TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/18 W108 2184704-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.03.2020
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Entscheidungsdatum

18.03.2020

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z22
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs1
AsylG 2005 §34 Abs2
AsylG 2005 §34 Abs4
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W108 2184587-1/14E

W108 2184698-1/13E

W108 2184701-1/13E

W108 2184704-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. BRAUCHART als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1. XXXX , geb. XXXX , 2. XXXX , geb. XXXX , 3. XXXX , geb. XXXX , 4. XXXX , geb. XXXX , alle Staatsangehörigkeit Iran, alle vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 28.12.2017, 1. Zl. 1126694007/161140935, 2. Zl. 1126693707/161140889, 3. Zl. 1090125604/151504280, 4. Zl. 1126694105/161140943 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Den Beschwerden wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG sowie XXXX , XXXX und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG iVm § 34 Abs. 1 AsylG, § 34 Abs. 2 AsylG der Status von Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX , XXXX , XXXX und XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG jeweils nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang, Sachverhalt und Vorbringen:

1. Verfahrensgegenständlich sind die Anträge auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (im Folgenden: Antrag bzw. Asylantrag und AsylG) des Drittbeschwerdeführers vom 07.10.2015 und seiner Ehefrau (Zweitbeschwerdeführerin), des gemeinsamen - damals minderjährigen - Sohnes (Viertbeschwerdeführer) und der gemeinsamen - damals 20-jährigen - Tochter (Erstbeschwerdeführerin) vom 18.08.2016.

Zu ihren persönlichen/familiären Verhältnissen gaben sie an, sie seien iranische Staatsangehörige und persische Christen aus der Stadt XXXX . Der Drittbeschwerdeführer hätte Iran im Jahr 2015 illegal verlassen, die Erstbeschwerdeführerin sei gemeinsam mit der Zweitbeschwerdeführerin und mit dem Viertbeschwerdeführer etwa ein Jahr später legal aus ihrem Herkunftsland ausgereist.

Bei den niederschriftlichen Einvernahmen vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht) brachten die beschwerdeführenden Parteien Taufzeugnisse aller beschwerdeführenden Parteien, Absagen vom Islam (ausgestellt vom XXXX , iranische Personalausweise von den erst-, dritt- und viertbeschwerdeführenden Parteien, einen Reisepass der Zweitbeschwerdeführerin, eine Heiratsurkunde vom Drittbeschwerdeführer und von der Zweitbeschwerdeführerin, Deutschkursbestätigungen, Integrationsbestätigungen und weitere Dokumente in Vorlage und schilderten im Wesentlichen Folgendes:

