TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/27 W274 2188563-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.02.2020
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Entscheidungsdatum

27.02.2020

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W274 2188563-1/21E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch Mag. Karl LUGHOFER als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , iranische Staatsbürgerin, XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 05.02.2018, Zl. 1094010408-151730310/BMI-BFA_STM_Ast, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung zu Recht:

Der Beschwerde wird Folge gegeben und XXXX gem. § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit Kraft des Gesetzes Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Die Beschwerdeführerin (BF) beantragte am 09.11.2015 vor der Polizeiinspektion Hauptbahnhof Graz internationalen Schutz. Im Rahmen ihrer Erstbefragung am selben Tag gab sie zusammengefasst an, sie sei Lehrerin im Iran gewesen und habe in den höheren Klassen den Schülern auch gesagt, sie sollten mal die Bibel lesen, damit sie den Unterschied sehen. Sie habe ihnen auch gesagt, dass es im Christentum keine feindlichen Aussagen gäbe im Vergleich zum Islam. Irgendwann habe sie ihrer besten Freundin gebeichtet, dass sie Christin sei. Vermutlich habe diese das weitergeleitet. Danach habe sie einen Brief bekommen, wonach man wisse, dass sie das Christentum verbreite. Sie habe sich umgehend beim iranischen Geheimdienst melden sollen. Bevor sie den Brief erhalten habe, habe man ihr gesagt, sie solle aufhören. Als sie den Brief erhalten habe, habe sie gewusst, dass sie keine Chance mehr habe im Iran.

Im Rahmen der Einvernahme vor dem BFA am 19.12.2017 gab sie zusammengefasst an, sie habe mehrere Reisen nach Armenien unternommen und immer wieder Schriften und Bücher bzgl. des Christentums aus Armenien mitgenommen. Seit ca. 2010/2011 habe sie Kurse, bei denen sich Leute getroffen haben, organisiert. Eine Freundin habe sie bei ihrer Dienststelle verraten. Es seien dann Leute in zivil in die Wohnung gekommen und hätten Schriftstücke sowie ihre Tochter mitgenommen. Sie habe sich dann versteckt und sei ausgereist.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies das BFA den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten sowie einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran ab (Spruchpunkte I. und II.), erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.), stellte fest, dass die Abschiebung in den Iran zulässig sei (Spruchpunkt V.) und bestimmte eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.). Begründend wurde zunächst festgestellt, die BF sei christlichen Glaubens (S 7), in der Folge wurde beweiswürdigend aber ausgeführt, dass die BF dem Christentum angehöre, habe sie nicht glaubhaft machen können (Bescheid S 76). Sie habe weder glaubhaft machen können, sich bereits im Iran für das Christentum interessiert zu haben, noch glaubhaft eine Konversion als Nachfluchtgrund darlegen können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die - mit jener der Tochter der BF, XXXX (h.g. 2188566) verbundene - Beschwerde mit dem primären Antrag, den Bescheid zu beheben und der BF den Status der Asylberechtigten zuzuerkennen.

Am 04.06.2019 fand eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in der die BF als Partei sowie deren Tochter XXXX als Zeugin einvernommen wurde und weitere Urkunden vorgelegt wurden.

Am 05.06.2019 fand eine weitere öffentliche mündliche Verhandlung statt, in der der Akt 2188566 (betreffend XXXX , geb. XXXX ) verlesen wurde.

Die Beschwerde ist im Ergebnis berechtigt:

Aufgrund der bisherigen Verfahrensergebnisse im Zusammenhalt mit den Ergebnissen der mündlichen Verhandlung vor Gericht steht nachfolgender Sachverhalt fest:

Die Situation im Iran stellt sich derzeit wie folgt dar:

Allgemeine Lage:

