TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/22 L521 2172363-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.11.2019
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Entscheidungsdatum

22.11.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §56
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG §6
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

L521 2172363-1/24E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Mathias KOPF, LL.M. über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Irak, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH als Mitglieder der ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, 1170 Wien, Wattgasse 48, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.09.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 02.09.2019 zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II. Der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 AsylG 2005 wird gemäß § 6 AVG 1991 mangels Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte im Gefolge seiner unrechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet am 17.09.2015 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der niederschriftlichen Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 14.10.2015 gab der Beschwerdeführer an, den Namen XXXX (Originalname: XXXX ) zu führen und Staatsangehöriger des Irak zu sein. Er sei Angehöriger der arabischen Volksgruppe, bekenne sich zum sunnitischen Islam und sei ledig. Er sei am XXXX geboren und habe acht Jahre die Grundschule in Bagdad besucht. Er habe zuletzt in Bagdad gelebt und sei als Arbeiter tätig gewesen. Seine Eltern und zwei Brüder seien in Bagdad wohnhaft.

Im Hinblick auf seinen Reiseweg brachte der Beschwerdeführer zusammengefasst vor, den Irak am 07.09.2015 legal von Bagdad ausgehend per Flugzeug nach Istanbul verlassen zu haben. In der Folge sei er schlepperunterstützt auf dem Seeweg nach Griechenland gelangt, wo er erkennungsdienstlich behandelt worden sei. Nach etwa zwei Tagen habe man ihn nach Athen transferiert. Anschließend sei er auf dem Landweg teilweise mit verschiedenen Verkehrsmitteln und teilweise im Fußweg nach Österreich gereist.

Zu den Gründen seiner Ausreise befragt, führte der Beschwerdeführer aus, den Irak aus Angst vor dem herrschenden Krieg und dem Milizenkrieg verlassen zu haben. Er sei von der Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq verfolgt worden. Bei einer Rückkehr habe er Angst um sein Leben.

2. Nach Zulassung des Verfahrens wurde der Beschwerdeführer am 14.03.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, im Beisein eines geeigneten Dolmetschers sowie einer Vertrauensperson in arabischer Sprache niederschriftlich vor dem zur Entscheidung berufenen Organwalter einvernommen.

Eingangs bestätigte der Beschwerdeführer, die arabische Sprache zu verstehen und der Einvernahme in gesundheitlicher Hinsicht folgen zu können. Ferner bestätigte der Beschwerdeführer, bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht zu haben, wobei es Tipp- und Verständigungsfehler in der Erstbefragung gegeben habe. Zur Person und den Lebensumständen befragt legte der Beschwerdeführer insbesondere dar, den Namen XXXX , Vatersname XXXX , Großvatersname XXXX , zu führen. Er sei XXXX in Bagdad geboren und habe dort bis zur Ausreise gelebt, Staatsangehöriger des Irak, Angehöriger der arabischen Volksgruppe und des sunnitischen Glaubens, ledig sowie kinderlos. Er habe im Irak sechs Jahre die Grund- und zwei Jahre die Mittelschule besucht. Anschließend sei er als Verkäufer in einem Bekleidungsgeschäft und später in einem Nachtklub fünf bis sechs Jahre beruflich tätig gewesen. Ein Bruder sei im Februar 2016 verstorben. Seine Eltern und ein weiterer Bruder seien noch in Bagdad wohnhaft. Zudem befänden sich ein Onkel und eine Tante im Irak. Zu Letzteren habe seine Familie nicht sehr viel Kontakt. Sein Vater sei im Einzelhandel tätig und beziehe darüber hinaus bereits eine Pension.

Befragt nach dem Grund für das Verlassen des Heimatstaates führte der Beschwerdeführer aus, in einem Nachtklub gearbeitet zu haben. Am 01.09.2015 sei er gemeinsam mit seinem Bruder in einem Café gesessen. Dort seien sie von zwei bewaffneten Männern angesprochen und zur Aufgabe ihrer Arbeit gedrängt worden, da diese eine Schande sei und sie damit gegen die islamischen Gesetze verstoßen würden. Nach einem anfänglichen Schock habe er erwidert, dass sie nur Angestellte seien. Wenn sie ein Problem mit dem Nachtklub hätten, sollten sie sich doch an die Eigentümer wenden. Zwei Tage später sei er mit einem Freund in einem anderen Café gesessen. Dieser Freund habe ihm geraten, eine Anzeige zu erstatten, was sie dann auch getan hätten. Beim Verlassen des Gebäudes habe ihn ein Polizist an der Hand gepackt und gefragt, ob er wirklich eine Anzeige erstattet hatte, zumal doch 50 Prozent der Polizisten in dem Gebäude zu den Milizen gehören würden. Sein Bruder sei bei der Polizei auch anwesend gewesen. In den frühen Morgenstunden des 05.09.2015 sei an ihrem Taxi ein Fahrzeug sehr schnell vorbeigefahren und habe man auf sie gefeuert. Der Taxifahrer sei an der Hand verletzt gewesen. Er und sein Bruder seien nur noch weggelaufen. Um etwa 07.30 Uhr habe seine Mutter unter Schock das Zimmer, in dem er sich mit seinem Bruder befunden habe, betreten und ihnen einen Drohbrief gezeigt. Sie habe sich erkundigt, was passiert sei und warum sie bedroht werden würden, woraufhin sie ihrer Mutter vom Vorfall im Café, der Erstattung der Anzeige und dem Vorfall in der Nacht erzählt hätten. Nach den Ereignissen von 01. bis 05. September sei ihm und seinen Eltern klar gewesen, dass sie den Irak verlassen müssten.

Nachgefragt zu Details gab der Beschwerdeführer unter anderem an, dass er etwa zehn oder elf Monate vor dem genannten Vorfall im Nachtklub zu arbeiten begonnen habe. Er habe dort sieben Tage in der Woche an der Kasse gearbeitet und sein Bruder an vier bis fünf Tagen pro Woche Getränke serviert. Es habe Stammgäste und VIP-Gäste gegeben. Diese habe er persönlich am Empfang abholen und zum Tisch begleiten müssen. Wenn er einen Stammgast abholen gegangen sei, sei sein Bruder an der Kassa eingesprungen. Offiziell sei der Nachtclub als Restaurant geführt worden. Er habe vor dem September 2015 in Bagdad keine Probleme aufgrund seiner Religionszugehörigkeit gehabt. Er habe diese Anstellung über einen Stammkunden seines vorherigen Arbeitgebers erhalten. Damals habe die Nachfrage im Modegeschäft nachgelassen. Er sei nie besonders religiös gewesen. Ihm sei wichtig gewesen, einen Job zu haben. Im Nachtklub sei Alkohol verkauft und viel getrunken worden. Es habe auch Bodyguards gegeben, die problematische Gäste entfernt hätten. Sein Bruder habe drei Wochen nach seinem Arbeitsbeginn im Nachtklub zu arbeiten begonnen. Beim Vorfall am 01.09.2015 sei er mit seinem Bruder vor dem Café gesessen. Sie hätten am späten Nachmittag auf Freunde gewartet, um Karten zu spielen. Dann seien zwei mit einem Revolver bewaffnete Männer, die in ihrem Alter gewesen seien, erschienen. Die Männer hätten sich nicht vorgestellt, hätten aber ihre Namen gekannt. Bei dem Vorfall am 05.09.2015 hätten sie an ihrem Taxi ein Fahrzeug vorbeiziehen gehört. Sie hätten sich auf der rechten Fahrspur befunden, weil sie bald abbiegen wollten. Das Fahrzeug sei links neben ihnen gewesen, als das Feuer auf sie eröffnet worden sei. Er sei daraufhin in Deckung gegangen und habe nur gedacht, dass er seinen Bruder aus dem Fahrzeug hole. Als das Fahrzeug zum Stillstand gekommen sei, seien er und sein Bruder ausgestiegen. Er sei vorne und sein Bruder hinten im Fahrzeug gesessen. Der Fahrer habe wegen seiner Hand geschrien, wobei er sich aber nicht um diesen gekümmert habe. Ihm sei in diesem Moment nicht klar gewesen, um wen es sich bei den Angreifern gehandelt habe. Die Schüsse hätten nicht sehr lange angedauert und sei das Taxi - sobald Schüsse gefallen seien - stehen geblieben. Das andere Fahrzeug sei ziemlich schnell an ihnen vorbeigezogen und habe nicht angehalten. Er könne nicht sagen, wie lange der Vorfall gedauert habe. Weder er noch sein Bruder seien verletzt worden. Seine Mutter habe den Drohbrief drei bis vier Stunden nach dem Vorfall mit dem Taxi erhalten. Diese sei unter Schock gestanden, verängstigt gewesen und habe Antworten von ihnen verlangt. Die Nachricht vom Tod seines Bruders habe er im Februar 2016 erhalten. Die Milizen hätten von seiner Tätigkeit im Nachtklub wahrscheinlich im Café erfahren. Sie hätten mit Freunden ganz offen darüber gesprochen und seien immer wieder Freunde in den Nachtklub gekommen. Wenn Konzerte stattgefunden hätten, habe er immer Freunden davon erzählt und ihnen Rabatte gewährt. Ihre Namen hätten die Milizen möglicherweise von einer Person erhalten, die im Irak als XXXX bezeichnet werde. Dies sei ein politischer Posten im Meldeamt. Dieser habe Namen und Adressen von Personen einer Wohngegend. Eine andere Möglichkeit sei, dass die Milizen die Namen über Mundpropaganda in Erfahrung gebracht hätten.

