TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/21 L512 2179135-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.11.2019
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Entscheidungsdatum

21.11.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

L512 2179135-1/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marlene JUNGWIRT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. der islamischen Republik Pakistan, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. A. Herbert POCHIESER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, § 57 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46, § 55 FPG 2005 als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz als "BF" bezeichnet), ein Staatsangehöriger der islamischen Republik Pakistan, (in weiterer Folge "Pakistan" genannt) stellte am 10.08.2017 nach illegaler Einreise einen Antrag auf internationalen Schutz. Zuvor reiste der BF über den Flughafen XXXX ein und wies sich bei einer Kontrolle mit einem XXXX aus.

I.1.1. Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte der BF am 12.08.2017 zusammengefasst Folgendes vor:

Er sei ledig, gehöre der Religion des Islam/Ahmadi und der Volksgruppe der Jat an. Der BF habe zwölf Jahre lang die Schule bzw. ein Jahr die Universität in Pakistan besucht. Er sei Student gewesen. Er habe XXXX als Zielland gehabt, da seine Geschwister dort wären.

Zum Fluchtgrund führte der BF aus, er sei als Angehöriger der Glaubensgemeinschaft der Ahmadi in Pakistan aufgrund seiner religiösen Zugehörigkeit verfolgt worden. Er habe Angst um sein Leben.

Bei einer Rückkehr in seine Heimat fürchte er um sein Leben. Der BF würde dort von Sunniten verfolgt werden [Aktenseite (AS) 57 ff.].

I.1.2. Vor einem Organwalter der belangten Behörde brachte der BF am 13.10.2017 zu seinem Fluchtgrund im Wesentlichen Folgendes vor:

Sein Leben in Pakistan sei gefährdet gewesen, da er Ahmadi sei. Moslems hätten den BF, weil er ein Ungläubiger sei, mit dem Umbringen bedroht. Sie hätten zum BF gesagt, wenn er nicht seine Religion ändern, dann würden sie den BF umbringen. Im XXXX habe es einen Vorfall gegeben. Der BF sei gegen Abend nach Hause unterwegs gewesen. Drei Burschen hätten den Weg des BF gekreuzt und hätten angefangen den BF mit einem Schlagstock, mit Händen und Füßen zu schlagen. Einer habe dem BF eine Pistole gezeigt und habe zum BF gesagt, er werde ihn umbringen, wenn er sich nicht ändere. Der BF sei nach Hause gelaufen, wobei von hinten auf den BF geschossen wurde. Sie hätten den BF nach Hause gefolgt und hätte weiter geschossen und den BF weiter beschimpft. Der BF sei deswegen bei der Polizei gewesen, die jedoch sagte, dass sie keine Hilfe bekommen würden, da sie Ungläubige seien. Nach einigen Tagen hätte die Burschen herausgefunden, dass der BF bei der Polizei war. Daraufhin hätte sie den Vater des BF gedroht, dass sie den BF nicht davon lassen und ihn umbringen würden. Zu diesem Zeitpunkt habe der BF den Entschluss gefasst das Land zu verlassen. Der BF sei daraufhin zu seinem Onkel gefahren. Dort habe der BF per Telefon von seinem Vater erfahren, dass die Polizei im Haus des BF war und nach ihm gesucht hätte. Der Vater des BF sei auf das Wachzimmer gebracht worden und sei über den BF befragt worden. Nur durch Bestechung habe der Vater des BF nach Hause zurückkehren können. Die Polizei habe darauf beharrt, dass der BF sich stellen müsse. Es habe weiters im Jahr XXXX und XXXX Vorfälle gegeben. Im Jahr XXXX sei der BF, als er mit seinem Fahrrad unterwegs war, von zwei Burschen angehalten worden. Diese hätten ihn beschimpft. Der BF habe versucht zu flüchten, habe sich aber dabei verletzt. Sie hätten zudem dem BF mit einem Messer bedroht. XXXX sei der BF mit anderen Ahmadi nach dem Freitagsgebet von fünf Männern angegriffen worden. Sie seien mit Gewehrkolben geschlagen worden und sei auf sie geschossen worden. Sie haben Glück gehabt und hätten nach Hause flüchten können. In der Schule habe der BF immer Probleme gehabt, da er Ahmadi sei (AS 115 ff.).

I.2. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde folglich mit im Spruch genannten Bescheid der belangten Behörde gemäß § 3 Abs 1 AsylG abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Absatz 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG wurde die Frist zur freiwilligen Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

I.2.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass dem Vorbringen des BF hinsichtlich der geschilderten Bedrohung und Verfolgung in Pakistan kein Glauben geschenkt werde bzw. nicht asylrelevant ist (AS 222 ff.).

I.2.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Pakistan traf die belangte Behörde ausführliche, aktuelle Feststellungen mit nachvollziehbaren Quellenangaben.

I.2.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam. Es hätten sich weiters keine Hinweise auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben. Zudem sei die Abschiebung zulässig, da kein Sachverhalt im Sinne des § 50 Abs 1, 2 und 3 FPG vorliege. Eine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe in Höhe von 14 Tagen, da keine Gründe im Sinne des § 55 Abs 1a FPG vorliegen würden.

I.3. Gegen diesen Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben (AS 267 ff.).

I.4. Im Beschwerdeverfahren langten Stellungnahmen des BF ein.

I.5 Für den XXXX lud das erkennende Gericht die Verfahrensparteien zu einer mündlichen Verhandlung. Mit Schreiben vom XXXX wurden den Verfahrensparteien aktuelle Länderberichte zur Lage in Pakistan zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich bis zum Zeitpunkt der anberaumten Verhandlung schriftlich bzw. in der Verhandlung mündlich hierzu zu äußern.

I.6. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hatte der BF die Möglichkeit zu seiner Integration, seinem Fluchtvorbringen und seiner Rückkehrsituation Stellung zu nehmen. Der BF gab unter anderem an, dass er einvernahmefähig sei. Er sei gesund, nehme keine Medikamente und sei in keiner ärztlichen Behandlung.

I.7. Hinsichtlich des Verfahrensherganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

II.1.1. Der Beschwerdeführer

Der BF ist pakistanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Religionsgemeinschaft der Ahmadiyya und der Volksgruppe der Jat. Er stammt aus einem Dorf, XXXX , Distrikt Nakana Sahib, Provinz Punjab. Der BF hat 13 Jahre die Schule in Pakistan besucht. Vor seiner Ausreise half der BF in der XXXX aus.

Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Die Eltern des BF sowie ein Onkel mütterlicherseits des BF leben in Pakistan. Der BF hat zu seinen Eltern Kontakt.

Der BF ist Drittstaatsangehöriger, leidet an keiner lebensbedrohenden Erkrankung und ist arbeitsfähig.

Der BF verfügt über bestehende familiäre Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat und einer - wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherten Existenzgrundlage.

Die Identität des BF steht fest.

In Österreich leben keine Verwandten des BF. Der BF bezieht seit dem XXXX Leistungen aus der Grundversorgung für Asylwerber. Der BF geht keiner Beschäftigung nach.

Im August 2017 reiste der BF illegal mit einem XXXX in das österreichische Bundesgebiet ein und hält sich seit her ununterbrochen im österreichischen Bundesgebiet auf.

Der BF hat Kontakte zur Gemeinde der Ahmadiyya in Österreich und nimmt an verschiedenen Aktivitäten der Gemeinde der Ahmadiyya in Österreich teil.

Der BF verfügt über Deutschkenntnisse auf A2 Niveau. Der BF wurde mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX , GZ: XXXX , bestätigt durch das Urteil des Oberlandesgerichtes XXXX vom XXXX , GZ: XXXX , wegen des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden gemäß §§ 223 Abs 2, 224 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten, bedingt für eine Probezeit von 3 Jahren, verurteilt.

