TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/21 W108 2183454-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.02.2020
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Entscheidungsdatum

21.02.2020

Norm

AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W108 2183454-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. BRAUCHART als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit: Iran, vertreten durch: Rechtsanwalt Mag. Peter Michael WOLF, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.12.2017, Zl. 595752901-160075906, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang, Sachverhalt und Vorbringen:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Iran, stellte am 14.01.2016 den Antrag, ihm internationalen Schutz nach dem AsylG 2005 (AsylG) zu gewähren (in der Folge auch Asylantrag).

Der Beschwerdeführer gab im Zuge der Erstbefragung an, er sei im Jahr 2012 aus dem Iran zum Zwecke des Studiums nach Österreich gekommen. Vor ca. 4 Monaten habe er beschlossen, vom Islam zu den Mormonen zu konvertieren. Seine Eltern seien strenggläubige Moslems, vor allem sein Vater sei strengreligiös. Das sei auch aus seinem Familiennahmen ersichtlich. Im Fall einer Rückkehr in den Iran befürchte er, dass sein Vater ihn den iranischen Behörden melde. Auf eine Konvertierung vom Islam (egal welcher Art) stehe im Iran die Todesstrafe.

Bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht) brachte der Beschwerdeführer eine Taufe und Konfirmierung in der Kirche " XXXX " und eine Ordinierung im aaronischen Priestertum in Vorlage und schilderte im Wesentlichen Folgendes:

Er sei wegen des Studiums nach Österreich gekommen. Er bekenne sich jetzt zum christlichen Glauben (der Mormonen). In seiner Familie sei besonders sein Vater strenggläubig, dieser akzeptiere seine Konversion nicht. Er sei in einer sehr strenggläubigen Familie aufgewachsen. Anhand des Familiennamens könne man erkennen, wie religiös die Familie sei. Sein Vater sei sehr stolz auf seinen Namen. Bevor er nach Österreich gekommen sei, habe er bereits kein Interesse mehr am Islam gehabt. Diese Religion sei für ihn abgeschlossen gewesen, weil sie in der Schule zum Beten gezwungen worden seien. In Österreich, in einem Land mit Religionsfreiheiten, habe er versucht, diese Erlebnisse im Iran zu vergessen und Neues auszuprobieren. Er habe Mormonen kennengelernt und deren christliche Gemeinde besucht, wodurch sich sein Leben komplett verändert habe. Er habe im Christentum Hoffnung und Vertrauen wiedergefunden und sein Leben habe wieder Sinn und Struktur gehabt, zumal es ihm zuvor psychisch überhaupt nicht gut gegangen sei. Er habe psychische Unterstützung gebraucht und diese in der Religion erhalten. Er habe seine Eltern angerufen und ihnen davon erzählt. Vor der Taufe habe sein Vater ihm über seinen Bruder ausgerichtet, wenn er weiter mit dieser christlichen Gemeinde Kontakt habe und konvertiere, sei er nicht mehr sein Sohn und werde von der Familie verstoßen und enterbt. Nach der Taufe sei er so glücklich gewesen, weil er eine neue Person gewesen sei. Er habe seiner Familie, seinen Eltern, seinem Bekanntenkreis dies mitteilen wollen. Er habe sich aber nicht getraut, seinen Eltern von der Taufe zu erzählen. Sein Glück habe er jedoch mit seinen Freunden und Bekannten im Iran geteilt. Als Mormone sei es seine Pflicht, zu missionieren. Seinem Vater sei über einen Freund erzählt worden, dass der Beschwerdeführer zum Christentum konvertiert sei. Sein Vater habe daraufhin gesagt, dass der Beschwerdeführer Schande über die Familie gebracht habe und dass er ihn, wenn er in den Iran zurückkehren würde, nicht mehr ins Elternhaus lassen werde. Sein Vater habe gedroht, er werde den Beschwerdeführer bei der iranischen Polizei anzeigen, um ihn zu bestrafen. Dadurch habe er große Angst bekommen und habe um internationalen Schutz angesucht. Nach diesem Vorfall sei seine Mutter zu ihm nach Österreich gekommen und habe von ihm verlangt, von dieser Entscheidung zurückzutreten und wieder den islamischen Glauben anzunehmen. Diesfalls würde sein Vater wieder für seine Sicherheit im Iran sorgen. Er sei jedoch zu seiner Entscheidung, zum Christentum zu konvertieren, gestanden, da diese Entscheidung das Richtige für ihn gewesen sei. Er habe versucht, seine Mutter von seiner neuen Religion zu überzeugen und sie mit dieser Religion bekanntzumachen. Seine Mutter habe das verweigert und zu ihm gesagt, er werde mit dieser Entscheidung alleine bleiben. Er habe erwidert, dass er dafür Jesus Christus gewonnen habe. Jesus werde ihm helfen, das sei für ihn bewiesen. Er sei ein aktives Mitglied der Kirche und missioniere, weshalb er nicht mehr in den Iran zurückkehren könne, da er ansonsten festgenommen oder getötet werden würde. Mit seinem Vater habe er seit ca. eineinhalb Jahren keinen Kontakt. Mit seiner Mutter und seinem Bruder pflege er regelmäßig Kontakt.

2. Mit dem vor dem Bundesverwaltungsgericht bekämpften Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wies sie den Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran ab (Spruchpunkt II.). Gemäß § 57 AsylG erteilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG; Spruchpunkt IV.), und gemäß § 52 Abs. 9 FPG stellte sie fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die belangte Behörde gewährte gemäß § 55 Abs. 1a FPG eine vierzehntägige Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.).

In der Begründung führte die belangte Behörde aus, die vom Beschwerdeführer angegebenen Verfolgungsgründe seien nicht glaubhaft. Es könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer zum Christentum konvertiert sei und er einer asylrelevanten Gefährdung oder Verfolgung im Iran ausgesetzt (gewesen) sei. Die Konvertierung des Beschwerdeführers erwecke den Anschein, dass er lediglich aus dem Grund konvertiert sei, nicht mehr in den Iran zurückkehren zu müssen. Sein Wissen über das Christentum sei nicht unbeachtlich und er müsse sich damit wirklich auseinandergesetzt haben. Der Beschwerdeführer habe die Behörde nicht von einem ernsthaften, inneren und stabilen Glaubenswechsel überzeugen können.

3. Gegen Spruchpunkt I. des Bescheides (Versagung des Asylstatus) richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG, in der im Wesentlichen vorgebracht wurde, der Beschwerdeführer sei aus innerer Überzeugung Mormone geworden. Die aktuelle Glaubensüberzeugung des Beschwerdeführers manifestiere sich in der erfolgten Taufe und Firmung, in der Ordinierung im Priestertum und in den regelmäßigen Kirchenbesuchen. Der Beschwerdeführer habe entsprechende Unterlagen für seinen Glaubenswechsel und für seine Missionierungstätigkeit in Vorlage gebracht. Die belangte Behörde hätte den zuständigen Ältesten der Kirche des Beschwerdeführers zeugenschaftlich vernehmen müssen.

