TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/5 W274 2221693-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.03.2020
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Entscheidungsdatum

05.03.2020

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W274 2221693-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch Mag. LUGHOFER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. 25.03.1995, iranischer Staatsbürger, XXXX , vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20/5, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Burgenland vom 21.06.2019, Zl. 1223289107-190285716/BMI/BFA_190285716/BMI/BFA_BGLD_RD, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird Folge gegeben und XXXX gem. § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gem. § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit Kraft des Gesetzes Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Dem BF wurde am 20.03.2019 um 02.50 Uhr in der Früh die Einreise von Österreich in die Bundesrepublik Deutschland verweigert (AS 49).

Der Beschwerdeführe (BF) stellte am 20.03.2019 vor dem Stadtpolizeikommando Wels (SPK PAZ) einen Antrag auf internationalen Schutz und brachte zum Fluchtgrund vor, er sei bei einer christlichen Gruppe gewesen, sie hätten sich von Zeit zu Zeit getroffen. Irgendwann sei der Polizeigeheimdienst zu ihm nach Hause gekommen, um ihn zu suchen. Ein Freund, der auch bei der Gruppe gewesen sei, sei vom Geheimdienst mitgenommen worden. Er habe seine Religion zum Christentum wechseln wollen und Angst gehabt, ins Gefängnis zu kommen oder getötet zu werden.

Der BF wurde erstmals am 22.03.2019 vor dem BFA vernommen, wiederholte dort im Wesentlichen seinen Fluchtgrund und führte ihn näher aus. Er habe über einen Zeitraum von etwa eineinhalb Monaten an christlichen Sitzungen teilgenommen. Er sei informiert worden, dass sein Freund festgenommen worden sei und habe zwei Tage danach den Iran verlassen.

Eine weitere Niederschrift mit dem BF erfolgte vor dem BFA am 18.04.2019. Der BF wiederholte auch hier seinen Fluchtgrund und gab an, sich in Österreich für den "katholischen Zweig" entschieden zu haben. Er beantwortete Fragen zu Bibel und Christentum.

Am 25.04.2019 gab der BF, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, eine schriftliche Stellungnahme ab.

Am 07.05.2019 erfolgte eine Anfrage des BFA an die Staatendokumentation mit folgenden Fragen:

- Wird die U-Bahn in Teheran von der SEPAH kontrolliert und gesteuert?

- Werden die Angestellten der Metro Teheran von der SEPAH unter Kontrolle gehalten?

- Gibt es in der Nejatullah-Straße in Teheran eine Hauskirche?

Eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation erfolgte am 27.05.2019.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich Asyl und Subsidiärschutz abgewiesen (Spruchpunkt I. und II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.), eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.), festgestellt, dass die Abschiebung in den Iran zulässig sei (Spruchpunkt V.) und eine Frist zur freiwilligen Ausreise gesetzt (Spruchpunkt VI). Begründend wurde im Wesentlichen festgestellt, die Identität des BF könne nicht festgestellt werden, ebensowenig habe festgestellt werden können, dass der BF einer konkreten persönlichen und individuellen Gefährdung oder Bedrohung im Iran ausgesetzt sei oder eine solche im Fall einer Rückkehr zu befürchten habe. Nicht festgestellt werden habe auch können, dass der BF im Iran aufgrund von Konversion zum Christentum individuell persönlich bedroht oder verfolgt worden sei bzw. aktuell bedroht oder verfolgt werde. Die erkennende Behörde komme klar und zweifelsfrei zum Schluss, dass bei Gesamtbetrachtung eine Scheinkonversion zwecks Erlangung eines internationalen Schutzstatus vorliege.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde des BF "wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem primären Antrag, dem BF Asyl zu zuerkennen".

Der BF legte zu mehreren Zeitpunkten Urkunden bzw. Bescheinigungen vor.

Am 02.03.2020 erfolgte eine mündliche Verhandlung vor Gericht, in der der BF sowie Pater XXXX (Angehöriger des Kalasantiner Ordens) als Zeuge vernommen sowie weitere Urkunden vorgelegt wurden.

