals) großen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 5.2017). Nennenswerte parlamentarische Stärke haben in der Vergangenheit sonst nur die Jatiya Party (JP) und die JI erzielt (GIZ 5.2017).

Infolge der Dominanz der AL und der fehlenden innerparteiischen Demokratie hat de facto jedoch die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei nach ihrem Wahlboykott am 5.1.2014 überhaupt nicht mehr im Parlament vertreten ist. Wie schon die Vorgängerregierungen, so baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in der Verwaltung, im Rechtswesen und im Militär aus. Auch im Regierungskabinett folgen Ernennungen und Umbesetzungen meist dem Prinzip der Patronage (GIZ 5.2017).

Bereits am 30.7.2011 hat das Parlament bei nur einer Gegenstimme, die BNP und ihre Verbündeten haben der Parlamentssitzung nicht beigewohnt, in der 15. Verfassungsänderung den Islam als Staatsreligion bestätigt, jedoch den Zusatz "Absolutes Vertrauen und der Glauben an den Allmächtigen Allah soll die Basis allen Handelns sein" aus der Verfassung gestrichen. Ungeachtet der ausgeprägten Leistungsdefizite staatlicher Institutionen, der undemokratischen innerparteilichen? Entscheidungsstrukturen und der in der letzten Dekade verstärkt gewalttätig ausgetragenen Parteienrivalität ist der Glauben an die Demokratie innerhalb der Bevölkerung ungebrochen (GIZ 5.2017; vgl. AA 3.2017a).

Am 5.1.2014 boykottierte die BNP die 10. Parlamentswahlen wodurch die AL eine verfassungsändernde Mehrheit erreichen konnte. Weitere Sitze gingen an Koalitionspartner der AL. Die sehr geringe Wahlbeteiligung von nur ca. 30% bei den Parlamentswahlen 2014 ist auf den Wahlboykott der Opposition zurückzuführen. Es gab Berichte über massive Einschüchterungsversuche wahlbereiter Bürger seitens oppositioneller Gruppen (GIZ 5.2017; vgl. AA 3.2017a). Am Wahltag wurden mindestens 21 Menschen getötet und über 130 Wahllokale in Brand gesetzt. Die Opposition reagierte bereits einen Tag nach den Wahlen mit Generalstreiks und in vielen Distrikten wurde über Attacken gegen ethnische und religiöse Minderheiten, v.a. Hindus, berichtet. Die AL versuchte mit gezielten Verhaftungen von Oppositionspolitikern den Druck auf das Regime zu schwächen (GIZ 5.2017).

Die verfassungsändernde Mehrheit im Parlament führt zu einer enormen Machtkonzentration in den Händen der AL respektive der Regierung. Mit neuen Gesetzen zu Medien, Äußerungen im Internet, Absetzung von obersten Richtern und Förderung von NGOs aus dem Ausland wird diese Konzentration noch weiter verstärkt. Die derzeitige Regierung hat es sich zum Ziel gemacht, Verbrechen des Unabhängigkeitskrieges von 1971 juristisch aufzuarbeiten. Angeklagt sind damalige Kollaborateure der pakistanischen Streitkräfte, von denen viele bis zur letzten innerparteilichen Wahl in führenden Positionen der islamistischen JI waren (AA 3.2017a). Auch die BNP ist dadurch in der Defensive (GIZ 5.2017). Die Prozesse und (häufig Todes-) Urteile öffnen alte Wunden und führen zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen säkularen und islamistischen Kräften (AA 3.2017a). Mittlerweile wurden acht Todesurteile und mehrere lebenslange Haftstrafen ausgesprochen, sechs Hinrichtungen wurden vollstreckt. Dabei hat sich innerhalb der säkularen Zivilgesellschaft mit Blick auf das Kriegsverbrechertribunal ein grundlegender Dissens entwickelt: Während die einen auf rechtstaatliche Standards pochen und die Todesstrafe ablehnen, ist für andere, v.a. aus der urbanen Protestbewegung Shabagh, jedes Urteil unterhalb der Todesstrafe inakzeptabel (GIZ 5.2017).