Bei einer Rückkehr befürchte er, das Schicksal seines Bruders zu erleiden. Dieser habe seine Arbeit verlassen, sei zwei bis drei Monate lediglich zu Hause gewesen und trotzdem getötet worden.

Im Übrigen wurde dem Beschwerdeführer angeboten, ihm die aktuellen landeskundlichen Feststellungen zum Irak zur Abgabe einer Stellungnahme auszuhändigen. Der Beschwerdeführer verzichtete auf diese Möglichkeit.

Im Rahmen der Einvernahme brachte der Beschwerdeführer ein ÖSD-Sprachzertifikat Niveau A1, eine Bestätigung über die Teilnahme an einem Gratisdeutschkurs vom 28.01.2016, eine Teilnahmebestätigung an einem Projekt zur sprachlichen Integration von Flüchtlingen vom 01.09.2016, eine Rechnung für einen Deutschintegrationskurs Niveau A2 an der Volkshochschule, eine Teilnahmebestätigung an der Clearingphase für Start Wien - das Jugendcollege und eine Terminkarte für das Jugendcollege, vier Empfehlungsschreiben und seinen irakischen Staatsbürgerschaftsnachweis - jeweils im Original - vor. Des Weiteren legte er eine Sterbeurkunde seines Bruders, eine Anzeigenbestätigung, einen Drohbrief und einen ärztlichen Befund bezüglich der Mutter - jeweils in Kopie - vor.

3. Mit dem hier angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.09.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wider den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG 2005 erlassen sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Irak gemäß § 46 FPG 2005 zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 2005 wurde ausgesprochen, dass die Frist für eine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte das Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen aus, das Vorbringen des Beschwerdeführers werde im Hinblick auf den Ausreisegrund als nicht glaubhaft erachtet, zumal es nicht nachvollziehbar sei, weshalb lediglich der Beschwerdeführer und sein Bruder, nicht aber auch die Eigentümer und andere Mitarbeiter des Nachtklubs Schwierigkeiten mit der Miliz gehabt haben. Ebenso wenig gestalte sich das Vorbringen zu dem geschilderten Angriff während der Heimfahrt im Taxi als plausibel. Bezüglich des in Kopie vorgelegten Drohbriefes sei von dessen mangelnder Echtheit auszugehen, zumal es sehr einfach sei, derartige gefälschte Schreiben zu erhalten. Darüber hinaus spreche die legale Ausreise auf dem Luftweg gegen eine aktuelle Bedrohung des Beschwerdeführers. Abgesehen von der Möglichkeit seinen Lebensunterhalt durch eine eigene berufliche Tätigkeit zu sichern, verfüge der Beschwerdeführer in Bagdad nach wie vor über nahe Verwandte, sodass ihm eine Rückkehr möglich und zumutbar wäre.

4. Mit Verfahrensanordnungen vom 09.09.2017 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben und der Beschwerdeführer ferner gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG darüber informiert, dass er verpflichtet sei, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.

5. Gegen den dem Beschwerdeführer am 15.09.2017 persönlich zugestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl richtet sich die im Wege der dem Beschwerdeführer beigegebenen und von ihm bevollmächtigte Rechtsberatungsorganisation eingebrachte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

In dieser wird inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften moniert und beantragt, den angefochtenen Bescheid zur Gänze zu beheben und dem Beschwerdeführer den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, hilfsweise Spruchpunkt II. und III. des angefochtenen Bescheides zu beheben und dem Beschwerdeführer den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, hilfsweise den Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides zu beheben und dahingehend abzuändern, dass eine Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig erklärt und dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt werde. Zudem wird eventualiter ein Aufhebungsantrag gestellt und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht begehrt.

In der Sache bringt der Beschwerdeführer nach neuerlicher Darlegung des aus seiner Sicht maßgeblichen Sachverhaltes - einer massiven Bedrohung seitens einer schiitischen Miliz - vor, dass das belangte Bundesamt seiner Pflicht gemäß § 18 Abs. 1 AsylG 2005 nicht ausreichend nachgekommen sei. Das belangte Bundesamt habe seine Ermittlungspflicht dadurch verletzt, dass es trotz entsprechenden Vorbringens des Beschwerdeführers kein fachärztliches Gutachten eingeholt habe. Der Beschwerdeführer habe im Rahmen seiner Einvernahme vor der belangten Behörde angegeben, dass er sich wegen seiner Depressionen in Behandlung befinde und diesbezüglich auch Medikamente einnehme. Die belangte Behörde habe es auch unterlassen, Ermittlungen darüber anzustellen, ob eine Behandlung im Irak erfolgen könne. Des Weiteren hätte sie den Umstand, dass der Beschwerdeführer an Depressionen leide, sich diesbezüglich in Behandlung begebe und regelmäßig Medikamente einnehme in die Beweiswürdigung in Bezug auf die Beurteilung der Glaubwürdigkeit einfließen lassen müssen. Bei ordnungsgemäßer Durchführung des Ermittlungsverfahrens hätte die belangte Behörde zu dem Ergebnis kommen müssen, dass der psychische Gesundheitszustand eine direkte Folge der Erlebnisse im Irak sei und daher ein Indiz für die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers im Hinblick auf seine Fluchtgeschichte darstelle. Hinzu tritt, dass das belangte Bundesamt die angefochtene Entscheidung auf unzureichende, teils veraltete Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat im Hinblick auf den Einfluss der schiitischen Milizen bzw. Volksmobilisierungseinheiten, den von diesen begangenen Straftaten und Menschenrechtsverletzungen sowie die Sicherheitslage im Irak, speziell in Bagdad, stützte, wobei in der Beschwerde in der Folge etwa zehn Seiten Berichte zur Lage im Herkunftsstaat aus den Jahren 2014 bis März 2017 auszugsweise zitiert werden.

Ferner erweise sich die Beweiswürdigung der belangten Behörde als mangelhaft, wobei den beweiswürdigenden Argumenten der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid im Detail entgegengetreten wird.

Im Fall des Beschwerdeführers liege das Verfolgungsrisiko in seiner politischen Gesinnung, nämlich einer miliz-feindlichen Einstellung, die er, durch die Weigerung, mit der ihn verfolgenden Miliz zu kooperieren, den Bedrohungen nicht nachzugeben, sowie der Anzeige bei der Polizei und schlussendlich seiner Flucht ganz klar dargetan habe, sowie in seiner Religionszugehörigkeit zum sunnitischen Islam bzw. seiner religiösen Gesinnung, die einen Islam, so wie er durch die schiitische Miliz ausgelegt werde, ablehne. Ferner wird dargelegt, dass der irakische Staat nicht schutzfähig und -willig sei. Ebenso wenig bestünde für den Beschwerdeführer eine innerstaatliche Fluchtalternative.

