TE Bvwg Beschluss 2019/11/26 L506 2225553-2

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Veröffentlicht am 26.11.2019
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Entscheidungsdatum

26.11.2019

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
BFA-VG §21 Abs3 Satz2
B-VG Art133 Abs4

Spruch

L506 2225553-2/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. GABRIEL als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA Pakistan, vertreten durch RA Dr. WALDHOF, gegen den Bescheid Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.10.2019, Zl. XXXX , Erstaufnahmestelle Ost:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 21 Abs. 3, 2. Satz BFA-VG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (nachfolgend BF), ein iranischer Staatsangehöriger, reiste am 12.04.2016 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (nachfolgend BFA) vom 04.08.2016 gem. § 5 Abs. 1 AsylG wegen der Zuständigkeit Italiens als unzulässig zurückgewiesen und die Außerlandesbringung nach Italien angeordnet sowie die Abschiebung nach Italien gem. § 61 Abs. 2 FPG für zulässig erklärt wurde. Die Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 05.12.2016 als unbegründet abgewiesen und die Behandlung der Beschwerde seitens des VfGH mit Beschluss vom 08.06.2017, E 500/2017-16, abgelehnt.

2. Am 30.09.2019 stellte der BF den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. In der Erstbefragung am 30.09.2019 gab der BF an, er habe eine Firma in Pakistan gehabt, und habe ihn einmal ein Kunde nicht bar bezahlt, sondern einen Scheck ausgestellt. Als der BF bei der Übergabe der Waren trotzdem Bargeld verlangt habe, habe der Kunden den BF und seine Schwestern angezeigt. Insgesamt seien 3-4 Anzeigen erstattet worden. Der Kunde habe sehr gute Beziehungen zu hohen Politikern und Mitarbeitern des Geheimdienstes; dies wisse er, da er Bilder vom Kunden zusammen mit hohen Politikern gesehen habe.

In weiterer Folge sei der BF seitens des Kunden und auch seitens des Geheimdienstes verfolgt worden. Es habe körperliche Übergriffe gegen den BF gegeben und sei sein Haus beschossen worden, weshalb er das Land verlassen habe.

3. Am 04.10.2019 erfolgte eine Einvernahme des BF vor dem BFA (nachfolgend Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) im Beisein eines Rechtsberaters. Zu seinen Ausreisegründen erklärte der BF, er habe eine Firma für die Herstellung von Fußbällen besessen und es habe mit einer Person bei einer Fußballlieferung ein Problem gegeben, da ihm diese einen falschen Scheck ausgestellt habe. Bevor er gegen diese Person Anzeige habe erstatten können, habe diese Anzeige gegen den BF erstattet und habe er 5-6 Tage in der Polizeistation in Haft bleiben müssen. Aufgrund seitens des BFA als unberechtigt qualifizierten Einwänden gegen den Dolmetscher wurde der BF hinsichtlich einer Mutwillensstrafe belehrt und die Einvernahme nach Rückübersetzung der Angaben des BF abgebrochen.

Am 14.10.2019 erfolgte eine weitere Einvernahme des BF in Gegenwart eines Rechtsberaters.

Der BF wurde ausführlich zu seinen Lebensumständen, insbesonders zu seinem Unternehmen befragt (AS 210-213). Der BF gab auf Frage nach der Existenz eines Haftbefehles an, es seien drei bis vier Anzeigen erstattet worden, weshalb er hierher flüchten habe müssen. Der BF legte Schecks aus dem Jahr 2010 vor und erklärte, er habe die Schecks nicht einlösen können, weshalb er Bargeld von seinem Kunden verlangt habe, woraufhin der Kunde den BF beschuldigt habe, ihn geschlagen zu haben. Sein Problem habe 2010 begonnen, danach seien immer weitere Anzeigen erstattet worden und habe auch er versucht, Anzeige zu erstatten. Der BF legte eine Anzeige vor und erklärte, dass diese gegen ihn und seine Schwestern erstattet worden sei und werde darin behauptet, dass er den Kunden verprügelt habe. Er habe 50.000 Rupien bezahlen müssen, sei jedoch freigesprochen worden. Die Anzeige habe ihm ein Freund per Post geschickt. Der Kunde habe höhere Polizeiinspektoren anrufen lassen, die ihm Angst eingejagt hätten. Die Anzeigen des BF seien aufgrund der guten Kontakte des Kunden nicht entgegengenommen worden. Mehrere andere Firmen seien auch von diesem Kunden betrogen worden und sei bekannt, dass dieser Kontakt zur Politik und Polizeibeamten habe.