Iran ist eine islamische Republik mit etwa 80 Millionen Einwohnern. Staatsoberhaupt und Revolutionsführer ist Ayatollah Seyed Als Khamene-i, Präsident seit 2013 Hassan Rohani. Dem Staatsoberhaupt unterstehen u.a. die Revolutionsgarden (Pasdaran) und die mehrere Millionen Mitglieder umfassenden Basij-Milizen. Islamische und demokratische Elemente bestehen nebeneinander. Eine demokratische Verfassung im europäischen Sinn besteht nicht. Die allgemeine Sicherheitslage ist mit Ausnahme der Provinzen Sistan-Belutschistan, Kurdistan und West-Aserbaidschan, in denen es immer wieder zu Konflikten zwischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppen und Anschlägen gegen die Sicherheitskräfte kommt, ruhig, wobei latente Spannungen bestehen. Die verfassungsrechtlich festgeschriebene Unabhängigkeit der Justiz unterliegt Begrenzungen. Vor allem der Sicherheitsapparat nimmt in Einzelfällen massiven Einfluss auf die Urteilsfindung. Allgemein erfüllen Gerichtsverfahren internationale Standards nicht. Obwohl nach der Verfassung primär kodifiziertes Recht anzuwenden ist, kann im Zweifelsfall nach der iranischen Verfassung die Scharia vorrangig angewandt werden. Nach wie vor werden Körperstrafen und Todesstrafe angewandt. Es kommt immer wieder zu willkürlichen Verhaftungen, insbesondere im Zusammenhang mit politischer Überzeugung. Basij-Kräfte sind eine freiwillige paramilitärische Gruppierung, die oft bei der Unterdrückung von Oppositionellen oder der Einschüchterung von Zivilisten, die den strikten Moralkodex nicht befolgen, involviert sind. Die Revolutionsgarden (Sepah-e Pasadaran-e Enghelab-e Islami - IRGC) sind herausragend im Sicherheitasapparat, sie sind eine Parallelarmee und haben Wirtschaft, Politik und Verwaltung durchsetzt. Sie verfügen über eigene Gefängnisse. Mit willkürlichen Verhaftungen muß im Iran gerechnet werden. Auffälliges Hören von (westlicher) Musik, die Äußerung einer eigenen Meinung zum Islam, gemeinsame Autofahrten junger nicht verheirateter Männer und Frauen, gemischtgeschlechtliche Partys oder das Verstoßen gegen Bekleidungsvorschriften kann den Unmut zufällig anwesender Basijs bzw mit diesen sympathisierender Personen hervorrufen. Es kann auch zu einem Verprügeln durch Basij kommen. Die genaue Überwachungskapazität der iranischen Behörden ist unbekannt.

Die Justizbehörden verhängten und verhängen weiterhin grausame und unmenschliche Strafen (zB. Peitschenhiebe, Amputationen). Die Todesstrafe steht auf Mord, Sexualdelikte, gemeinschaftlichen Raub, wiederholten schweren Diebstahl, Drogenschmuggel, schwerwiegende Verbrechen gegen die Staatssicherheit, Abfall vom islamischen Glauben und homosexuelle Handlungen. Der Häufigkeit nach wird sie primär bei Mord und Sexualdelikten angewandt. Der Anteil öffentlich vollstreckter Hinrichtungen ist 2018 auf knapp 3% gesunken. Über erfolgte Hinrichtungen wird nicht öffentlich informiert.

Religionsfreiheit, Situation von Christen und Konversion:

99% der Bevölkerung gehören dem Islam (Staatsreligion) an. Etwa 90% der Bevölkerung sind Schiiten, ca. 9% Sunniten, der Rest Christen, Juden, Zorostrier, Baha-i, Sufis und kleinere religiöse Gruppen. Die in Art. 13 der iranischen Verfassung anerkannten "Buchreligionen" (Christen, Juden, Zoroastrier) dürfen ihren Glauben relativ frei ausüben. In Fragen des Ehe-und Familienrechts genießen sie verfassungsrechtlich Autonomie. Etwa 100.000 bis 300.000 - vornehmlich armenische - Christen leben im Iran, hauptsächlich in Teheran und Isfahan. Ihnen stehen zwei der 290 Parlamentssitze zu. Die Mehrheit der iranischen Christen ist den ethnischen Christen zuzuordnen (armenische, assyrische und chaldäische). Die nicht-ethnischen Christen gehören hauptsächlich der katholischen und protestantischen Kirche an und haben ihren Ursprung in der Zeit des Schah-Regimes. Jegliche Missionstätigkeit kann als "mohareb" (Krieg gegen Gott) verfolgt und mit dem Tod bestraft werden. Ihre Vertreter unterliegen Beschränkungen beim Zugang von höheren Staatsämtern. Anerkannte religiöse Minderheiten - Zoroastrier, Juden, armenische und assyrische Christen - werden diskriminiert, nicht anerkannte nicht-schiitische Gruppen (Bahá'í, konvertierte evangelikale Christen, Sufi, Atheisten) in unterschiedlichem Grad verfolgt. Sunniten werden v.a. beim beruflichen Aufstieg diskriminiert. Anerkannte religiöse Minderheiten sind in ihrer Glaubensausübung nur geringen Einschränkungen unterworfen (religiöse Aktivitäten sind nur in den jeweiligen Gotteshäusern und Gemeindezentren erlaubt, christliche Gottesdienste in Farsi sowie missionarische Tätigkeiten sind verboten).