Was Spruchpunkt II. betrifft, so drohe dem Beschwerdeführer aufgrund der volatilen Sicherheitslage und der Bedrohung durch paramilitärische Gruppierungen jedenfalls unmenschliche bzw. erniedrigende Behandlung, Folter oder der Tod im gesamten Staatsgebiet, auch unabhängig von seinem spezifischen Fluchtvorbringen. Dem Beschwerdeführer drohe aufgrund der Kumulation mehrerer Faktoren - der faktisch regierungs- bzw. polizeigleichen Macht von paramilitärischen Milizen, der volatilen Sicherheitslage in Bagdad sowie weiten Teilen des Irak, dem Einfluss der schiitischen Milizen in einem großen Teil des irakischen Staatsgebietes, der fehlenden Kenntnis der Infrastruktur und örtlichen Gegebenheiten außerhalb Bagdads, der fehlenden Berufsausbildung, der fehlenden finanziellen Ressourcen der eigenen Familie und der daher dauerhaft fehlenden Möglichkeit finanzieller Unterstützung durch diese bei einer Rückkehr und der eigenen Vermögenslosigkeit - jedenfalls unmenschliche bzw. erniedrigende Behandlung, nicht zuletzt, da nicht mit ausreichender Sicherheit ausgeschlossen werden könne, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in den Irak nicht in eine ausweglose Lage bzw. existentielle Notlage geraten würde bzw. die Sicherheitslage, wie aufgezeigt, auch in Bagdad für sich genommen nicht mehr als stabil genug angesehen werden könne, sodass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr keine Verletzung seines Rechts auf Leben drohen würde.

Die belangte Behörde habe es schließlich in ihrer Entscheidung unberücksichtigt gelassen, dass der Beschwerdeführer seinen Lebensmittelpunkt seit fast zwei Jahren in Österreich habe, große Integrationsbemühungen aufweise, kontinuierlich die deutsche Sprache lerne, strafgerichtlich unbescholten sei und über einen festen Wohnsitz in einer Unterkunft für Asylwerbende verfüge.

Der Beschwerde sind zwei fachärztliche Befundberichte und eine Deutschkursantrittsbestätigung - jeweils in Kopie - angeschlossen.

6. Die Beschwerdevorlage langte am 04.10.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Die Rechtssache wurde in weiterer Folge der nun zur Entscheidung berufenen Abteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zugewiesen.

7. Die im Zuge der Einvernahme vor der belangten Behörde vorgelegten irakischen Urkunden (Staatsbürgerschaftsnachweis, Drohbrief, Anzeige, Sterbeurkunde bezüglich des Bruders und ärztlicher Befund bezüglich der Mutter) wurden seitens des Bundesverwaltungsgerichtes am 24.04.2019 einer Übersetzung zugeführt.

8. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.05.2019 wurde Primar Dr. Christoph RÖPER, LL.M., Facharzt für Neurologie, zum Sachverständigen bestellt und mit der Erstellung eines medizinischen Gutachtens zum aktuellen Gesundheitszustand des Beschwerdeführers beauftragt.

9. Zur Vorbereitung einer beabsichtigten mündlichen Verhandlung wurden der dem Beschwerdeführer beigegebenen und von ihm bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation mit Note des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24.09.2019 das Gutachten des Sachverständigen Primar Dr. Christoph RÖPER, LL.M. und aktuelle Länderdokumentationsunterlagen zur allgemeinen Lage im Irak zur Wahrung des Parteiengehörs übermittelt und die Möglichkeit eingeräumt, dazu innerhalb einer Frist schriftlich Stellung zu nehmen. Des Weiteren wurde der Beschwerdeführer im Wege seiner ihm beigegebenen und von ihm bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation zur Vorbereitung der Verhandlung aufgefordert, innerhalb derselben Frist - insbesondere zur Integration im Bundesgebiet - ihm bekannte Tatsachen geltend zu machen und die ihm zugänglichen Beweismittel dem Bundesverwaltungsgericht in Vorlage zu bringen, sofern ein Vorbringen noch nicht erstattet oder Beweismittel noch nicht vorgelegt wurden.

10. Am 24.07.2019 übermittelte der Beschwerdeführer im Wege im Wege der ihm beigegebenen und von ihm bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation eine Stellungnahme zu den ihm übermittelten Gutachten des Sachverständigen und den Länderdokumentationsunterlagen. Diese werden zur Kenntnis genommen und würden sich aus diesen Länderdokumentationsunterlagen im Hinblick auf eine asylrelevante Verfolgungsgefahr des Beschwerdeführers aufgrund seiner Tätigkeit in einem Nachtklub, seinem sunnitischen Glauben und der damit einhergehenden Verfolgung durch eine schiitische Miliz keine Neuerungen ergeben. Selbiges gelte in Bezug auf eine Verfolgung aufgrund von psychischer Labilität. In der Folge werden diesbezüglich auszugweise die übermittelten Länderdokumentationsunterlagen zitiert. Ferner wird erneut dargelegt, dass der irakische Staat nicht schutzfähig und -willig sei. Was das übermittelte Gutachten des Sachverständigen betrifft wird angemerkt, dass allgemein bekannt sei, dass "remittiert" bedeute, dass sich ein Krankheitsbild "vorübergehend" zurückentwickle und halte auch der Gutachter fest, dass der Beschwerdeführer "aktuell" beschwerdefrei wäre. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass bei einer negativen Entscheidung und Abschiebung in den Irak die psychische Erkrankung des Beschwerdeführers wieder zum Vorschein komme.

11. Mit Schreiben vom 26.07.2019 brachte der Beschwerdeführer im Wege der dem Beschwerdeführer beigegebenen und von ihm bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation ein Konvolut an - teilweise bereits vorgelegten - Unterlagen bezüglich seiner Integration in Österreich in Vorlage.

12. Am 02.09.2019 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung im Beisein des Beschwerdeführers, seiner ihm beigegebenen und von ihm bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation und eines Dolmetschers für die arabische Sprache durchgeführt. Im Verlauf dieser Verhandlung wurde dem Beschwerdeführer einerseits Gelegenheit gegeben, neuerlich seine Ausreisemotivation umfassend darzulegen sowie die aktuelle Lageentwicklung im Irak anhand der dem Beschwerdeführer im Vorfeld übermittelten Länderdokumentationsunterlagen erörtert.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl verzichtete auf die Teilnahme an der mündlichen Beschwerdeverhandlung.

13. Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 06.09.2019 wurden der dem Beschwerdeführer beigegebenen und von ihm bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation seitens des Bundesverwaltungsgerichtes - unter Setzung einer zweiwöchigen Frist zur Abgabe einer Stellungnahme ab Zustellung dieses Schreibens - ergänzende länderkundliche Informationen zur Lage im Irak zur Kenntnis gebracht. Bis zum Entscheidungszeitpunkt wurde vom Beschwerdeführer keine Stellungnahme in Vorlage gebracht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX , er ist Staatsangehöriger des Irak und Angehöriger der arabischen Volksgruppe. Der Beschwerdeführer wurde am XXXX in Bagdad geboren und lebte dort bis zur Ausreise im Bezirk XXXX an einer gemeinsamen Adresse mit seinen Eltern und Geschwistern in einer Mietwohnung. Der Beschwerdeführer ist Moslem und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Er ist ledig und hat keine Kinder. Der Beschwerdeführer beherrscht die Sprache Arabisch.

Der Beschwerdeführer ist - abgesehen von nicht näher konkretisierten Rückenbeschwerden und schlechten Blutwerten aufgrund von Übergewicht - gesund, er steht nicht in medizinischer Behandlung und nimmt keine Medikamente ein. Er möchte in Zukunft an einem Programm zur Gewichtsabnahme teilnehmen.

Der Beschwerdeführer besuchte in Bagdad die Grundschule im Ausmaß von etwa acht Jahren und trat noch während des Schulbesuches zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt in das Berufsleben ein. Zunächst arbeitete er in einem Bekleidungsgeschäft als Verkäufer. Zu einem späteren Zeitpunkt betrieb der Beschwerdeführer dieses Bekleidungsgeschäft dann selbst. Zuletzt war der Beschwerdeführer eigenen, vom Bundesverwaltungsgericht nicht überprüften Angaben zufolge abends in einem Nachtklub in Bagdad beruflich tätig.

Seine Eltern und ein Bruder leben weiterhin - unweit der alten Adresse - in Bagdad. Sein Vater ist Pensionist und seine Mutter führt den Haushalt. Des Weiteren befinden sich ein Onkel und eine Tante im Irak. Zu diesen Personen hat seine Familie nicht mehr viel Kontakt.