Eines Tages seien auch die Fensterscheiben des Hauses des BF eingeschossen worden. Insgesamt habe es 3-4 Anzeigen und 30 bis 40 Verfahren gegeben, sodass der BF regelmäßig bei der Polizei und vor Gericht habe erscheinen müssen. Der Kunde habe ihn auch am Kopf verletzt und den BF mit dem Tod bedroht. Auch habe er Anrufe des Geheimdienstes erhalten und habe man ihm angedroht, ihn verschwinden zu lassen.

Sein Vater habe ihm daraufhin geraten, nach Rawalpindi zu gehen, was er auch getan habe und sei der BF daraufhin auch nach Asadkaschmir gegangen und sei er sogar bis dorthin verfolgt worden. 2015 habe er dann als Juwelier gearbeitet. Auf die Fenster des Hauses sei 2015 geschossen worden. Aufgrund der Drohungen habe sich auch die gesundheitliche Lage des BF verschlechtert, auch deshalb habe er das Land verlassen. Der BF gab an, Sonntags in die Kirche zu gehen.

Der BF brachte ein Konvolut an Unterlagen (AS 223-379), welche aus seinem Heimatstaat stammen und in englischer Sprache sowie in der Sprache urdu (Anm.: ausgehend davon, dass es sich dabei um die Amtssprache in Pakistan handelt) abgefasst sind, in Vorlage. Ferner legte er Unterlagen zu seinem Gesundheitszustand vor (AS 221, 383-587). Letztlich legte der BF auch ein Schreiben einer Freikirche vor, wonach er seit drei Jahren einer Kirchengemeinschaft angehöre und an Jesus glaube (AS 381).

4. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 15.10.2019, wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.)

Gem. § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von einem Jahr befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.).

Gem. § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII.).

Im diesbezüglichen Bescheid wurde festgehalten, dass der BF die Gefahr einer Verfolgung in Pakistan aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung nicht habe glaubhaft machen können und auch bei Rückkehr des BF nach Pakistan eine Verfolgungsgefahr nicht habe festgestellt werden können.

Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass die Angaben des BF konstruiert seien, da der BF als Geschäftsführer seiner Firma mehrmals unterschiedliche Angaben zu seinen Mitarbeitern gemacht habe. Auch die restlichen Angaben des BF seien sehr ungenau und unterschiedlich, obwohl dem BF konkrete Fragen gestellt worden seien. Auch habe der BF keine eigenen konkreten Angaben gemacht.

Ferner seien die Angabe des BF unglaubwürdig, da keinesfalls der Geheimdienst mit einer Angelegenheit, wie sie vom BF vorgebracht worden sei, betraut worden wäre; dies auch nicht, wenn der Kunde des BF über die vorgebrachten Kontakte verfügen würde. Auch die Geschichte mit dem eingeschossenen Fenster sein nicht nachvollziehbar, da jedenfalls diesbezügliche Schritte zur Aufklärung der geschilderten Vorfälle gesetzt worden wären. Auch sei nicht nachvollziehbar, wieso eine einflussreiche Person eine Bestellung aufgeben und nicht bezahlen sollte. Aus den genannten Gründen sei das Vorbringen des BF als unglaubwürdig zu qualifizieren.