Der Drittbeschwerdeführer bekenne sich jetzt zum christlichen Glauben. Seine Mutter und seine Geschwister seien relativ religiös und hätten ihn ausgeschlossen, da er zum Christentum konvertiert sei. Die Familie könne nicht verstehen, dass er konvertiert sei. Die Mutter und vier Geschwister des Drittbeschwerdeführers würden sich im Iran befinden, zu denen er jedoch seit seiner Ausreise keinen Kontakt mehr habe. Er sei verheiratet und habe zwei Kinder. Die Ehefrau (Zweitbeschwerdeführerin) und die beiden Kinder (Erstbeschwerdeführerin und Viertbeschwerdeführer) seien ebenfalls Asylwerber in Österreich. Sonstige Verwandte bzw. Familienangehörige seien in Österreich oder in der EU nicht aufhältig. Er habe im Iran 12 Jahre lang die Schule besucht, sei dann in der Baubranche tätig gewesen und er habe auch eine Ausbildung als Hotelmanager gemacht. Derzeit besuche er in Österreich Deutschkurse, einer Beschäftigung gehe er aber nicht nach und lebe von der Grundversorgung. Er nehme an einer Live-Gruppe der Kirche teil, treffe sich immer am Meetingplace in der XXXX und am Freitagvormittag besuche er Gebetsstunden in der Kirche. Bei Bedarf arbeite er auch als Haustechniker im Flüchtlingsheim. Im Iran sei er nie in Haft gewesen, allerdings sei ein Strafverfahren im Gange und der Geheimdienst hätte ihn deswegen zu Hause aufgesucht. Er sei im Herkunftsland aufgrund seiner Religionszugehörigkeit verfolgt worden und er habe in Österreich einen Asylantrag gestellt, weil sein Leben in Gefahr gewesen sei. Im Iran hätte er einen Arbeitskollegen gehabt, mit dem er sehr gut befreundet gewesen sei. Dieser habe ihn missioniert, habe ihm eine CD über das Christentum mit dem Titel "Jesus Christus" gegeben und hätte ihn zu seiner Hauskirche eingeladen. Sie hätten sich christliche Lieder angehört und auch mitgesungen, dann hätten sie gebetet. Er sei vier oder fünfmal bei diesen Versammlungen gewesen, beim zweiten Mal habe Jesus Christus sein Herz berührt und er sei dann tief von ihm überzeugt gewesen. Der Arbeitskollege habe in der Nacht christliche Bücher und CDs verteilt und der Drittbeschwerdeführer habe ihm dann auch helfen wollen. Daher hätte er seinem Kollegen angeboten, die Verteilung der Bücher und CDs in XXXX und Abadan zu übernehmen. Um die Bücher zu holen habe er nach XXXX fahren müssen und zwei oder drei Monate lang habe er bei diesen missionarischen Tätigkeiten mitgeholfen. Zu einem Zeitpunkt habe der Drittbeschwerdeführer vier oder fünf Tage nichts mehr von seinem Arbeitskollegen gehört, dieser hätte seine Anrufe nicht entgegengenommen. Dann hätte ihn der Kollege aus einem Internetcafé in der Türkei angerufen und habe zu ihm gesagt, dass Etelat (Geheimdienst im Iran) über seine Aktivitäten und die Hauskirche Bescheid wissen würde und er in die Türkei habe fliehen müssen. Obwohl der Arbeitskollege gesagt hätte, dass er sehr gut aufpassen müsse, habe er seine Aktivitäten über einen Monat lang fortgesetzt. Seine Familie sei sehr bekannt im Iran, sie seien mit dem XXXX minister für innere Angelegenheiten entfernt verwandt, deswegen seien sie immer unter der Lupe gewesen und seien ständig überwacht worden. Er sei dann einmal in XXXX gewesen, um die Bücher zu holen und einen Vertrag über den Ankauf von Baumaterial zu unterschreiben. Während der Rückfahrt nach XXXX hätte ihn seine Frau angerufen und behauptet, dass Geheimdienstmitarbeiter ihn suchen würden. Daraufhin sei er wieder nach XXXX gefahren und habe jene Frau kontaktiert, von der er immer die Bibeln bekommen habe. Sie hätte dann für ihn einen Schlepper organisiert und es sei ihm gelungen, den Iran zu verlassen. Nach seiner Ausreise aus dem Iran seien die Beamten noch einmal in seinem Haus gewesen und hätten alles durchsucht. Der Drittbeschwerdeführer habe dann zu seiner Frau gesagt, sie solle auch so schnell wie möglich flüchten. Auf die Frage, was ihn so am Christentum fasziniert habe, gab er an, er hätte in der Bibel gelesen, dass Jesus zeigen würde, dass dieser der Weg der Errettung sei und niemand, außer durch ihn, Gott erreichen könne. In Österreich habe er zunächst sechs Monate lang eine Kirche in der Nähe von XXXX besucht und seit ca. April 2016 sei er Mitglied des XXXX .

Die Zweitbeschwerdeführerin (Ehefrau des Erstbeschwerdeführers) gab nach Manuduktion an, dass sie für sich und als gesetzliche Vertreterin für den (damals minderjährigen) Viertbeschwerdeführer einen Antrag auf ein Familienverfahren gemäß § 34 AsylG stelle. Diese Anträge würden sich auf das Asylverfahren des Drittbeschwerdeführers beziehen und die Zweitbeschwerdeführerin sowie der Viertbeschwerdeführer hätten keine eigenen Fluchtgründe.