Am 07.09.2015 verließ der Beschwerdeführer den Irak legal von Bagdad ausgehend per Flugzeug auf dem Luftweg in die Türkei und gelangte in der Folge schlepperunterstützt auf dem Seeweg nach Griechenland und schließlich weiter nach Österreich, wo er am 17.09.2015 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz. stellte.

1.2. Der Beschwerdeführer gehört keiner politischen Partei oder politisch aktiven Gruppierung an und hatte in seinem Herkunftsstaat keine Schwierigkeiten aufgrund seiner arabischen Volksgruppenzugehörigkeit und seines sunnitischen Religionsbekenntnisses zu gewärtigen. Der Beschwerdeführer hatte außerdem vor seiner Ausreise keine Schwierigkeiten mit Behörden, Gerichten oder Sicherheitskräften seines Herkunftsstaates zu gewärtigen.

Im Februar 2016 starb der Bruder XXXX nach der Ausreise des Beschwerdeführers einen gewaltsamen Tod. Die Identität oder das Motiv der Täter waren nicht feststellbar.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer und sein Bruder XXXX am 01.09.2015 von zwei Mitgliedern der Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq bedroht und am 05.09.2015 während einer Taxifahrt von Mitgliedern dieser Miliz angegriffen wurden. Außerdem kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer einen Drohbrief der Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq erhielt.

Es kann abseits davon nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise aus seinem Herkunftsstaat dort einer anderweitigen individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt durch staatliche Organe oder durch Dritte ausgesetzt war oder er im Falle einer Rückkehr in seine Herkunftsregion einer solchen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wäre.

Der Beschwerdeführer ist im Fall einer Rückkehr in seine Herkunftsregion auch nicht einer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eintretenden individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt aufgrund seines Bekenntnisses zum sunnitischen Islam ausgesetzt.

1.3. Dem Beschwerdeführer droht im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat nicht die Todesstrafe. Ebenso kann keine anderweitige individuelle Gefährdung des Beschwerdeführers festgestellt werden, insbesondere im Hinblick auf eine drohende unmenschliche Behandlung, Folter oder Strafe sowie kriegerische Ereignisse oder extremistische Anschläge im Irak.

1.4. Der Beschwerdeführer ist ein im Wesentlichen gesunder, arbeits- und anpassungsfähiger Mensch mit im Herkunftsstaat erworbener grundlegender Schulbildung und Berufserfahrung im Modebereich und als selbständiger Unternehmer. Der Beschwerdeführer verfügt über eine - wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherte Existenzgrundlage in seinem Herkunftsstaat, eine Wohnmöglichkeit bei seinen Eltern in Bagdad sowie über familiäre Anknüpfungspunkte in seiner Herkunftsregion in Gestalt seiner dort lebenden Eltern und eines Bruders. Dem Beschwerdeführer ist darüber hinaus die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zur Sicherstellung seines Auskommens möglich und zumutbar.

1.5. Der Beschwerdeführer verfügt über ein irakisches Ausweisdokument im Original (Staatsbürgerschaftsnachweis).

1.6. Der Beschwerdeführer hält sich seit dem 17.09.2015 in Österreich auf. Er reiste rechtswidrig in das Bundesgebiet ein, ist seither durchgehend im Bundesgebiet als Asylwerber aufhältig und verfügt über keinen anderen Aufenthaltstitel.

Der Beschwerdeführer bezieht seit Mitte November 2015 Leistungen der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber und war in verschiedenen Unterkünften für Asylwerber in Wien untergebracht. Am 06.05.2019 begründete er einen privaten Nebenwohnsitz und ab 17.05.2019 einen privaten Hauptwohnsitz in 1230 Wien.

Der Beschwerdeführer war im Bundesgebiet bislang nicht legal erwerbstätig. Er hat auch gegenwärtig keine bestimmte Erwerbstätigkeit am regulären Arbeitsmarkt in verbindlicher Weise durch Abschluss eines (bedingten) Dienstvertrages in Aussicht, geht jedoch davon aus, in einem irakischen oder einem indischen Restaurant arbeiten zu können. Der Beschwerdeführer verrichtete unterstützende Tätigkeiten im Notquartier für Asylwerber XXXX und ehrenamtliche Tätigkeiten im Rahmen der Flüchtlingshilfe Wien Hauptbahnhof - Train of Hope an seinem Unterbringungsort in den Jahren 2015 und 2016. Er absolvierte ferner am 14.06.2017 den StartWien-Charta Workshop, am 20.05.2017 das StartWien Info-Modul Wohnen, am 30.08.2018 einen Werte- und Orientierungskurs, am 06.03.2018 bzw. am 20.09.2018 den zweistündigen Workshop "Hilfe im Notfall" des Projekts PROTECT - Wir für Wien und von 12.09.2016 bis 26.09.2016 die Clearingphase für das Start Wien - Jugendcollege. Zudem besuchte er an der Technischen Universität Wien den Kurs Einführung in die Informatik im Wintersemester 2017/18 im Umfang von 20 Stunden erfolgreich und nahm im Februar 2018 an zwei Aus- und Weiterbildungsveranstaltungen des Wiener Fernsehkanals Okto teil. Insgesamt hat der Beschwerdeführer im Rahmen von Start Wien und des EU-Projekts CORE-Integration im Zentrum an fünf Informationsmodulen teilgenommen.

Der Beschwerdeführer besuchte mehrere Deutschkurse auf dem Niveau A1 und A2. Entsprechende Prüfungen über Kenntnisse der deutschen Sprache auf dem Niveau A1 und A2 legte er in den Jahren 2017 und 2018 auch erfolgreich ab. Der Beschwerdeführer verfügt über grundlegende Kenntnisse der deutschen Sprache, die für eine Konversation auf einfachem Niveau ausreichen.

Der Beschwerdeführer ist alleinstehend und hat in Österreich keine Verwandten. Er pflegt normale soziale Kontakte zu seinem Freundeskreis und ist für keine Person im Bundesgebiet sorgepflichtig. Unterstützer attestierten dem Beschwerdeführer Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit als Mitarbeiter, eine gewissenhafte Verrichtung der ihm übertragenen Tätigkeiten, den Willen zur Integration und Bemühen beim Erlernen der deutschen Sprache. Ein vereinsmäßiges Engagement des Beschwerdeführers ist - abgesehen von seiner Anmeldung beim Fußballverein DSG Los Andes FC (1798) - nicht feststellbar.

1.7. Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet war nie nach § 46a Abs. 1 Z. 1 oder Z. 3 FPG geduldet. Sein Aufenthalt ist nicht zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig. Der Beschwerdeführer wurde nicht Opfer von Gewalt im Sinn der §§ 382b oder 382e EO.

1.8. Zur gegenwärtigen Lage im Gouvernement Bagdad werden folgende Feststellungen getroffen:

Das Gouvernement Bagdad ist das mit ca. 4.555 km² flächenmäßig kleinste Gouvernement des Landes und beherbergt die gleichnamige irakische Hauptstadt Bagdad. In Bagdad lebten 2018 offiziell schätzungsweise 8,1 Millionen Menschen. Obwohl Bagdad das kleinste Gouvernement im Irak ist, hat es die höchste Einwohnerzahl von allen Gouvernements. 87% der Bevölkerung des Gouvernements leben in der Stadt Bagdad selbst. Die Hauptstadt ist das wichtigste Wirtschaftszentrum des Landes und beherbergt die stark geschützte grüne Zone.

Die Stadt Bagdad ist in neun Verwaltungsbezirke gegliedert: Adhamiyah, Karkh, Karada, Khadimiyah, Mansour, Sadr City, Al Rashid, Rasafa und 9 Nissan ('new Baghdad'). Die restliche Fläche des Gouvernements beherbergt die Verwaltungsbezirke Al Madain, Taji, Tarmiyah, Mahmudiyah und Abu Ghraib, die den sogenannten "Bagdad Belt" bilden und die Vororte beherbergen.

Gouvernement und Stadt Bagdad weisen eine gemischte Bevölkerung aus Schiiten und Sunniten mit einer geringeren Anzahl christlicher Gemeinschaften auf. Während die meisten Stadtteile in Bagdad in der Vergangenheit von einer Mischung aus Sunniten und Schiiten bewohnt waren, führte die gewaltsame Säuberung im Zuge der konfessionellen Konflikte insbesondere in den Jahren 2006 und 2007 dazu, dass die Stadt viel stärker religiös geteilt und von den Schiiten dominiert zu sein scheint (siehe dazu im Detail unten 1.10 "Lage von sunnitischen Arabern in Bagdad").