II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat Pakistan

Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Pakistan werden folgende Feststellungen getroffen:

Politische Lage

Pakistan ist ein Bundesstaat der sich aus den vier Provinzen Punjab, Sindh, Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa zusammensetzt. Das Hauptstadtterritorium Islamabad ("Islamabad Capital Territory") ist eine eigene Verwaltungseinheit unter Bundesverwaltung. Für die "Federally Administered Tribal Areas" (FATA, Stammesgebiete unter Bundesverwaltung) bestimmte bis 28.5.2018 die pakistanische Verfassung, dass die vom Parlament beschlossenen Gesetze nur dann gelten, wenn dies der Präsident explizit anordnet (AA 10.2017a). Am 28.5.2018 unterzeichnete Präsident Mamnoon Hussain die FATA Interim Governance Regulation 2018, die etwa zwei Jahre lang gültig sein wird (NHT 28.5.2018). Am 31.5.2018 wurden die FATA mit Khyber Pakhtunhkhwa vereinigt und die ehemaligen Stammesgebiete werden mittels der FATA Interim Governance Regulation durch die Provinz Khyber Pakhtunkhwa verwaltet (Geo.tv 31.5.2018).

Daneben kontrolliert Pakistan die Gebiete von Gilgit-Baltistan und Azad Jammu & Kashmir (AJK - "freies Kaschmir"), dem auf der pakistanischen Seite der Demarkationslinie ("Line of Control") zwischen Indien und Pakistan liegenden Teil Kaschmirs. Beide Gebiete werden offiziell nicht zum pakistanischen Staatsgebiet gerechnet. Gilgit-Baltistan hat im September 2009 eine Teilautonomie erhalten. Es war bis dahin von Islamabad aus regiert worden. AJK genießt ebenfalls Autonomie, ist aber finanziell und politisch von der Regierung in Islamabad abhängig (AA 10.2017a).

Das Ergebnis der Volkszählung 2017 ergab für Pakistan 207.774.520 Einwohner (PBS 2017a) ohne Berücksichtigung von Azad Jammu & Kashmir und Gilgit Baltistan (TET 25.7.2018). Das Land ist laut CIA World Factbook der sechstbevölkerungsreichste Staat der Welt (CIA 23.2.2018).

Im April 2010 wurde eine weitreichende Verfassungsreform ("Eighteenth Amendment of the Constitution of Pakistan") verabschiedet, die von einem parteiübergreifenden Parlamentsausschuss seit Juni 2009 vorbereitet worden war. Ziel war es, zur Grundgestalt der unter Präsident Zulfikar A. Bhutto 1973 verabschiedeten Verfassung zurückzukehren, die nach zahlreichen Eingriffen der Militärherrscher Zia-ul Haq und Musharraf fast bis zur Unkenntlichkeit verändert worden war. Kernelemente der vorgenommenen Verfassungsänderungen sind eine Stärkung der Position des Ministerpräsidenten bei gleichzeitiger Einschränkung der Machtbefugnisse des Präsidenten, eine Stärkung des Föderalismus durch eine deutliche Ausweitung der Kompetenzen der Provinzen gegenüber der Zentralregierung, eine Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz durch ein neues Ernennungsverfahren für die obersten Richter und die Einführung zweier neuer Grundrechte: des Rechts auf Information und des Rechts auf Erziehung (AA 10.2017a).

Die gesetzgebende Gewalt in Pakistan liegt beim Parlament. Das Parlament besteht aus zwei Kammern, der Nationalversammlung und dem Senat. Daneben werden in den Provinzen Pakistans Provinzversammlungen gewählt. Die Nationalversammlung umfasst 342 Abgeordnete, von denen 272 vom Volk direkt gewählt werden. Es gilt das Mehrheitswahlrecht. 60 Sitze sind für Frauen, zehn weitere für Vertreter religiöser Minderheiten reserviert. Die reservierten Sitze werden auf die in der Nationalversammlung vertretenen Parteien entsprechend deren Stimmenanteil verteilt. Die Legislaturperiode dauert fünf Jahre (AA 10.2017a).

Seit 1.8.2017 ist der bisherige Ölminister Shahid Khaqan Abbasi (von der Regierungspartei PML-N) neuer Ministerpräsident. Der bisherige Ministerpräsident Nawaz Sharif war am 28.8.2017 vorzeitig zurückgetreten, nachdem Pakistans Oberster Gerichtshof Sharifs Amtsenthebung angeordnet hatte. Grundlage für die Amtsenthebung ist das Verschweigen von Einkommen aus einer ausländischen Firmenbeteiligung, die Sharif der Wahlkommission bei seiner Registrierung als Kandidat 2013 hätte anzeigen müssen. Die Korruptionsvorwürfe gegen Sharif und seine Familie sind mit der "Panama-Papers-Affäre" verbunden (AA 10.2017a). Im April 2018 wurde Nawaz Sharif von einem fünfköpfigen Anti-Korruptionsgericht auf Lebenszeit von der Übernahme eines öffentlichen Amtes gesperrt (AJ 13.4.2018).

Die letzten Parlamentswahlen fanden am 11.5.2013 statt. Damals löste die Pakistan Muslim League-N (PML-N) unter Parteichef Nawaz Sharif eine von der Pakistan Peoples Party (PPP) geführte Regierung ab. Es war das erste Mal in der Geschichte Pakistans, dass eine zivile Regierung eine volle Legislaturperiode (2008 bis 2013) regieren konnte und dass der demokratische Wechsel verfassungsgemäß ablief. Die PML-N erreichte bei den Wahlen eine absolute Mehrheit der Mandate. Dieses deutliche Ergebnis ist auch auf das in Pakistan geltende Mehrheitswahlrecht zurückzuführen. Landesweit stimmten ca. ein Drittel der Wähler für die PML-N. Zweitstärkste Partei in der Nationalversammlung wurde die PPP, gefolgt von der Pakistan Tehreek-e-Insaf (Pakistanische Bewegung für Gerechtigkeit, PTI) des ehemaligen Cricket-Stars Imran Khan. Die MQM (Muttahida Quami Movement), mit ihren Hochburgen in den beiden Großstädten der Provinz Sindh, Karatschi und Hyderabad, stellt die viertstärkste Fraktion. Am 5.6.2013 wurde Nawaz Sharif vom Parlament zum Ministerpräsidenten gewählt. Für ihn war es, nach 1990 und 1999, die dritte Amtszeit als pakistanischer Regierungschef (AA 10.2017a).

Ebenfalls am 11.5.2013 fanden die Wahlen zu den vier Provinzversammlungen statt. In Punjab, der bevölkerungsreichsten Provinz (ca. 50 % der Bevölkerung Pakistans), errang die PML-N mehr als zwei Drittel der Mandate, der Bruder von Nawaz Sharif, Shahbaz Sharif, wurde in seinem Amt als Chief Minister bestätigt. In Sindh konnte die PPP ihre Vormachtstellung verteidigen, in Khyber Pakhtunkhwa errang die PTI die meisten Mandate und führt dort nun eine Koalitionsregierung. Die Regierung von Belutschistan wird von einem Chief Minister der belutschischen Nationalistenpartei (NP) geführt, die eine Koalition mit der PML-N und weiteren Parteien eingegangen ist (AA 10.2017a).

Am 30.7.2013 wählten beide Kammern des Parlaments und Abgeordnete der Provinzparlamente den PML-N Politiker Mamnoon Hussain zum neuen pakistanischen Staatsoberhaupt, der am 9.9.2013 vereidigt wurde. Hussain löst Asif Ali Zardari als Staatspräsidenten ab, der als erstes Staatsoberhaupt in der Geschichte Pakistans seine Amtszeit geordnet beenden konnte. Der verfassungsmäßige Machtübergang sowohl in der Regierung als auch im Amt des Staatsoberhaupts wurde als wichtiger Beitrag zur Stabilisierung der Demokratie in Pakistan gewürdigt (AA 10.2017a). Die nächsten Parlamentswahlen finden am 15.7.2018 statt (Samaa 20.12.2017).