Spruchpunkt II. begründete die Behörde zusammengefasst damit, dass das Bestehen einer Gefährdungssituation iSd § 8 AsylG zu verneinen sei.

Zu den Spruchpunkt III.-VII. hielt das Bundesamt fest, dass die Erteilungsvoraussetzung für einen Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG nicht vorliege, die Rückkehrentscheidung im Falle des BF zulässig sei und keinen unrechtmäßigen Eingriff in Art. 8 EMRK darstelle; ferner sei die Abschiebung des BF in den Herkunftsstaat zulässig. Das Einreiseverbot sei aufgrund der Straffälligkeit und der Nichtmitwirkung des BF im Verfahren zu verhängen und resultiere daraus eine schwerwiegende Gefahr des BF für die öffentliche Ordnung sowie die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde.

5. Mit Schriftsatz vom 13.11.2019 erhob der BF durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter rechtzeitig vollumfängliche Beschwerde gegen den Bescheid des BFA. Zum Inhalt der Beschwerde im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen (zur Zulässigkeit dieser Vorgangsweise: VwGH 16.12.1999, 99/20/0524).

Im Rahmen der Beschwerde wurde zusammengefasst im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF schwer erkrankt (chronisches Nierenleiden, essentielle Hypertonie, Adipositas)und im AKH stationär behandelt worden sei, sodass eine medizinische Behandlung in Pakistan nicht möglich sei und dem BF im Abschiebungsfall eine Todesfolge zu befürchten sei, wozu auf die beigelegten medizinischen Unterlagen verwiesen und die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde sowie des Status des subsidiär Schutzberechtigten beantragt wurde.

6. Gegenständliche Beschwerde langte samt dem bezughabenden Verwaltungsakt am 20.11.2019 beim Bundesverwaltungsgerichtes ein und wurde der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung am selben Tag zugewiesen.

7. Hinsichtlich des Verfahrensganges und des Parteivorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

8. Beweis wurde erhoben durch die Einsichtnahme in den behördlichen Verwaltungsakt unter zentraler Zugrundelegung der niederschriftlichen Angaben des BF, des Bescheidinhaltes sowie des Inhaltes der gegen den Bescheid des BFA erhobenen Beschwerde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensbestimmungen

1.1. Zuständigkeit der entscheidenden Einzelrichterin

1.1.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das Bundesverwaltungsgericht.

1.1.2. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Aufgrund der geltenden Geschäftsverteilung wurde der gegenständliche Verfahrensakt der erkennenden Einzelrichterin zugewiesen, woraus sich deren Zuständigkeit ergibt.

Zu A)

1. Zurückverweisung gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG

1.1. Gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat.

Das Modell der Aufhebung des Bescheids und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 2 2. Satz VwGVG (vgl. VwGH 19.11.2009, 2008/07/0167: "Tatsachenbereich") (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 28 Anm. 11).

1.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich im seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:

* Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht komme nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 1 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.

* Der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist.

* Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz dr Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).

Der Verwaltungsgerichtshof hat zusammengefasst in verschiedenen Erkenntnissen betont, dass eine umfangreiche, detaillierte Erhebung des relevanten Sachverhaltes durch die Behörde erster Instanz durchzuführen ist.

2. Zur Anwendung des § 28 Abs. 3 VwGVG im gegenständlichen Fall:

2.1. Die von der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts geforderte ganzheitliche Würdigung bzw. die Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens ist im gegenständlichen Fall unterblieben. Die belangte Behörde ist nach dem Dafürhalten des Bundesverwaltungsgerichts ihrer Ermittlungs- und Begründungspflicht nicht ausreichend nachgekommen. Im vorliegenden Fall sind die seitens der Höchstgerichte gestellten Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren in qualifizierter Weise unterlassen worden, dies aus folgenden Erwägungen:

2.1.1. Der BF legte zur Untermauerung seines ausreisekausalen Vorbringens im Zuge seiner niederschriftlichen Befragung am 14.10.2019 ein Urkundenkonvolut in englischer Sprache und in der Sprache urdu vor. Aus dem Protokoll erschließt sich nicht, ob es sich bei den betreffenden Unterlagen um Kopien oder original Schriftstücke handelt. In der Einvernahme erfolgte auch keine Zuordnung der Unterlagen zum Vorbringen des BF durch dessen Befragung und wurden auf den zum Akt genommenen Kopien keinerlei Vermerke angebracht, welche eine eindeutige Zuordnung zum Vorbringen des BF ermöglichen würden. Der BF brachte vor, mehrmals angezeigt worden zu sein und auch selbst Anzeigen erstattet zu haben. Bei welchen Schriftstücken des in Kopie zum Akt genommenen umfangreichen Urkundenkonvolutes (AS 223-379) es sich dabei handelt, erschließt sich dem erkennenden Gericht jedoch nicht. Weder wurde der diesbezügliche Inhalt mit dem BF abgeklärt und eruiert, inwiefern sich ein konkreter (inhaltlicher und zeitlicher) Zusammenhang zum Vorbringen des BF ergibt, noch wurde der BF selbst zu den jeweiligen Inhalten der Schriftstücke befragt. Auch erfolgte keinerlei Abklärung inwieweit die genannten Unterlagen einer schriftlichen Übersetzung zuzuführen sind oder ob mit einer stichwortartigen Übersetzung im Zuge der behördlichen Einvernahme das Auslangen gefunden oder mangels Entscheidungsrelevanz auf eine solche verzichtet werden kann.

Aufgrund des Vorbringens des BF und der Anmerkung in der Einvernahme ist jedoch davon auszugehen, dass sich zumindest eine Anzeige in den genannten Unterlagen befindet, deren Inhalt bzw. Aktualität vom Dolmetscher in der Einvernahme oder im Rahmen einer schriftlichen Übersetzung abzuklären ist.

In den Feststellungen und der Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides bleiben die vorgelegten Unterlagen zur Gänze unberücksichtigt.

Bereits aufgrund der aufgezeigten Ermittlungsmängel steht der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt mangels Ermittlung nicht fest.

2.1.2. Der BF legte in der behördlichen Einvernahme überdies ein Schreiben einer Freikirche vor, aus dem hervorgeht, dass er der Kirchengemeinschaft angehöre, an Jesus glaube, über die Bibel spreche und Freude an seinen Erlebnissen mit Jesus habe.

Der BF bekundete in der behördlichen Einvernahme auch ein christliches Interesse und führte aus, jeden Sonntag in die Kirche zu gehen und sei seine Religion der Islam gewesen. Dies hätte jedoch - nach Ansicht des erkennenden Gerichts - zu vertiefenden Fragen zu Glaubensinhalten oder den Beweggründen des BF, warum er jeden Sonntag die Kirche besuche, führen müssen. Das BFA hat es im gegenständlichen Fall dennoch unterlassen, in geeigneter Weise auf die Konkretisierung der Angaben des BF zu dringen bzw. sein Religionsbekenntnis zu eruieren und im Falle der Behauptung einer Konversion sein religiöses Grundwissen und seine innere Überzeugung zu hinterfragen (vgl. VwGH 10.08.2018, Ra 2018/20/0314).

Zum aktuellen Religionsbekenntnis des BF wäre jedoch der Inhalt des obzitierten Schreibens mit dem BF zu erörtern gewesen, dies insbesonders im Hinblick auf die Angabe des BF in der Erstbefragung, wonach er zu seiner Religionszugehörigkeit ?Islam' angab (AS 9).

Im angefochtenen Bescheid wird zwar festgestellt, dass der BF dem Islam angehöre und eine Kirche besuche, ohne dazu und zu jenem vorgelegten Schreiben der Freikirche jedoch weitere beweiswürdigende Ausführungen zu treffen.