Die Beschwerde ist im Ergebnis berechtigt:

Aufgrund des gesamten Akteninhalts in Zusammenhalt mit den Ergebnissen der mündlichen Verhandlung steht folgender Sachverhalt fest:

Die Situation im Iran stellt sich derzeit wie folgt dar:

Allgemeine Lage:

Iran ist eine islamische Republik mit etwa 80 Millionen Einwohnern. Staatsoberhaupt und Revolutionsführer ist Ayatollah Seyed Als Khamene-i, Präsident seit 2013 Hassan Rohani. Dem Staatsoberhaupt unterstehen u.a. die Revolutionsgarden (Pasdaran) und die mehrere Millionen Mitglieder umfassenden Basij-Milizen. Islamische und demokratische Elemente bestehen nebeneinander. Eine demokratische Verfassung im europäischen Sinn besteht nicht. Die allgemeine Sicherheitslage ist mit Ausnahme der Provinzen Sistan-Belutschistan, Kurdistan und West-Aserbaidschan, in denen es immer wieder zu Konflikten zwischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppen und Anschlägen gegen die Sicherheitskräfte kommt, ruhig, wobei latente Spannungen bestehen. Die verfassungsrechtlich festgeschriebene Unabhängigkeit der Justiz unterliegt Begrenzungen. Vor allem der Sicherheitsapparat nimmt in Einzelfällen massiven Einfluss auf die Urteilsfindung. Allgemein erfüllen Gerichtsverfahren internationale Standards nicht. Obwohl nach der Verfassung primär kodifiziertes Recht anzuwenden ist, kann im Zweifelsfall nach der iranischen Verfassung die Scharia vorrangig angewandt werden. Nach wie vor werden Körperstrafen und Todesstrafe angewandt. Es kommt immer wieder zu willkürlichen Verhaftungen, insbesondere im Zusammenhang mit politischer Überzeugung. Basij-Kräfte sind eine freiwillige paramilitärische Gruppierung, die oft bei der Unterdrückung von Oppositionellen oder der Einschüchterung von Zivilisten, die den strikten Moralkodex nicht befolgen, involviert sind. Die Revolutionsgarden (Sepah-e Pasadaran-e Enghelab-e Islami - IRGC) sind herausragend im Sicherheitasapparat, sie sind eine Parallelarmee und haben Wirtschaft, Politik und Verwaltung durchsetzt. Sie verfügen über eigene Gefängnisse. Mit willkürlichen Verhaftungen muß im Iran gerechnet werden. Auffälliges Hören von (westlicher) Musik, die Äußerung einer eigenen Meinung zum Islam, gemeinsame Autofahrten junger nicht verheirateter Männer und Frauen, gemischtgeschlechtliche Partys oder das Verstoßen gegen Bekleidungsvorschriften kann den Unmut zufällig anwesender Basijs bzw mit diesen sympathisierender Personen hervorrufen. Es kann auch zu einem Verprügeln durch Basij kommen. Die genaue Überwachungskapazität der iranischen Behörden ist unbekannt.

Die Justizbehörden verhängten und verhängen weiterhin grausame und unmenschliche Strafen (zB. Peitschenhiebe, Amputationen). Die Todesstrafe steht auf Mord, Sexualdelikte, gemeinschaftlichen Raub, wiederholten schweren Diebstahl, Drogenschmuggel, schwerwiegende Verbrechen gegen die Staatssicherheit, Abfall vom islamischen Glauben und homosexuelle Handlungen. Der Häufigkeit nach wird sie primär bei Mord und Sexualdelikten angewandt. Der Anteil öffentlich vollstreckter Hinrichtungen ist 2018 auf knapp 3% gesunken. Über erfolgte Hinrichtungen wird nicht öffentlich informiert.