Bei den am 30.12.2015 in 234 Stadtbezirken durchgeführten Kommunalwahlen in Bangladesch ist die regierende AL als Siegerin hervorgegangen (NETZ 2.1.2016).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (14.1.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch

- AA - Auswärtiges Amt (3.2017a): Bangladesch, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Bangladesch/Innenpolitik_node.html, Zugriff 9.6.2017

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (5.2017): Bangladesch, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat/#c14332, Zugriff 9.6.2017

- HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/334685/476437_de.html, Zugriff 9.6.2017

- NETZ - Partnerschaft für Entwicklung und Gerechtigkeit e.V. (2.1.2016): Bangladesch Aktuell, http://bangladesch.org/bangladesch/aktuell/detailansicht/news/detail/News/kommunalwahlen/cHash/781fa29261a9302cfb84107680f22794.html, Zugriff 9.6.2017

- ÖB New Delhi (12.2016): Asylländerbericht

3. Sicherheitslage

Es gibt in Bangladesch keine Bürgerkriegsgebiete (AA 3.2017a).

Die Opposition organisierte Proteste und Straßenblockaden, unter denen die Wirtschaft leidet. Die Regierung reagiert mit Verhaftungen und mit Einschränkungen von Grundrechten. Sie will die öffentliche Ruhe mit allen Mitteln wiederherstellen. Die internationale Gemeinschaft verurteilte die Gewalt scharf und hat die Beteiligten zum Dialog aufgerufen (GIZ 5.2017).

Extremistische Gruppen, wie Jamaat-ul-Mujahideen Bangladesh (JMB) und Ansar al-Islam, die ihre Zugehörigkeit zu Daesh und Al Qaida auf dem indischen Subkontinent (AQIS) erklärten, haben Angriffe auf Angehörige religiöser Minderheiten, Akademiker, Ausländer, Menschenrechtsaktivisten und LGBTI-Personen, sowie weitere Gruppen durchgeführt (USDOS 3.3.2017; vgl. AI 22.2.2017). Medienberichten zufolge hat die Terrororganisation IS 2016 für 39 Morde die Verantwortung übernommen, der bengalische Al-Kaida-Ableger soll sich zu acht Taten bekannt haben (GIZ 5.2017). Die Sicherheitsbehörden waren zunächst nicht bereit, angemessene Schutzmaßnahmen zu veranlassen, gewährt aber in vielen Fällen inzwischen Personenschutz (AA 14.1.2016). Darüber hinaus kommt es regelmäßig zu intra- und interreligiöser Gewalt (AA 3.2017a; vgl. AI 22.2.2017). die Polizei tötete laut eigenen Angaben mindestens 45 mutmaßliche Terroristen in Schießereien (AI 22.2.2017).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (14.1.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch

- AA - Auswärtiges Amt (3.2017a): Bangladesch, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Bangladesch/Innenpolitik_node.html, Zugriff 9.6.2017

- AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/336450/479091_de.html, Zugriff 28.6.2017

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (5.2017): Bangladesch, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat/#c14332, Zugriff 9.6.2017

- USDOS (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/337142/479908_de.html, Zugriff 12.6.2017

4. Folter und unmenschliche Behandlung

Obwohl Folter und grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, durch die Verfassung und Gesetze wie der "Torture and Custodial Death (Prevention) Act" von 2013, verboten sind, gibt es weiterhin Vorwürfe von Misshandlungen durch Sicherheitskräfte und Geheimdienste. Menschrechtsorganisationen berichten, dass in den ersten neun Monaten des Jahres 2016 acht Personen zu Tode gefoltert wurden (USDOS 3.3.2017; vgl. AI 22.2.2017). Zusätzlich gab es 2016 laut Bericht von Odhikar 178 Fälle von außergerichtlichen Tötungen und 90 Fälle von erzwungenem Verschwinden Lassen (FH 1.2017).