4. Die belangte Behörde machte von der Möglichkeit der Beschwerdevorentscheidung nicht Gebrauch und legte die Beschwerde samt den bezughabenden Akten des Verwaltungsverfahrens zur Entscheidung vor.

5. Das Bundesverwaltungsgericht führte in der Sache des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher sich der Beschwerdeführer persönlich beteiligte. Der Beschwerdeführer wurde zu seinem Glaubensleben befragt und sagte u.a. aus, er habe in Österreich die Kirche " XXXX " kennengelernt. Er habe sich mit dem Evangelium auseinandergesetzt und das habe in überzeugt. Er sei ein aktiver Missionar. Seit sein Vater von seiner Taufe wisse, bekomme er keinerlei Unterstützung mehr von ihm. Sei Vater sage, er wolle mit ihm nichts mehr zu tun haben und werde seine Festnahme veranlassen, wenn er im Geheimen in den Iran zurückkehren sollte. Seinem Vater sei es egal, dass er sein Sohn sei, denn man müsse sich an Gesetze halten. Er stehe jedoch zu seiner Taufentscheidung und zur Annahme seiner neuen Religion. Der Widerruf sei für ihn keine Option. Er glaube und es sei für ihn notwendig, die Missionierung fortzusetzen.

In der mündlichen Verhandlung wurde XXXX , der das Amt eines Ältesten in der Kirche "XXXX" innehat, als Zeuge vernommen. Er gab an, er habe den Beschwerdeführer in der genannten Kirche im September 2015 schon vor seiner Taufe getroffen und ihn recht gut kennengelernt. Er habe immer den Eindruck gehabt, dass er ehrlich und aufrichtig sei, auch den Glauben betreffend. Der Beschwerdeführer habe immer mitgeholfen und auch schon Ansprachen gehalten. So habe er als einziges Mitglied der Glaubensgemeinde an einer Veranstaltung mit anderen Religionsgemeinschaften teilgenommen. Er mache das von sich aus und entfalte viele Aktivitäten. Er sei jeden Sonntag in der Kirche gewesen. Er habe regelmäßig Glaubensbekenntnisse abgegeben. Am 19.03.2019 sei der Beschwerdeführer zum Amt eines Ältesten ordiniert worden, das sei das nächste Amt im Priestertum. Der Beschwerdeführer habe auch den Tempelschein erhalten, den man nur bekomme, wenn ein Mitglied würdig sei, was bedeute, dass es sich an die zehn Gebote halte, keinen Alkohol konsumiere und nicht rauche. Der Beschwerdeführer sei kein Vollzeitmissionar, er müsse nicht missionieren, mache es aber dennoch. Christus habe den Auftrag gegeben, mit den Leuten über den Glauben zu sprechen. Es sei eine persönliche Einstellung, in welchem Ausmaß man den Glauben weitergebe.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. hinsichtlich der Lage in Iran:

Religionsfreiheit

In Iran leben ca. 82 Millionen Menschen, von denen ungefähr 99% dem Islam angehören. Etwa 90% der Bevölkerung sind Schiiten, ca. 9% sind Sunniten und der Rest verteilt sich auf Christen, Juden, Zoroastrier, Baha'i, Sufis, Ahl-e Haqq und nicht weiter spezifizierte religiöse Gruppierungen. Der Islam schiitischer Prägung ist in Iran Staatsreligion. Gleichwohl dürfen die in Art. 13 der iranischen Verfassung anerkannten "Buchreligionen" (Christen, Juden, Zoroastrier) ihren Glauben im Land relativ frei ausüben. In Fragen des Ehe- und Familienrechts genießen sie verfassungsrechtlich Autonomie. Jegliche Missionstätigkeit kann jedoch als "mohareb" (Krieg gegen Gott) verfolgt und mit dem Tod bestraft werden. Auch unterliegen Vertreter religiöser Minderheiten Beschränkungen beim Zugang zu höheren Staatsämtern. Nichtmuslime sehen sich darüber hinaus im Familien- und Erbrecht nachteiliger Behandlung ausgesetzt, sobald ein Muslim Teil der relevanten Personengruppe ist.

Das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit wird sowohl durch Gesetze als auch im täglichen Leben systematisch verletzt. Die Behörden zwingen weiterhin Personen aller Glaubensrichtungen einen Kodex für Verhalten in der Öffentlichkeit auf, der auf einer strikten Auslegung des schiitischen Islams gründet. Muslime, die keine Schiiten sind, dürfen weder für das Amt des Präsidenten kandidieren noch andere hochrangige politische Ämter bekleiden. Das Recht, eine Religion zu wechseln oder aufzugeben, wird weiterhin verletzt. Personen, die zum Christentum übertreten, können hohe Gefängnisstrafen erhalten, die in einigen Fällen von zehn bis 15 Jahren reichen. Es gibt weiterhin Razzien in Hauskirchen.

Anerkannten ethnisch christlichen Gemeinden ist es untersagt, konvertierte Christen zu unterstützen. Gottesdienste in der Landessprache sind in Iran verboten, ebenso die Verbreitung christlicher Schriften. Teilweise werden einzelne Gemeindemitglieder vorgeladen und befragt. Unter besonderer Beobachtung stehen insbesondere auch hauskirchliche Vereinigungen, deren Versammlungen regelmäßig aufgelöst und deren Angehörige gelegentlich festgenommen werden.

Laut der in den USA ansässigen NGO "United for Iran" waren 2017 mindestens 102 Mitglieder von religiösen Minderheiten aufgrund ihrer religiösen Aktivitäten inhaftiert, 174 Gefangene wegen "Feindschaft gegen Gott", 23 wegen "Beleidigung des Islam" und 21 wegen "Korruption auf Erden".

Personen, die sich zum Atheismus bekennen, können willkürlich festgenommen, inhaftiert, gefoltert und anderweitig misshandelt werden. Sie laufen Gefahr, wegen "Apostasie" (Abfall vom Glauben) zum Tode verurteilt zu werden (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019).

Situation für Konvertiten

Apostasie (d.h. Religionswechsel weg vom Islam) ist im Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht. Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel "mohareb" ("Waffenaufnahme gegen Gott"), "mofsid-fil-arz/fisad-al-arz" ("Verdorbenheit auf Erden"), oder "Handlungen gegen die nationale Sicherheit". In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie selten, bei keiner der Hinrichtungen in den letzten zehn Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie ein bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen gab es mehrere Exekutionen wegen "mohareb". Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen keine geläufige Bestrafung. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt. Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen. Anklagen lauten meist auf "Organisation von Hauskirchen" und "Beleidigung des Heiligen", wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden. Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Fälle von Konversion gelten daher als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Nach anderen Quellen wurden im Jahr 2017 gegen mehrere christliche Konvertiten hohe Haftstrafen (10 und mehr Jahre) verhängt [Anmerkung der Staatendokumentation: Verurteilungsgrund unklar]. Laut Weltverfolgungsindex 2019 wurden im Berichtszeitraum viele Christen, besonders solche mit muslimischem Hintergrund, vor Gericht gestellt und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt bzw. warten noch auf ihren Prozess. Ihre Familien sind während dieser Zeit öffentlichen Demütigungen ausgesetzt.

Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Trotz des Verbots nimmt die Konversion weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen. Laut der iranischen NGO Article 18 wurden von Jänner bis September 2018 37 Konvertiten zu Haftstrafen wegen "Missionsarbeit" verurteilt. In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind.

Einige Geistliche, die in der Vergangenheit in Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019).

Apostasie ist derzeit nicht nach kodifiziertem Recht, aber nach der Scharia strafbar. Letztere ist entsprechend Art. 4 der Verfassung Grundlage des iranischen Rechts. Richter in Iran sind nach Art. 167 der Verfassung gehalten, bei der Rechtsanwendung zuerst auf kodifiziertes Recht zurückzugreifen. Sind solche Gesetze nicht vorhanden, so müssen sie ihren Urteilsspruch auf Grundlage der authentischen islamischen Quellen oder der gültigen Rechtsurteile fällen.

Apostasie ist nach herrschender Meinung ein sog. Hadd-Delikt (Hadd-Strafen sind Strafen, die in der Scharia festgelegt sind). Folgende Prophetenworte werden im islamischen Recht dahingehend ausgelegt, dass Apostasie zu bestrafen ist: "...tötet den, der seine Religion wechselt" und "Das Blut eines Muslims (zu vergießen) ist nicht erlaubt, außer in einem dieser drei (Fälle): der verheiratete Ehebrecher, Leben um Leben und der seinen Glauben Verlassende und von der Gemeinschaft sich Trennende.

Die Scharia bietet dem Richter demzufolge bereits heute eine Rechtsgrundlage, um Apostaten in Iran zum Tode zu verurteilen. Die Apostasie ist der normalen Strafgerichtsbarkeit zugewiesen, Eingangsinstanz sind die allgemeinen Strafgerichte der Provinzen. Ein Todesurteil aufgrund des Vorwurfs der Apostasie erging zuletzt im November 2002 gegen den regimekritischen Hochschulprofessor Aghajari, seine Strafe wurde aber - unter verändertem Strafvorwurf - im Frühjahr 2005 in eine Haftstrafe umgewandelt. Fälle einer Vollstreckung der Todesstrafe wegen Apostasie wurden in den letzten Jahren nicht mehr bekannt. Der ehemalige Chef der iranischen Judikative, Ayatollah Sharoudi, hatte die Staatsanwaltschaften und die Gerichte angewiesen, niemanden wegen Religionswechsel zur Todesstrafe zu verurteilen. Eine derartige Verurteilung ist daher derzeit unwahrscheinlich. Die Direktive des ehemaligen Chefs der Justiz könnte jedoch kurzfristig zurückgenommen werden.

Indes ist zu beachten, dass es trotzdem zur Anklage und Einleitung von gerichtlichen Strafverfahren wegen Konversion kommen kann. Eine Anschuldigung wegen Apostasie kann schwerste Sanktionen nach sich ziehen. Oftmals lautet die Anklage auf "Gefährdung der nationalen Sicherheit", "Organisation von Hauskirchen" und "Beleidigung des Heiligen" wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Länderreport 10 Iran, Situation der Christen, Stand 3/2019).

Willkürliche Verhaftungen durch iranische Behörden

Trotz Fehlens einer strafrechtlichen Grundlage kommt es immer wieder zu willkürlichen Verhaftungen von Konvertierten. Die ehemalige UN-Sonderberichterstatterin für die Lage der Menschenrechte in Iran, Asma Jahangir, hat in ihrem Bericht an den UN-Menschenrechtsrat (UNHRC) vom März 2017 betont, dass seitens der iranischen Behörden und vom Klerus gezielt mit strengen Maßnahmen und willkürlichen Verhaftungen gegen christliche Konvertiten mit vormals muslimischen Hintergrund vorgegangen wird. Auch Christians in Parliament APPG und APPG for International Freedom of Religion or Belief weisen auf willkürliche Verhaftungen von christlichen Personen hin. Danach ist es in den letzten zehn Jahren beispielsweise üblich geworden, dass während der Weihnachtszeit in verschiedenen Städten Irans christliche Konvertiten von den Sicherheitskräften festgenommen werden. In einem Interview mit UK Home Office im Juli 2017 wies die Organisation Article 18 darauf hin, dass bei den Verhaftungen von Konvertierten die gesetzlichen Vorschriften nur selten eingehalten werden. In den meisten Fällen würden Betroffene weder vorgeladen, noch werde ihnen bei ihrer Verhaftung ein Haftbefehl vorgelegt. Auch würden sie nicht über die Anklagepunkte informiert.

Konvertierte werden bei Razzien in Hauskirchen, Privathäusern oder an beliebigen anderen Orten festgenommen. Gemäß Zeugenaussagen an Christians in Parliament APPG und APPG for International Freedom of Religion or Belief sind Razzien und Festnahmen in Privathäusern von christlichen Personen in Iran weit verbreitet. Personen, die ihren Glauben in Hauskirchen praktizieren, sind von Razzien betroffen. Voraussetzung sind Informationen aus dem Umfeld der Hauskirchen. BosNewsLife zufolge haben Sicherheitskräfte allein im Monat August 2016 in mindestens vier Hauskirchen Razzien durchgeführt. Die Behörden beabsichtigen mit solchen Aktionen ein Klima der Angst zu schaffen. Gemäß Aussagen von Elam Ministries werden bei Razzien in Hauskirchen alle Anwesenden festgenommen: Sowohl diejenigen, die neu und inaktiv sind, als auch die Kirchenführenden (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Länderreport 10 Iran, Situation der Christen, Stand 3/2019).

Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online-Aktivitäten ist weit verbreitet. Es kann jedoch nicht klargestellt werden, wie hoch die Kapazitäten zur Überwachung sind. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019).

Berichten zufolge sollen auch Kautionszahlungen absichtlich sehr hoch angesetzt werden, um den Familien von Konvertiten wirtschaftlich zu schaden. Im Anschluss an die Freilassung wird Konvertiten das Leben erschwert, indem sie oft ihren Job verlieren bzw. es ihnen verwehrt wird, ein Bankkonto zu eröffnen oder ein Haus zu kaufen. Die Regierung nutzt Kautionszahlungen, um verurteilte Christen vorsätzlich verarmen zu lassen, und drängt sie dazu, das Land zu verlassen (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019).

Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten, und ob er/sie auch im Ausland bekannt ist, ab. Normale Mitglieder von Hauskirchen riskieren, zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden, da die Behörden diese Personen schikanieren und einschüchtern wollen. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion aber andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder andere Personen im Glauben zu unterrichten, dann kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019).

Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Während Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagen, dass eine Taufe keine Bedeutung habe, ist sich ein Ausländer mit Kontakt zu Christen in Iran darüber unsicher; Middle East Concern, eine Organisation, die sich um die Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten und Nordafrika kümmert, ist der Meinung, dass eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein könnte (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019).

Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein, und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Auch Publikationen, die sich mit dem Christentum beschäftigen und schon auf dem Markt waren, wurden konfisziert, obwohl es von der Regierung genehmigte Übersetzungen der Bibel gibt. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019).

Anzahl verhafteter Konvertierter

Christen im Exil haben gemäß dem US Department of State von zahlreichen Festnahmen, insbesondere von evangelikalen und vom Islam konvertierten Christen berichtet. Laut der USCIRF und der in Budapest ansässigen Nachrichtenagentur BosNewsLife haben iranische Sicherheitskräfte zwischen Mai und August 2016 ungefähr 80 Christen verhaftet. Die Mehrheit der Inhaftierten wurde laut USCIRF verhört und nach wenigen Tagen freigelassen, aber ein Teil der Verhafteten wurde über Monate ohne Anklage festgehalten. Mehrere Betroffene seien weiterhin in Haft. Menschenrechtsgruppen gehen allerdings davon aus, dass es eine Dunkelziffer gibt und die Zahl der Christen, welche von den Behörden aufgegriffen werden, viel höher liegen könnte. Im Dezember 2016 waren rund 90 christliche Personen wegen ihren religiösen Tätigkeiten oder ihrem Glauben inhaftiert oder saßen in Untersuchungshaft (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Länderreport 10 Iran, Situation der Christen, Stand 3/2019).

Soziale Folgen einer Konversion

Neben den strafrechtlichen Folgen einer Konversion besteht die Möglichkeit, dass bei Bekanntwerden des Glaubenswechsels der Arbeitsplatz in Gefahr gerät. Insbesondere bei staatlichen Unternehmen, in denen Angehörige des "Herasat" (Aufsichtsgruppe des iranischen Geheimdienstministeriums) regelmäßig vertreten sind und auch in Privatunternehmen ab einer bestimmten Größe, die die Anwesenheit des "Herasat" dulden müssen. Dabei ist es auch möglich, dass Familienangehörige des Konvertiten ebenfalls eine Kündigung erhalten.

Unabhängig von der gesellschaftlichen Umgebung besteht für Konvertiten die Gefahr, dass sie sich, wenn sie sich innerhalb der eigenen Familie erkennbar zum Christentum bekennen, erheblichen Widerständen bis hin zur aktiven Denunziation bei den Sicherheitskräften seitens eines Angehörigen der Familie aussetzen. Darüber hinaus riskieren sie auch den Ausschluss aus der Familie. Dies trifft insbesondere auf Konvertiten zu, deren Familienangehörige innerhalb des Regierungsapparates arbeiten, da diese in der Furcht leben, die Arbeit zu verlieren. Auch das Recht auf die Kindererziehung wird in solchen Fällen möglicherweise von der Familie in Frage gestellt, da die Erziehung eines muslimischen Kindes für Andersgläubige ausgeschlossen ist.

Grundsätzlich kann aber auch davon ausgegangen werden, dass diese Konflikte ausbleiben, wenn die Familie einem eher säkularen Umfeld entspringt, wie es in der iranischen Gesellschaft oftmals oder zunehmend der Fall ist. Daher kann auch davon ausgegangen werden, dass außerhalb des beruflichen Umfelds ein mangelhafter Moschee-Besuch oder die Verweigerung der Teilnahme an muslimischen Ritualen nicht zwingend den Verdacht einer Konversion aufkommen lässt. Dennoch ist es nicht verwunderlich, dass viele Konvertiten den Glaubenswechsel gegenüber ihren Familien verschweigen, um mögliche Konflikte zu umgehen (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Länderreport 10 Iran, Situation der Christen, Stand 3/2019).

Rückkehr von Konvertiten

Die Rückkehr von Konvertiten in den Iran führt nicht zwingend zu einer Festnahme oder Inhaftierung. In den vergangenen zehn Jahren wurde seitens der in Iran vertretenen westlichen Botschaften, die grundsätzlich Rückführungen iranischer Staatsangehöriger vor Ort kontrollieren, kein Fall der Festnahme eines Konvertiten bei der Einreise gemeldet.

Allgemein wird eine Unterscheidung zwischen dem Konvertiten, der bereits vor einer Ausreise in den Fokus der Sicherheitskräfte geraten ist und demjenigen, der nach der Ausreise einen Glaubenswechsel tätigte, vorgenommen.

Konvertiten, die aus einer Gefährdungs- oder Konfliktsituation heraus die Ausreise betrieben haben, werden als gefährdet betrachtet, da möglicherweise seitens der Behörden eine Akte über sie angelegt wurde und dies bei der Einreise über das Informationssystem angezeigt wird. Auch Konvertiten, die im Ausland in der Öffentlichkeit für ihr christliches neues Leben bekannt wurden, laufen Gefahr, dass die iranischen Sicherheitskräfte eine solche Ermittlungsakte angelegt haben. Dabei genügt es nicht, über die sozialen Medien den Glaubenswechsel zu verbreiten; vielmehr wird angenommen, dass bei entsprechender Aufmerksamkeit für die iranischen Dienste entscheidend ist, ob der Glaubenswechsel nachvollziehbar ist oder lediglich eine "copy/paste"-Entscheidung getroffen wurde, um eine Annäherung zum westlichen Leben zu erreichen (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Länderreport 10 Iran, Situation der Christen, Stand 3/2019).

Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben; Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019).

Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, werden für die Behörden nicht von Interesse sein. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, dann wäre eine Rückkehr nach Iran kein Problem. Konvertiten, die ihre Konversion aber öffentlich machen, können sich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen, einschließlich Facebook berichtet, können die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang würde davon abhängen, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein "high-profile"-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, wird der Konvertit wohl keine harsche Strafe bekommen. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein, würde nicht zu einer Verfolgung führen, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, würde er/sie nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das zu einem Problem werden (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019).

Menschenrechtslage/Sanktionen

Der Iran zählt zu den Ländern mit einer anhaltend beunruhigenden Lage der Menschenrechte, die jedoch besser ist als in der Mehrzahl der Nachbarländer. Die Menschenrechtsbilanz der Regierung bleibt schlecht und verschlechterte sich in mehreren Schlüsselbereichen. Zu den Menschenrechtsfragen gehören Hinrichtungen für Verbrechen, die nicht dem internationalen Rechtsstandard der "schwersten Verbrechen" entsprechen, zahlreiche Berichte über rechtswidrige oder willkürliche Tötungen, Verschwindenlassen und Folter durch Regierungsbeamte, harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen, systematische Inhaftierungen einschließlich Hunderter von politischen Gefangenen. Weiters unrechtmäßige Eingriffe in die Privatsphäre, Beschränkungen der freien Meinungsäußerung, der Presse und des Internets, einschließlich Zensur, Blockieren von Webseiten und Kriminalisierung von Verleumdungen; erhebliche Eingriffe in das Recht auf friedliche Versammlung und Vereinigungsfreiheit, wie z.B. die restriktiven Gesetze für Nichtregierungsorganisationen (NGO); Einschränkungen der Religionsfreiheit, Beschränkungen der politischen Beteiligung, weit verbreitete Korruption auf allen Regierungsebenen, rechtswidrige Rekrutierung von Kindersoldaten durch Regierungsakteure zur Unterstützung des Assad-Regimes in Syrien, Menschenhandel, strenge staatliche Beschränkungen der Rechte von Frauen und Minderheiten, Kriminalisierung von sexuellen Minderheiten, Verbrechen, die Gewalt oder Gewaltdrohungen gegen LGBTI-Personen beinhalten, und schließlich das Verbot unabhängiger Gewerkschaften. Die Regierung unternahm wenige Schritte um verantwortliche Beamte zur Rechenschaft zu ziehen. Viele dieser Missstände sind im Rahmen der Regierungspolitik zu verantworten. Straffreiheit ist auf allen Ebenen der Regierung und der Sicherheitskräfte weit verbreitet.

Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivität, die als Angriff auf das politische System empfunden wird oder die islamischen Grundsätze in Frage stellt. Als rechtliche Grundlage dienen dazu weit gefasste Straftatbestände (vgl. Art. 279 bis 288 iStGB sowie Staatsschutzdelikte insbesondere Art. 1 bis 18 des 5. Buches des iStGB). Personen, deren öffentliche Kritik sich gegen das System der Islamischen Republik Iran als solches richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten, können der Spionage beschuldigt werden. Besonders unter Druck stehen Mitglieder bzw. Gründer von Menschenrechtsorganisationen (zumeist Strafverteidiger bzw. Menschenrechtsanwälte), wie etwa des "Defenders of Human Rights Center", deren Gründungsmitglieder nahezu allesamt wegen ihrer Tätigkeit hohe Haftstrafen verbüßen. Zum Teil wurden auch Körperstrafen sowie Berufs- und Reiseverbote über sie verhängt. Es ist davon auszugehen, dass sie in Haftanstalten physischer und schwerer psychischer Folter ausgesetzt sind. Oft werden auch Familienmitglieder und Freunde von Strafverteidigern unter Druck gesetzt (verhört oder verhaftet). Die Tätigkeit als Frauen- und Menschenrechtsaktivist wird regelmäßig strafrechtlich verfolgt (Vorwurf der Propaganda gegen das Regime o.ä.) und hat oft die Verurteilung zu Haft- oder auch Körperstrafen zur Folge (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019).

1.2. Hinsichtlich des Beschwerdeführers:

1.2.1. Der Beschwerdeführer ist ein Staatsangehöriger des Iran, Zugehöriger der Volksgruppe der Perser und stammt aus Teheran. Er ist im Entscheidungszeitpunkt 29 Jahre alt und gebürtiger Moslem. Die Familie des Beschwerdeführers, insbesondere die väterliche Linie, ist strengreligiös. Der Beschwerdeführer interessierte sich im Iran nicht für den Islam. Er ist zum Zwecke des Studiums mit einem Studentenvisum gültig vom 16.08.2012 bis 15.12.2012 nach Österreich gekommen und seither nicht mehr in den Iran zurückgekehrt. Die Aufenthaltsbewilligung des Beschwerdeführers als Studierender endete mit Ablauf des 03.08.2016. Am 14.01.2016 stellte er in Österreich den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Er strafrechtlich unbescholten.

1.2.2. Der Beschwerdeführer hat sich ernsthaft aus innerer Überzeugung dem Christentum, konkret der Mormonenkirche " XXXX " zugewendet. Er hat seine christliche Überzeugung (seine Konversion) öffentlich gemacht und lebt seinen Glauben in Österreich offen aus, wobei er rege kirchliche Aktivitäten entfaltet und missioniert. Er ist ernstlich gewillt, seine christliche Religion auch weiterhin (auch im Iran) auszuleben und auszuüben.

In Österreich kam der Beschwerdeführer im September 2014 mit der genannten Kirche in Kontakt. Er wurde von Missionaren in das Institut dieser Kirche und dazu eingeladen, die Glaubensinhalte und Aktivitäten dieser Glaubensgemeinschaft kennenzulernen. Der Beschwerdeführer folgte dieser Einladung, wodurch das Interesse des Beschwerdeführers am Christentum geweckt wurde. Der Beschwerdeführer setzte sich in der Folge mit den Glaubensinhalten dieser Glaubensgemeinschaft auseinander und nahm regelmäßig an religiösen Veranstaltungen der Kirche teil. Die Bekanntschaft und die Beschäftigung mit dieser Kirche gaben dem Leben des Beschwerdeführers eine positive Wendung und Struktur, er spürte wieder Hoffnung und Vertrauen. Ab September 2015 intensivierte er seine religiösen Beschäftigungen und Aktivitäten. Weil er von dieser Religion überzeugt war, ließ sich der Beschwerdeführer am 08.05.2016 zum Amt eines Priesters (im aaronischen Priestertum) in der genannten Kirche ordinieren und am 09.07.2016 taufen. Am 10.07.2016 wurde er als Mitglied der genannten Kirche konfirmiert. Dem ging ein viermonatiger Taufvorbereitungskurs voraus. Am 19.03.2019 ist der Beschwerdeführer zum Amt eines Ältesten (im melchisedekischen Priestertum) ordiniert worden, wodurch er die nächste Stufe im Priesteramt der Kirche erreicht hat. Der Beschwerdeführer ist ein ehrenhaftes und vollwertiges Mitglied der lokalen Kirchengemeinde. Er wurde für würdig befunden, den Tempelschein erteilt zu erhalten. Er beteiligt sich regelmäßig und aktiv an sonntäglichen gemeindlichen Gottesdiensten/Versammlungen und übernimmt in diesem Rahmen, aber auch unter der Woche lehrende, betreuende sowie seelsorgerische Aufgaben. Er nimmt am Missions- und Predigtdienst teil und hilft bei anfallenden Arbeiten in der Kirchengemeinde mit. Der Beschwerdeführer ist kein Vollzeitmissionar, missioniert aber trotzdem, da dies für ihn sehr wichtig ist. Er verfügt über umfangreiches Wissen über seine neue Religion, beschäftigt sich mit Glaubensinhalten und Texten, gibt regelmäßig Zeugnisse (Bekenntnisse) über seinen Glauben ab, spricht öffentlich - auch mit Anders- bzw. Nichtgläubigen - über das Evangelium und verfasst Artikel in der Kirchenzeitung sowie Einträge (über kirchliche Aktivitäten) auf Facebook. Der Beschwerdeführer beabsichtigt die Fortsetzung seiner kirchlichen/religiösen Aktivitäten, insbesondere auch seine Missionierungstätigkeit, da dies für seine Glaubensüberzeugung von zentraler Bedeutung ist. Der Beschwerdeführer ist vom Christentum ehrlich überzeugt und ein Widerruf seines nunmehrigen religiösen Bekenntnisses kommt für ihn nicht in Betracht. Die Familie des Beschwerdeführers im Iran hat von der Taufe/Konversion des Beschwerdeführers erfahren. Der strengreligiöse Vater des Beschwerdeführers hat daraufhin dem Beschwerdeführer jegliche familiäre Unterstützung entzogen und vom Beschwerdeführer verlangt, seine Konversionsentscheidung zu revidieren. Der Vater des Beschwerdeführers hat auch gedroht, die Festnahme des Beschwerdeführers zu veranlassen, sollte der Beschwerdeführer als Christ/Konvertit in den Iran zurückkehren.