Religionsfreiheit, Situation von Christen und Konversion:

99% der Bevölkerung gehören dem Islam (Staatsreligion) an. Etwa 90% der Bevölkerung sind Schiiten, ca. 9% Sunniten, der Rest Christen, Juden, Zorostrier, Baha-i, Sufis und kleinere religiöse Gruppen. Die in Art. 13 der iranischen Verfassung anerkannten "Buchreligionen" (Christen, Juden, Zoroastrier) dürfen ihren Glauben relativ frei ausüben. In Fragen des Ehe-und Familienrechts genießen sie verfassungsrechtlich Autonomie. Etwa 100.000 bis 300.000 - vornehmlich armenische - Christen leben im Iran, hauptsächlich in Teheran und Isfahan. Ihnen stehen zwei der 290 Parlamentssitze zu. Die Mehrheit der iranischen Christen ist den ethnischen Christen zuzuordnen (armenische, assyrische und chaldäische). Die nicht-ethnischen Christen gehören hauptsächlich der katholischen und protestantischen Kirche an und haben ihren Ursprung in der Zeit des Schah-Regimes. Jegliche Missionstätigkeit kann als "mohareb" (Krieg gegen Gott) verfolgt und mit dem Tod bestraft werden. Ihre Vertreter unterliegen Beschränkungen beim Zugang von höheren Staatsämtern. Anerkannte religiöse Minderheiten - Zoroastrier, Juden, armenische und assyrische Christen - werden diskriminiert, nicht anerkannte nicht-schiitische Gruppen (Bahá'í, konvertierte evangelikale Christen, Sufi, Atheisten) in unterschiedlichem Grad verfolgt. Sunniten werden v.a. beim beruflichen Aufstieg diskriminiert. Anerkannte religiöse Minderheiten sind in ihrer Glaubensausübung nur geringen Einschränkungen unterworfen (religiöse Aktivitäten sind nur in den jeweiligen Gotteshäusern und Gemeindezentren erlaubt, christliche Gottesdienste in Farsi sowie missionarische Tätigkeiten sind verboten).

Das Recht, eine Religion zu wechseln oder aufzugeben, wird weiterhin verletzt. Personen, die zum Christentum übergetreten waren, erhielten hohe Gefängnisstrafen (10 bis 15 Jahre). Es gab weiterhin Razzien in Hauskirchen. Personen, die sich zum Atheismus bekannten, konnten jederzeit willkürlich festgenommen, inhaftiert, gefoltert und misshandelt werden. Sie liefen Gefahr, wegen "Apostasie" (Abfall vom Glauben) zum Tode verurteilt zu werden. Unter besonderer Beobachtung stehen hauskirchliche Vereinigungen, deren Versammlungen regelmäßig aufgelöst und deren Angehörige gelegentlich festgenommen werden. Muslimische Konvertiten und Mitglieder protestantischer Freikirchen sind willkürlichen Verhaftungen und Schikanen ausgesetzt. 2016 sollen 198 Gefangene wegen "Feindschaft gegen Gott", 31 wegen "Beleidigung des Islam" und 12 wegen "Korruption auf Erden" inhaftiert gewesen sein. Laut der Gefangenenliste von Open Doors mit Stand September 2017 befanden sich 56 Christen in Haft, fünf wurden freigelassen, 13 wurden auf Kaution freigelassen und zehn mit dem Verbot das Land zu verlassen freigelassen.

Apostasie (Abtrünnigkeit vom Islam) ist verboten und mit langen Haftstrafen bis zur Todesstrafe bedroht. Im iranischen Strafgesetzbuch ist der Tatbestand zwar nicht definiert, die Verfassung sieht aber vor, dass die Gerichte in Abwesenheit einer definitiven Regelung entsprechend der islamischen Jurisprudenz zu entscheiden haben. Dabei folgen die Richter im Regelfall einer sehr strengen Auslegung auf Basis der Ansicht von konservativen Geistlichen wie Staatsgründer Ayatollah Khomenei, der für die Abkehr vom Islam die Todesstrafe verlangte. Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel "moharebeh" ("Waffenaufnahme gegen Gott"), Verdorbenheit auf Erden, oder "Handlungen gegen die nationale Sicherheit". Bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie einer bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Christliche Konvertiten werden normalerweise nicht wegen Apostasie bestraft, sondern solche Fälle als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit angesehen und vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Für Konversion wurde in den letzten zehn Jahren keine Todesstrafe ausgesprochen. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt. Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf.