Per Gesetz ist es Richtern möglich, über Verdächtige Untersuchungshaft zu verhängen, während Befragungen ohne Beisein eines Anwalts erfolgen können. Laut Menschrechtsorganisationen fanden viele Fälle von Folter in dieser Phase statt. Aus Angst vor Vergeltungsmaßnahmen kommt es selten zu Anzeigen, und folglich Bestrafungen oder Verurteilungen der verantwortlichen Sicherheitskräfte (USDOS 3.3.2017). 2013 hat sich mit der Praxis des "kneecapping" eine neue Art der Folter entwickelt. Dabei wird den Gefangenen in die Knie geschossen. Bei den Opfern, von denen einige invalide wurden, handelt es sich um Politiker, Journalisten und einfache Verdächtige. Diese Praxis hat auch 2016 angehalten (Odhikar 2017). Seit 2013 bis 2016 gab es 25 derartige Fälle (USDOS 3.3.2017)

Um Folter in Verwahrung zu reduzieren zu bekämpfen, hat der Oberste Gerichtshof Richtlinien für Strafverfolgungspersonal und Gerichte, bzgl. medizinischer Kontrollen und Ermittlungen zu Foltervorwürfen erlassen. Der Oberste Gerichtshof forderte außerdem die Regierung auf, einige Abschnitte des Strafprozessgesetzes zu ändern, um polizeilichen Missbrauch von Bürgern zu verringern (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

- AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/336450/479091_de.html, Zugriff 28.6.2017

- FH - Freedom House (1.2017): Freedom in the World 2017 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/341770/485095_de.html, Zugriff 28.6.2017

- Odhikar (2017): BANGLADESH - Annual Human Rights Report 2016, http://1dgy051vgyxh41o8cj16kk7s19f2.wpengine.netdna-cdn.com/wp-content/uploads/2017/01/AHRR-2016_Eng.pdf, Zugriff 12.6.2017

- USDOS (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/337142/479908_de.html, Zugriff 12.6.2017

5. Todesstrafe

In Bangladesch wurden seit der Wiederaufnahme von Hinrichtungen 2001 mehrere hundert Personen hingerichtet. 2014 saßen laut Innenministerium 1.071 Menschen im Todestrakt. Bangladesch hat im Dezember 2012 in der UN-Vollversammlung gegen das weltweite Moratorium zur Abschaffung der Todesstrafe gestimmt. Der signifikante Anstieg der Todesurteile fällt zeitlich mit der Einführung der Speedy Trial Tribunals (auf Grundlage des Disruption of Law and Order Offences Act 2002) zusammen (ÖB New Delhi 12.2016).

Die Todesstrafe kann nach den Bestimmungen des Penal Code für bestimmte schwere Verbrechen verhängt werden: Hochverrat, Mord, Raubmord, Meineid der zur Verurteilung und Exekution eines Unschuldigen führt, Anleitung zur Meuterei, Anleitung eines Minderjährigen oder Unzurechnungsfähigen zum Selbstmord, Entführung einer Person jünger als zehn Jahre, Mordversuch eines bereits lebenslänglich Inhaftierten, Drogenhandel, Aufruhr und Verhetzung, seit 1997 Flugzeugentführungen und Sabotage, seit 1998 Vergewaltigung und Menschenhandel von Frauen und Kindern, seit 2002 auch Säureattacken. 2009 wurde auch die Anti-Terrorism Ordinance ratifiziert, die bei Anwendung die Todesstrafe bedeuten kann. Unter den Anti-Terrorism Act fallen nicht nur vorsätzlich verübte terroristische Anschläge, sondern ahnet auch die Unterstützung und Finanzierung solcher Taten. Auch die Anstiftung von Kindern zu terroristischen Aktivitäten, kann für die anstiftende Person die Todesstrafe zur Folge haben (ÖB New Delhi 12.2016).

Im Mai 2017 wurden 35 Personen wegen Mordes verurteilt. 26 davon zum Tod durch Erhängen, neun zu Haftstrafen zwischen sieben und 17 Jahren. Unter den Verurteilten sind 25 Mitglieder der paramilitärischen staatlichen Eingreiftruppe RAB und ihr Auftraggeber, ein Lokalpolitiker der Awami League. Zwölf Verurteilte befanden sich zuletzt noch auf der Flucht (NETZ 24.5.2017).

Zu Tode Verurteilte haben automatisch das Recht auf Berufung beim High Court sowie anschließend auf ein Gnadengesuch an den Präsidenten. Hinrichtungen werden nur nach Ausschöpfung aller Instanzen vorgenommen. Laut Angaben bangladeschischer NGOs bestehe aufgrund der weit verbreiteten Korruption ein hohes Risiko, dass Unschuldige zu Tode verurteilt werden (ÖB New Delhi 12.2016).