2.1.3. In der behördlichen Einvernahme wurde der BF zwar ausführlich zu seiner Tätigkeit als Geschäftsführer eines Unternehmens befragt, doch wurden wesentliche, entscheidungsrelevante Sachverhaltselemente nicht durch weiteres Hinterfragen erhellt.

So wurde nicht aufgeklärt, was mit den beiden Schwestern des BF, welche seinen Angaben zufolge gleich wie er selbst von den geltend gemachten ausreisekausalen Vorkommnissen bedroht waren, geschehen ist. Ebensowenig wurden die chronologischen Abläufe hinsichtlich des geltend gemachten ausreisekausalen Vorbringens vor allem auch im Hinblick auf deren zeitlichen Konnex zur Beantragung eines Visums und zur Ausreise des BF im Jahr 2016 umfassend hinterfragt.

Der BF erklärte auch, er habe aufgrund der Anzeigen bei der Polizei und bei Gericht erscheinen müssen und führte aus, 5-6 Tage in Haft gewesen zu sein. Der BF hat ferner angegeben, der ihn bedrohende Kunde habe höhere Polizeiinspektoren anrufen lassen, die ihm Angst eingejagt hätten und habe er Anrufe des Geheimdienstes erhalten und habe man ihm angedroht, ihn verschwinden zu lassen. Auch diese Umstände wurde nicht näher durch genaueres Hinterfragen erörtert.

Ferner wurde nicht nachgefragt, in welcher Form der BF in Rawalpindi und Asadkaschmir und sogar in Dubai verfolgt worden sein soll.

Letztlich wurde nicht eruiert, um wen es sich konkret bei der Person des Kunden des BF handelt und zu welchen Politikern und Geheimdienstmitarbeitern dieser konkret Kontakte gehabt haben soll bzw. ob der BF weitere Gründe für diese Angaben, außer, dass er den Bedroher zusammen auf Bildern mit Politikern gesehen habe, angeben kann. Ebensowenig wurde der BF nicht zur Beantragung seines Reisepasses inklusive eines Visums einvernommen.

2.1.4. Völlig unberücksichtigt blieb ferner die Tatsache, dass der BF bereits im April 2016 einen ersten Asylantrag in Österreich stellte, welcher jedoch aufgrund der Zuständigkeit Italiens als unzulässig zurückgewiesen und die betreffende Beschwerde seitens des BVwG mit Erkenntnis vom 05.12.2016 abgewiesen wurde und in weiterer Folge in Rechtskraft erwuchs. Aus welchem Grund der BF nach rechtskräftigem Abschluss des diesbezüglichen Verfahrens erst im September 2019 einen erneuten Antrag auf internationalen Schutz stellte, wurde mit diesem nicht eruiert und wurde der BF im übrigen auch nicht zu seinem Aufenthalt (Ort, Art, Aktivitäten) zwischen den beiden Asylverfahren befragt, was jedoch nicht nur für die Glaubwürdigkeit seiner Angaben, sondern auch für die Interessensabwägung im Zuge der Prüfung der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung essentiell wäre. Zu den chronologischen Abläufen gibt auch der in der Bescheidbegründung dargelegte Verfahrensgang (AS 595) keine Aufschlüsse, zumal die dort dargelegten Verfahrensabläufe nicht miteinander in Einklang zu bringen sind.

2.1.5. Hinsichtlich der bereits dargelegten Ermittlungslücken ist auch die rechtskräftige Verurteilung des BF, auf welche im seitens der Behörde erlassenen Einreiseverbot bezug genommen wird, zu nennen.