Es kann zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass auch ein im Ausland Konvertierter in Iran wegen Apostasie verfolgt wird. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Es wird diesbezüglich von familiärer Ausgrenzung berichtet sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden. In Familien eines öffentlich Bediensteten oder eines Polizisten wird die Konversion als Familienmitglied als heikel eingeschätzt, wobei es sein kann, dass der Konvertit aus der Familie verbannt oder den Behörden gemeldet wird, um die Arbeit des Amtsträgers nicht zu beeinträchtigen. Die Schließungen der "Assembly of God" Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen. Deren Anzahl steigt. Es ist schwierig diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind. Sie werden teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren. Diese organisieren sich daher in kleinen und mobilen Gruppen. Wenn Behörden Informationen bezüglich einer Hauskirche bekommen, wird ein Überwachungsprozess in Gang gesetzt. Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online-Aktivitäten ist weitverbreitet. In den letzten Jahren gab es mehrere Razzien in Hauskirchen und Anführer und Mitglieder wurden verhaftet. Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die abnormale Aktivitäten um ein Haus bemerken. Ansonsten haben die Behörden kaum Möglichkeiten, eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind. Organisatoren von Hauskirchen können sich dem Risiko ausgesetzt sehen, wegen "Verbrechen gegen Gott" angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hätte. Nicht verlässlich bekannt ist, ob nur Anführer oder auch einfache Mitglieder verfolgt werden. Primär zielen die Behörden auf Anführer der Hauskirchen ab. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird normalerweise nach 24 Stunden wieder freigelassen. Die typische Vorgehensweise gegen eine Hauskirche ist, dass der Anführer der Hauskirche verhaftet und wieder freigelassen wird, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten und ob er/sie auch im Ausland bekannt ist, ab. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder Unterricht anderer Personen im Glauben, kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen.

Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, sind für die Behörden mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht von Interesse. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, ist eine Rückkehr nach Iran kein Problem. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen, einschließlich Facebook berichtet, können die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Wenn der Konvertit kein "high-profile"-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, ist nicht von einer harschen Bestrafung auszugehen. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein wird nicht zu einer Verfolgung führen. Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, steht nicht fest.

Rückkehr:

Allein der Umstand, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, löst bei der Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus. In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Trotzdem kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen. Bisher wurde kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, können von den iranischen Auslandsvertretungen ein Passersatzpapier bekommen und nach Iran zurückkehren. In Einzelfällen konnte im Falle von Rückkehrern aus Deutschland festgestellt werden, dass diese bei niederschwelligem Verhalten und Abstandnahme von politischen Aktivitäten, mit Ausnahme von Einvernahmen durch die iranischen Behörden unmittelbar nach der Einreise, keine Repressalien zu gewärtigen hatten. Für die Rückkehr nach Iran braucht man eine offizielle Erlaubnis des iranischen Staates. Die Rückkehr wird mit den Behörden von Fall zu Fall verhandelt. Iraner, die im Ausland leben, sich dort öffentlich regimekritisch äußern und dann nach Iran zurückkehren, können von Repressionen bedroht sein (auszugsweise Wiedergabe des Länderinformationsblatts der Staatendokumentation Iran, Gesamtaktualisierung am 14.06.2019, unter Bezugnahme auf die dort genannten Quellen).

Der BF entstammt einer zum Ausreisezeitpunkt 2019 in Teheran lebenden Bakhtiari-Familie. Er lebte mit seinen Eltern und dem Bruder in einer Wohnung in Teheran. Der BF absolvierte ein Bachelor-Studium auf dem Gebiet des Ingenieurwesens und war im Bereich der Schienenkontrolle der Teheraner U-Bahn tätig. Die Familie des BF war schiitischen-islamischen Glaubens. Der BF ist ledig und kinderlos.

Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt im Jahr 2018 stieß der BF auf Instagram auf christliche Inhalte, wobei ihn der Satz beeindruckte: "Es gibt nichts auf der Welt außerhalb deines Körpers, was dich verunreinigen würde, als das, was von deinem Inneren herauskommt." Diese Aussage war Jesus Christus zugeordnet und sie bildete für den BF einen bemerkenswerten Unterschied zu den Reinheitsvorschriften und Verboten des Korans.

Nicht festgestellt werden konnte, dass der BF über einen Arbeitskollegen, Dariush, Anfang 2019 zu einer "christlichen Gruppe" fand, diese etwa eineinhalb Monate lang zweimal wöchentlich besuchte und eines Morgens, als er nach einer Nachtschicht bei einem Freund nächtigte, von seinem Vater telefonisch erfuhr, dass SEPAH in der Wohnung der Eltern gewesen wäre, nach dem BF gesucht hätte und der Freund des BF, Dariush, verhaftet worden wäre. Nicht festgestellt werden konnte weiters, dass der BF derartige Umstände zum Anlass einer Ausreise nahm.