Quellen:

- AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/336450/479091_de.html, Zugriff 28.6.2017

- NETZ (24.5.2017): Gericht verhängt 26 Todesurteile, https://bangladesch.org/bangladesch/aktuell/detailansicht/news/detail/News/gericht-verhaengt-26-todesurteile/cHash/5d17aadc87a5465b6cd0a90821ec7501.html, Zugriff 9.6.2017

- ÖB New Delhi (12.2016): Asylländerbericht

II. 2. Beweiswürdigung:

II.2.1. Das erkennende Gericht hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben. Der festgestellte Sachverhalt steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdeschreiben der BF1-6 fest und ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.

II.2.2. Die Feststellungen zur Person der BF1-6 (Staatsangehörigkeit, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, private und familiäre Anknüpfungspunkte in Pakistan, Schulausbildung, Beruf) ergeben sich - vorbehaltlich der Feststellungen zur Identität - aus den in diesem Punkt nicht widerlegten Angaben sowie Sprach- und Ortskenntnissen der BF1-2.

Im Zuge der Ausstellung der Heimreisezertifikate wurden die BF1-6 von der bengalischen Botschaft identifiziert, weshalb die Identität des BF festgestellt werden konnte.

Der Sachvortrag bezüglich der privaten und familiären Interessen der BF1-6 in Österreich wird als den Tatsachen entsprechend angesehen, da diese Ausführungen einerseits mit den amtlich zur Verfügung stehenden Informationen, wie Einsicht in das Zentrale Melderegister (ZMR), das Strafregister der Republik Österreich (SA), das Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR), sowie das Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich (GVS) im Einklang stehen und zudem keine Zweifel an den Angaben der BF1-2 aufkamen.

Die Angaben des BF1-2 bezüglich ihrer familiären Situation in ihrem Heimatland wurden vom BFA aufgrund der schlüssigen und nachvollziehbaren Angaben als wahr und somit der rechtlichen Beurteilung zu Grunde gelegt.

Die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt ergaben sich ferner aus den hg Verfahrensakten zu XXXX . Der Sachverhalt ist aktenkundig, unstrittig und deshalb erwiesen. Der verfahrensmaßgebliche Sachverhalt entspricht dem oben angeführten Verfahrensgang und konnte auf Grund der vorliegenden Aktenlage zweifelsfrei und vollständig festgestellt werden.

Dass die BF1-BF6 abgeschoben wurden, ergibt sich einerseits aus dem E-Mail des BFA vom XXXX sowie dem E-Mail des BF1 vom XXXX .

II.2.3. Zu der getroffenen Auswahl der Quellen, welche zur Feststellung der abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat herangezogen wurden, ist anzuführen, dass es sich hierbei aus der Sicht des erkennenden Gerichts um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen - sowohl staatlichen, als auch nichtstaatlichen Ursprunges - handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen.

Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten - von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen - diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um Sachverhalte geht, für die ausländische Regierungen verantwortlich zeichnen, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteiennahme unterstellt werden kann. Hingegen findet sich hinsichtlich der Überlegungen zur diplomatischen Zurückhaltung bei Menschenrechtsorganisationen im Allgemeinen das gegenteilige Verhalten wie bei den oa. Quellen nationalen Ursprunges. Der Organisationszweck dieser Erkenntnisquellen liegt gerade darin, vermeintliche Defizite in der Lage der Menschenrechtslage aufzudecken und falls laut dem Dafürhalten - immer vor dem Hintergrund der hier vorzunehmenden inneren Quellenanalyse - der Organisation ein solches Defizit vorliegt, dies unter der Heranziehung einer dem Organisationszweck entsprechenden Wortwahl ohne diplomatische Rücksichtnahme, sowie uU mit darin befindlichen Schlussfolgerungen und Wertungen - allenfalls unter teilweiser Außerachtlassung einer systematisch-analytischen wissenschaftlich fundierten Auswertung der Vorfälle, aus welchen gewisse Schlussfolgerungen und Wertungen abgeleitet werden - aufzuzeigen.

