Entscheidungsdatum
19.11.2019Norm
AsylG 2005 §10Spruch
L504 2163181-1/13E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. R. ENGEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , XXXX geb., StA. staatenlos, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.06.2017, Zl. 15-1066722902-150442995, zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 57 AsylG als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerde wird gem. § 10 AsylG, §§ 52, 46, 55 FPG, stattgegeben und die Spruchpunkte III. und IV. gem. § 28 Abs 5 VwGVG soweit ersatzlos behoben.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrenshergang
Die beschwerdeführende Partei [bP], ein staatenloser Palästinenser aus dem Gaza, stellte am 30.04.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Der Antrag wurde folglich vom Bundesamt gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (I.).
Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Gaza nicht zugesprochen (II.).
Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt.
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in den Gaza gemäß § 46 FPG zulässig sei (III.).
Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (IV).
Gegen diesen Bescheid wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.
Am 21.01.2019 teilte die bP mit, dass sie beabsichtige die Ehe zu schließen. Am 11.03.2019 wurde vom Bundesamt mitgeteilt, dass die bP am 13.04.2019 beabsichtige, die österreichische Staatsangehörige XXXX , XXXX in Hall geboren, mit Wohnanschrift in Tirol, zu ehelichen.
Mit Schreiben vom 29. Oktober 2019 langte über die gewillkürte Vertretung der beschwerdeführenden Partei eine "Mitteilung und Zurückziehung der Beschwerde" ein. Darin wird mitgeteilt dass die beschwerdeführende Partei aufgrund einer Angehörigeneigenschaft zu einer EWR-Bürgerin in Deutschland "Familienangehöriger EU" sei. In diesem Zusammenhang werde die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. und II. (Status eines Asyl- bzw. subsidiär Schutzberechtigten) zurückgezogen. Übermittelt wurde gleichzeitig eine Kopie einer Meldebestätigung aus Deutschland, woraus hervorgeht, dass die bP seit 11.08.2019 in Deutschland, XXXX gemeldet ist. Weiters eine Kopie einer deutschen Aufenthaltskarte, wonach die bP über ein Aufenthaltsrecht als "Familienangehöriger - EU" verfügt. Die Karte wurde am 29.08.2019 mit Gültigkeit bis 13.05.2024 ausgestellt.
Das BVwG hat folglich auf Grund der Zurückziehung der Beschwerde das Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzuerkennung des Status eines Asyl- bzw. subsidiär Schutzberechtigten mit Beschluss vom 05.11.2019, L504 2163181-1/11E, eingestellt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Das BVwG hat durch den Inhalt des übermittelten Verwaltungsaktes der belangten Behörde, einschließlich der Beschwerde, Beschwerdeergänzungen und amtlichen Mitteilung des BFA Beweis erhoben.
1. Feststellungen (Sachverhalt)
Die bP hat mit dem am 29.10.2019 eingelangten Schreiben die Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung des Status eines Asylberechtigten bzw. subsidiär Schutzberechtigten zurückgezogen und hat das BVwG das Beschwerdeverfahren in diesen Punkten per Beschluss eingestellt.
Der bP wurde von der Bundesrepublik Deutschland eine Aufenthaltskarte ausgestellt. Demnach verfügt sie als "Familienangehöriger - EU" über ein Aufenthaltsrecht. Die Karte wurde am 29.08.2019 mit Gültigkeit bis 13.05.2024 ausgestellt. Die bP ist seit 11.08.2019 in Deutschland, XXXX gemeldet und aufhältig.
2. Beweiswürdigung
Die getroffenen Feststellungen ergeben sich zweifelsfrei aus der Aktenlage des Bundesamtes sowie den Mitteilungen der Behörde und der bP.
3. Rechtliche Beurteilung
Das BVwG hat gegenständlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Entscheidung zu berücksichtigen. Durch die Zurückziehung der Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. hat das BVwG folglich nur mehr über die Spruchpunkte III.-IV. zu entscheiden.
Nach Erlassung des angefochtenen Bescheides hat die bP durch die Ehelichung einer österreichischen Staatsangehörigen in der Bundesrepublik einen Aufenthaltstitel "Familienangehöriger-EU" erlangt und ist nunmehr in Deutschland wohnhaft.
Zu Spruchpunkt III.
Keine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz
§ 57 AsylG Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz
(1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.
(3) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 2 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein Strafverfahren nicht begonnen wurde oder zivilrechtliche Ansprüche nicht geltend gemacht wurden. Die Behörde hat binnen sechs Wochen über den Antrag zu entscheiden.