Der BF verließ schlepperunterstützt um den 21.02.2019 den Iran und reiste über die Türkei und sodann mit einem Sattelschlepper ohne gültige Einreisepapiere nach Österreich. Beim Versuch, die deutsche Grenze zu passieren, wurde er angehalten und stellte den obengenannten Asylantrag.

Der BF war etwa eine Woche lang in einem Flüchtlingsquartier in Thalham. Er besuchte bereits dort eine katholische Kirche. Er wurde sodann per 01.04.2019 in ein Flüchtlingsquartier der Caritas in Eisenstadt (Haus Franziskus) verlegt, wo er seither Aufenthalt nimmt. Bereits nach etwa 2, 3 Tagen fragte der BF einen anderen Asylwerber, der in der gleichen Unterkunft wohnte, XXXX , ob er die Kirche besuche. Er bat ihn, ihn dorthin mitzunehmen. Seit damals besucht der BF regelmäßig (jede Woche) die römisch-katholische Pfarre St. Martin in Eisenstadt (Dompfarre). Dort nimmt er am Taufunterricht für Farsi-Sprechende (derzeit eine Gruppe von 20 Personen aus dem Iran und Afghanistan) teil. Er besucht die Sonntagsgottesdienste und den daran anschließenden Katechumenatskurs. In der ersten Zeit besuchte er auch die damaligen wöchentlichen Gebetstreffen am Donnerstag. Er knüpfte Kontakt zum Dompfarrer Pater XXXX sowie Dom-Vikar XXXX , die abwechselnd die Katechumenatskurse halten. In diesen Kursen wird durch länger bereits dort tätige aus dem Iran bzw. Afghanistan stammende Personen, insbesondere XXXX und XXXX , gedolmetscht. Der BF stellt im Rahmen dieses Katechumenatskurses Fragen. Er nahm 2019 an einer mehrtägigen Fußwallfahrt von Eisenstadt nach Mariazell teil, an der insgesamt etwa 30 Personen teilnahmen, darunter auch einige Asylwerber. Er wurde durch eine Einschreibungsfeier in das Katechumenat aufgenommen. Eine Taufe ist für Ostern 2020 geplant. Es soll der BF, ein weiterer junger Mann und eine Familie getauft werden. Ein Taufpate wird noch gesucht.

Es ist glaubhaft, dass der BF mittlerweile derartig den christlichen Glauben angenommen hat, dass er auch im Falle geänderter Verhältnisse, wie einer Rückkehr in den Iran, das Bedürfnis hätte, diesen Glauben innerlich und äußerlich auszuleben.

Der BF absolvierte am 27.08.2019 eine Integrationsprüfung auf dem Niveau A1. Er besucht derzeit keinen weiteren Kurs, ist aber, gemessen am kurzen Aufenthalt in Österreich, schon relativ gut in der Lage, sich auf Deutsch auszudrücken und diesbezüglich auch proaktiv. Er übt im Umfeld seiner Asylunterkunft ehrenamtliche Dolmetsch-Dienste für andere Asylwerber aus, beispielsweise seit 16.01.2020 bei einem Führerscheinbewerber bei der Fahrschule Juhasz Eisenstadt, für ein Beratungsgespräch betreffend eine Familienzusammenführung vor dem Roten Kreuz sowie beim psychosozialen Dienst Burgenland. Seit 06. November 2019 arbeitet der BF regelmäßig ehrenamtlich an der sozialen Lebensmittelausgabe "Pannanonische Tafel" mit. Er hat Kontakt zu seiner Familie und ist in Österreich unbescholten.

Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person und Familie folgen den glaubwürdigen Angaben des BF. Der BF wurde zweimal ausführlich kurz nach seinem Asylantrag durch das BFA vernommen. Vor Gericht erfolgte eine sehr ausführliche Befragung des BF sowie des Zeugen XXXX . Die Angaben des BF zu Wohnort und Beruf erschienen plausibel, zumal der BF letztlich nachvollziehbar die Art seiner Berufstätigkeit bei der Teheraner U-Bahn angeben konnte.