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich daher im Rahmen einer ausgewogenen Gesamtschau unter Berücksichtigung der Aktualität und der Autoren der einzelnen Quellen. Auch kommt den Quellen im Rahmen einer Gesamtschau Aktualität zu.

II.3. Rechtliche Beurteilung:

II.3.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter, Anzuwendendes Verfahrensrecht

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

II.3.2. Zurückweisung des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK

II.3.2.1. Gemäß §§ 55 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

Gemäß § 58 Abs 10 AsylG sind Anträge gemäß § 55 als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Anträge gemäß §§ 56 und 57, die einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag (Folgeantrag) oder einer rechtskräftigen Entscheidung nachfolgen, sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.

II.3.2.2. Die vorliegende Regelung des § 58 Abs. 10 Asylgesetz 2005 folgt dem früheren § 44b NAG nach und ist § 68 AVG nachempfunden (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht (2016), § 58 AsylG K13). Die Notwendigkeit einer ergänzenden, respektive neuen Abwägung nach § 9 BFA-VG verbietet bereits die Anwendung dieser Bestimmung. Vergleichsmaßstab ist die erste inhaltliche Entscheidung.

Erkennt das BVwG eine Zurückweisung nach § 58 Abs. 10 Asylgesetz für rechtswidrig, kann es nur mit einer Behebung vorgehen, nicht etwa in einem (im Sinne einer inhaltlichen Entscheidung) den Titel zuerkennen.

Gemäß § 44b Abs. 1 Z.1 NAG ist unter anderem ein Antrag wie der vorliegende als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Ausweisung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gem. § 11 Abs. 3 NAG ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt. Der Sache nach ist der Zurückweisungsgrund des § 44b Abs. 1 Z.1 NAG der Zurückweisung wegen entschiedener Sache gem. § 68 AVG nachgebildet. Die zu § 68 Abs. 1 AVG entwickelten Grundsätze für die Beurteilung, wann eine Änderung eines Sachverhaltes als wesentlich anzusehen ist, können daher auch für die Frage, wann maßgebliche Sachverhaltsänderungen im Sinne des §v 44b Abs. 1 Z.1 vorliegen, herangezogen werden.

Demnach ist eine Sachverhaltsänderung dann wesentlich, wenn sie für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die rechtskräftige Entscheidung gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann. Die Erlassung eines inhaltlich anderslautenden Bescheides (bezogen auf § 44b Abs. 1 Z.1 NAG: eine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Rechte nach Art. 8 EMRK) muss also zumindest möglich sein. In dieser Hinsicht hat die Behörde eine Prognose zu treffen. Dabei ist die Wesentlichkeit der Sachverhaltsänderung nach der Wertung zu beurteilen, die das geänderte Sachverhaltselement in der seinerzeitigen Entscheidung erfahren hat. Bei dieser Prognose sind hier die nach Art. 8 EMRK relevanten Umstände jedenfalls soweit miteinzubeziehen, als zu beurteilen ist, ob es angesichts dieser Umstände nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann, dass im Blick auf früher maßgebliche Erwägungen eine andere Beurteilung nach Art. 8 EMRK unter Bedachtnahme auf den gesamten vorliegenden Sachverhalt nunmehr geboten sein könnte. Eine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Rechte nach Art. 8 EMRK muss sich zumindest als möglich darstellen (VwGH vom 3.10.2013, 2012/22/0068).

Es hat im Rahmen des Verfahrens nach § 55 AsylG 2005 eine Neubewertung einer Rückkehrentscheidung nur bei einem geänderten Sachverhalt zu erfolgen, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, wobei sich diese inhaltliche Neubewertung des Sachverhaltes lediglich auf den Zeitraum zwischen der rechtskräftigen Entscheidung nach dem FPG bis zur Entscheidung des zugrundeliegenden Antrages auf Erteilung des Aufenthaltstitels zu beziehen hat (vgl. VwGH 16.12.2015, Ro 2015/21/0037).