Das Recht, eine Religion zu wechseln oder aufzugeben, wird weiterhin verletzt. Personen, die zum Christentum übergetreten waren, erhielten hohe Gefängnisstrafen (10 bis 15 Jahre). Es gab weiterhin Razzien in Hauskirchen. Personen, die sich zum Atheismus bekannten, konnten jederzeit willkürlich festgenommen, inhaftiert, gefoltert und misshandelt werden. Sie liefen Gefahr, wegen "Apostasie" (Abfall vom Glauben) zum Tode verurteilt zu werden. Unter besonderer Beobachtung stehen hauskirchliche Vereinigungen, deren Versammlungen regelmäßig aufgelöst und deren Angehörige gelegentlich festgenommen werden. Muslimische Konvertiten und Mitglieder protestantischer Freikirchen sind willkürlichen Verhaftungen und Schikanen ausgesetzt. 2016 sollen 198 Gefangene wegen "Feindschaft gegen Gott", 31 wegen "Beleidigung des Islam" und 12 wegen "Korruption auf Erden" inhaftiert gewesen sein. Laut der Gefangenenliste von Open Doors mit Stand September 2017 befanden sich 56 Christen in Haft, fünf wurden freigelassen, 13 wurden auf Kaution freigelassen und zehn mit dem Verbot das Land zu verlassen freigelassen.

Apostasie (Abtrünnigkeit vom Islam) ist verboten und mit langen Haftstrafen bis zur Todesstrafe bedroht. Im iranischen Strafgesetzbuch ist der Tatbestand zwar nicht definiert, die Verfassung sieht aber vor, dass die Gerichte in Abwesenheit einer definitiven Regelung entsprechend der islamischen Jurisprudenz zu entscheiden haben. Dabei folgen die Richter im Regelfall einer sehr strengen Auslegung auf Basis der Ansicht von konservativen Geistlichen wie Staatsgründer Ayatollah Khomenei, der für die Abkehr vom Islam die Todesstrafe verlangte. Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel "moharebeh" ("Waffenaufnahme gegen Gott"), Verdorbenheit auf Erden, oder "Handlungen gegen die nationale Sicherheit". Bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie einer bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Christliche Konvertiten werden normalerweise nicht wegen Apostasie bestraft, sondern solche Fälle als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit angesehen und vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Für Konversion wurde in den letzten zehn Jahren keine Todesstrafe ausgesprochen. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt. Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf.

Es kann zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass auch ein im Ausland Konvertierter in Iran wegen Apostasie verfolgt wird. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Es wird diesbezüglich von familiärer Ausgrenzung berichtet sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden. In Familien eines öffentlich Bediensteten oder eines Polizisten wird die Konversion als Familienmitglied als heikel eingeschätzt, wobei es sein kann, dass der Konvertit aus der Familie verbannt oder den Behörden gemeldet wird, um die Arbeit des Amtsträgers nicht zu beeinträchtigen. Die Schließungen der "Assembly of God" Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen. Deren Anzahl steigt. Es ist schwierig diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind. Sie werden teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren. Diese organisieren sich daher in kleinen und mobilen Gruppen. Wenn Behörden Informationen bezüglich einer Hauskirche bekommen, wird ein Überwachungsprozess in Gang gesetzt. Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online-Aktivitäten ist weitverbreitet. In den letzten Jahren gab es mehrere Razzien in Hauskirchen und Anführer und Mitglieder wurden verhaftet. Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die abnormale Aktivitäten um ein Haus bemerken. Ansonsten haben die Behörden kaum Möglichkeiten, eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind. Organisatoren von Hauskirchen können sich dem Risiko ausgesetzt sehen, wegen "Verbrechen gegen Gott" angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hätte. Nicht verlässlich bekannt ist, ob nur Anführer oder auch einfache Mitglieder verfolgt werden. Primär zielen die Behörden auf Anführer der Hauskirchen ab. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird normalerweise nach 24 Stunden wieder freigelassen. Die typische Vorgehensweise gegen eine Hauskirche ist, dass der Anführer der Hauskirche verhaftet und wieder freigelassen wird, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten und ob er/sie auch im Ausland bekannt ist, ab. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder Unterricht anderer Personen im Glauben, kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen.

Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, sind für die Behörden mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht von Interesse. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, ist eine Rückkehr nach Iran kein Problem. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen, einschließlich Facebook berichtet, können die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Wenn der Konvertit kein "high-profile"-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, ist nicht von einer harschen Bestrafung auszugehen. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein wird nicht zu einer Verfolgung führen. Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, steht nicht fest.

Rückkehr:

Allein der Umstand, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, löst bei der Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus. In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Trotzdem kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen. Bisher wurde kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, können von den iranischen Auslandsvertretungen ein Passersatzpapier bekommen und nach Iran zurückkehren. In Einzelfällen konnte im Falle von Rückkehrern aus Deutschland festgestellt werden, dass diese bei niederschwelligem Verhalten und Abstandnahme von politischen Aktivitäten, mit Ausnahme von Einvernahmen durch die iranischen Behörden unmittelbar nach der Einreise, keine Repressalien zu gewärtigen hatten. Für die Rückkehr nach Iran braucht man eine offizielle Erlaubnis des iranischen Staates. Die Rückkehr wird mit den Behörden von Fall zu Fall verhandelt. Iraner, die im Ausland leben, sich dort öffentlich regimekritisch äußern und dann nach Iran zurückkehren, können von Repressionen bedroht sein (auszugsweise Wiedergabe des Länderinformationsblatts der Staatendokumentation Iran, Gesamtaktualisierung am 14.06.2019, unter Bezugnahme auf die dort genannten Quellen).

Die aus einem Ort nahe Mashhad stammende, am XXXX geborene BF studierte in Karaj Erziehungswissenschaft und war sodann Lehrerin in einer Elementarschule. Sie erlangte auch eine psychologische Ausbildung und betätigte sich auch privat als psychologische Beraterin. Sie war mit einem als Autohändler tätigen Mann bis 2011 verheiratet. Die Ehe wurde am 11.04.2011 geschieden. Der Ehe entstammen die am XXXX geborene XXXX und der etwa 1992 geborene Sohn XXXX . Die Eltern der BF sind Muslime, schiitische Richtung. Ihre Jugend hielt sich die BF an die muslimischen Gebote, betete, fastete und besuchte die große Moschee in Mashhad. Nicht festgestellt werden konnte, dass die BF bereits vor 2010 Kontakt mit einer befreundeten Nachbarin armenischer Abstammung hatte, und Bibel las. Nicht festegestellt werden konnte weiters, dass die BF eine Bibel in Farsi zu Hause hatte, ab 2010 oder 2011 in ihrer Wohnung in Karaj monatliche Treffen bei ihr zu Hause organisierte (insgesamt etwa 50), zu denen sie Freundinnen und Arbeitskolleginnen einlud. statt. Ebensowenig konnte festgestellt werden, dass man dabei auf eine Internetseite "Persian Catholic" stieß, auf der man mit einem katholischen Prediger in der Türkei kommunizieren, insbesondere ihm Fragen stellen konnte, dass über Ersuchen der BF ihre Tochter ihre Mutter insbesondere dadurch unterstützte, dass sie für die Treffen Seiten der Bibel vervielfältigte und dass teilweise die Tochter an diesen Treffen teilnahm. Nicht festgestellt werden konnte weiters, dass die BF zwischen 2011 und 2015 drei Mal zu armenischen Freunden nach Jerewan fuhr, wo sie sich auch für christliche Kirchen interessierte, im speziellen, ob man in Armenien eine katholische Taufe empfangen könne. Nicht festgestellt werden konnte weiters, dass es zur Ermahnung der BF durch den Schulleiter kam, nicht über christliche Dinge mit den Schülern zu sprechen. Letztlich konnte auch nicht festgestellt werden, dass die BF etwa einen Monat vor ihrer Ausreise aus dem Iran einen Anruf vom Sicherheitsdienst Etelaat bekam, dorthin zu kommen, sie sich sodann zu einer Freundin begab, kurz danach fünf Zivilpersonen die Wohnung durchsuchten, die Tochter XXXX für etwa 10 Stunden mit auf die Dienststelle nahmen und versuchten, den Aufenthaltsort der Mutter zu erfahren, ebenso christliche Materialien und einen Lapto. XXXX .