Nicht glaubhaft sind seine Angaben zum Fluchtgrund im engeren Sinne im Iran:

Zwar waren die diesbezüglichen Angaben im Rahmen der Erstbefragung sowie den beiden Vernehmungen im Wesentlichen gleichlautend. Sie blieben aber auch nach ausführlicher Befragung bei Gericht unplausibel und gewisse Widersprüche traten hervor bzw. blieben unaufgeklärt. Besonders wenig plausibel waren die geschilderten Umstände, die letztlich zur Flucht geführt hätten:

Zunächst ist es wenig glaubhaft, dass der BF an jenem Morgen, an dem er in der Wohnung seiner Familie durch SEPAH gesucht worden wäre, bei einem Freund übernachtet hätte. Er gab zunächst an, seine Arbeit im Schichtbetrieb zwischen 11.00 Uhr Nacht und 05.00 Uhr morgens verrichtet zu haben. Bei Schilderung eines normalen Tages vor dem BFA (AS 123) gab er an, er sei dann (nach der Schicht) nach Hause zurückgekehrt und habe bis ca. 12:00 Uhr geschlafen. Über konkrete Befragung vor Gericht gab er an, immer, wenn er Nachtschicht gehabt habe und nicht nach Hause fahren habe wollen oder können, habe er bei seinem Freund übernachtet. Meistens sei dies dann der Fall gewesen, wenn er in der Nähe von ihm Tätigkeiten hatte (BVwG, S 17). Zuvor gab er allerdings an, den letzten Monat seines Aufenthalts im Iran habe er in den Stationen Tajrish und Qaitarajah seine Arbeit verrichtet. Dorthin sei er mit dem privaten Auto gefahren und habe von Zuhause aus ca. 15 bis 20 Minuten gebraucht. Nach dieser Aussage hätte es keinen Grund gegeben, bei einem Freund zu übernachten. Übernachtungen bei einem Freund beginnend mit etwa 5:00 Uhr Früh setzen nach Ansicht des Gerichts ein sehr großes Naheverhältnis voraus. Jenen Freund, Maziar, nannte der BF nicht, als er vor Gericht befragt wurde, die Namen der ihm nächststehenden Menschen im Iran (außerhalb der Familie) zu nennen (BVwG, S 14). Wenn der BF über diesbezüglichen Vorhalt angab, Maziar sei der Cousin von Pedram gewesen, den er zuvor genannt habe, so macht diese Aussage die Angaben nicht plausibel. Unklar blieb auch bis zuletzt, weswegen der BF, dem die Umstände der Hausdurchsuchung von seinem Vater telefonisch mitgeteilt worden seien, so genau darüber Bescheid weiß, dass "sein Freund Dariush" verhaftet worden sein soll. Insgesamt geht aus den Aussagen des BF nicht hervor, dass die Suche nach dem BF die Familie des BF nachhaltig beeinträchtigt hätte. Wieso in weiterer Folge gerade eine Tante des BF durch SEPAH aufgesucht worden sein soll, den BF zu suchen, bleibt ebenso offen. Auch vor dem Hintergrund der Länderinformationen scheint es in diesem Zusammenhang unplausibel, nach den Angaben des BF habe dessen Bruder in weiterer Folge beobachtet, dass sie (SEPAH) in der Nähe von deren Haus anwesend gewesen seien, als er zur Uni gegangen und wiedergekommen sei. Letztlich passt auch die Angabe, der BF habe 20 bis 30 Mal die Hauskirche besucht, nicht zu den ursprünglichen Angaben, er habe eineinhalb Monate regelmäßig an diesem Kurs teilgenommen, zweimal die Woche (BFA 22.03.2019, S 6). Dies ergäbe etwa zwölf Teilnahmen, bei Annahme von zwei Monaten 16. Vor dem Hintergrund der Angabe des BF im Rahmen der Erstbefragung, die Christengruppe habe sich "von Zeit zu Zeit getroffen", ist auch nicht davon auszugehen, dass der BF während dieses Zeitraums regelmäßig zweimal in der Woche bei dieser Christen-Gruppe gewesen wäre.