(4) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 3 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO nicht vorliegt oder nicht erlassen hätte werden können.
Ein Sachverhalt, wonach der bP gem. § 57 Abs 1 Z 1-3 AsylG eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen wäre, lag schon zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesamtes nicht vor.
Zwischenzeitig hat die bP in der Bundesrepublik einen Aufenthaltstitel "Familienangehöriger-EU" erlangt und ist nunmehr in Deutschland wohnhaft. Sie gilt damit zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung durch das BVwG gem. § 2 Abs 2 Z 11 FPG als begünstigte Drittstaatsangehörige.
Gem. § 54 Abs 4 AsylG gelten die Bestimmungen des 7. Hauptstückes des AsylG nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige, weshalb - nach der maßgeblichen aktuellen Sach- und Rechtslage - schon aus diesem Grund § 57 AsylG nicht zur Anwendung gelangen kann. Abgesehen davon wäre Erteilungsvoraussetzung zudem, dass der Fremde im Bundesgebiet aufhältig ist, die bP lebt jedoch in Deutschland.
Es war somit die Beschwerde zu diesem Teil des Spruchpunktes III. als unbegründet abzuweisen.
Behebung der Rückkehrentscheidung
Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesamtes verfügte die bP über kein - über die vorläufige Aufenthaltsberechtigung gem. AsylG hinausgehendes - Aufenthaltsrecht und hat die Behörde folglich eine Rückkehrentscheidung gem. § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 52 Abs 2 Z 2 FPG erlassen.
Gemäß § 60 Abs. 3 FPG wird die Rückkehrentscheidung gegenstandslos, wenn einem Drittstaatsangehörigen,
1. der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird;
2. ein Aufenthaltstitel gemäß § 55 bis 57 Asylgesetz erteilt wird.
Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. November 2017, RA 3017/21/0151, zu § 60 Abs 3 FPG ergibt sich Folgendes: Erwirbt der Drittstaatsangehörige ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht - etwa durch Erlangung der Rechtsstellung als begünstigter Drittstaatsangehöriger - so steht dies der weiteren Existenz einer Rückkehrentscheidung, die an die Unrechtmäßigkeit des Aufenthalts angeknüpft, entgegen. Der Eintritt eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts begründet eine rechtliche Position, mit der eine Rückkehrentscheidung nicht länger kompatibel ist. Diese und die mit ihr im Zusammenhang stehenden Aussprüche müssen daher gegebenenfalls ex lege erloschen, was der im § 60 Abs. 3 FPG normierten Gegenstandslosigkeit einer Rückkehrentscheidung gleichkommt. Auch der Erwerb eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts muss daher - gleich den im Gesetz ausdrücklich genannten Fällen der Erlangung eines rechtmäßigen Aufenthalts - eine derartige Gegenstandslosigkeit bei führen.
Für den gegenständlichen Fall hat dies somit die Konsequenz, dass auch hier die Erlangung des Aufenthaltstitels zur Gegenstandlosigkeit der Rückkehrentscheidung führt. Ebenso der damit verbundene Ausspruch, wonach gem. § 52 Abs 9 FPG festgestellt wird, dass die Abschiebung gem. § 46 FPG in den Gaza zulässig ist.
Zu Spruchpunkt IV.
Behebung der Entscheidung über die Frist für freiwillige Ausreise
Das Bundesamt hat zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung verfügt, dass gem. § 55 AsylG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.
Da, wie oben ausgeführt, die Rückkehrentscheidung gegenstandslos wurde, entfällt auch der mit dieser Entscheidung verbundene Ausspruch über die Frist zur freiwilligen Ausreise.
Es war somit auch dieser Spruchpunkt ersatzlos zu beheben.
Absehen von einer mündlichen Beschwerdeverhandlung
Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG konnte auf Grund eines hinreichend geklärten Sachverhaltes eine mündliche Verhandlung vor dem BVwG unterbleiben.
Auf Grund gegebener Deutschkenntnisse konnte eine Übersetzung von Spruch und Rechtsmittelbelehrung entfallen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Aufenthaltsrecht begünstigte Drittstaatsangehörige ersatzlose Behebung Familienangehöriger Gegenstandslosigkeit Rückkehrentscheidung behoben UnionsrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:L504.2163181.1.01Im RIS seit
24.09.2020Zuletzt aktualisiert am
24.09.2020