II.3.2.3. Bei folgenden Konstellationen ging der VwGH von keiner wesentlichen Änderung des Sachverhaltes aus:

- Erk. vom 27.1.2015, Ra 2014/22/0094: Weder ein Zeitablauf von ca. 2 Jahren zwischen der rechtskräftigen Ausweisung und dem Zurückweisungsbeschluss der Behörde noch verbesserte Deutschkenntnisse und Arbeitsplatzzusagen stellen eine maßgebliche Sachverhaltsänderung im Sinne des § 44b NAG idF vor 2012/I/087 dar.

- Erk. vom 27.1.2015, Ra 2014/22/0108: Ein arbeitsrechtlicher Vorvertrag (dem in Hinblick darauf, dass der Fremde mangels entsprechender Deutschkenntnisse keinen Zugang zum Arbeitsmarkt hat, die Relevanz abgesprochen wurde) und auch der bloße Besuch eines Deutschkurses durch die Fremde können keine umfassende Neubeurteilung iSd. Art. 8 EMRK nach sich ziehen.

- Erk. vom 19.11.2014, 2012/22/0056: Die Behörde hat die Sprachkenntnisse des Fremden und die Einstellungszusage ihrer Entscheidung zugrunde gelegt. Es ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass die Behörde in diesen Umständen keine solche maßgebliche Änderung des Sachverhaltes sah, die eine Neubeurteilung in Hinblick auf Art. 8 EMRK erfordert hätte.

- Erk. vom 19.11.2014, 2013/22/0017: Mit Patenschaftserklärungen wird letztlich nur die finanzielle Unterstützung des Fremden dokumentiert und keine im Sinne des Art. 8 EMRK relevante Integration dargelegt.

Diesen exemplarisch dargelegten höchstgerichtlichen Entscheidungen ist zu entnehmen, dass nicht jede Änderung in Bezug auf die privaten und familiären Anknüpfungspunkte zur Erforderlichkeit einer neuerlichen meritorischen Prüfung des Antrags führt, sondern, dass dies nur dann der Fall ist, wenn der Änderung eine nicht nur eine bloß untergeordnete Tatsachenrelevanz zukommt (s. auch VwGH vom 19.2.2009, 2008/01/0344). Dem Erkenntnis des VwGH vom 15.2.2010 ist auch zu entnehmen, dass durch den nunmehrigen § 58 Abs. 10 Asylgesetz hintangehalten werden soll, dass durch gestellte "Kettenanträge" in der Absicht, die Durchsetzung bestehender Rückkehrentscheidungen zu unterlaufen, die Behörde gehindert wird, aufenthaltsbeendende Maßnahmen zu effektuieren.

II.3.2.4. Die maßgebliche Rechtsfrage ist, ob nach der rechtskräftigen erlassenen Rückkehrentscheidung aus dem begründeten Antragsvorbringen der BF1-6 im Hinblick auf das Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, hervorgeht. Die Wesentlichkeit der Sachverhaltsänderung ist nach der Wertung zu beurteilen, die das geänderte Sachverhaltselement in der seinerzeitigen Entscheidung erfahren hat. Bei dieser Prognose sind die nach Art. 8 EMRK relevanten Umstände jedenfalls soweit einzubeziehen, als zu beurteilen ist, ob es angesichts dieser Umstände nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann, dass im Hinblick auf frühere maßgebliche Erwägungen eine andere Beurteilung nach Art. 8 EMRK unter Bedachtnahme auf den gesamten vorliegenden Sachverhalt nunmehr geboten sein könnte. Eine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in die Rechte nach Art. 8 EMRK muss zumindest möglich sein (vgl. VwGH vom 3.10.2013, Zl. 2012/22/0068, mwN). Ein maßgeblich geänderter Sachverhalt liegt nicht erst dann vor, wenn der vorgebrachte Sachverhalt auch konkret dazu führt, dass nunmehr der begehrte Aufenthaltstitel erteilt werden müsste. Vielmehr läge ein solcher, maßgeblich geänderter Sachverhalt nur dann nicht vor, wenn die geltend gemachten Umstände von vornherein keine solche Bedeutung aufgewiesen hätten, die eine Neubeurteilung aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK geboten hätte. Nur in solch einem Fall ist eine - der Sache nach der Zurückweisung wegen entschiedener Sache nachgebildete - Zurückweisung gemäß § 58 Abs. 10 AsylG zulässig (vgl. VwGH vom 12.11.2015, Zl. Ra 2015/21/0101). Es hat somit im Rahmen des Verfahrens nach § 55 AsylG eine Neubewertung einer Rückkehrentscheidung nur bei einem geänderten Sachverhalt zu erfolgen, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, wobei sich die inhaltliche Neubewertung des Sachverhalts lediglich auf den Zeitraum zwischen der rechtskräftigen Entscheidung nach dem FPG bis zur Entscheidung des zugrundeliegenden Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zu beziehen hat (vgl. VwGH vom 3.10.2013, Zl. 2012/22/0068).