Die Erstbeschwerdeführerin (Tochter des Drittbeschwerdeführers) sei auch zum Christentum konvertiert und könne jetzt nicht mehr zurück in den Iran. Ihre Familie sei von ihren Verwandten ausgestoßen worden, weil sie an Jesus Christus glaube und der Erstbeschwerdeführerin sei auf der Universität sogar vorgeworfen worden, mit anderen Studenten über das Christentum gesprochen zu haben. Eines Tages, als sie nach Hause gekommen sei, hätte sie gesehen, dass das ganze Haus durchwühlt gewesen sei und ihre Mutter habe ihr erzählt, dass ihr Vater bereits geflüchtet wäre. Die Erstbeschwerdeführerin wisse nicht genau, welche Leute ihr Haus aufgesucht hätten, sie vermute aber, dass sie vom Etelat gewesen seien. Diese Leute seien zweimal bei ihnen gewesen, das letzte Mal vermutlich irgendwann im Jahr 2016, was ca. 11 Monate vor ihrer Ausreise aus dem Iran gewesen sei. Etwa drei oder vier Monate nach den Vorfällen seien sie zu ihrer Tante nach XXXX gezogen. Das erste Mal, als diese Leute ihren Vater gesucht hätten, sei dieser noch im Iran gewesen. Nach diesen Ereignissen sei sie nicht mehr zur Universität gegangen, da sie Schwierigkeiten auf der Universität bekommen habe, denn die Disziplinarkommission habe ihr vorgeworfen, dass sie über das Christentum gesprochen hätte. Sie sei auch öfters von anderen Studienkollegen belästigt worden und habe unsittliche Angebote bekommen. Ihre Kollegen hätten von ihrer Konversion mitbekommen und hätten deswegen gedacht, dass sie sehr offen wäre. Sie hätten gewollt, dass sie mit ihnen schlafe. Einmal sei sie spät abends auf dem Weg nach Hause gewesen, da sei sie von zwei Studienkollegen aufgehalten worden und einer von ihnen habe von hinten ihre Brüste berührt. Als sie geschrien habe, sei eine fremde Frau zu Hilfe gekommen und die Männer seien sofort davongelaufen. Am Christentum fasziniere sie, dass Gott seinen einzigen Sohn zu den Menschen geschickt habe, um sie von den Sünden zu erlösen. In Österreich besuche sie die Live-Gruppe der Kirche und den Gottesdienst. Zudem beschäftige sie sich durchschnittlich 20 Minuten am Abend mit der Bibel. Die Erstbeschwerdeführerin sei ledig und habe keine Kinder. In Österreich seien ihr Vater, ihre Mutter und ihr Bruder als Asylwerber aufhältig. Darüber hinaus habe sie keine Verwandten oder Familienangehörigen in Österreich oder in der EU. Sie habe im Iran 12 Jahre lang die Schule besucht und habe 3 Semester an der Universität studiert. Derzeit gehe sie keiner Beschäftigung nach und werde durch die Grundversorgung erhalten. Sie gehe dreimal in der Woche Fußball trainieren, lerne Deutsch und am Samstag besuche sie die Kirche. Sie sei Mitglied der Kirche und des Fußballvereins FC XXXX .

2. Mit den vor dem Bundesverwaltungsgericht bekämpften Bescheiden wies die belangte Behörde die Anträge der beschwerdeführenden Parteien auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (jeweils Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (jeweils Spruchpunkt II.). Gemäß § 57 AsylG erteilte die belangte Behörde den beschwerdeführenden Parteien keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung der beschwerdeführenden Parteien in den Iran gemäß 46 FPG zulässig sei (jeweils Spruchpunkt III.). Die belangte Behörde gewährte gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise (jeweils Spruchpunkt IV.).

In der Begründung führte die belangte Behörde aus, die von den beschwerdeführenden Parteien angegebenen Verfolgungsgründe seien nicht glaubhaft. Es könne nicht festgestellt werden, dass sie zum Christentum konvertiert seien und sie einer asylrelevanten Gefährdung oder Verfolgung im Iran ausgesetzt (gewesen) seien. Die Konvertierung erwecke den Anschein, dass sie lediglich aus dem Grund erfolgt sei, um dadurch einen Aufenthaltsstatus in Österreich zu erlangen. Das Wissen des Drittbeschwerdeführers über das Christentum sei schon vorhanden, jedoch sei es sehr oberflächlich. Auch die Erstbeschwerdeführerin sei nicht imstande gewesen, ein detailliertes Wissen über das Christentum zu zeigen. Sie hätten die Behörde nicht von einem ernsthaften, inneren und stabilen Glaubenswechsel überzeugen können.