Azar verließ etwa Anfang Oktober 2015 den Iran und reiste - über die "Balkanroute" - ohne gültige Reisedokumente Anfang November 2015 in Österreich ein. Seit Beginn nahm sie Aufenthalt in einer Flüchtlingspension in Wenigzell, einer kleinen Ortschaft nahe Vorau bzw. Mürzzuschlag. Es fand dort rasch eine Integration in der römisch-katholischen Pfarre Vorau-Wenigzell-St.Jakob/Walde statt. Sie besuchte Deutschkurse und die üblichen Integrationskurse. Sie betätigte sich mehrfach unentgeltlich als Übersetzerin bei Arzt- und Behördenwegen von Asylwerbern, ebenso als Dolmetscherin und Vertrauensperson. Weiters betätigte sie sich als Deutschlehrerin und Hilfestellerin bei Hausaufgaben von Kindern von Asylwerbern (insbesondere Beilagen ./A sowie PV der BF). Die BF gelangte in Betreuung des Instituts St. Justinus, "Werk der Erstverkündigung", geleitet von Seelsorger und Rektor XXXX , womit am 01.Mai 2016 eine Aufnahme in das Katechumenat der katholischen Kirche verbunden war (AS 43). Im Rahmen dessen nahm die BF über etwas über zwei Jahrelang drei Mal monatlich an Katechumenatskursen in der Lazaristenpfarre in Wien teil, zu denen sie durch von der Kirche finanzierte Reisen mit öffentlichen Verkehrsmitteln gelangte. Die BF wurde am 10.06.2017 von XXXX in Heiligenkreuz getauft und gleichzeitig gefirmt (Taufschein OZ 8). Am 21.12.2017 wurde der BF vom Land Steiermark bescheinigt, dass sie ihren Austritt aus der islamischen Glaubensgemeinschaft angezeigt habe. Als Taufpatin für die BF fungierte XXXX .

Die BF hat zwischenzeitlich derart den christlichen Glauben angenommen, dass sie auch bei geänderten Verhältnissen, wie einer Rückkehr in den Iran, das Bedürfnis hätte, diesen innerlich und äußerlich auszuleben. Sie ist in diesem Sinne innerlich konvertiert.

Die BF ist in Grundversorgung und hat Deutschkurse bis zum Niveau BF1 besucht, wobei es ihr nicht gelang, die BF1-Prüfung beim ersten Mal erfolgreich zu absolvieren. Sie hat den Austritt aus der islamischen Glaubensgemeinschaft erklärt und ist in Österreich strafrechtlich unbescholten (Strafregisterauskunft vom 26.2.2020.

Beweiswürdigung:

An Beweismitteln liegen die Aussagen der BF im Rahmen ihrer Erstbefragung, vor dem BFA sowie ein ausführliches Protokoll vor Gericht sowie jene der Tochter XXXX in deren - hier verlesenem - Akt sowie als Zeugin in diesem Verfahren, weiters die Taufurkunde, Bescheinigungen des Pfarrers der Pfarre Vorau-Wenigzell-St.Jakob, XXXX , der Taufpatin XXXX , des Instituts St. Justinus und zahlreiche Integrationsunterlagen vor.