Weder wurde dem BF zur Kenntnis gebracht, dass diese Verurteilung im gegenständlichen Verfahren mitberücksichtigt und der Entscheidung zugrundegelegt wird, noch befindet sich im vorgelegten Akt eine Kopie des betreffenden Urteils, welche jedoch insofern wesentlich ist, als der höchstgerichtlichen Judikatur zufolge bei einer zu erstellenden Gefährdungsprognose auch Erschwerungs- und Milderungsgründe und sonstige fallbezogene Umstände mitzuberücksichtigen sind. Der BF wurde in der Einvernahme zwar gefragt, ob er Strafrechtsdelikte begangen habe, was dieser verneinte (AS 213), jedoch wurde dieser zu seiner rechtskräftigen Verurteilung wegen des Gebrauches einer ge- bzw. verfälschten Urkunde nicht weiter befragt. Weder aus dem vorliegenden Akt noch aus dem angefochtenen Erkenntnis ist jedoch der Sachverhalt ersichtlich, der der unbestritten existenten Verurteilung des BF zugrunde liegt.

In diesem Zusammenhang ist auch festzuhalten, dass das BFA in rechtlicher Hinsicht zu dem verhängten Einreiseverbot ausführte, es sei § 53 Abs. 3 Z 2 FPG erfüllt (Anm.: Ziffer 2 leg. cit. lautet:....ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist.)

Ausgehend vom hg. erstellten Auszug aus dem Strafregister, wonach die (letzte) Tat am 13.04.2017 begangen wurde und von der Einreise des BF, welche zumindest vor der ersten Asylantragstellung am 12.04.2016 erfolgte, kann mangels konkreter anderslautender Ausführungen im angefochtenen Bescheid nicht von einer Tatbegehung des BF innerhalb der ersten drei Monate seines Aufenthaltes ausgegangen werden.

2.1.6. Angesichts der vorgelegten medizinischen Unterlagen und der Angabe des BF, wonach eine Nierentransplantation durchgeführt worden sei, wäre dieser auch umfassender zu seinem Gesundheitszustand und der diesbezüglichen aktuellen Therapie sowie zu seiner Arbeitsfähigkeit zu befragen gewesen. Der BF wurde in der Einvernahme (AS 175) gefragt, wie es ihm gesundheitlich gehe, woraufhin dieser mit näherer Erklärung antwortete, es gehe ihm nicht gut und sei seine Niere ?schlecht' geworden.

Das BFA hätte es im Lichte des umfassenden vorgelegten Urkundenkonvolutes (AS 383-587) zum Gesundheitszustand des BF jedoch nicht bei dieser einen Frage belassen dürfen, sondern, wie bereits dargelegt, den Sachverhalt hinsichtlich des aktuellen Gesundheitszustandes, einer aktuellen Therapie bzw. Medikation durch weiterführendes Fragen zu erhellen gehabt, was jedoch nicht geschehen ist. Auch in der zweiten Einvernahme verwies der BF auf diverse Erkrankungen (AS 209), worauf jedoch ebensowenig durch weiterführendes Fragen eingegangen wurde. In der angefochtenen Entscheidung wurde auf den aktuellen konkreten Gesundheitszustand des BF weder in den Feststellungen, noch in der rechtlichen Würdigung eingegangen.

2.1.7. Das BFA hat sich in Summe mit dem Vorbringen dea BF nicht hinreichend auseinandergesetzt und erweist sich die Einvernahme und die daraus resultierende Beweiswürdigung der Verwaltungsbehörde als mangelhaft im Sine der nachfolgend zitierten rezenten höchstgerichtlichen Judikatur. Es mag zutreffen, dass die vagen Angaben des Beschwerdeführers Indizien für die Unglaubwürdigkeit des geltend gemachten Vorbringens darstellen könnten, jedoch befreit dies das BFA nicht, sich mit den geltend gemachten Gründen für die Asylantragstellung in ihrer Gesamtheit im Rahmen einer umfassenden Einvernahme eingehend auseinanderzusetzen und den Sachverhalt festzustellen, was es aber in den genannten entscheidungswesentlichen Punkten unterlassen hat und sind aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes die aufgezeigten Elemente für die Unglaubwürdigkeit der Angaben alleine nicht ausreichend bzw. derart gravierend, um im konkreten Fall die Unglaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers abschließend annehmen zu können. Erhebliche, nicht aufklärbare Widersprüche oder schwerwiegende Unplausibilitäten in den Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Ausreisegründen wurden von der Verwaltungsbehörde in ihren Erwägungen nicht dargelegt.