1.2.3. Der Beschwerdeführer ist gefährdet, im Iran asylrelevant in das Blickfeld der iranischen Behörden/der iranischen muslimischen Gesellschaft zu geraten und aus politischen/religiösen Gründen Opfer schwerster Menschenrechtsverletzungen zu werden.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Situation im Iran beruhen auf den dort jeweils angeführten Quellen. Die herangezogenen Länderberichte basieren wiederum auf Berichten anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der entscheidungswesentlichen Situation im Iran ergeben. Angesichts der Seriosität der Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Überdies bestehen keine Anhaltspunkte, dass die herangezogenen Berichte bzw. die Situationsdarstellung ihre Aktualität bereits verloren haben bzw. hat. Die Parteien des Verfahrens traten diesen Feststellungen bzw. den Quellen, welche in der Beschwerdeverhandlung erörtert wurden, nicht entgegen. Zudem stehen die Feststellungen auch in Einklang mit den Feststellungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid.

2.2. Zu den Feststellungen unter Punkt 1.2.:

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten sowie aus den beigeschafften Strafregisterauszügen, insbesondere jedoch aus den glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren vor der belangten Behörde und in der Beschwerdeverhandlung und den dazu vorgelegten Urkunden, gestützt vom glaubwürdigen persönlichen Eindruck, der im Zuge der durchgeführten Beschwerdeverhandlung vom Beschwerdeführer gewonnen werden konnte.

Nach der Überzeugung des Bundesverwaltungsgerichtes machte der Beschwerdeführer jedenfalls im Umfang der Feststellungen glaubwürdige Angaben. Seine Aussagen sind im wesentlichen Kern gleichbleibend, substantiiert und sowohl in sich als auch vor dem Hintergrund der Verhältnisse im Iran stimmig. Sein Vorbringen wurde zudem durch beweiskräftige Urkunden untermauert sowie vom Zeugen bestätigt.

Dass der Beschwerdeführer einer strenggläubigen moslemischen Familie entstammt und insbesondere der Vater des Beschwerdeführers ein sehr gläubiger Moslem ist, erachtet das Bundesverwaltungsgericht anhand der gleichbleibenden, substantiierten Angaben des Beschwerdeführers, insbesondere auch in der Beschwerdeverhandlung, wonach sein Familienname (nach dem Vater) " XXXX " bedeute und sein Großvater ein Imam gewesen sei, als glaubwürdig. Für das Bundesverwaltungsgericht sind keine stichhältigen Umstände erkennbar, warum dieses Vorbringen nicht den Tatsachen entsprechen sollte; die belangte Behörde vermochte keine überzeugenden Gegenargumente darzutun. Gleiches gilt für das Vorbringen des Beschwerdeführers, dass der Beschwerdeführer bereits im Iran kein Interesse mehr am Islam gehabt hat. Das Bundesverwaltungsgericht versteht die diesbezüglichen Schilderungen des Beschwerdeführers dahin, dass er - wegen der Strenggläubigkeit seiner Familie - den moslemischen Glauben und dessen Riten im Iran als Zwang erlebt hat und er sich nach und nach (innerlich) davon abgewandt hat, und erachtet dieses Vorbringen als glaubwürdig.

Dem Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner Zuwendung zum christlichen Glauben ist ebenfalls zu folgen:

Das Bundesverwaltungsgericht hat - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in der es sich einen persönlichen Eindruck vom Beschwerdeführer verschafft und ihn zu seinen religiösen Aktivitäten befragt hat, und nach Würdigung der zum Religionswechsel vorgelegten Urkunden (insbesondere: Bestätigungen der " XXXX " betreffend Taufe und Konfirmierung sowie Ordinierung im aaronischen Priestertum; Empfehlungsschreiben eines Bischofs und zwei Ratgebern der genannten Kirche; Kirchengemeindeblätter; Taufgottesdienst des Beschwerdeführers) und der Zeugenaussagen eines Amtsträgers der genannten Kirche - mit der behaupteten Konversion des Beschwerdeführers auseinandergesetzt und ist zum Ergebnis gelangt, dass sich der Beschwerdeführer ernsthaft aus innerer Überzeugung dem Christentum zugewendet hat und er seinem derzeitigen Interesse und seinen Aktivitäten für den christlichen Glauben im Fall der Rückkehr in den Iran weiter nachkommen wird.

Der Beschwerdeführer verfügt über umfangreiches Wissen über seine neue Religion. Er hat sich mit dieser erkennbar, auch auf einer emotionalen Ebene, auseinandergesetzt und sich mit Glaubensinhalten und Texten beschäftigt. Auch die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer nicht unbeachtliche Kenntnisse und eine tatsächliche Auseinandersetzung mit dem Christentum attestiert. Das Wissen des Beschwerdeführers umfasst aktuell allerdings nicht nur Grundzüge der Religion, vielmehr nähert es sich einer wissenschaftlich-theologischen Tiefe, die seinem im Jahr 2019 erworbenen höheren Kirchenamt entspricht. Ein echtes Interesse des Beschwerdeführers und seine umfangreiche Befassung mit der neuen Religion wurden vom vernommenen Zeugen bestätigt.

Der Beschwerdeführer übt seine neue Religion tatsächlich und ernsthaft aus. Dies manifestiert sich in der - vorgebrachten und vom Zeugen sowie im Empfehlungsschreiben von drei Kirchenmitgliedern bestätigten - regen Teilnahme des Beschwerdeführers am kirchlichen Leben. So beteiligt er sich regelmäßig und aktiv an Gottesdiensten/Versammlungen, übernimmt lehrende, betreuende sowie seelsorgerische Aufgaben, nimmt am Missions- und Predigtdienst teil, hilft bei anfallenden Arbeiten in der Kirchengemeinde, missioniert, spricht über das Evangelium und verfasst Artikel in der Kirchenzeitung sowie Einträge auf Facebook.

Der Religionswechsel ging im Fall des Beschwerdeführers mit einer Verhaltens- bzw. Einstellungsänderung einher. Nach den glaubwürdigen Schilderungen des Beschwerdeführers hat das Christentum bzw. eine christliche Lebensführung enorme Bedeutung für den Beschwerdeführer und hat sich sein Leben durch den Religionswechsel positiv verändert. Wie insbesondere auch vom Zeugen bestätigt wurde, verhält sich der Beschwerdeführer auch tatsächlich bzw. in der täglichen Lebensführung entsprechend den Vorgaben bzw. Glaubenssätzen seiner Religion. So wurde der Beschwerdeführer auch würdig befunden, den Tempelschein, der die Voraussetzung darstellt, einen Tempel der Kirche betreten zu dürfen, erteilt zu erhalten. Würdig ist man nach den glaubwürdigen Schilderungen des Zeugen hierfür aber nur, wenn man sich etwa an die zehn Gebote hält.