3. Gegen Spruchpunkt I. des Bescheides (Versagung des Asylstatus) richten sich die fristgerecht eingebrachten Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG, in welchen vorgebracht wurde, die beschwerdeführenden Parteien seien aus innerer Überzeugung Christen geworden. Die aktuelle Glaubensüberzeugung der beschwerdeführenden Parteien manifestiere sich in der intensiven Beschäftigung mit dem Glauben und in den regelmäßigen Kirchenbesuchen. Die beschwerdeführenden Parteien hätten entsprechende Unterlagen für ihren Glaubenswechsel in Vorlage gebracht. Die von der belangten Behörde herangezogenen Länderberichte seien zu allgemein gehalten und würden sich nicht auf das konkrete Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien beziehen. Die Behörde habe sich nicht detailliert mit der Gefährdung von Muslimen, die zum Christentum konvertiert seien, auseinandergesetzt. Die beschwerdeführenden Parteien hätten nicht nur sehr detaillierte Angaben gemacht, sondern auch ausreichende Beweismittel vorgelegt, die aber nicht vollständig bei der Beweiswürdigung herangezogen worden seien. Die Erstbeschwerdeführerin gab zudem an, Frauen seien im Iran weiterhin Diskriminierungen und Einschränkungen in ihrem Alltag unterworfen. Sie würden durch die Gesetzgebung und im täglichen Leben benachteiligt. Es drohe auch laut den Länderfeststellungen eine Verschlechterung im Hinblick auf ihre sexuellen und reproduktiven Rechte. Deshalb falle die Erstbeschwerdeführerin unter die soziale Gruppe der Frauen im Sinne der GFK.

4. Die belangte Behörde machte von der Möglichkeit der Beschwerdevorentscheidung nicht Gebrauch und legte die Beschwerden samt den bezughabenden Akten der Verwaltungsverfahren zur Entscheidung vor.

5. Das Bundesverwaltungsgericht führte in der Sache der beschwerdeführenden Parteien eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher sich die beschwerdeführenden Parteien persönlich beteiligten. In der Verhandlung wurden u.a. Länderberichte zur Situation im Iran und die von den beschwerdeführenden Parteien vorgelegten Integrationsunterlagen sowie Bestätigungen über deren Engagement in der Kirche sowie Weiterbildung und Vertiefung ihres Glaubens erörtert. So etwa Empfehlungsschreiben von Leiterinnen der Glaubensgemeinschaft XXXX , wonach die beschwerdeführenden Parteien wertvolle und geschätzte Mitglieder der Kirchengemeinde seien, sie sich die christlichen Werte und die christliche Lebensweise sehr gut angeeignet hätten und sie in der Kirchengemeinde Dienste, wofür u.a. ein fester christlicher Glaube Voraussetzung sei, mit Herz und Begeisterung übernehmen würden.

Die Erstbeschwerdeführerin sagte zu ihrem Glaubensleben befragt u.a. aus, sie sei im Mai 2015 im Iran von ihrem Vater missioniert worden. Da es im Iran nicht möglich gewesen sei, eine Kirche zu besuchen, sei sie in Österreich zum ersten Mal in eine Kirche gegangen. Sie habe sich mit dem Christentum auseinandergesetzt und das habe sie überzeugt. Jesus habe ihr Leben verändert, er habe ihr gesagt, dass sie die Menschen lieben solle. Im Iran sei sie als Tochter der XXXX Familie auch bedroht worden und da sie an der Universität mit ihren Freunden über das Christentum gesprochen habe, sei sie von der Disziplinarkommission vorgeladen worden. Da sich die Universität allerdings nicht sicher gewesen sei, ob dies stimmen würde, sei sie zunächst nur unter Beobachtung gestanden. Sie wisse, dass man sie im Falle der Rückkehr in den Iran umbringen werde, aber sie habe über ihren Glauben sprechen wollen. Für die erfolgte Ausreise aus dem Iran habe ihre Mutter sehr viel Geld bezahlen müssen.