II.3.3. Für die gegenständlichen Verfahren ergibt sich Folgendes:

Die klärende Rechtsfrage in den gegenständlichen Verfahren war sohin jene, ob nach den rechtskräftig erlassenen Rückkehrentscheidungen vom XXXX (Eintritt der Rechtskraft am XXXX ) aus dem begründeten Antragsvorbringen zu den Anträgen auf Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens der BF1-6 gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, welcher eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, hervorgeht (vgl. dazu Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht (2016), § 58 AsylG, E11).

Geändert hat sich seit der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung am XXXX lediglich, dass sich die BF1-6 ca. drei Monate länger unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten haben und sich die BF1-6 implizit darauf berufen, dass durch diesen weiteren - unrechtmäßigen - Aufenthalt ihre Deutschkenntnisse verbessert und sich die sozialen- und freundschaftlichen Kontakte intensiviert haben. Hinzu kommt die Vorlage einer Einstellungszusage sowie eines Antrages auf Saisonbewilligung ( XXXX ) hinsichtlich des BF1, neue Unterstützungserklärungen bezüglich der BF1-6 sowie eine Bestätigung über den Besuch eines Deutschkurses (A1) betreffend die BF2.

Die Zeitspanne, innerhalb der relevante Änderungen des Privat- und Familienlebens der BF1-6 hätten eintreten müssen, damit eine inhaltliche Entscheidung über den Antrag des BF geboten gewesen wäre, ist mit den erwähnten drei Monaten verhältnismäßig kurz. Es liegt auf der Hand, dass innerhalb eines dermaßen kurzen Zeitraums nur gravierende Änderungen im Privat- und Familienleben des BF einer Zurückweisung wegen entschiedener Sache im Sinne von § 58 Abs 10 AsylG entgegenstehen können. Dermaßen gravierende Änderungen sind gegenständlich aber nicht ersichtlich:

Die dargelegten Deutschkenntnisse, die ehrenamtliche Tätigkeit, die sozialen und freundschaftlichen Kontakte, die Lebensführung in Österreich sowie das Engagement in diversen Vereinen wurden bereits in den Erkenntnissen des BVwG vom XXXX, berücksichtigt und hat sich das BVwG umfassend damit auseinandergesetzt.

Hinsichtlich der (neuen) Bestätigung über den Besuch eines Deutschkurses betreffend die BF2 auf dem Niveau A1 ist darauf hinzuweisen, dass daraus keine über die bisher festgestellten Deutschkenntnisse hinausgehenden Deutschkenntnisse festgestellt werden konnte, zumal die BF2 keine dahingehende Prüfungsbestätigung in Vorlage brachte. Die dokumentierten Deutschkenntnisse der BF2 weichen somit nicht wesentlich von den bisher festgestellten Deutschkenntnissen ab. Der Spracherwerb und der tatsächliche Wille, die deutsche Sprache zu erlernen, sind zweifellos ein wesentliches Kriterium bei der Beurteilung der Integration in Österreich darstellen, einen dahingehenden Nachweise brachte die BF2 aber nicht in Vorlage.