Nicht zur Gänze klärbar war das Verhältnis der BF zu ihrer Tochter, die etwa ein halbes Jahr später nach Österreich gereist ist, zwar mit der BF in Kontakt steht, aber von ihr räumlich getrennt lebt. Die BF erklärte dies zwar durchaus nachvollziehbar damit, dass die Tochter kein Interesse an einem Aufenthaltsort in Wenigzell, einer kleinen Gemeinde weitab größerer Städte, hatte. Andererseits gab die BF zunächst an, wegen ihrer Mutter nach Österreich gekommen zu sein (EB Akt XXXX sowie deren Befragung am 22.7.2016, S 6).

Zur mangelnden Glaubhaftigkeit der christlichen Aktivitäten der BF im Iran:

Die BF gab im Rahmen der Erstbefragung durchaus ausführlich und individuell als Fluchtgrund an, im Rahmen des Unterrichts die größeren Kinder aufgefordert zu haben, auch mal die Bibel zu lesen. Irgendwann habe sie ihrer besten Freundin gebeichtet, Christin zu sein. Vermutlich habe diese das weitergeleitet. Dann habe sie einen Brief vom iranischen Geheimdienst bekommen, sich dort zu melden. Sie habe dann gewußt, keine Chance mehr zu haben, weiter im Iran zu leben. Sie erwähnte nichts von Aufenthalten in Armenien und gab an, nie einen Reisepass besessen zu haben.

Demgegenüber gab sie vor dem BFA am 19.12.2017 an, mehrere Reisen nach Armenien gemacht zu haben, von dort Schriften und Bücher in den Iran mitgenommen zu haben und Treffen in ihrer Wohnung organisiert zu haben.

Vor Gericht gab die BF erstmals an, über Skype bei den Treffen von einem "christlichen Lehrer" in der Türkei unterrichtet worden zu sein, sie habe sich in Armenien taufen lassen wollen und sei dort von Personen der iranischen Botschaft bedroht worden. Sie habe einen Anruf bekommen, zu Etelaat zu kommen und sich dann versteckt. Über Frage, wie die Behörden auf sie aufmerksam geworden seien, gab sie an, sie habe mit ihren Kollegen und Nachbarn darüber gesprochen, vielleicht sei es jemand von diesen oder ihr Mann gewesen, sie wisse es nicht. Sie habe mehrere "beste Freundinnen. Laut Beschwerde habe die Gruppe von einem armenischen Geistlichen Unterricht erhalten.

Es ist nicht nachvollziehbar, wenn die BF als um die Kinder besorgte Lehrerin diese aufgefordert hätte, "auch mal die Bibel zu lesen", zumal diese im Iran offiziell ja gar nicht verfügbar ist und dies die ihr anvertrauten Kinder wohl gefährden würde. Weiters steht die dezidierte Angabe, sie habe ihrer besten Freundin "gebeichtet", Christin zu sein, vermutlich habe diese das weitergeleitet, im Gegensatz zu den späteren diesbezüglich sehr vagen Angaben. Sollte die BF tatsächlich mehrmals in Armenien gewesen sein, weshalb sollte sie dies im Rahmen ihrer Erstbefragung nicht erwähnt haben? Sie gab dort an, nie über einen Reisepass verfügt zu haben. Auch die die mehrfachen Reisen nach Armenien, um dort die Taufe zu erlangen und "christliche Materialen" in den Iran zu bringen, wurden angesichts des Gesamtkontexts der Schilderungen nicht nachvollziehbar.