Die Zweitbeschwerdeführerin sagte u.a. aus, der Geheimdienst sei erstmals bei ihnen im Iran zu Hause gewesen, als ihr Mann (Drittbeschwerdeführer) in XXXX unterwegs gewesen sei. Nachdem sie ihnen mitgeteilt habe, dass ihr Mann beruflich verreist wäre, seien die Beamten wieder gegangen. 3 oder 4 Tage danach seien dieselben Personen wiedergekommen und diesmal hätten sie im Haus alles durchwühlt und seien dann weggegangen. Die Zweitbeschwerdeführerin habe Angst gehabt, dass man sie und ihre Kinder verhaften und sie dazu benützen würde, um an ihren Mann zu gelangen. Daher sei sie mit ihren Kindern zunächst zu ihrer Schwester geflüchtet und sie habe möglichst schnell aus dem Iran ausreisen wollen. Allerdings hätten sie etwa 8 Monate bei ihrer Schwester in XXXX warten müssen, bis die Ausreise organisiert gewesen sei.

Der Drittbeschwerdeführer erstattete ein Vorbringen dahingehend, dass er nun seit ca. 4 Jahren und 4 Monaten ein Christ sei. Im Iran sei eine Taufe nicht möglich gewesen, aber Gott habe sein Herz berührt und er hätte eine Taufe durch den Heiligen Geist bekommen. Bereits vor der Ausreise aus dem Iran sei er von den Behörden und von der Religionspolizei verfolgt worden, weil er ein Christ geworden wäre und auch missionarisch tätig gewesen sei, indem er Bibeln verteilt habe. Er hätte auch versucht, Leute direkt zu missionieren, z.B. seinen Bruder oder Kollegen, was ihm aber nicht gelungen wäre. Hingegen habe er hier in Österreich zwei Personen missionieren können. Befragt zur Vorgangsweise der Verteilung der Bibeln im Iran gab der Drittbeschwerdeführer an, dass er die Bücher immer in Teheran erhalten und nach XXXX mitgenommen habe. Meistens seien es jeweils etwa 20 Exemplare gewesen, die er dann im Lager seines Arbeitsplatzes aufbewahrt habe und nach der Arbeitszeit, nachdem alle Mitarbeiter weg gewesen seien, habe er täglich ca. 5 Bücher geholt und nachts zwischen 23 und 24 Uhr verteilt.

In der mündlichen Verhandlung wurde XXXX , Pastor des XXXX , als Zeuge einvernommen. Er gab an, er habe den Drittbeschwerdeführer in der genannten Kirche ca. im Jahre 2016 kennengelernt und mit ihm auch Kontakt gehabt. Dieser habe im Flüchtlingszentrum der Kirche auch ehrenamtlich mitgearbeitet. In letzter Zeit seien jedoch nicht mehr so viele Flüchtlinge dort gewesen und wenn es weniger zu tun gegeben habe, hätte er beobachtet, wie der Drittbeschwerdeführer in der Bibel gelesen habe. Auch die Familienangehörigen des Drittbeschwerdeführers habe er in der Gemeinde getroffen. Der Zeuge habe den Drittbeschwerdeführer auch getauft, wobei die Vorbereitung zur Taufe von anderen Mitarbeitern der Gemeinde durchgeführt worden sei. Für die Taufe sei es wichtig, dass diejenige Person eine persönliche Entscheidung treffe, um zu Gott und Jesus "Ja" zu sagen. Er wolle natürlich auch sehen, dass sich ein Hunger entwickele, mehr zum Glauben zu erfahren. Auch Veränderungen im persönlichen Leben oder zumindest Hinweise darauf seien von Bedeutung. Als Freikirche wäre die Regelung vorhanden, dass Flüchtlinge erst nach 6 Monaten getauft werden könnten, sie müssten einen Grundkurs absolvieren. Die Reife sei bei den beschwerdeführenden Parteien vorhanden gewesen, sonst wären sie nicht getauft worden. Die beschwerdeführenden Parteien würden regelmäßig den Gottesdienst besuchen, zudem engagiere sich die Erstbeschwerdeführerin im Medienteam, indem sie die Kamera betreue, die Zweitbeschwerdeführerin helfe bei der Arbeit mit den Kindern, der Drittbeschwerdeführer unterstütze die Kirche bei der Flüchtlingsarbeit und nehme an der Bibelschule teil und der Viertbeschwerdeführer beteilige sich beim Gottesdienst für die Teenager. Er habe bei den beschwerdeführenden Parteien keinen Zweifel, dass sie "im Herzen" Christen seien und dies der Grund gewesen sei, dass sie sich hätten taufen lassen wollen. Er habe gesehen, dass sich die beschwerdeführenden Parteien durch den Glauben verändert hätten, dass sie bereit seien, in der Gemeinde mitzuarbeiten und dass sie eine gute Haltung hätten.