Hinreichend glaubhaft war aber eine zwischenzeitlich erfolgende Konversion:

Der BF gab sowohl vor dem BFA als auch bei Gericht im Wesentlichen übereinstimmend sehr spezifisch an, durch einen Instagram-Eintrag auf das Christentum bereits im Iran aufmerksam geworden zu sein. Er nannte dabei das in den Feststellungen genanntes Zitat Jesu. Es erschien nachvollziehbar, dass der BF vor dem Hintergrund seines Bildungsstandes und seiner durchaus gegebenen Beschäftigung mit dem Koran von dieser unterschiedlichen Sichtweise beeindruckt war und in einer gewissen Weise diesbezüglich auch weiter recherchierte. Die Feststellungen betreffend seine Sozialisation in der Dompfarre Eisenstadt beruhen auf den glaubwürdigen Angaben des Zeugen XXXX im Zusammenhalt mit schriftlichen Ausführungen des XXXX vom 17.07.2019 und 17.04.2019. Der Zeuge XXXX zeigte sich sowohl betreffend die in dieser Pfarre geführte Farsi-Gruppe als auch den BF persönlich gut informiert und legte glaubhaft dar, ihn sehr gut zu kennen, dies gerade vor dem Hintergrund der auch vor Gericht erkennbaren - gemessen am kurzem Zeitraum in Österreich - recht guten Deutschkenntnisse und dem Willen des BF, diese auch in der Praxis zu nutzen. Es ist auch glaubhaft, dass der Zeuge XXXX insoferne in der Lage ist, einen näheren persönlichen Kontakt mit dem BF zu pflegen. Im Rahmen der Niederschrift vom 18.04.2019 zeigten sich - gemessen am sehr kurzen Aufenthalt in Österreich - schon recht gute Kenntnisse des BF zu Bibel und Christentum. Es wurde zwar deutlich, dass der BF Teil einer gut organisierten Taufvorbereitung einer katholischen Pfarre ist, der Zeuge XXXX machte aber auch glaubwürdig deutlich, dass er hineinspüre, ob eine Teilnahme authentisch sei. Dies bejahte er betreffend den BF und verwies auf die durch mehrfache Bescheinigungen dokumentierte Hilfsbereitschaft (insbesondere ehrenamtliche Dolmetschtätigkeiten für verschiedene Farsi-sprechende Personen bei unterschiedlichen Institutionen). Der BF war in der Lage, sein Interesse für das Christentum auch auf der intellektuellen Ebene darzustellen und nannte für ihn relevante Unterschiede zum Koran. Wenn er über gerichtlichen Auftrag zwei Bibelstellen nennt, die ihm gut gefallen (BVwG, S 22), so bestand nicht der Eindruck, dass der BF hier pflichtgemäß auswendig Erlerntes von sich gab. Er stellte auch nachvollziehbar die Art und Weise dar, wie er sich mit der Bibel beschäftigt (BVwG, S 23). Die Darstellung des Zeugen XXXX erschien insgesamt realistisch und nicht übertrieben. Er räumte ein, dass der BF sicher keinen Konversionsvergleich im wissenschaftlichen Sinne angestellt hat. Zur Frage des BFA, wie der BF die Ergebnisse seiner Katechese nach außen umsetze, gab der Zeuge an, durch seine nächstenliebende Art zu leben, weiters dadurch, dass er mit anderen über den Glauben spreche und zum Glauben einlade. Umstände, die Hinweise auf eine dem widersprechende Lebensweise des BF liefern, kamen im Verfahren nicht hervor. Die Feststellungen zur Glaubhaftigkeit der inneren Konversion beruhen insofern auf einer Gesamtschau der betreffend seine Zeit in Österreich glaubhaften Angaben des BF im Zusammenhalt mit jenen des Zeugen XXXX , des Umstandes, dass eine Hilfsbereitschaft des BF durch zahlreiche ehrenamtliche Hilfstätigkeiten bescheinigt ist und dem widersprechende Umstände im Beweisverfahren nicht hervorkamen.