Die Einheiten der irakischen Armee in Bagdad unterstehen Führung des Baghdad Operations Command (BOC), das in zwei Gebiete unterteilt ist, das Karkh Area Command und das Rusafa Area Command. Die Special Forces Division (SFD) des Premierministers ist für die Sicherheit in der grünen Zone und den Schutz des Premierministers verantwortlich und kann vom Verteidigungsministerium, dem BOC, dem Joint Operations Command (JOC) sowie dem Premierminister selbst eingesetzt werden. Die SDF wird auch für Sicherungsaufgaben in Bagdad herangezogen, insbesondere während der schiitischen Pilgerreisen.

Dem Karkh Area Command untersteht die 6. irakische Armeedivision mit verschiedenen Brigaden, die in und außerhalb der Stadt stationiert sind. Die dem Rusafa Area Command unterstehende 9. Irakische Armeedivision ist derzeit nicht in Bagdad stationiert. Die Bundespolizei des irakischen Innenministeriums ist in Bagdad durch drei Bundespolizeidivisionen vertreten. Die 1. Federal Police Division sichert die südwestliche, westliche und südöstliche Kanalzone von Bagdad. Die 2. Federal Police Division, die einzige mechanisierte Division der Bundespolizei in Bagdad, wird hauptsächlich zur Terrorismusbekämpfung in Bagdad und den Bagdad-Belts, zur Sicherung von Pilgerwegen und zu Aufgaben in Zusammenhang mit der Strafverfolgung herangezogen. Die 4. Federal Police Division deckte das südliche Bagdad und Gebiete südlich der Hauptstadt ab und betreibt das Gefängnis in Karkh. Ergänzend steht westlich von Bagdad die 3. Brigade der Emergency Response Division (ERD) zur Verfügung. Die Stadt Bagdad und die Vororte werden grundsätzlich von den irakischen Behörden kontrolliert. In der Praxis teilen sich die Behörden jedoch die Verteidigungs- und Strafverfolgungsaufgaben mit den schiitisch dominierten Milizen der Volksmobilisierungseinheiten (al-hashd al-sha'bi, engl.: popular mobilization units, PMU oder popular mobilization forces bzw. popular mobilization front, PMF), was zu einer "unvollständigen" oder überlappenden Kontrolle mit diesen Milizen führt. Für die Jahre 2014 und 2015 liegen Berichte vor, wonach Einheiten der PMF an Misshandlungen und Morden an Zivilisten und Sunniten im Zusammenhang mit Operationen gegen den Islamischen Staat in den Bagdad-Belts beteiligt waren.

Seit dem Eintritt der militärischen Niederlage des Islamischen Staates im Dezember 2017 gibt es in Bagdad und anderen Landesteilen weniger Angriffe des Islamischen Staates mit großer Breitenwirkung. Der Islamische Staat verfügt weiterhin über aktive Zellen im nördlichen und westlichen Bagdad-Belt, diese befinden sich jedoch erheblichen Verlusten im Jahr 2017 in einem inaktiven Zustand. Seit dem Jahr 2018 sind Bagdad und die Bagdad-Belts kein prioritäres Operationsgebiet des Islamischen Staates mehr und ist der Islamische Staat nicht mehr für den überwiegenden Teil der Gewalttätigkeiten in der irakischen Hauptstadt verantwortlich. Die Möglichkeit, Anschläge auch im Zentrum der irakischen Hauptstadt zu verüben, dürfte nach wie vor gegeben sein, allerdings befindet sich die verbliebenen Anhänger des Islamischen Staates in einer Phase der Neuaufstellung.

Wenn der Islamische Staat die Verantwortung für Angriffe übernimmt, werden die Opfer entweder als "Abtrünnige" oder "Rafida" (eine abfällige Bezeichnung für schiitische Muslime) oder als bewaffnete Akteure bezeichnet, obwohl die Opfer möglicherweise Zivilisten sind. Der Islamische Staat übertreibt das häufig die Verluste, die seine Anschläge nach sich ziehen.

Die nachstehende Grafik zeigt, dass die Anzahl der zivilen Opfer von Gewaltakten in Bagdad in den Jahren 2017 und 2018 gegenüber den Vorjahren signifikant gesunken ist und wieder das Niveau vor dem Erstarkten des Islamischen Staates erreicht hat (Anmerkung: Die Datenbank Iraq Body Count kommt zu abweichenden Werten, siehe dazu die weitere Grafik).

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Die folgende Grafik veranschaulicht die Entwicklung der sicherheitsrelevanten Vorfälle im Gouvernement Bagdad und Anzahl der Opfer nach der Datenbank Iraq Body Count, wobei die Darstellung jedwede Art von Gewaltanwendung (insbesondere Bombenanschläge, Selbstmordattentate, Attacken mit Schusswaffen und außergerichtliche Tötungen) umfasst.

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Die Verwaltungsbezirke mit der höchsten Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen, die zu zivilen Todesfällen führten, waren im Jahr 2018 Adhamiya mit 78 sicherheitsrelevanten Vorfällen, die zu 94 zivilen Todesfällen führten, gefolgt von Resafa (einschließlich Thawra 1 & 2) mit 77 sicherheitsrelevanten Vorfällen, die zu 161 zivilen Todesfällen führten, gefolgt von und Mada'In mit 63 sicherheitsrelevanten Vorfällen, bei denen 69 Zivilisten ums Leben kamen. Die höchste Rate an Todesfällen pro 100.000 Einwohner) wurden im Vorort Tarmia (35,80) verzeichnet, gefolgt von Mada'in (15,91) und Adhamiya (8,25). Die meisten von der Iraq Body Count im Jahr 2018 im Gouvernement Bagdad erfassten Vorfälle betrafen Schießereien (46,4%), gefolgt von Morden ("executions") (30,6%) und die Verwendung improvisierter Sprengsätze (20,7%).

Dem Experten Michael Knights zufolge ereigneten sich in Bagdad 2018 die wenigsten Terroranschläge von -Jihadisten seit dem Jahr 2003. Anschläge des Islamischen Staates sind in der Stadt selbst "mehr oder weniger verschwunden", in den Bagdad-Belts sind die Anschläge des islamischen Staates zurückgegangen. Derzeit verhält sich der Islamische Staate in Bagdad und den Bagdad-Belts unauffällig und hat 2018 nicht viele Operationen durchgeführt. Wenn Angriffe verübt werden, handelt es sich meistens um Anschläge mit improvisierten Sprengsätzen. Der Islamische Staat ist wahrscheinlich nicht für den Großteil der Gewalt in Bagdad verantwortlich. Das Institute for the Study of War geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass die derzeit registrierten Gewaltakte in Bagdad im Zusammenhang mit kriminellen und politischen Auseinandersetzungen (unter letztes fallen politische Einschüchterung, gezielte Attentate usw.) und nicht mit dem Islamischen Staat stehen. Auch der Experte Michael Knights geht davon aus, dass meisten Gewalttaten in Bagdad nicht dem Islamischen Staat zuzuschreiben sind. Quellen besagen, dass der Islamische Staat seine Aktivitäten derzeit nur im Bagdad-Belt und in den Randgebieten der angrenzenden Gouvernements entfaltet, anstatt in der Stadt selbst. Der Experte Joel Wing gab an, dass die gewalttätigsten Vorfälle mit improvisierten Sprengsätzen und Schießereien, die er aufzeichnete, Medienberichten zufolge im äußersten Norden und Süden von Bagdad und in geringerem Maße im Westen vorkommen. Das Institute for the Study of War stellte fest, dass die intensiveren Angriffe mit improvisierten Sprengsätzen im nördlichen und nordwestlichen Teil der Stadt Bagdad (Kadhimiyah, Adahamyah) und im Vorort Tarmia (nördlich von Bagdad) verübt werden. Nur einige Vorfälle ereigneten sich in Bagdad westlich des Tigris - Karadah und Neu-Bagdad / al-Nissan und östlich des Tigris (Rusafa, Karkh, Rasheed und Mansour) sowie in Doura, jedoch in geringerer Intensität.