Auch kann nicht erkannt werden, durch welche konkreten Nachfragen in den Einvernahmen jeweils versucht worden wäre, detaillierte Aussagen zu den geschilderten Vorkommnissen zu erreichen. Um aber allenfalls bestehende Zweifel an dem Wahrheitsgehalt der Ausreisegründe untermauern oder beseitigen zu können, und die Beweiswürdigung einer schlüssigen Begründung zuzuführen, wäre eine ausführliche Befragung des Beschwerdeführers zum geltend gemachten Vorbringen erforderlich gewesen.

Insbesonders ist im gegebenen Fall aus obigen Erwägungen davon auszugehen, dass es sich aufgrund der zentralen Bedeutung der behördlichen Einvernahme für die Feststellung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes und das Unterlassen von weiterführenden, den Sachverhalt erhellenden Fragen um gravierende Ermittlungslücken im Sinne der Erkenntnisse des VwGH, Ra 2014/03/0054 vom 30.06.2015 sowie VwGH, Ra 2015/01/0123 vom 06.07.2016, handelt bzw. hat die belangte Behörde aus den dargelegten Gründen den entscheidungswesentlichen Sachverhalt lediglich ansatzweise ermittelt (VwGH 27. Jänner 2015, Ra 2014/22/0087, VwGH 12. November 2014, Ra 2014/20/0029, mwN).

Auch, wenn es dem Antragsteller obliegt, von sich aus entscheidungsrelevante Tatsachen vorzubringen, hat die Behörde jedoch darauf hinzuwirken, dass solche Angaben vervollständigt werden.

2.1.8. Aus Sicht des erkennenden Gerichtes verstößt daher das Prozedere der belangten Behörde gegen die in § 18 Abs. 1 AsylG normierten Ermittlungspflichten. Die Asylbehörden haben in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben vervollständigt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Einen Gesamteindruck hinsichtlich dieses Vorbringens des BF konnte das BFA mit seiner Vorgehensweise jedenfalls nicht erlangen.

Mit der dargelegten Vorgehensweise hat es das BFA jedoch in rechtswidriger Weise unterlassen, dahingehend Ermittlungen zu führen sowie in der Folge Feststellungen zum individuellen Vorbringen des BF zu treffen und sich mit diesem auch gehörig auseinanderzusetzen.

2.1.9. Im Ergebnis ist das Ermittlungsverfahren insgesamt derart mangelhaft, dass die Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde zur Erlassung eines neuen Bescheides unvermeidlich erscheint. Weder erweist sich der Sachverhalt in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt, noch ergibt sich aus den bisherigen Ermittlungen sonst zweifelfrei, dass das Vorbringen des BF umfassend dargelegt wurde.

Der Sachverhalt ist somit in den dargelegten wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig geblieben. Die Bescheidbegründung erweist sich mangels Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes als nicht tragfähig für die getroffene Entscheidung.

2.1.10. Es wird im fortgesetzten Verfahren nach hg. Ansicht das Vorbringen zu den ausreisekausalen Vorkommnissen, zum Gesundheitszustand und zur Religionszugehörigkeit des BF, vor allem auch hinsichtlich der seitens des BF vorgelegten Beweismittel umfassend zu erheben sein.

Auch werden anschließend aktuelle und vollständige, auf das individuelle Vorbringen des BF bezogene, Länderfeststellungen in die Beurteilung mit einzubeziehen sein, um das Vorbringen des BF abschließend beurteilen zu können. Schließlich wird das Ermittlungsergebnis dem BF zur Kenntnis zu bringen und ihm die Möglichkeit einer Stellungnahme einzuräumen sein.