Auf Grund der Vorlage iranischer Urkunden in Kopie (Staatsbürgerschaftsnachweis, Personalausweis, Führerschein und Abschlusszeugnis) mit gesondertem Protokoll und Übersetzung durch den vom BFA beigezogenen Dolmetsch, bei der offenbar Bedenken nicht auftraten, bestand kein Grund, an der Identität des BF zu zweifeln.

Rechtlich folgt:

Gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Gemäß Abs 2 kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Heimatstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).

Gemäß Abs 3 ist der Antrag abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative offen steht oder ein Asylausschlussgrund gesetzt wurde.

Gemäß § 2 Abs 1 Z 11 und 12 ist Verfolgung jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art 9 Statusrichtline, Verfolgungsgrund ein in Art 10 Statusrichtlinie genannter Grund.

Nach Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Nach Art 9 der Statusrichtlinie (2011/95/EU) muss eine Verfolgungshandlung iSd Genfer Flüchtlingskonvention aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sein, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellt oder in einer Kulminierung unterschiedlicher Maßnahmen bestehen, die so gravierend sind, dass eine Person davon in ähnlicher Weise betroffen ist.

Unter anderem können als Verfolgung folgende Handlungen gelten:

Anwendung physischer oder psychischer, einschließlich sexueller Gewalt,

gesetzliche, administrative, polizeiliche und/oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder diskriminierend angewandt werden,

unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,

Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,

Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter den Anwendungsbereich des Art 12 Abs 2 fallen und

Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

Der Begriff der Religion umfasst nach Art 10 insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme bzw Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind. Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob der Antragsteller tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.

Der VwGH hat sich mehrfach mit drohender Verfolgung von zum christlichen Glauben konvertierten Muslimen im Iran befasst (zB Erkenntnis vom 19.12.2001, 2000/20/0369; Ra 2014/01/0117). Danach kommt es darauf an, ob der Asylwerber bei weiterer Ausführung des inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, aus diesem Grund mit einer die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktion belegt zu werden. Feststellungen zu behaupteten aktuell bestehenden Glaubensüberzeugung sind im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von - allfälligen - Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln (Erkenntnis des VwGH vom 23.6.2015, Ra 2014/01/0117 mwN).

Der Verwaltungsgerichtshof betont in ständiger Rechtsprechung, dass bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer allfälligen Scheinkonversion es auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten ankommt, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten ermitteln ist (VwGH 22.02.2018, Ra 2017/18/0426 u.a.). Ob der Religionswechsel bereits durch die Taufe erfolgt oder bloß beabsichtigt ist, ist nach der Rechtsprechung des VwGH in Bezug auf die asylrechtliche Relevanz einer Konversion nicht entscheidend (VwGH 20.06.2017, Ra 217/01/0076 mwN). Sobald aufgrund äußerer Tatsachen ein Wechsel der Religion aus innerer Überzeugung nicht unwahrscheinlich ist, muss sich das Gericht einen detaillierten Eindruck darüber verschaffen, inwieweit der Religionswechsel auf einer persönlichen Glaubensentscheidung beruht (VfGH 26.02.2019, E4695/2018).

Nach den Feststellungen ist zwar eine Verfolgung des BF im Iran aufgrund religiöser Aktivitäten nicht hervorgekommen. Es ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt aber glaubhaft, dass der BF - wie festgestellt - im Rahmen seines knapp einjährigen Aufenthalts in Österreich zur christlichen Religion konvertiert ist - selbst, wenn seine Taufe erst kurz bevorsteht - worin nach der oben dargelegten Rechtsprechung ein Nachfluchtgrund gelegen ist.

Aufgrund der insbesondere durch die Ergebnisse der mündlichen Verhandlung verbreiterten und aktualisierten Tatsachengrundlage erübrigt sich ein näheres Eingehen auf die Beschwerde bzw eine Auseinandersetzung mit der die Konversion betreffenden Begründung des angefochtenen Bescheids.

Schlagworte

Asylgewährung asylrechtlich relevante Verfolgung Asylverfahren begründete Furcht vor Verfolgung Christentum Fluchtgründe Flüchtlingseigenschaft Gesamtbetrachtung Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit Konversion mündliche Verhandlung Nachfluchtgründe religiöse Gründe Verfolgungsgefahr Verfolgungshandlung wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W274.2221693.1.00

Im RIS seit

24.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

24.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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