Das Institute for the Study of War kommt in seiner Analyse zum Ergebnis, dass "überwiegende Mehrheit" der Gewaltakte in Bagdad im Jahr 2018 "politische Gewalt" darstellte, die im Allgemeinen politische Einschüchterungen, bewaffnete Scharmützel und gezielte Morde unter Schiiten vor dem Hintergrund des anhaltenden politischen Wettbewerbs und der Regierungsbildung nach den Wahlen im Mai 2018 umfasste. In ähnlicher Weise erklärt der Experte Michael Knights, dass der Haupttrend bei der Gewalt in Bagdad darin besteht, dass es sich fast ausschließlich um persönliche, gezielte oder kriminelle Gewalt handelt, die in erster Linie den Einsatz von Kleinwaffen, Erpressung, Einschüchterung, improvisierte Sprengsätze oder Granaten, Schießereien, Raubüberfälle und andere Erscheinungsformen organisierter Kriminalität umfasst. Diese Aktivitäten dienen dem Experten zufolge in erster Linie der Einschüchterung und Gewalt gegen Zivilisten, um Geld zu verdienen, Zivilisten zu vertreiben, die als Außenseiter angesehen werden, oder um politische Gegner oder Menschen mit einer anderen ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit zu vertreiben oder ist gegen Personen gerichtet, die aufgrund ihres Lebensstils oder ihrer vorherigen Beteiligung an Verbrechen oder bewaffneten Konflikten exponiert sind. Er erwähnte auch, dass die politischen Spaltungen unter den Schiiten derzeit einen Großteil der Gewalt in den schiitischen Gebieten von Bagdad und Basrah ausmachen.

Die Expertin Geraldine Chatelard hebt hervor, dass Milizen in Bagdad häufig von Sunniten und Minderheiten der Gewalt beschuldigt werden, Morddrohungen, Entführungen, gezielte Attentate oder die Übernahme von Gebäuden von rechtmäßigen Eigentümern verübt zu haben, dies unter Hinweis darauf, dass sogar Schiiten Opfer von Erpressung und Tötung geworden sind. Der Expterte Michael Knights weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Sunniten und Christen in erster Linie befürchten, von schiitischen Milizen in Bagdad erpresst oder entführt zu werden, jedoch Quellen davon berichteten, dass die Zuweisung der Verantwortung für bestimmte Angriffe zu bestimmten Täter in Bagdad schwierig ist und insbesondere Sprengstoff sowohl zu politischen als auch zu kriminellen Zwecken eingesetzt wird, um Ziele anzugreifen und einzuschüchtern. Den PMF-Milizen werden dabei "enge Verbindungen zu kriminellen Banden" zugeschrieben, die Unterscheidung zwischen beiden ist nicht immer klar.

Der Experte Michael Knights vertritt zur Sicherheitslage allgemein die Ansicht, dass in der Stadt Bagdad die Gebiete sicherer sind und weniger Raum für offene Gewalt wie z.B. improvisierte Sprengsätze oder Raubüberfälle bieten, in denen sich die irakischen Streitkräfte auf die Bewachung wichtiger Standorte konzentrieren - etwa die Verwaltungsbezirke Karkh, Doura und Mansour. Dort wo die irakischen Streitkräfte weniger dominant ist und bewaffnete Akteure wie kriminelle Banden und Milizen Revierkämpfe führen und um Einfluss konkrurrieren, ist die Sicherheitslage entsprechend angespannter, wie in Kadhimiyah, Jihad, Bayaa und Karadah. Er vertrat die Ansicht, dass die "schlimmsten Sicherheitsbereiche" in der Stadt Adhamiyah, New Bagdad und Sadr City seien.

Milizen sind auch in bewaffnete Zusammenstöße zwischen ihnen selbst und den regulären Sicherheitskräften verwickelt, die laut Michael Knights im Jahr 2018 im Zentrum der Hauptstadt und in östlich gelegenen Gebieten mehrmals stattfanden. Ein Vorfall zog mediale Aufmerksamkeit nach sich: Am 20. Juni 2018 stoppte die irakische Polizei ein Auto in der Innenstadt von Bagdad, das Angehörigen der von Iran unterstützten Miliz Kataib Hezbollah ("Hisbollah-Brigaden") gehörte. Ein Hisbollah-Konvoi mit fünf Fahrzeugen traf ein und begann auf die Polizei zu schießen, was zu einem Feuergefecht führte, bei dem zwei Offiziere und ein Milizionär verletzt wurden. Die Polizei umzingelte daraufhin das Hauptquartier der Kataib Hezbollah, bis der Schütze der Polizei übergeben wurde. Der Vorfall spiegelt den möglichen Machtkampf zwischen irakischen Sicherheitskräften (Armee, Bundespolizei, örtliche Polizei) und PMF-Milizen wider.

EASO hat die folgenden sicherheitsrelevanten Vorfälle im Jahr 2018 exemplarisch identifiziert:

Anschläge mit improvisierten Sprengsätzen und Bomben

Bagdad wurde in der Vergangenheit vom Islamischen Staat wegen der Bevölkerungskonzentration bevorzugt angegriffen, da die großen Menschenansammlungen die Möglichkeit geboten haben, mit einem Bombenanschlag eine große Anzahl von Opfern zu treffen. 2018 sind solche Anschläge jedoch zurückgegangen. Noch im Jahr 2017 verfolgte der Experte Michael Knights eine hohe Anzahl von Angriffen mit Hilfe von improvisierten Sprengsätzen auf Märkte und Geschäfte in Bagdad. Die Anzahl der Angriffe dieser Art ging jedoch im weiteren Verlauf des Jahres 2018 zurück. Das Institute for the Study of War stellte fest, dass ein in Bagdad im Jahr 2018 festgestellter charakteristischer Angriff des Islamischen Staates darin bestand, Sprengsätze gegen kleine Personenbusse einzusetzen, die jeweils etwa zehn Personen befördern und die in ganz Bagdad zum Straßenbild gehören. Diese Busse wurden im Islamischen Staat im Jahr 2018 mehrmals mit improvisierten Sprengsätzen angegriffen, was zwar nur minimale Verluste, aber Einschüchterungen der Zivilbevölkerung zur Folge hatte.

Noch im Januar 2018 sprengten sich zwei Selbstmordattentäter auf dem überfüllten Tayran-Markt in Bagdad und töteten dabei mindestens 38 Menschen und verletzten bis zu 90 Menschen. Der Angriff schockierte die Bevölkerung von Bagdad, da er nach einem signifikanten Rückgang solcher Angriffe in Bagdad. Er wurde vom Guardian als der schwerste Angriff auf Bagdad seit der Erklärung des Sieges über den Islamischen Staat beschrieben. Beispiele für andere explosive Angriffe im Jahr 2018 sind die folgenden:

- In Rashidiya explodierte im Januar 2018 eine Bombe, ein Milizionär der PFM wurde getötet und zwei weitere wurden verletzt wurden.

- Am 23. Januar 2018 wurde ein Soldat getötet und zwei weitere verletzt, als eine irakische Militärpatrouille in Tarmiya nördlich von Bagdad von einer Straßenbombe getroffen wurde.

- Am 16. Mai 2018 wurden 5 Menschen getötet und 10 verletzt, als ein Selbstmordattentäter ein schiitisches Begräbnis in Tarmiya angriff.

- Am 23. Mai 2018 verübte der Islamische Staat einen Selbstmordanschlag in der Shula-Region, bei dem Angaben des Islamischen Staates zufolge 33 Menschen getötet und verletzt wurden. Die irakischen Medien berichteten demgegeneüber, dass vier Menschen getötet und 15 verletzt wurden.

- Der Islamische Staat meldete im August 2018 5 Angriffe mit improvisierten Sprengsätzen auf Kleinbusse in Bagdad in den Distrikten Amil, Shula, Turath und Baladiyat. 669 Zwei dieser Angriffe töteten und verletzten 12 schiitische Muslime.

- Im Juni 2018 wurden 17 Menschen bei einer Explosion eines Waffenlagers der Miliz von Muqtada al Sadr getötet und 80 verletzt. Berichten zufolge wurden die Waffen in einer Moschee aufbewahrt, die von Sadr-Anhängern benutzt wurde.

- Eine Explosion auf einem Markt in Sadr City am 14. August 2018 wurde von einer Quelle im Sicherheitsapparat auf kriminelle Gründe zurückgeführt. Dabei wurden drei Menschen getötet und vier verletzt.