Erst in Gesamtschau der zu erfragenden und zu beurteilenden Faktoren unter Einbeziehung der vorliegenden Beweismittel ist eine schlüssige Beweiswürdigung und abschließende Beurteilung des Vorbringens des BF inklusive eines allfälligen Nachfluchtgrundes möglich.

2.2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist daher auf den dargelegten Ermittlungsauftrag zu verweisen, welchem es im fortgesetzten Verfahren nachzukommen haben wird.

2.3. Der Verwaltungsgerichtshof verlangt in seiner Rechtsprechung eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens eines Asylwerbers unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens, wobei letzteres eine Auseinandersetzung mit aktuellen und auf objektiv nachvollziehbaren Quellen beruhenden Länderfeststellungen verlangt (vgl. VwGH 26.11.2003, Zl. 2003/20/0389).

Ebenso hat der Verfassungsgerichtshof, zuletzt in seinem Erkenntnis vom 7.11.2008, Zl. U 67/08-9, ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, wenn in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes. Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 m. w. N., 14.421/1996, 15.743/2000).

2.4. Im vorliegenden Fall wurde ein Vorbringen des BF, nämlich sowohl das geltend gemachte ausreisekausale Vorbringen als auch der gegebenenfalls ins Treffen geführte subjektive Nachfluchtgrund für nicht glaubwürdig befunden, jedoch lässt das BFA eine nachvollziehbare Begründung für diese Feststellung vermissen.

Das BFA wird daher im fortgesetzten Verfahren eine umfassende Glaubwürdigkeitsprüfung hinsichtlich der behaupteten Gründe für die Asylantragstellung vorzunehmen haben und wird der BF ein weiteres Mal ausführlich und konkret zu seinem geltend gemachten ausreisekausalen Vorbringen und seiner - derzeitigen - religiösen Einstellung zu befragen sein. Ohne entsprechende weitere Verfahrensschritte und Ermittlungen erweist sich die getroffene Entscheidung jedenfalls als nicht haltbar. Eine neuerliche Befragung und Würdigung des Vorbringens unter Zugrundelegung aktueller und individueller Feststellungen wird die belangte Behörde nachzuholen haben.

2.5. Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann nicht im Sinne des Gesetzes liegen.

Wie oben dargestellt, kann es nicht Sache des Bundesverwaltungsgerichtes sein, die im gegenständlichen Fall dazu erforderlichen - jedoch im Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wesentlich mangelhaft gebliebenen - Ermittlungen nachzuholen, um dadurch erst zu den erforderlichen Entscheidungsgrundlagen zu gelangen.

2.6. Ausgehend von diesen Überlegungen war im vorliegenden Fall aufgrund der exzeptionellen fallbezogenen Umstände eine kassatorische Entscheidung zu treffen. Besondere Gesichtspunkte, die aus der Sicht des BF gegen eine Kassation des angefochtenen Bescheides sprechen würden, sind im vorliegenden Fall nicht erkennbar.

Die Rechtssache war daher spruchgemäß an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur neuerlichen Ermittlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Das BFA wird im fortzusetzenden Verfahren die dargestellten Mängel zu verbessern haben. Dabei werden auch, wie bereits erwähnt, das in der Beschwerde erstattete Vorbringen des BF und die vorgelegten Beweismittel zu berücksichtigen sein sowie über die Existenz bzw. Nichtexistenz einer Frist für die freiwillige Ausreise iSd § 55 FPG abzusprechen sein.

3. Gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der Beschwerde stattzugeben bzw. der angefochtene Bescheid zu beheben war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die zu § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG ergangene Judikatur ist ausführlich und auf den gegebenen Fall anwendbar.

Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

aktuelle Länderfeststellungen Arbeitsfähigkeit Begründungsmangel Beweismittel Beweiswürdigung Einreiseverbot Ermittlungspflicht Fluchtgründe Gesundheitszustand Kassation Konversion mangelnde Sachverhaltsfeststellung strafrechtliche Verurteilung Urkundenüberprüfung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L506.2225553.2.00

Im RIS seit

24.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

24.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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