Würde sich ein Fremder generell durch die Verlängerung eines unrechtmäßigen Aufenthaltes wie die BF1-6 erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen können, so würde dies dem Ziel eines geordneten Fremdenwesens und dem geordneten Zuzug von Fremden jedoch zuwiderlaufen. Überdies würde dies dazu führen, dass Fremde, die die fremdenrechtlichen Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen beachten, letztlich schlechter gestellt wären, als Fremde, die ihren Aufenthalt im Bundesgebiet lediglich durch die Stellung eines unbegründeten oder sogar rechtsmissbräuchlichen Asylantrages erzwingen, was in letzter Konsequenz zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung der Fremden untereinander führen würde (zum allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen, vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Dezember 2003, Zl. 2003/07/0007; vgl. dazu auch das Erkenntnis VfSlg. 19.086/2010, in dem der Verfassungsgerichtshof auf dieses Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes Bezug nimmt und in diesem Zusammenhang explizit erklärt, dass "eine andere Auffassung sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber den sich rechtstreu Verhaltenden führen würde.").

Dem bloßen Umstand, dass dem BF1 nach der Entscheidung des BVwG vom XXXX eine Anstellung als XXXX zugesagt wurde und er eine Genehmigung für eine Anstellung als Saisonarbeitskraft beantragt hat, kommt nur eine untergeordnete Tatbestandsrelevanz zu und vermag dem BFA folgend einen geänderten Sachverhalt nicht zu begründen, zumal dem BF1 damit lediglich eine Einstellung zugesagt wurde, dh. ein Arbeitsplatz, den er nur würde antreten können, wenn die erforderlichen Bewilligungen erteilt werden. Diese Einstellungszusagen sind kein Beleg für seine Selbsterhaltungsfähigkeit, sondern allenfalls ein Hinweis darauf, dass er möglicherweise in die Situation kommen könnte, seinen Lebensunterhalt aus Eigenem zu bestreiten. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs kommt einer Einstellungszusage etwa gegenüber einem Asylwerber, der nur über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach asylrechtlichen Vorschriften und nicht über eine Arbeitserlaubnis verfügt, keine wesentliche Bedeutung zu (VwGH 22.2.2011, 2010/18/0323 mwN).

Selbiges gilt für die in Vorlage gebrachten neuen Empfehlungs- und Unterstützungsschreiben von Privatpersonen betreffen die BF1-6. Daraus geht nicht hervor, wodurch im konkreten Fall eine besondere Integration der BF1-6 gegeben sein soll. Den betreffenden Schreiben ist zu entnehmen, dass die BF1-6 freundlich, ehrlich, hilfsbereit und freundlich seien. Zudem seien die BF1-6 sehr bemüht, vielseitig interessiert und würden großes Engagement zeigen. Die BF3-4 hätten auch Freunde gefunden. Besondere Tatsachen, die ein überdurchschnittliches Engagement zur Integration in Österreich gezeigt hätten, sind dadurch aber nicht hervorgekommen. Für eine nachhaltige Integration in wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und sozialer Hinsicht sind diese privaten Anknüpfungspunkte zu wenig, zumal Werte wie Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft, Engagement, Verlässlichkeit und Höflichkeit etc. nicht als Zeichen besonderer Integration anzusehen sind und für Personen, die sich in Österreich auf Dauer niederlassen wollen, als selbstverständlich vorausgesetzt werden können. Aus den neuen Unterstützungserklärungen ist daher nichts für eine erfolgreiche Integration der BF1-6 in Österreich zu gewinnen und sei in diesem Zusammenhang auch auf die höchstgerichtliche Judikatur zu verweisen, wonach selbst im Falle eines Fremden, der perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, damit über keine das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt und diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt (VwGH 06.11.2009, 2008/18/0720; 25.02.2010, 2010/18/0029).

Auch sonst sind keine Anhaltspunkte für einen geänderten Sachverhalt zu erkennen und wurde solche von den BF1-6 auch zu keinem Zeitpunkt konkret geltend gemacht.

Soweit der BF1 in der Beschwerde erstmals und neu angibt, an einer depressiven Anpassungsstörung sowie an Angstsymptomen zu leiden, ist darauf zu verweisen, dass nach der vorgelegten ärztlichen Bestätigung (AS 113) diese Erkrankung bereits seit XXXX besteht, was weit vor der rechtskräftigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX liegt und dieses Vorbringen sohin ebenfalls zu keinem neuen Sachverhalt führen kann, zumal es einerseits die Pflicht des Asylwerbers darstellt, an der Feststellung des Privat- und Familienlebens mitzuwirken und andererseits Gründe, warum de

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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