Demgegenüber gelang es der BF, offenbar als Einzelperson, in einem kleinen Ort weitab eine stabile Beziehung zu einer katholischen Pfarrgemeinde aufzubauen. Unbedenklich werden ihr ehrenamtliche Hilfestellungen im Bereich der Flüchtlingsbetreuung über einen langen Zeitraum bescheinigt. Das Institut Justinus, kirchlich anerkanntes Werk der Erstverkündigung, bescheinigte der BF bereits im Mai 2016 eine Mitgliedschaft zur römisch-katholischen Kirche. Schon der Umstand, dass sie nach langer Katechumenatszeit (über ein Jahr), in der sie über einen langen Zeitraum hindurch weite Fahrten von Wenigzell nach Wien auf sich nahm, getauft wurde, somit eine lange "Beobachtungszeit" durch unterschiedliche Organe der katholischen Kirche (Pfarrer von Wenigzell, Institut Justinus) sowie Mitglieder der Pfarre Wenigzell bestand, spricht für eine glaubhafte innere Hinwendung zum Christentum. Im Rahmen der diesbezüglichen Befragung der BF bei Gericht bestätigte sich dieser Eindruck, als sie zwei für ihre Lebenssituation durchaus passende Bibelstellen inhaltlich breit schilderte, einerseits die Geschichte von Hiob (genannt Jakob, eine Übersetzungsproblematik erscheint diesbezüglich durchaus nachvollziehbar), andererseits die Bergpredigt. Dass diesbezüglich das Buch Exodus genannt wurde, hat für die Glaubhaftigkeit der inhaltlich richtig dargestellten Geschichte von Hiob keine große Bedeutung.

Im Hinblick auf den langen Zeitraum, die Bescheinigung durchaus glaubwürdiger Institutionen, die lange ehrenamtliche Tätigkeit zum Wohle anderer, der persönliche Eindruck vor Gericht und der untadelige Lebenswandel machen eine innere Konversion jedenfalls in Österreich glaubhaft.

Der Umstand, dass zwischenzeitlich eine wesentlich verbreitete Beweisgrundlage vorliegt, macht eine detaillierte Auseinandersetzung mit der Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht erforderlich. Die BF zeigt aber zurecht auf, dass die beweiswürdigenden Ausführungen, die BF habe nicht glaubhaft gemacht, dem Christentum anzugehören, einen unüberbrückbaren Gegensatz zur Feststellung auf Seite 7 bedeutet, die BF sei "christlichen Glaubens". Insofern ist der Bescheid in einem wesentlichen Punkt widersprüchlich. Auch die beweiswürdigenden Erwägungen der belangten Behörde auf Seite 76 ff. erweisen sich keineswegs als zwingend. Es ist nicht ersichtlich, dass die BF nach ihrem letzten Kirchenbesuch gefragt wurde. Die sich darauf beziehenden Ausführungen auf Seite 78, 2. Absatz sind daher aus dem Akt nicht nachvollziehbar. Auch die Prämisse, dass einer innerlichen Zuwendung zu einer Religion eine gezielte Auseinandersetzung mit christlichen Glaubensgemeinschaften vorangehen muss, ist keineswegs zwingend. Als Unterstellung muss die Ausführung der belangten Behörde qualifiziert werden, die BF habe sich rudimentäres Wissen bewusst angeeignet, um den Eindruck entstehen zu lassen und Interesse am Glauben zu haben. Wenn zur Begründung dieser Annahme ausgeführt wird, die BF habe nicht korrekt angeben können, welches das höchste Fest der Christen sei, sondern alle drei wichtigen Fest genannt, ist die belangte Behörde darauf zu verweisen, dass die BF lediglich danach gefragt wurde, welche Feiertag die Kirche kennt und darauf geantwortet hat, Ostern, Pfingsten und die Geburt Jesus Christi. Insofern wurden aktenwidrige Überlegungen der Beweiswürdigung zugrunde gelegt.

Zutreffend zeigt die BF auch auf, dass offenbar ein fallfremder Textbaustein in das Vernehmungsprotokoll vor dem BFA kopiert wurde (dort S 6 der nach dem Protokoll sehr kurzen Vernehmung, deren Endzeit nicht angeführt ist. Aus der Beweiswürdigung der belangten Behörde sind daher keine Gründe ersichtlich, die gegen die Glaubhaftigkeit der zwischenzeitlich glaubhaften inneren Konversion der BF sprechen.

Rechtlich folgt:

Gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Gemäß Abs 2 kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Heimatstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).

Gemäß Abs 3 ist der Antrag abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative offen steht oder ein Asylausschlussgrund gesetzt wurde.

Gemäß § 2 Abs 1 Z 11 und 12 ist Verfolgung jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art 9 Statusrichtline, Verfolgungsgrund ein in Art 10 Statusrichtlinie genannter Grund.