Im November 2017 blockierten Demonstranten - Mitglieder religiöser Parteien wie Tehreek Labbaik Ya Rasool Allah (TLY), Tehreek-i-Khatm-i-Nabuwwat und Sunni Tehreek Pakistan (ST) 20 Tage lang den Autobahnknoten Fayzabad Interchange in Islamabad. Anlass der Proteste war eine Zeile in der Novelle des Wahlgesetzes (Elections Act 2017), die nach Meinung der Demonstranten den Khatm-i-Nabuwwat-Eid [Anm.: legt die Endgültigkeit des Prophetentums Mohammads fest] veränderte (Dawn 28.11.2017). Nach diesen Änderungen wäre es Ahmadis etwas erleichtert worden, aktiv und passiv an Wahlen teilzunehmen (Nation 19.11.2017). Die Änderung am Eid wurde durch einen Parlamentsbeschluss rückgängig gemacht. Dennoch forderten die Demonstranten den Rücktritt von Justizminister Zahid Hamid. Nachdem der Islamabad High Court (IHC), der Supreme Court sowie verschiedene religiöse Parteiführer aufgefordert hatten, die Proteste zu beenden, hat der IHC letztlich die Distriktverwaltung aufgefordert, die Demonstranten "mit allen nötigen Mitteln" vom Autobahnknoten zu entfernen. Nach mehreren vergeblichen Verhandlungsrunden wurde Innenminister Ahsan Iqbal vom IHC verwarnt, er könne wegen Missachtung eines Gerichtsentscheides angeklagt werden. Weiters stellte der IHC fest, dass die Demonstranten aufgrund der wiederholten Missachtung der Gerichtsanordnung zur Auflösung der Proteste einen "terroristischen Akt" begangen hätten. Nach einem verstrichenen Ultimatum begann die Regierung am 25.11.2017 mit der gewaltsamen Auflösung der Proteste, bei der sechs Personen getötet wurden. Die zur Unterstützung gerufene Armee verweigerte ihr Eingreifen, wodurch weitere Verhandlungen mit den Demonstranten notwendig wurden. Die Blockade wurde aufgelöst, nachdem einigen Forderungen der Demonstranten nachgegeben wurde, Zahid Hamid musste als Justizminister zurücktreten (Dawn 28.11.2017).

Mit der Vereinigung der FATA mit der Provinz Khyber Pakhtunkhwa am 31.5.2018 (Geo.tv 31.5.2018) wurde die Zahl der Abgeordneten in der Provinzversammlung von Khyber Pakhtunkhwa von 124 auf 145 erhöht. Insgesamt wird die ehemalige FATA von 21 Abgeordneten im kommenden Provinzparlament vertreten, davon sind vier Mandate für Frauen und einer für Nicht-Muslime reserviert. Die neue Provinzversammlung von Khyber Pakhtunkhwa wird innerhalb eines Jahres nach den Parlamentswahlen von 2018 erfolgen (Nation 27.5.2018). Die zwölf Sitze der [ehem.] FATA in der Nationalversammlung werden Khyber Pakhtunkhwa zugeschlagen; die Provinz verfügt in der kommenden Legislaturperiode über 60 statt bisher 48 Abgeordnetensitze (Geo.tv 16.5.2018). Politische Parteien durften in den [ehem.] Stammesgebieten (FATA) seit 2011 aktiv werden (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (10.2017a): Pakistan - Staatsaufbau und Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/-/205010, Zugriff 8.3.2018

* AJ - Al Jazeera (13.4.2018): Pakistani court bans ex-PM Nawaz Sharif from parliament for life, https://www.aljazeera.com/news/2018/04/pakistani-court-bans-pm-nawaz-sharif-parliament-life-180413072707795.html, Zugriff 14.5.2018

* CIA - Central Intelligence Agency (23.2.2018): World Factbook, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/pk.html, Zugriff 8.3.2017

* Dawn (28.11.2017): An overview of the crisis that forced the government to capitulate, https://www.dawn.com/news/1373200/an-overview-of-the-crisis-that-forced-the-government-to-capitulate, Zugriff 26.4.2018

* Geo.tv (16.5.2018): KP Assembly seats to increase to 147 after FATA merger: draft bill, https://www.geo.tv/latest/195723-kp-assembly-seats-to-increase-to-147-after-fata-merger-reveals-draft-bill, Zugriff 1.6.2018

* Geo.tv (31.5.2018): President signs amendment bill, merging FATA with KP, https://www.geo.tv/latest/197519-fata-official-merged-with-kp-as-president-mamnoon-signs, Zugriff 1.6.2018

* Nation, The (19.11.2017): Understanding the Faizabad sit-in, https://nation.com.pk/19-Nov-2017/understanding-the-faizabad-sit-in, Zugriff 16.5.2018

* Nation, the (27.5.2018): KP Assembly approves Fata merger bill, https://nation.com.pk/27-May-2018/kp-assembly-approves-fata-merger-bill, Zugriff 1.6.2018

* NHT - National Herald Tribune (28.5.2018): Mamnoon signs FATA Interim Governance Regulation, 2018, http://dailynht.com/story/43730, Zugriff 29.5.2018

* PBS - Pakistan Bureau of Statistics (2017a): PROVINCE WISE PROVISIONAL RESULTS OF CENSUS - 2017, http://www.pbs.gov.pk/sites/default/files/PAKISTAN%20TEHSIL%20WISE%20FOR%20WEB%20CENSUS_2017.pdf, Zugriff 8.5.2018

* Samaa (20.12.2017): Govt to complete its term; elections to be held in July 2018: PM, https://www.samaa.tv/pakistan/2017/12/govt-complete-term-elections-held-july-2018-pm/, Zugriff 26.4.2018

* TET - The Express Tribune (25.7.2017): 6th census findings: 207 million and counting, https://tribune.com.pk/story/1490674/57-increase-pakistans-population-19-years-shows-new-census/, Zugriff 9.5.2018

* USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Reports on Human Rights Practices for 2017 - Pakistan, https://www.state.gov/documents/organization/277535.pdf, Zugriff 23.4.2018

Sicherheitslage

Zentrales Problem für die innere Sicherheit Pakistans bleibt die Bedrohung durch Terrorismus und Extremismus. Seit Jahren verüben die Taliban und andere terroristische Organisationen schwere Terroranschläge, von denen vor allem die Provinzen Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan, aber auch pakistanische Großstädte wie Karatschi, Lahore und Rawalpindi betroffen sind. Die Terroranschläge richten sich vor allem gegen Einrichtungen des Militärs und der Polizei. Opfer sind aber auch politische Gegner der Taliban, Medienvertreter, religiöse Minderheiten, Schiiten sowie Muslime, die nicht der strikt konservativen Islam-Auslegung der Taliban folgen, wie z. B. die Sufis (AA 10.2017a). Landesweit ist die Zahl der terroristischen Angriffe seit 2013 kontinuierlich zurückgegangen, wobei der Rückgang 2017 nicht so deutlich ausfiel wie im Jahr zuvor und auch nicht alle Landesteile gleich betraf. In Belutschistan und Punjab stieg 2017 die Zahl terroristischer Anschläge, die Opferzahlen gingen jedoch im Vergleich zum Vorjahr auch in diesen Provinzen zurück (PIPS 1.2018 S 21f).

Die pakistanischen Taliban hatten in einigen Regionen an der Grenze zu Afghanistan über Jahre eigene Herrschaftsstrukturen etabliert und versucht, ihre extrem konservative Interpretation der Scharia durchzusetzen (AA 20.10.2017). Seit Ende April 2009, als die Armee die vorübergehende Herrschaft der Taliban über das im Norden Pakistans gelegene Swat-Tal mit einer Militäraktion beendete, haben sich die Auseinandersetzungen zwischen dem pakistanischen Militär und den pakistanischen Taliban verschärft. Von Oktober bis Dezember 2009 wurden die Taliban aus Süd-Wasiristan (ehem. Federally Administered Tribal Areas - FATA) vertrieben, einer Region, die von ihnen jahrelang kontrolliert worden war. 2013 lag der Schwerpunkt der Auseinandersetzungen auf dem Tirah-Tal unweit Peshawar, wo die Taliban zunächst die Kontrolle übernehmen konnten, bevor sie vom Militär wieder vertrieben wurden (AA 10.2017a).