- Ein improvisierter Sprengsatz, der auf Schiiten im Bezirk Jihad (West-Bagdad) abzielt, tötete Berichten zufolge im September 2018 vier Menschen in der Nähe eines Einkaufszentrums.

- Am 25. September 2018 wurde in den folgenden Bezirken eine Reihe von Explosionen gemeldet, die zu Opfern führten: Al Jadid (New Bagdad) östlich von Bagdad (1 Tote, 2 Verletzte), al Shaab nördlich von Bagdad (2 Tote) und al-Baayaa westlich von Bagdad (2 Tote) .Der Islamische Staat übernahm am 25. September 2018 die Verantwortung für fünf improvisierte Sprengsätze gegen Shula, Kadhimiyah (Nord-Bagdad), Shaab und Bataween (Rusafa), und den Bezirk Bayaa (Zentral-Bagdad), dabei wurden 3 Zivilisten getötet.

- Am 1. und 2. Oktober 2018 forderten zwei improvisierte Sprengsätze in Shaab und Al Jadid einen Toten und mehrere Verwundete. Dem Islamischen Staat zufolge sei die Zahl der Opfer bei diesen beiden Angriffen viel höher gewesen und habe mehr als 50 Tote und Verwundete betragen.

- Am 7. Oktober 2018 wurden bei einer Reihe von Angriffen auf verschiedene Vororte in Bagdad (Abu Dshir, 17 km südlich von Bagdad, Abu Ghraib, 44 km westlich von Bagdad und im Norden von Bagdad) vier Personen getötet und fünf verletzt.

- Am 4. November 2018 wurden bei einer Serie von fünf improvisiertem Sprengsätzen in verschiedenen Gebieten des Gouvernements 8 Personen getötet und 14 verletzt. Eine andere Quelle berichtete von 7 Toten und 16 Verletzten. Der Islamische Staat behauptete jedoch, es seien bei den von ihm verübten Anschlägen mehr als 50 Opfer zu beklagen gewesen.

Beispiele für bewaffnete Zusammenstöße im Jahr 2018 sind die folgenden:

- Unbekannte bewaffnete Personen eröffneten das Feuer im Stadtteil Jihad im Westen von Bagdad und töteten im Januar 2018 einen lokalen Bürgermeister.

- Der Islamische Staat ermordete 8 Zivilisten bei einem Angriff auf den Vorort Tarmia im Mai 2018; die Opfer stellten Werbung für die Parlamentswahl auf; der Islamische Staat bezeichnete sie als Mitglieder einer Stammesmiliz.

- Bei einem weiteren, nächtlichen Angriff des Islamischen Staates auf den Vorort Tarmia Anfang Mai 2018 wurden 21 Mitglieder eines lokalen Stammes (18 Männer, 2 Frauen und ein Kind) getötet. Sämtliche Opfer waren Mitglieder des Albu-Faraj-Stammes, der ein überzeugter Gegner des Islamische Staates in der Region ist. Die Mitglieder sind Teil der lokalen sunnitischen Miliz und der PMF, die zur Verteidigung gegen des Islamischen Staat gegründet wurden. Die Angreifer des Islamischen Staates trugen Armeeuniformen und gingen zunächst gegen einen Anwalt vor, von dem bekannt war, dass er Opfern des Islamischen Staates half, und töteten ihn in seinem Haus. Als andere Dorfbewohner kamen, um zu helfen, eröffneten sie das Feuer, töteten und verletzten sie und zogen sich zurück, bevor die Armee eintraf, um sie zu fassen.

In Bagdad gab es mehrere Morde an Persönlichkeiten, die in sozialen Medien bekannt geworden waren, ohne dass die Täter identifiziert und einer bestimmten Gruppierung zugeordnet werden konnten.

- Tara Fares, bekannt aus Instagram, die in den sozialen Medien über persönliche Freiheit berichtet, wurde am 27. September 2018. in Bagdad erschossen, als sie in ihrem Porsche fuhr.

- Im Jahr 2017 wurde Karar Nushi, ein männliches Model, das Morddrohungen wegen seiner langen Haare und seiner engen Kleidung erhalten hatte, in der Palästina-Straße erstochen aufgefunden, wobei sein Körper Anzeichen von Folter zeigte.

- Hammoudi al-Meteiry, ein 15-jähriger und als "König von Instagram" bezeichneter Jugendlicher, der Berichten zufolge wegen seiner Homosexualität von unbekannten Tätern getötet wurde.

Der Islamische Staat gab bekannt, Scheichs und Stammesführer angegriffen zu haben, die die Parlamentswahlen im Mai 2018 unterstützten. Im Mai 2018 behauptete der Islamische Staat, er habe das Haus eines wahlfördernden Stammesführers mit einer Bombe angegriffen zu haben; es ist unklar, ob diese dabei getötet wurde. Folgende weiteren Angriffe wurden dem Islamischen Staat zugeschrieben:

- Am 27. Februar 2018 wurden vier Mitglieder der Sahwa-Bewegung von unbekannten Tätern im Norden Bagdads erschossen. Einer wurde getötet, die anderen drei verwundet.

- Am 1. März 2018 wurde ein ehemaliger Beamter der Sahwa-Bewegung durch eine Bombe in Bagdad getötet.

- Am 29. April 2018 wurde ein Führer der PMF, Qassim Al-Zubaidi, bei einem Attentat in der Innenstadt von Bagdad verletzt. Stunden zuvor wurde ein Wahlkandidat der Rechtsstaat-Koalition nördlich von Bagdad getötet.

- Am 22. Juni 2018 gab der Islamische Staat bekannt, einen Stammesführer in al-Zour in der Nähe von Tarmia nördlich der Hauptstadt getötet zu haben, weil er die Parlamentswahlen unterstützt hatte.

- Am 8. Juli 2018 wurden ein Kommandeur der Stammesmiliz und einer seiner Begleiter bei einem Bombenangriff in Nordbagdad verwundet.

- Am 19. Juli 2018 wurde ein Angehöriger der Sicherheitskräfte bei einem Angriff mit einer auf der Straße platzierten Bombe auf ihn in Tarmia im Norden von Bagdad verwundet.

- Am 2. August 2018 wurde mit einer am Straßenrand platzierten Bombe ein Fahrzeug der Sicherheitskräfte in der Region Sabaa al-Bour nördlich von Bagdad angegriffen. Eine Person wurde getötet, eine andere verletzt.

Im Januar 2018 erklärte der Direktor des Medienbüros des BOC, dass die Sicherheitskräfte in der Hauptstadt Fortschritte in Bezug auf das Sammeln von Informationen über den Islamischen Staat gemacht hätten und dass sich Militäreinsätze im Bagdader Gürtel positiv auf die Sicherheitslage ausgewirkt hätten. Der Direktor kündigte ferner den Bau eines Sicherheitszauns um Bagdad mit Sicherheitstoren an, um Aufständische daran zu hindern, in die Stadt einzusickern.

Dem Institute für the Study of War zufolge hat sich BOC im vergangenen Jahr auf die Bagdad-Belts konzentriert, was zu dem Rückgang der Angriffe in Bagdad beigetragen hat. Im Allgemeinen sei es den Sicherheitskräften gelungen, die Rückkehr weitverbreiteter Gewalt nach Bagdad im Jahr 2018 zu verhindern. Dieser Erfolg zeigt sich in der allgemeinen Abnahme von Gewaltereignissen im vergangenen Jahr. Politische Gewalt stelle nach wie vor die größte Herausforderung dar, dazu komme Destabilisierung angesichts der anhaltenden Blockade der neuen irakischen Regierung unter dem irakischen Premierminister Adel Abdul-Mahdi. Die PMF und andere lokale Sicherheitskräfte in Bagdad würden häufig eher auf politische Akteure reagieren, als auf den institutionellen staatlichen Sicherheitsapparat.