Auch die Darlegung der Motivation bzw. des auslösenden Moments für den Glaubenswechsel ist im Fall des Beschwerdeführers schlüssig. Der Beschwerdeführer sagte glaubwürdig aus, er sei in einer Zeit, als es ihm psychisch schlecht gegangen sei, mit dem Christentum in Berührung gekommen und er habe durch den Glauben Unterstützung, Hoffnung und Vertrauen (wieder)erlangt. In dieses Bild passt, dass der Beschwerdeführer den Islam im Iran als Zwang erlebt hat und er sich dafür bereits im Iran nicht interessiert hat.

Vor diesem Hintergrund und angesichts des vom Beschwerdeführer in der Beschwerdeverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruckes sind das Interesse des Beschwerdeführers am Christentum und sein formell vollzogener Übertritt zum christlichen Glauben als Ausdruck des auf der inneren Überzeugung beruhenden Entschlusses des Beschwerdeführers, sich - in endgültiger Abkehr von der islamischen Lebensweise - dem christlichen Glauben bzw. der christlichen Lebensweise zuzuwenden, zu werten. Das Bundesverwaltungsgericht geht daher davon aus, dass der Beschwerdeführer zu einem praktizierenden, missionierenden Christen geworden ist, welcher diese Praxis auch bereits durch die Taufe formalisiert hat und diese auch weiter ausüben will. Hinsichtlich des Übertritts des Beschwerdeführers vom Islam zum Christentum kann - entgegen der Beurteilung der belangten Behörde - sohin nicht erkannt werden, dass die Konversion "nur zum Schein" [lediglich zwecks Asylerlangung] vollzogen wurde.

Diese - ernsthafte, aus innerer Überzeugung erfolgte - Hinwendung des Beschwerdeführers zur neuen Religion ist als gefestigt und als nachhaltig (und nicht als bloß vorübergehend) anzusehen. Es ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer entsprechend seiner nunmehrigen Glaubensüberzeugung auch weiterhin leben wird. Dies ist daraus ersichtlich, dass das religiöse Bekenntnis des Beschwerdeführers bereits seit Jahren besteht und auch verstärkt bzw. vertieft wurde. Der Beschwerdeführer hat sein religiöses Interesse bzw. Betätigen im September 2014 begonnen, hat dieses ab September 2015 intensiviert und hat nach der Taufe im Mai 2016 eine höhere Stufe im Priesteramt im März 2019 erreicht. Der Beschwerdeführer hat in der Beschwerdeverhandlung überzeugend dargetan, dass er zu seiner Konversionsentscheidung steht und dass - ungeachtet der Anlehnung durch seine Familie und staatlichen Repressalien im Iran - ein Widerruf bzw. eine Beendigung seines derzeitigen aktiven religiösen Lebens, das er aufgrund seiner Glaubensüberzeugung führt, nicht in Betracht kommt. Vor diesem Hintergrund ist es für das Bundesverwaltungsgericht glaubwürdig, dass der Beschwerdeführer gewillt ist, sein Glaubensleben, wie er es in Österreich praktiziert, auch im Iran unbeirrt fortzusetzen.

Auch das Vorbringen des Beschwerdeführers zu dem bereits aufgetretenen Konflikt mit seinem strengreligiösen Vater im Iran aufgrund seiner Konversion erachtet das Bundesverwaltungsgericht als glaubwürdig. Abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer dazu nachvollziehbare, substantiierte Angaben gemacht hat - einzelne in diesem Zusammenhang aufgetretene Unstimmigkeiten wurden in der Beschwerdeverhandlung vom Beschwerdeführer nachvollziehbar ausgeräumt - , stehen diese auch im Einklang mit den Feststellungen zu den Verhältnissen im Iran in Bezug auf familiäre/gesellschaftliche Ausgrenzung/Verfolgung von Konvertiten, die etwa auch die aktive Denunziation bei den Sicherheitskräften durch einen Familienangehörigen beinhalten.

Da derartige religiöse Betätigungen eines Konvertiten im Iran, wie sie im Fall des Beschwerdeführers zu erwarten sind, von den iranischen Behörden nur als Bedrohung aufgefasst werden können, ist der Beschwerdeführer gefährdet, im Iran asylrelevant in das Blickfeld der iranischen Behörden/der iranischen muslimischen Gesellschaft zu geraten und aus politischen/religiösen Gründen Opfer schwerster Menschenrechtsverletzungen zu werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 7 Abs. 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-VG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels materienspezifischer Sonderregelung besteht somit gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles sowie andere näher genannte (im vorliegenden Fall nicht relevante) Gesetze und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer eheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

3.2. Die Beschwerde wurde fristwahrend erhoben und es liegen auch die anderen Prozessvoraussetzungen vor.

3.3. In der Sache:

3.3.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) definiert, dass als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist die "begründete Furcht vor Verfolgung". Die begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn objektiver Weise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z.B. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Eine "Verfolgungsgefahr" im Sinne der GFK ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011).

3.3.2. Zur Asylrelevanz einer Konversion zum Christentum - in Bezug auf den Iran - hat der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf das Urteil des EuGH vom 05.09.2012, Y und Z, C-71/11 und C-99/11, bereits erkannt, dass eine begründete Furcht des Antragstellers vor asylrelevanter Verfolgung vorliegt, sobald nach Auffassung der zuständigen Behörden im Hinblick auf die persönlichen Umstände des Antragstellers vernünftigerweise anzunehmen ist, dass er nach Rückkehr in sein Herkunftsland religiöse Betätigungen vornehmen wird, die ihn der tatsächlichen Gefahr einer Verfolgung aussetzen. Die Tatsache, dass einem Asylwerber im Herkunftsstaat etwa aufgrund eines Gesetzes über Apostasie eine Todes- oder Freiheitsstrafe droht, kann für sich genommen - wie der EuGH in seinem Urteil vom 4. Oktober 2018, Bahtiyaar Fathi, C-56/17, Rn. 94 bis 96, präzisiert hat - eine "Verfolgung" im Sinne von Art. 9 Abs. 1 der Statusrichtlinie darstellen, sofern eine solche Strafe in dem Herkunftsland, das eine solche Regelung erlassen hat, tatsächlich verhängt wird (vgl. zum Ganzen VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0395; VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0350).

Entscheidend ist, ob der Fremde bei weiterer Ausübung seines (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden. Ob die Konversion bereits - durch die Taufe - erfolgte oder bloß beabsichtigt ist, ist nicht entscheidend (vgl. etwa VwGH 11.11.2009, 2008/23/0721, mwN).

3.3.2. Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist es aufgrund des festgestellten Sachverhaltes (gemäß § 3 Abs. 1 AsylG) glaubhaft, dass dem Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat Iran Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK droht.