Die Regierung von Ministerpräsident Nawaz Sharif hatte sich zunächst, mandatiert durch eine Allparteienkonferenz, um eine Verständigung mit den pakistanischen Taliban auf dem Verhandlungsweg bemüht. Da sich ungeachtet der von der Regierung demonstrierten Dialogbereitschaft die schweren Terrorakte im ganzen Land fortsetzten, wurde der Dialogprozess im Juni 2014, nach Beginn einer umfassenden Militäroperation in Nord-Wasiristan abgebrochen. Die Militäroperation begann am 15.4.2014 in der bis dahin weitgehend von militanten und terroristischen Organisationen kontrollierten Region Nord-Wasiristan, in deren Verlauf inzwischen die Rückzugsräume und Infrastruktur der aufständischen Gruppen in der Region weitgehend zerstört werden konnten (AA 10.2017a). Durch verschiedene Operationen der Sicherheitskräfte gegen Terrorgruppen in den [ehem.] Stammesgebieten (Federally Administered Tribal Areas - FATA) konnte dort das staatliche Gewaltmonopol überwiegend wiederhergestellt werden. Viele militante Gruppen, insbesondere die pakistanischen Taliban, zogen sich auf die afghanische Seite der Grenze zurück und agitieren von dort gegen den pakistanischen Staat (AA 20.10.2017).

Durch die Militäroperation wurden ca. 1,5 Millionen Menschen vertrieben. Die geordnete Rückführung der Binnenvertriebenen in die betroffenen Regionen der Stammesgebiete, die Beseitigung der Schäden an der Infrastruktur und an privatem Eigentum ebenso wie der Wiederaufbau in den Bereichen zivile Sicherheitsorgane, Wirtschaft, Verwaltung und Justiz stellen Regierung, Behörden und Militär vor große Herausforderungen (AA 20.10.2017).

Im Gefolge des schweren Terrorangriffs auf eine Armeeschule in Peshawar am 16.12.2014, bei dem über 150 Menschen, darunter über 130 Schulkinder, ums Leben kamen und für den die pakistanischen Taliban die Verantwortung übernahmen, haben Regierung und Militär mit Zustimmung aller politischen Kräfte des Landes ein weitreichendes Maßnahmenpaket zur Bekämpfung von Terror und Extremismus beschlossen. Es umfasst u. a. die Aufhebung des seit 2008 geltenden Todesstrafen-Moratoriums für Terrorismus-Straftaten, die Einführung von Militärgerichten zur Aburteilung ziviler Terrorismus verdächtiger und Maßnahmen gegen Hassprediger, Terrorfinanzierung, etc. Ferner sind Ansätze erkennbar, konsequenter als bisher gegen extremistische Organisationen unterschiedlicher Couleur im ganzen Land vorzugehen und die staatliche Kontrolle über die zahlreichen Koranschulen (Madrassen) zu verstärken (AA 10.2017a).

2016 wurden weiterhin Anti-Terroroperationen in den Agencies Khyber und Nord-Wasiristan durchgeführt, um aufständische Feinde des Staates zu eliminieren. Militärische, paramilitärische und zivile Sicherheitskräfte führten landesweit Operationen durch. Sicherheitskräfte, inklusive der paramilitärischen Sindh Rangers, verhafteten Verdächtige und vereitelten Anschlagspläne in Großstädten wie Karatschi. Operationen der paramilitärischen Rangers gegen Terrorismus und Kriminalität führten zu geringeren Ausmaßen an Gewalt und in Karatschi, jedoch wurden in den Medien Vorwürfe veröffentlicht, dass die Rangers gegen bestimmte politische Parteien auch aus politischen Gründen vorgingen (USDOS 7.2017).

Spezialisierte Einheiten der Exekutive leiden unter einem Mangel an Ausrüstung und Training, um die weitreichenden Möglichkeiten der Anti-Terrorismus-Gesetzgebung durchzusetzen. Die Informationsweitergabe zwischen den unterschiedlichen Behörden funktioniert nur schleppend. Anti-Terror-Gerichte sind langsam bei der Abarbeitung von Terrorfällen, da die Terrorismusdelikte sehr breit definiert sind. In Terrorismusprozessen gibt es eine hohe Rate an Freisprüchen. Dies liegt auch daran, dass Staatsanwälte in Terrorismusfällen eine untergeordnete Rolle spielen und die Rechtsabteilungen von militärischen und zivilen Einrichtungen Ermittlungen behindern. Ebenso werden Zeugen, Polizei, Opfer, Ankläger, Anwälte und Richter von terroristischen Gruppen eingeschüchtert (USDOS 7.2017).

Für das erste Quartal 2018 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS landesweit 76 terroristische Angriffe, bei denen 105 Personen ums Leben kamen und 171 Personen verletzt wurden. Unter den Todesopfern befanden sich 44 Zivilisten, 28 Polizisten, 31 Mitglieder von Grenzschutz oder Rangers, zwei Steuereintreiber sowie zehn Aufständische (Aggregat aus: PIPS 6.4.2018; PIPS 6.3.2018; PIPS 5.2.2018).

Die verschiedenen militanten, nationalistisch-aufständischen und gewalttätigen religiös-sektiererischen Gruppierungen führten 2017 370 terroristische Angriffe in 64 Distrikten Pakistans durch. Dabei kamen 815 Menschen ums Leben und weitere 1.736 wurden verletzt. Unter den Todesopfern waren 563 Zivilisten, 217 Angehörige der Sicherheitskräfte und 35 Aufständische. 160 (43 %) Angriffe zielten auf staatliche Sicherheitskräfte, 86 (23 %) auf Zivilisten, 22 waren religös-sektiererisch motiviert, 16 Angriffe zielten auf staatliche Einrichtungen, 13 waren gezielte Angriffe auf politische Persönlichkeiten oder Parteien, zwölf waren Angriffe auf regierungsfreundliche Stammesälteste, zehn Angriffe betrafen nicht-belutschische Arbeiter oder Siedler in Belutschistan und neun betrafen Journalisten oder Medienvertreter (PIPS 1.2018 S 17f).

2015 gab es 625 Terrorakte in 76 Distrikten/Regionen in Pakistan, 48 % weniger als 2014. Mindestens 1.069 Menschen verloren dabei ihr Leben, 38 % weniger als 2014, 1443 Personen wurden verletzt, 54 % weniger als 2014. Unter den Todesopfern waren 630 Zivilisten, 318 Angehörige der Sicherheits- und Rechtsdurchsetzungsbehörden und 121 Aufständische (PIPS 3.1.2016). Im Jahr 2016 ging die Zahl der Terroranschläge um weitere 28 % auf 441 zurück, betroffen waren 57 Distrikte. Getötet wurden dabei 908 Personen. Der Umstand, dass ein Rückgang von 28 % bei der Zahl der Anschläge nur einen leichten Rückgang von 12 % bei den Todesopfern mit sich brachte, zeigt auch, dass den Aufständischen einige größere Anschläge gelingen konnten. Zu Tode kamen 545 Zivilisten, 302 Angehörige der Sicherheitskräfte und 61 Aufständische (PIPS 1.2017).

Die Situation verbesserte sich kontinuierlich seit 2013 und der Trend setzte sich auch 2017 fort. Dies lässt sich Großteils auf landesweite, umfassende Operationen gegen Aufständische durch die Sicherheitsbehörden als Teil des National Action Plan (NAP) zurückführen, beispielsweise von den Militäroperationen in den [ehem.] FATA zu den von den Rangers angeführten gezielten Operationen in Karatschi (PIPS 1.2018 S 17ff).

Etwa 58 % (213 von 370) aller Anschläge mit 604 Toten und 1374 Verletzten wurden von Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP) und ihren Splittergruppen bzw. Gruppen mit ähnlichen Zielen in den [ehem.] FATA und Khyber Pakhtunkhwa wie die Lashkar-e-Islam sowie von IS-Unterstützern durchgeführt. Nationalistische Gruppierungen führten 138 Anschläge durch, vorwiegend in Belutschistan, und einige wenige in Sindh, dabei kamen 140 Menschen ums Leben und 265 Menschen wurden verletzt. 19 Anschläge mit 71 Toten und 97 Verletzten wurden durch religiös-sektiererische Gruppen durchgeführt (PIPS 1.2018 S 17).

Insgesamt gab es im Jahr 2017 in Pakistan, inklusive der Anschläge, 713 Vorfälle von für die Sicherheitslage relevanter Gewalt (2016: 749; -5 %), darunter 75 operative Schläge der Sicherheitskräfte (2016: 95), 68 Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen (2016: 105), 171 Auseinandersetzungen an den Grenzen mit Indien, Afghanistan und Iran (2016: 74) und vier Vorfälle von ethnischer oder politischer Gewalt (2016: zwölf) (PIPS 1.2018 S 20; Zahlen für 2016: PIPS 1.2017). Die Zahl der bei diesen Vorfällen getöteten Personen sank um 15 % auf 1.611 von 1.887 im Jahr 2016, die Zahl der verletzten Personen stieg jedoch im selben Zeitraum um 13 % von 1.956 auf 2.212 (PIPS 1.2018 S 20). Im Jahr 2016 gab es im Vergleich zu 2015 32 % weniger Vorfälle und 46 % weniger Todesopfer (PIPS 1.2017).