Nach Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Nach Art 9 der Statusrichtlinie (2011/95/EU) muss eine Verfolgungshandlung iSd Genfer Flüchtlingskonvention aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sein, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellt oder in einer Kulminierung unterschiedlicher Maßnahmen bestehen, die so gravierend sind, dass eine Person davon in ähnlicher Weise betroffen ist.

Unter anderem können als Verfolgung folgende Handlungen gelten:

Anwendung physischer oder psychischer, einschließlich sexueller Gewalt,

gesetzliche, administrative, polizeiliche und/oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder diskriminierend angewandt werden,

unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,

Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,

Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter den Anwendungsbereich des Art 12 Abs 2 fallen und

Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

Der Begriff der Religion umfasst nach Art 10 insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme bzw Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind. Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob der Antragsteller tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.

Der VwGH hat sich mehrfach mit drohender Verfolgung von zum christlichen Glauben konvertierten Muslimen im Iran befasst (zB Erkenntnis vom 19.12.2001, 2000/20/0369; Ra 2014/01/0117). Danach kommt es darauf an, ob der Asylwerber bei weiterer Ausführung des inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, aus diesem Grund mit einer die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktion belegt zu werden. Feststellungen zu behaupteten aktuell bestehenden Glaubensüberzeugung sind im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von - allfälligen - Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln (Erkenntnis des VwGH vom 23.6.2015, Ra 2014/01/0117 mwN).

Zwar konnte der behauptete Fluchtgrund nicht festgestellt werden. Festgestellt werden konnte aber, dass die BF im Sinn eines Nachfluchtgrundes in einem über 4 Jahre dauernden Zeitraum in Österreich innerlich zum Christentum konvertiert ist, wodurch dieser in Österreich Asyl zukommt. Aufgrund dieser inneren Konversion ist es durchaus glaubhaft, dass der BF im Falle einer Rückkehr in den Heimatstaat bei zuzubilligender weiterer Auslebung ihres Glaubens Verfolgungsgefahr droht. Im Fall einer Rückkehr in den Iran könnte sie als nicht geborene Christin keinerlei der jetzigen Glaubensbetätigung entsprechende Ausübung des christlichen Glaubens vornehmen, ohne mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit von im Rahmen des Artikel 1, Abschnitt A, Ziffer 2 der Genfer Flüchtlingskonvention relevanten Verfolgungsmaßnahmen betroffen zu sein. Im Falle der Glaubensbetätigung in der Öffentlichkeit, wie etwa der Teilnahme an öffentlichen Gottesdiensten oder Gebeten in Gemeinschaft mit anderen oder letztlich im Falle des Versuches, andere vom Christentum zu überzeugen, würde sich die BF einer beachtlichen Gefahr staatlicher Willkürmaßnahmen aussetzen. Sie würde daher bei Rückkehr in ihr Heimatland Gefahr laufen, auf Grund ihrer Religionszugehörigkeit asylrelevant verfolgt zu werden.

Eine innerstaatliche Fluchtalternative ist auf Grund des Umstands, dass die Verfolgungssituation von nicht geborenen Christen im gesamten Staatsgebiet des Iran besteht, auszuschließen.

Da die BF daher den Flüchtlingsbegriff des Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 Genfer Flüchtlingskonvention erfüllt - es liegt ein Nachfluchtgrund iSd § 3 Abs 2 AsylG 2005 vor - und kein Ausschlussgrund gemäß § 6 AsylG 2005 hervorkam, war der Beschwerde Folge zu geben, dem BF der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen und gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 festzustellen, dass diesem kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Der Beschwerde kommt daher im Ergebnis Berechtigung zu.

Die Unzulässigkeit der Revision gründet auf Art 133 Abs 4 B-VG, wobei zur asylrechtlichen Bedeutung von Konversion allgemein und speziell bei Iranern bereits umfangreiche höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliegt und im Wesentlichen Umstände des Einzelfalls zu beurteilen waren.

Schlagworte

Asylgewährung asylrechtlich relevante Verfolgung Asylverfahren begründete Furcht vor Verfolgung Christentum Fluchtgründe Flüchtlingseigenschaft Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit Konversion mündliche Verhandlung Nachfluchtgründe religiöse Gründe Verfolgungsgefahr Verfolgungshandlung wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W274.2188563.1.00

Im RIS seit

24.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

24.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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