Die Expertin Geraldine Chatelard erklärt, dass die Wirksamkeit des Schutzes der Zivilbevölkerung vor verschiedenen Formen von Gewalt vom politischen Willen der beteiligten Akteure abhängen kann. Schutzbemühungen werden durch die Situation vor Ort untergraben, in der PMF-Milizen auf Befehl ihrer eigenen Kommandos handeln und nicht der irakischen Regierung, weil sie verschiedenen politischen Anwärtern oder iranischen Gönnern gegenüber rechenschaftspflichtig sind. Die Regierung könne Erscheinungen von "Gesetzlosigkeit und Kriminalität" seitens der Milizen derzeit nicht wirksam begegnen. Der Experte Michael Knights geht davon aus, dass Gesetzesverstöße von Milizen auch derzeit folgenlos bleiben. Landinfo schätzt die Lage in Bagdad so ein, dass Milizen weiterhin Bewegungsfreiheit zukommt und sie über Verbindungen zur Polizei verfügen und an Kontrolle, Verhaftung, Bestrafung bzw. Entführung von Personen ebenso beteiligt sind, wie an anderweitigen an kriminellen Aktivitäten. In den Bagdad-Belts haben die Milizen mehr Handlungsspielraum, dort können sie den Einheimischen das Recht verweigern, in ihre Häuser zurückzukehren. Die PMF-Milizen sind dessen ungeachtet populär und haben sowohl formelle als auch informelle Macht. Sie konzentrieren sich auch auf den Wiederaufbau. In Bagdad wurde etwa ihre Rolle beim Wiederaufbau einer medizinischen Klinik beworben. Manchmal wenden sich die Einheimischen, auch in Bagdad, an die Milizen der Nachbarschaft, anstatt an die Polizei, um Gerechtigkeit zu suchen.

Michael Knights zufolge gibt es eine große Konzentration von Sicherheitskräften, einschließlich der in Bagdad stationierten Armee, die seiner Ansicht nach angemessen und aktiv geführt werden und über adäquate Beratung und nachrichtendienstliche Unterstützung verfügen. Die Androhung bzw. Zufügung von Gewalt in Bagdad erfolge derzeit eher "persönlich und gezielt" und weniger "situativ" (Anwesenheit am falschen Ort / zum falschen Zeitpunkt). Das Institute for the Study of War erklärte, dass Milizen in Bagdad in einem gewaltsamen Wettbewerb um territoriale Präsenz und Territorium, Bevölkerung und politischen Einfluss stehen. Viele ihrer politischen Machthaber wurden im Mai 2018 in das irakische Parlament bzw. die Regierung gewählt.

Checkpoints in Bagdad werden dazu verwendet, um sicherzustellen, dass Autobomben und Selbstmordattentäter nicht in die Stadt eindringen. Dem Experten Fanar Haddad zufolge betreiben PMF-Milizen keine regulären Checkpoints in der Stadt Bagdad, richten solche bei Zwischenfällen aber ad hoc ein. In den Bagdad-Belts gibt es demgegenüber sichtbare PMF-Präsenz und PMF-Kontrollpunkte Eine ähnliche Ansicht vertrat ein im Irak ansässiger Sicherheitsanalytiker, der erklärte, dass sich die von PMF-Milizen betriebenen Kontrollpunkte hauptsächlich am Stadtrand von Bagdad befinden und nicht in der Stadt selbst, wobei an Kontrollpunkten im Osten der Stadt PMF-Elemente gemeldet wurden. Es sei für die PMF-Milizen möglich, temporäre Kontrollpunkte einzurichten, um auf bestimmte Probleme in den Stadtteilen von Bagdad zu reagieren. Im Januar 2018 teilte der Mediendirektor der BOC der Zeitung Asharq Al-Awsat mit, dass 281 Kontrollpunkte in Bagdad aufgehoben wurden, mindestens 600 Hauptstraßen und Ausgänge und ihre Vororte wiedereröffnet und am 10. Dezember 2018 Tausende Betonblöcke entfernt wurden. Im Jahr 2018 wurde außerdem die befestigte Internationale Zone (grüne Zone) in der Innenstadt für die Öffentlichkeit geöffnet. Dies ist die erste Wiedereröffnung nach Jahren. Im Jahr 2015 hatte die Regierung die grüne Zone für ein paar Tage geöffnet, aber nach Widerstand von US-Beamten wieder geschlossen.

1.9. Zu den Aktivitäten von Asa'ib Ahl al-Haqq werden folgende Feststellungen unter Heranziehung der angeführten Quelle getroffen:

Die Liga der Rechtschaffenen (Asa'ib Ahl al-Haqq) wurde 2006 von Qais al-Khaz'ali gegründet und bekämpfte in erster Linie die US-Truppen im Irak. Nach dem Abzug der US-Truppen im Dezember 2011 fand die Miliz im Kampf gegen den Islamischen Staat eine neue Raison d'être. Unter den Milizen gilt die Asa'ib Ahl al- Haqq als besonders gewalttätig und teils kriminell motiviert. Qais al-Khaz'ali ist einer der prominentesten Anführer der Volksmobilisierungseinheiten und für seine Brutalität berüchtigt. Er und seine Organisation berufen sich zwar immer noch auf Muhammad Sadiq as-Sadr, den Begründer der Sadr-Bewegung, doch ist Khaz'alis Nationalismus einer starken Abhängigkeit von den iranischen Revolutionsgarden gewichen, ohne die er den bewaffneten Kampf gegen die USA nicht hätte führen können. Darum bekennt sich die Asa'ib Ahl al-Haqq neben Sadr auch zu Khomeini, Khamenei und der Herrschaft des Rechtsgelehrten. Die iranische Führung dankt es mit großzügiger Unterstützung.

Nach dem amerikanischen Abzug versuchte sich die Organisation als politische Kraft in Konkurrenz zur Sadr-Bewegung zu etablieren, gewann bei den Parlamentswahlen 2014 aber nur ein einziges Mandat und blieb eine Splittergruppe. Trotzdem wuchs ihre Miliz bis 2015 auf mindestens 3000 Mann an. Sie hat ihre politischen Aktivitäten ausgeweitet und eine Reihe von politischen Büros in Bagdad, Basra, Nadschaf, Hilla, al-Chalis und Tal Afar eröffnet habe. Darüber hinaus habe die Organisation politische Vertreter in die südlichen Provinzen Dhi Qar, al-Muthanna und Maysan gesandt, um Vertreter von Minderheiten und Stammesführer zu treffen. Trotz Berichten über religiös motivierte Verbrechen und Kriegsverbrechen wurde Asa'ib Ahl al-Haqq im November 2016 formell vom irakischen Parlament als Teil der Volksmobilisierungseinheiten anerkannt.

Das Institute for the Study of War (ISW), veröffentlicht im Dezember 2012 einen Bericht über das Wiedererstarken der Gruppe Asa'ib Ahl al-Haqq nach dem Abzug der US-Truppen 2003, sowohl als militärische, als auch als politische und religiöse Organisation. Laut dem Bericht habe die Miliz seit 2010 in Bagdad eine große politische Präsenz aufgebaut. Derzeit unterhalte die Organisation zwei politische Büros in der Hauptstadt, eines in Kadhimiya und eines in Rusafa. Asa'ib Ahl al-Haqq habe eine Reihe öffentlicher Veranstaltungen organisiert, an denen die zentralen Führungspersönlichkeiten der Organisation sowie Vertreter der irakischen Regierung teilgenommen hätten. Die Miliz nutze die politischen Aktivitäten in Bagdad, um ihr neues öffentliches Erscheinungsbild einer nationalistischen, islamischen Widerstandsgruppe zu fördern. Darüber hinaus seien politische Delegationen zu Treffen mit Anführen von Stämmen und Minderheiten in die Provinzen Dhi Qar, Muthanna und Maysan entsandt worden. Die politische Expansion der Organisation in ganz Irak verdeutliche die Fähigkeit von Asa'ib Ahl al-Haqq, in Gebiete, in der die Sadr-Bewegung Rückhalt habe, vorzudringen.

In Hinblick auf den bewaffneten Arm der Organisation erwähnt der Bericht, dass Asa'ib Ahl al-Haqq während des Irakkriegs [gegen die USA] die Miliz in Bataillone eingeteilt habe, von denen jedes einer bestimmten Region zugeteilt worden sei, das Imam Askari-Bataillon in Samarra, das Musa al-Kazim-Battaillon in Bagdad, das Imam Ali-Bataillon in Nadschaf und das Abu Fadl Abbas-Bataillon in Maysan. Im Dezember 2011 habe sich Qais al-Khazali mit den mutmaßlichen Anführern der Kata'ib Hezbollah (KH), der am besten ausgebildeten und geheimsten der vom Iran unterstützen Milizen, getroffen. Trotz der V

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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