Im Jahr 2017 wurden 75 operative Schläge und Razzien (2016: 95; -21 %) in 28 Distrikten oder Regionen Pakistans durchgeführt (2016: 35), davon 39 in Belutschistan (2016: 38), 18 in den [ehem.] FATA (2016: 24), acht in Khyber Pakhtunkhwa (2016: fünf), sieben im Punjab (2016: 13) und drei in Karatschi (2016: 15). 296 Menschen wurden dabei getötet (2016: 492), davon 281 Aufständische (2016: 481) (PIPS 1.2018 S 23; Zahlen für 2016: PIPS 1.2017). Im Jahr 2015 wurden 143 Sicherheitsoperationen in 31 Distrikten mit 1.545 Todesopfern durchgeführt (PIPS 1.2017).

Es scheint, dass sich nun erfolgreich eine Null-Toleranz-Sicht in Staat und Gesellschaft gegenüber Terror durchsetzt. Die Sicherheitseinrichtungen sind weiterhin mit vielschichtigen Herausforderungen konfrontiert. Die wichtigsten davon sind Kapazitätslücken in der Bekämpfung städtischer Terrorbedrohungen und die mangelhafte Kooperation zwischen den verschiedenen Gesetzesdurchsetzungsbehörden (PIPS 3.1.2016).

Die Regierung unterhält Deradikalisierungszentren, die "korrigierende religiöse Bildung", Berufsausbildung, Beratung und Therapie anbieten (USDOS 7.2017). Zentren befinden sich in Swat, Khyber Agency, Bajaur Agency und Khyber Pakhtunkhwa. Es existieren separate Programme für Frauen und Jugendliche (BFA 9.2015). Weithin gelobt ist das Sabaoon Rehabilitation Center einer NGO im Swat-Tal, das gemeinsam mit dem Militär gegründet wurde und sich an jugendliche ehemalige Extremisten richtet (USDOS 7.2017).

Die Asia Pacific Group on Money Laundering konnte in Pakistan Fortschritte bei der Behebung von strategischen Mängeln erzielen, die diese in Bezug auf die Bekämpfung der Finanzierung von Terrorismus zuvor festgestellt hatte. Maßnahmen umfassen z.B. die Überwachung von grenzüberschreitenden Geldtransfers, NGO-Finanzierungen, das Einfrieren von Geldern, die rechtliche Meldepflicht von Banken über verdächtige Transaktionen sowie deren Verpflichtung, regelmäßig die Liste der von der UN als Terrororganisationen Eingestuften zu kontrollieren. Dennoch werden bestimmte Gruppen, insbesondere Lashkar e-Tayyiba, nicht effektiv daran gehindert, in Pakistan Spenden zu lukrieren oder auf ihre finanziellen Mittel zuzugreifen (USDOS 7.2017).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (10.2017a): Pakistan - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html, Zugriff 13.3.2018

* AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (20.10.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN.BFA Staatendokumentation (9.2015): Fact Finding Mission Report Pakistan, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1453713783_bfa-sd-pakistan-ffm-report-2015-09-v2.pdf, Zugriff 18.3.2017

* PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report.

* PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2018): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.10, No.1, Special Report 2017 - Pakistan Security Report.

* PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (3.1.2016): Pakistan Security Report 2015.

* PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (5.2.2018): Monthly Security Report: January 2018, http://pakpips.com/app/reports/65, Zugriff 14.5.2018

* PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.3.2018): Monthly Security Report: February 2018, http://pakpips.com/app/reports/169, Zugriff 14.5.2018

* PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.4.2018): Monthly Security Report: March 2018, http://pakpips.com/app/reports/199, Zugriff 14.5.2018

* USDOS - US Department of State (7.2017): Country Report on Terrorism 2016 - Chapter 2 - Pakistan (S 261-265), https://www.state.gov/documents/organization/272488.pdf, Zugriff 8.5.2018

Regionale Verteilung der Gewalt

Der regionale Schwerpunkt terroristischer Anschläge mit den meisten Opfern liegt in Khyber Pakhtunkhwa, den [ehem.] Stammesgebieten FATA und in Belutschistan (AA 28.3.2018) sowie in der Wirtschaftsmetropole Karatschi, wobei es in Karatschi seit 2016 nicht mehr zu größeren Anschlägen gekommen ist (AA 20.10.2017).

Für das erste Quartal 2018 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS landesweit 76 terroristische Angriffe, bei denen 105 Personen ums Leben kamen. Davon entfielen auf Belutschistan 40 Anschläge mit 56 Toten; auf Khyber Pakhtunkhwa zehn Anschläge mit 20 Toten und auf die [ehem.] FATA 18 Anschläge mit 17 Toten. Im Sindh gab es fünf Anschläge mit acht Toten, in Punjab zwei Anschläge mit zwölf Toten. Im Hauptstadtterritorium Islamabad, in Gilgit Baltistan und Azad Jammu & Kashmir wurden keine Anschläge registriert (Aggregat aus: PIPS 6.4.2018; PIPS 6.3.2018; PIPS 5.2.2018).

Im Jahr 2017 war Belutschistan - wie schon in den drei Jahren zuvor - die am stärksten vom Terrorismus betroffene Provinz. Bei 165 Anschlägen kamen 288 Menschen ums Leben. Somit entfielen 44 % aller Anschläge bzw. 35 % aller Todesfälle landesweit auf Belutschistan. Die [ehem.] Stammesgebiete (FATA) waren die am zweitstärksten vom Terrorismus betroffene Region, sowohl was die Zahl der Anschläge als auch der Opfer angeht. Bei 83 Angriffen kamen 253 Personen ums Leben. In Khyber Pakhtunkhwa kamen bei 71 Anschlägen 91 Personen ums Leben; in Sindh gab es 31 Anschläge (davon 24 in Karatschi) mit 119 Todesopfern (davon 25 in Karatschi, sowie 91 durch einen einzigen suizidalen Sprengstoffanschlag in Sehwan Sharif). Im Punjab kam es zu 14 Anschlägen mit 61 Todesopfern, im Hauptstadtterritorium gab es drei Anschläge mit zwei Todesopfern und in Azad Jammu und Kashmir gab es drei Anschläge mit einem Todesopfer (PIPS 1.2018 S 37-59).

Im Jahr 2016 war Belutschistan wieder die Region von Pakistan mit den höchsten Anschlagszahlen - 151 Anschläge wurden durchgeführt. Sie war auch die Provinz mit den höchsten Opferzahlen, mit 412 Toten. Khyber Pakhtunkhwa war am zweitstärksten von Anschlägen betroffen, 127 Anschläge töteten hier 189 Menschen. Gefolgt wurden diese von den [ehem.] FATA mit 99 Anschlägen und 163 Toten. Sindh war von 54 Anschlägen mit 63 Toten betroffen, allerdings entfielen davon 47 Anschläge mit 60 Toten allein auf Karatschi. Im Sindh - Karatschi ausgenommen - gingen die Todeszahlen in Bezug zu Terrorismus um 97 % zurück, in Islamabad um 75 %, in Karatschi um 60 und in den [ehem.] FATA um 38 %. Islamabad erlitt einen Anschlag mit einem Toten (PIPS 1.2017).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (20.10.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN.

* AA - Auswärtiges Amt Deutschland (28.3.2018): Pakistan - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung) https://www.auswaertiges-amt.de/de/pakistansicherheit/204974, Zugriff 8.5.2018

* PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report.

* PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2018): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.10, No.1, Special Report 2017 - Pakistan Security Report.

* PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (3.1.2016): Pakistan Security Report 2015.

* PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.4.2018): Monthly Security Report: March 2018, http://pakpips.com/app/reports/199, Zugriff 14.5.2018

* PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.3.2018): Monthly Security Report: February 2018, http://pakpips.com/app/reports/169, Zugriff 14.5.2018

* PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (5.2.2018): Monthly Security Report: January 2018, http://pakpips.com/app/reports/65, Zugriff 14.5.2018

Wichtige Terrorgruppen

Im Jahr 2017 ging die Zahl terroristischer Anschläge weiter zurück, doch aufständische Gruppierungen stellen weiterhin eine starke Bedrohung für die innere Sicherheit des Landes dar. Die Gruppierungen unterliegen wie bereits 2016 einer konstanten Transformation. Eine bisher unbekannte Gruppierung namens Ansarul Sharia wurde in Karatschi aktiv und verstärkte Aktivitäten von Daesh / ISIS stellen eine neue Herausforderung für die Sicherheitskräfte dar (PIPS 1.2018).

Die Tehrik-e-Taliban Pakistan (TTP) ist die größte aufständische Gruppe in Pakistan (EASO 7.2016); 70 Angriffe mit 186 Toten gingen 2017 auf ihr Konto (PIPS 1.2018 S 83f). Sie entstand 2007 als loses Bündnis von Deobandi-Gruppen, die an der Pakistanischen Grenze zu Afghanistan operierten. Ursprüngliches Ziel war die Einsetzung der Sharia und die Bekämpfung der Koalitionskräfte in Afghanistan. Später richtete sie sich auch gegen den pakistanischen Staat. Die Anhängerschaft setzt sich hauptsächlich aus Paschtunen der Grenzregion zusammen. Die TTP finanziert sich aus Erpressung, Schmuggel, Drogenhandel und Kidnapping. Es scheint, als hätte sie durch die Operation Zarb-e-Azb in Nord-Wasiristan stark an Boden verloren (EASO 7.2016). Der Vertreter des PIPS erläutert bei der FFM 2013, dass die TTP nicht über eine einheitliche Struktur verfügt und auch die vorhandene Struktur nicht mehr intakt ist. Jede Gruppe hat eigene Operationen (BAA 6.2013). Die TTP wurde stark durch interne Krisen und die militärischen Operationen in Nord-Wasiristan und in der Khyber Agency geschwächt. Die internen Krisen hielten diese Organisation aber nicht davon ab, gewaltsame Anschläge durchzuführen (PIPS 4.1.2015). Die TTP konnte ihre internen Streitigkeiten 2017 durch die Wiedereingliederung der größten Fraktion aus Süd-Wasiristan in die Hauptgruppe beilegen (PIPS 1.2018 S 83f).

Neben der TTP, ihren Unter- und Splittergruppen sind auch einige kleinere militante islamistisch motivierte Gruppen in Khyber Pakhtunkhwa und den [ehem.] FATA aktiv, sie werden als lokale Taliban bezeichnet (PIPS 1.2018 S 85). Allerdings gebrauchen auch viele kriminelle Gruppen dieses Label. Die meisten dieser Gruppen sind klein und ihre Operationen sind auf ihre Umgebung begrenzt (BAA 6.2013).

Ziel der Lashkar-e-Jhangvi (LeJ) ist es, Pakistan in ein sunnitisches Land zu transformieren. Sie ist in viele Gruppen zersplittert, deren Taktiken und Ziele sich von einem Gebiet zum anderen unterscheiden (SATP o.D.). Die LeJ erlitt 2016 starke Verluste in der Führerschaft (PIPS 1.2017). Im Jahr 2017 war die LeJ mit ihren Splittergruppen, darunter die Lashkar-e-Jhangvi Al-Alami, insgesamt für 18 Anschläge mit 132 Toten verantwortlich. 90 % davon betrafen die erste Jahreshälfte. Die verminderte Aktivität im zweiten Halbjahr ist durch die Zerschlagung ihrer Hauptnetzwerke in Belutschistan und Sindh durch die Sicherheitskräfte zu erklären (PIPS 1.2018 S 87).

Jamaatul Ahrar (JuA) war 2017 Urheberin von 37 terroristischen Anschlägen (2016: 66) mit 123 Toten, vorwiegend in den [ehem.] FATA und Khyber Pakhtunkhwa. JuA wurde 2017 durch interne Streitigkeiten sowie durch Tötungen mehrerer Kommandanten stark geschwächt (PIPS 1.2018 S 84f).

Nationalistische aufständische Gruppen sind hauptsächlich in Belutschistan aktiv, einige auch im Sindh, allerdings sind letztere eher in Sabotageakte involviert und in ihrem Operationsgebiet begrenzt (PIPS 1.2018). Nachdem die nationalistischen Gruppen 2016 durch Sicherheitsoperationen und interne Krisen stark geschwächt wurden (PIPS 1.2017), stieg die Schlagkraft der belutschischen nationalistischen Gruppen 2017 wieder an. Hauptakteur nationalistischer Gewalt ist die Balochistan Liberation Army, die 2017 42 Angriffe mit 51 Todesopfern durchführte, ein leichter Rückgang verglichen mit 55 Angriffen 2016. Weitere wichtige belutschische Terrororganisationen sind die Baloch Republican Army, Lashkar-e-Balochistan und die Balochistan Liberation Front (PIPS 1.2018).

Quellen:

* BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge.

* EASO - European Asylum Support Office (7.2016): Country of Origin Information Report, Pakistan Security Situation, http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1469617733_easo-country-of-origin-information-report-pakistani-security-report.pdf, Zugriff 18.3.2017

* PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report.

* PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2018): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.10, No.1, Special Report 2017 - Pakistan Security Report.

* PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (4.1.2015): Pakistan Security Report 2014.

* SATP - South Asia Terrorism Portal (o.D.): Lashkar-e-Jhangvi, http://www.satp.org/satporgtp/countries/pakistan/terroristoutfits/lej.htm, Zugriff 8.5.2017

Punjab und Islamabad

Im Punjab gibt es im Landesvergleich weniger Fälle von organisierten, bewaffneten gewalttätigen Übergriffen aber eine große Zahl von Protesten. In großen Städten wie Lahore und Islamabad-Rawalpindi gibt es gelegentlich Anschläge mit einer hohen Zahl von Opfern, durchgeführt von Gruppen wie den Tehreek-i-Taliban Pakistan, Al Qaeda oder deren Verbündeten (ACLED 7.2.2017). Die Bevölkerung der Provinz beträgt laut Zensus 2017 110 Millionen (PBS 2017a). Provinzhauptstadt ist Lahore, nach Karatschi die zweitgrößte Stadt Pakistans (EASO 7.2016) mit 11,1 Millionen Einwohnern (PBS 2017a). Islamabad, die Hauptstadt Pakistans, ist verwaltungstechnisch nicht Teil der Provinz Punjab, sondern ist ein Territorium unter Bundesverwaltung (ICTA o.D.). Die Bevölkerung des Hauptstadtterritoriums beträgt laut Zensus 2017 ca. zwei Millionen Menschen (PBS 2017a).

Für das erste Quartal 2018 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS für das Hauptstadtterritorium Islamabad keinen und für den Punjab zwei terroristische Angriffe mit zwölf Toten und 23 Verletzten (Aggregat aus: PIPS 6.4.2018; PIPS 6.3.2018; PIPS 5.2.2018). Sämtliche Todesopfer stammen aus einem Selbstmordattentat vom 14.3. auf einen Polizeiposten vor einer religiösen Versammlung in Lahore. Die Tehrik-e-Taliban Pakistan (TTP) haben sich zu dem Anschlag bekannt (Reuters 14.3.2018; vgl. PIPS 6.4.2018).

Im Jahr 2017 hat sich die Zahl der terroristischen Angriffe im Punjab im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. Bei 14 Anschlägen kamen 61 Personen ums Leben, davon fanden sechs Vorfälle mit 54 Toten in Lahore statt. Die Todesopfer umfassten 35 Zivilisten, 18 Polizisten, sechs Armeemitarbeiter und zwei Aufständische. Es gab drei Selbstmordanschläge in Lahore mit insgesamt 50 Toten, die sich gegen Sicherheitskräfte und Zensusmitarbeiter richteten, darunter einen Sprengstoffanschlag auf einen Polizeieinsatz bei der Räumung eines illegalen Marktes mit 26 Toten. Es gab einen religiös-sektiererisch motivierten Vorfall mit einem Todesopfer. Vier Anschläge richteten sich gegen die Gemeinschaft der Ahmadiya. Für die Anschläge verantwortlich zeigten sich die TTP, Jamaatul Ahrar, Lashkar-e-Jhangvi Al-Alami sowie weitere unidentifizierte Gruppen (PIPS 1.2018).