3.3.2.1. Im Fall des Beschwerdeführers ist - wie sich aus dem festgestellten Sachverhalt und der Beweiswürdigung ergibt - davon auszugehen, dass seine Abkehr vom Islam bzw. die Zuwendung zum christlichen Glauben aus einem inneren Entschluss des Beschwerdeführers erfolgt ist und dass der Beschwerdeführer nach seiner inneren christlichen Überzeugung lebt, wobei er seine Konversion bzw. nunmehrige Glaubensüberzeugung öffentlich gemacht hat und durch seine rege kirchliche, auch missionarische, Aktivitäten offen auslebt, was er (auch im Iran) fortsetzen will.

Ausgehend davon ergibt sich in Verbindung mit den getroffenen Feststellungen zur Situation im Iran, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr in den Iran mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit dem Vorwurf, vom Islam abgefallen zu sein (Apostasie), oder andere Delikte (wie "Waffenaufnahme gegen Gott", "Gefährdung der nationalen Sicherheit", "Organisation von Hauskirchen" oder "Beleidigung des Heiligen") begangen zu haben, konfrontiert wäre.

Apostasie bzw. Konversion kann den Sachverhaltsfeststellungen zufolge im Iran sowohl staatliche (strafrechtliche) als auch nichtstaatliche (gesellschaftliche) Verfolgung seitens konservativ-religiöser Personen, etwa auch Familienangehöriger, nach sich ziehen.

Da es Ausdruck des inneren Entschlusses des Beschwerdeführers ist, nach dem christlichen Glauben zu leben, und der Beschwerdeführer seine christliche Überzeugung in Österreich auch offen auslebt, ist es dem Beschwerdeführer nicht zumutbar, seinen Glauben in Form eines Widerrufs im Falle einer Rückkehr in den Iran zu leugnen und von seinen religiösen Betätigungen abzusehen. Darüber hinaus kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass ein solcher bzw. solche dauerhaft geheim bleibt bzw. bleiben.

3.3.2.2. Vor dem Hintergrund der in der iranischen Gesellschaft bestehenden religiösen Traditionen sowie der Intoleranz und der Handlungsweise gegenüber religiösen Minderheiten, insbesondere aber Konvertiten gegenüber, die mit erheblichen Widerständen, gesellschaftlicher/familiärer Ausgrenzung und aktiver Denunziation bei den Sicherheitskräften rechnen müssen, ist angesichts der Konversion des Beschwerdeführers bzw. seiner konkreten Religionsausübung anzunehmen, dass er ins Visier der konservativ-religiösen iranischen Gesellschaft und in - die Intensität von Verfolgung erreichender - Konflikte mit dieser geraten wird. Diese nichtstaatliche Verfolgungsgefahr ist im Fall des Beschwerdeführers dadurch erhöht, dass er einer strengreligiösen Familie entstammt bzw. dass sein strengreligiöser Vater den familiären Ausschluss des Beschwerdeführers bereits vollzogen und eine Anzeige bei den iranischen Behörden angedroht hat. Es ist nicht davon auszugehen, dass der iranische Staat - sofern er nicht selbst wegen Konversion verfolgt - willens Lage wäre, Individuen, die von Seiten nichtstaatlicher Akteure wegen des Vorwurfs der Apostasie bzw. Konversion bedroht werden, ausreichend Schutz zu gewähren. Fallbezogen ist daher mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer angesichts des ihn treffenden Verfolgungsrisikos keinen ausreichenden Schutz im Herkunftsstaat finden kann.

3.3.2.3. Die staatliche (strafrechtliche) Verfolgungsgefahr ist im Beschwerdefall zu bejahen, weil im Hinblick auf die persönlichen Umstände des Beschwerdeführers vernünftigerweise anzunehmen ist, dass er als überzeugter Christ/Konvertit sein - unter anderem durch rege kirchliche, insbesondere auch missionarische, Aktivitäten öffentlich gemachtes bzw. offen ausgelebtes - christliches Bekenntnis im Fall der Rückkehr in den Iran beibehalten und seine Aktivitäten fortsetzen wird. Daraus folgt, dass der Beschwerdeführer seinen Glauben im Iran in einer Art und Weise (weiter) kundtun und religiöse Betätigungen (weiter) vornehmen wird, die von den iranischen Behörden nur als Bedrohung (der staatlichen/politischen/religiösen Ordnung) aufgefasst werden können (vgl. auch die Feststellungen, wonach Konversion als politische Aktivität angesehen und als Angelegenheit der nationalen Sicherheit behandelt wird). Dies setzt den Beschwerdeführer der tatsächlichen Gefahr aus, aufgrund der Ausübung der Religionsfreiheit in das Blickfeld der iranischen Behörden zu geraten und in seinem Herkunftsstaat von Verfolgungshandlungen seitens des iranischen Staates betroffen zu sein.

3.3.2.4. Dass bei den dem Beschwerdeführer drohenden gravierenden Menschenrechtsverletzungen (rechtswidrige oder willkürliche Festnahmen und Tötungen; Verschwindenlassen und Folter; Haftstrafen unter harten und lebensbedrohlichen Haftbedingungen; Körperstrafen bis hin zur Todesstrafe) die Intensität der Verfolgungshandlung zu bejahen ist, bedarf keiner weiteren Erörterung.

3.3.2.5. Die für die Asylanerkennung geforderte "maßgebliche Wahrscheinlichkeit" der Verfolgung im Sinn der oben angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes liegt vor. Es besteht ein erhebliches Verfolgungsrisiko im Hinblick auf die persönliche Sicherheit und physische Integrität des Beschwerdeführers. Das glaubwürdige Vorbringen des Beschwerdeführers ist angesichts der aktuellen Verhältnisse im Herkunftsstaat zur Dartuung einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung bzw. der Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat jedenfalls geeignet, da sich daraus konkrete, überzeugende Hinweise ergeben, dass er (nicht nur möglicherweise, sondern) mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit aus den dargelegten Gründen von Verfolgungshandlungen im Herkunftsstaat betroffen ist. Die im Entscheidungszeitpunkt zu erstellende Prognose über die Situation des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat ergibt, dass er gegenwärtig mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen erheblicher Intensität im Iran rechnen muss.

3.3.2.6. Die dem Beschwerdeführer drohende (staatliche) Verfolgung knüpft unzweifelhaft an den Konventionsgrund "Religion", aber aufgrund der Verquickung von Staat und Religion, wie dies im Iran der Fall ist, auch an den Konventionsgrund der "politischen Gesinnung" an.

3.3.2.7. Im Fall des Beschwerdeführers sprechen - unter Einbeziehung der allgemeinen Situation im Iran - somit konkrete, substantielle Anhaltspunkte für das Vorliegen einer aktuellen, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit vorliegenden Gefahr der Verfolgung konkret für den Beschwerdeführer. Die Furcht des Beschwerdeführers vor einer Verfolgung im Herkunftsstaat ist daher als "wohlbegründet" im Sinn der GFK anzusehen.

3.3.3. E

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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