Das Hauptstadtterritorium Islamabad verzeichnete 2017 drei Anschläge mit zwei Todesopfern. Zwei der Anschläge waren religiös-sektiererisch motiviert und richteten sich gegen Schiiten (PIPS 1.2018). Im November 2017 blockierten Demonstranten - Mitglieder religiöser Parteien wie Tehreek Labbaik Ya Rasool Allah (TLY), Tehreek-i-Khatm-i-Nabuwwat und Sunni Tehreek Pakistan (ST) - 20 Tage lang den Autobahnknoten Fayzabad Interchange. Am 25.11.2017 begann die Regierung mit der gewaltsamen Auflösung der Proteste, bei der sechs Personen getötet wurden. Da die zur Unterstützung gerufene Armee ihr Eingreifen verweigerte, wurde die Blockade letztlich nach weiteren Verhandlungen und Zugeständnissen friedlich aufgelöst [vgl. Abschnitt 2] (Dawn 28.11.2017).

Die Zahl der Terroranschläge und Todesopfer im Punjab ging in den Jahren 2015 und 2016 zurück (PIPS 1.2017; vgl. PIPS 3.1.2016). Für das Jahr 2016 wurden sieben Terroranschläge im Punjab mit 80 Toten registriert, wobei 74 Tote alleine auf den groß angelegten, gegen die christliche Gemeinschaft gerichteten, Anschlag in Lahore im März 2016 entfielen. Sechs Distrikte des Punjab waren von Anschlägen betroffen. Unter den Opfern befanden sich 75 Zivilisten, vier Polizisten und ein Aufständischer. Das Hauptstadtterritorium Islamabad verzeichnete 2016 einen Anschlag mit einem Toten (PIPS 1.2017).

Quellen:

- ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project (7.2.2017): Regional Violence in Pakistan, https://www.crisis.acleddata.com/regional-violence-in-pakistan/. Zugriff 21.6.2018

- Dawn (28.11.2017): An overview of the crisis that forced the government to capitulate, https://www.dawn.com/news/1373200/an-overview-of-the-crisis-that-forced-the-government-to-capitulate, Zugriff 26.4.2018

- EASO - European Asylum Support Office (7.2016): Country of Origin Information Report, Pakistan Security Situation, http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1469617733_easo-country-of-origin-information-report-pakistani-security-report.pdf, Zugriff 18.3.2017

* ICTA - Islamabad Capital Territory Administration (o.D.): About ICTA, https://ictadministration.gov.pk/about-icta/, Zugriff 8.5.2018

* PBS - Pakistan Bureau of Statistics (2017a): PROVINCE WISE PROVISIONAL RESULTS OF CENSUS - 2017, http://www.pbs.gov.pk/sites/default/files/PAKISTAN%20TEHSIL%20WISE%20FOR%20WEB%20CENSUS_2017.pdf, Zugriff 8.5.2018

* PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report.

* PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2018): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.10, No.1, Special Report 2017 - Pakistan Security Report.

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (3.1.2016): Pakistan Security Report 2015.

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.4.2018): Monthly Security Report: March 2018, http://pakpips.com/app/reports/199, Zugriff 14.5.2018

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.3.2018): Monthly Security Report: February 2018, http://pakpips.com/app/reports/169, Zugriff 14.5.2018

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (5.2.2018): Monthly Security Report: January 2018, http://pakpips.com/app/reports/65, Zugriff 14.5.2018

- Reuters (14.3.2018): Suicide blast targeting police kills seven in eastern Pakistani city of Lahore, https://www.reuters.com/article/us-pakistan-blast/suicide-blast-targeting-police-kills-seven-in-eastern-pakistani-city-of-lahore-idUSKCN1GQ2OD, Zugriff 14.5.2018

Naturkatastrophen

Nach dem Erdbeben 2005 wurde die National Disaster Management Authority (NDMA) und im Jahr 2010 Katastrophenmanagement-Behörden in den Distrikten und Provinzen eingerichtet, die jedoch an einem Mangel an ausgebildetem Personal, Koordination und finanziellen Ressourcen leiden (IRIN 3.4.2014). In den letzten Jahren haben sich allerdings die Kapazitäten der Regierungsbehörden, der Sicherheitskräfte und der heimischen, zivilgesellschaftlichen Organisationen bei der Bewältigung von Katastrophen deutlich verbessert (UNOCHA 31.1.2016).

Bei einem Erdbeben der Stärke 7,5 am 26.10.2015 kamen mindestens 248 Menschen ums Leben. Das pakistanische Militär und Zivilbehörden führten die Rettungsmaßnahmen durch (Dawn 28.10.2015). Beinahe 666.000 Menschen wurden in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa und der Bajaur Agency durch das Beben vertrieben (IDMC/NRC 5.2016). Zwischen März und Juli 2016 wurden 239 Menschen bei starken Monsunregenfällen in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa getötet. Die Regierung führte die Rettungs- und Suchaktionen durch, die internationale Gemeinschaft wurde nicht um Hilfe gebeten (UNOCHA 4.7.2016). Im April 2016 kamen fünf Menschen in Pakistan bei einem Erdbeben ums Leben, die Provincial Disaster Management Authority von Khyber Pakhtunkhwa sowie die NDMA übernahmen die Versorgung der von den Fluten Betroffenen, auch hier wurde die internationale Gemeinschaft nicht um Hilfe gebeten (UNOCHA 11.4.2016). Im Jänner 2017 gab es in Belutschistan in Folge heftigen Regen- und Schneefalles 13 Tote und 650 Verletzte. Der Rote Halbmond und die Provincial Disaster Management Authority von Belutschistan versorgte etwa 60.000 Menschen in den betroffenen Gebieten mit Lebensmitteln, Trinkwasser und Schlafsäcken (Reliefweb 8.2.2017). Im August 2017 kamen in Karatschi mindestens 23 Menschen bei Überschwemmungen in Folge starker Regenfälle ums Leben, Armee und Luftwaffe führten Rettungsaktionen durch (DP 31.8.2017).

Quellen:

* DP - Daily Pakistan (31.8.2017): At least 23 killed as downpours wreak havoc in Karachi, army deployed for assistance, https://en.dailypakistan.com.pk/headline/karachi-battles-flood-ahead-of-eidul-azha-video/, Zugriff 9.3.2018

* Dawn (28.10.2015): Earthquake toll reaches 248, relief efforts continue, https://www.dawn.com/news/1215703, Zugriff 26.4.2018

* IDMC/NRC - Internal Displacement Monitoring/Norwegian Refugee Council (5.2016): GRID 2016 Global Report on Internal Displacement, http://www.internal-displacement.org/globalreport2016/pdf/2016-global-report-internal-displacement-IDMC.pdf, Zugriff 26.4.2018

* IRIN - Integrated Regional Information Networks (3.4.2014): Analysis: How effective is Pakistan's disaster authority?, http://www.irinnews.org/report/99880/analysis-how-effective-is-pakistan-s-disaster-authority, Zugriff 26.4.2018

* Reilefweb (8.2.2017): Pakistan: Balochistan Floods/Snowfall 2017 Emergency Plan of Action (MDRPK013), https://reliefweb.int/report/pakistan/pakistan-balochistan-floodssnowfall-2017-emergency-plan-action-mdrpk013, Zugriff 26.4.2018

* UNOCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (11.4.2016): Flash Update: #1 Afghanistan-Pakistan Earthquake, http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/ocha_flash_update_afg_pak_earthquake_20160410_1_0.pdf, Zugriff 26.4.2018

* UNOCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (4.7.2016): Flash Update: #2 Pakistan Rains, http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/ocha_flash_update_2_pak_rains_20160704.pdf, Zugriff 26.4.2018

Rechtsschutz/Justizwesen

Die pakistanische Verfassung und die gesamte pakistanische Rechtsordnung basieren weitgehend auf dem britischen Rechtssystem, wobei gemäß Art. 227 der Verfassung alle Gesetze grundsätzlich in Einklang mit der Scharia stehen müssen; deren Einfluss auf die Gesetzgebung ist trotz Bestehens etwa des Konsultativorgans Council of Islamic Ideology - abgesehen von bestimmten Bereichen wie beispielsweise den Blasphemiegesetzen - dennoch eher beschränkt (ÖB 10.2017).

Der Aufbau des Justizsystems ist zunächst in der Verfassung geregelt, deren Art. 175 die folgenden Organe aufzählt: Supreme Court of Pakistan, ein High Court in jeder Provinz sowie im Islamabad Capital Territory und weitere durch das Gesetz eingerichtete Gerichte. Des Weiteren existiert gemäß Art. 203A ff der Verfassung ein Federal Shariat Court, der u.a. von Bürgern, der Zentral- sowie den Provinzregierungen zur Prüfung von Rechtsvorschriften auf ihre Vereinbarkeit mit den "Injunctions of Islam" angerufen werden kann (er kann diesbezüglich auch von sich aus tätig werden). Weiters bestehen noch Provinz- und Distriktgerichte, Zivil- und Strafgerichte sowie spezialisierte Gerichte für Angelegenheiten wie Steuerrecht, Banken oder Zoll (ÖB 10.2017).

Der Supreme Court ist das pakistanische Höchstgericht; neben seinen Aufgaben als letzte Rechtsmittelinstanz in Zivil- und Strafsachen umfassen seine Zuständigkeiten die Regeleung von Streitfällen zwischen Lokalregierungen ("original jurisdiction in any dispute between any two or more Governments") sowie beratende Rechtsprechung ("advisory jurisdiction") auf Aufforderung durch den Staatspräsidenten (Art. 184 ff der Verfassung). Außerdem kann er sich in Fällen öffentlicher Bedeutung auch der Rechtsdurchsetzung bei Grundrechtsverletzungen, die gem. Art. 199 der Verfassung in die Zuständigkeit der High Courts fällt, annehmen (Art. 185 Abs. 3 der Verfassung). Für diesen Bereich wurde eine eigene Human Rights Cell eingerichtet. Aufgrund seiner umfassenden Zuständigkeit gilt der Supreme Court als chronisch überlastet (ÖB 10.2017).

Auch die fünf High Courts (Lahore High Court, High Court of Sindh, Peshawar High Court, High Court of Balochistan, Islamabad High Court) fungieren u. a. als Berufungsinstanz gegen Beschlüsse und Urteile von Special Courts sowie als Aufsichts- und Kontrollorgane für alle ihnen unterstehenden Gerichte (Subordinate Courts). Auch bei den High Courts ist ein beträchtlicher Rückstau an Fällen zu verzeichnen (ÖB 10.2017).

In Azad Jammu und Kashmir (AJK) sowie in Gilgit-Baltistan gibt es eigene Justizsysteme (ÖB 10.2017; vgl. USDOS 20.4.2018). Die örtliche Zuständigkeit von Supreme Court und High Courts erstreckte sich gem. Art. 247 Abs. 7 der Verfassung grundsätzlich nicht auf die Stammesgebiete (Provincially Administered Tribal Areas, PATA; Federally Administered Tribal Areas, FATA; vgl. Art. 246 der Verfassung) (ÖB 10.2017). Nach dem Inkrafttreten der interimistischen Gesetzgebung für das Gebiet der FATA am 28.5.2018 und der administrativen Vereinigung der FATA mit der Provinz Khyber Pakhtunhkhwa am 31.5.2018 wird die staatliche Gerichtsbarkeit teilweise und innerhalb der nächsten zwei Jahre vollständig auf die ehem. Stammesgebiete ausgedehnt (Dawn 31.1.2018) [vgl. Abschnitt 4.1].

Der Federal Shariat Court besteht aus höchstens acht Richtern muslimischen Glaubens, von denen drei islamische Gelehrte (Ulema) sein müssen (Art. 203C der Verfassung). Beschwerden gegen seine Entscheidungen werden an die Shariat Appellate Bench des Supreme Court gerichtet. Neben der bereits erwähnten Zuständigkeit, Rechtsvorschriften auf ihre Vereinbarkeit mit den Regeln des Islams zu prüfen, fungiert der Federal Shariat Court zusätzlich zum Teil als Rechtsmittelinstanz in sogenannten Hudood-Fällen (Delikte nach den Hudood Ordinances von 1979, die eine v.a. Frauen stark benachteiligende Islamisierung des Strafrechts brachten und durch den Protection of Women (Criminal Law Amendment) Act 2006 in - Kritikern zufolge bei Weitem nicht ausreichenden - Teilen entschärft wurden) (ÖB 10.2017).

Die Richter des Supreme Court, der High Courts sowie des Federal Shariat Court werden vom Staatspräsidenten auf Vorschlag der Judicial Commission of Pakistan und nach Bestätigung durch einen Parlamentsausschuss ernannt (Art. 203C der Verfassung). Die den High Courts unterstehende Subordinate Judiciary kann grob in zwei Kategorien eingeteilt werden: Zivilgerichte, die durch die Civil Courts Ordinance 1962 eingerichtet wurden, und Strafgerichte nach dem Code of Criminal Procedure 1898. Darüber hinaus besteht aber auch eine Reihe von Gerichten, die unter speziellen Gesetzen eingerichtet wurden (ÖB 10.2017).

Die Justiz verteidigt ihre nach Ende der Militärherrschaft zurückgewonnene Unabhängigkeit erfolgreich und bemüht sich, den Rechtsstaat in Pakistan zu stärken. Erhebliche Unzulänglichkeiten im Justizapparat und Schwächen bei der Durchsetzung des geltenden Rechts bestehen allerdings fort. Die im Rahmen des nationalen Anti-Terror-Aktionsplans vom 24.12.2014 vorgesehene grundlegende Reform des Systems der Strafjustiz kommt bislang nicht voran. Die Schwäche der staatlichen Institutionen, nicht zuletzt im Bereich der Justiz, führt in vielen Fällen dazu, dass dem Recht keine Geltung verschafft wird (AA 20.10.2017). Auf dem Index des "World Justice Project" zur Rechtsstaatlichkeit 2017 rangiert Pakistan auf Platz 105 von 113, was eine Verbesserung um einen Rang gegenüber dem Vorjahr darstellt (WJP 2018).

Das Gesetz garantiert die Unabhängigkeit der Justiz, doch laut NGOs und Rechtsexperten ist die Justiz in der Praxis oft von externen Einflüssen, wie der Angst vor Repressionen durch extremistische Elemente bei Fällen von Terrorismus, Blasphemie oder öffentlichkeitswirksamen politischen Fällen beeinträchtigt. Viele Gerichte unterer Instanzen bleiben korrupt, ineffizient und anfällig für den Druck von wohlhabenden Personen und einflussreichen religiösen und politischen Akteuren. Es gibt Beispiele, wo Zeugen, Staatsanwälte oder ermittelnde Polizisten in High Profile Fällen von unbekannten Personen bedroht oder getötet wurden. Die oberen Gerichte und der Supreme Court werden allerdings von den Medien und der Öffentlichkeit als glaubwürdig eingestuft (USDOS 20.4.2018). Gewalt der Taliban war v.a. gegen Gerichte und Anwälte gerichtet. So gab es im Jahr 2016 einige Anschläge auf das Justizwesen: im März und im September erfolgte jeweils ein Anschlag auf ein Distriktgericht in Khyber Pakhtunkhwa, wobei 17 bzw. 14 Menschen starben, und in Quetta gab es ein Attentat auf ein Krankenhaus, in dem sich, nach Schüssen auf den Präsidenten der Anwaltsvereinigung Belutschistan, Anwälte versammelten, wobei 70 Menschen starben (HRW 12.1.2017). Im Februar 2017 starben bei einem Angriff der pakistanischen Taliban auf ein Gerichtsgebäude im Distrikt Charsadda, in Khyber Pakhtunkhwa, fünf Menschen (Reuters 21.2.2017).

Polizei und Justiz unterlaufen häufig Fehler bei der Untersuchung von Straftaten. Korruption ist weit verbreitet. Die pakistanischen Gerichte sind überlastet (AA 10.2017a). Laut der neuesten Statistik de

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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