Zu den in der Beschwerdeverhandlung auf Grundlage von Länderberichten erörterten Verhältnissen im Iran gaben die beschwerdeführenden Parteien keine Stellungnahme ab und verwiesen auf das Beschwerdevorbringen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Hinsichtlich der Lage im Iran:

Religionsfreiheit

In Iran leben ca. 82 Millionen Menschen, von denen ungefähr 99% dem Islam angehören. Etwa 90% der Bevölkerung sind Schiiten, ca. 9% sind Sunniten und der Rest verteilt sich auf Christen, Juden, Zoroastrier, Baha'i, Sufis, Ahl-e Haqq und nicht weiter spezifizierte religiöse Gruppierungen. Der Islam schiitischer Prägung ist in Iran Staatsreligion. Gleichwohl dürfen die in Art. 13 der iranischen Verfassung anerkannten "Buchreligionen" (Christen, Juden, Zoroastrier) ihren Glauben im Land relativ frei ausüben. In Fragen des Ehe- und Familienrechts genießen sie verfassungsrechtlich Autonomie. Jegliche Missionstätigkeit kann jedoch als "mohareb" (Krieg gegen Gott) verfolgt und mit dem Tod bestraft werden. Auch unterliegen Vertreter religiöser Minderheiten Beschränkungen beim Zugang zu höheren Staatsämtern. Nichtmuslime sehen sich darüber hinaus im Familien- und Erbrecht nachteiliger Behandlung ausgesetzt, sobald ein Muslim Teil der relevanten Personengruppe ist.

Das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit wird sowohl durch Gesetze als auch im täglichen Leben systematisch verletzt. Die Behörden zwingen weiterhin Personen aller Glaubensrichtungen einen Kodex für Verhalten in der Öffentlichkeit auf, der auf einer strikten Auslegung des schiitischen Islams gründet. Muslime, die keine Schiiten sind, dürfen weder für das Amt des Präsidenten kandidieren noch andere hochrangige politische Ämter bekleiden. Das Recht, eine Religion zu wechseln oder aufzugeben, wird weiterhin verletzt. Personen, die zum Christentum übertreten, können hohe Gefängnisstrafen erhalten, die in einigen Fällen von zehn bis 15 Jahren reichen. Es gibt weiterhin Razzien in Hauskirchen.

Anerkannten ethnisch christlichen Gemeinden ist es untersagt, konvertierte Christen zu unterstützen. Gottesdienste in der Landessprache sind in Iran verboten, ebenso die Verbreitung christlicher Schriften. Teilweise werden einzelne Gemeindemitglieder vorgeladen und befragt. Unter besonderer Beobachtung stehen insbesondere auch hauskirchliche Vereinigungen, deren Versammlungen regelmäßig aufgelöst und deren Angehörige gelegentlich festgenommen werden.

Laut der in den USA ansässigen NGO "United for Iran" waren 2017 mindestens 102 Mitglieder von religiösen Minderheiten aufgrund ihrer religiösen Aktivitäten inhaftiert, 174 Gefangene wegen "Feindschaft gegen Gott", 23 wegen "Beleidigung des Islam" und 21 wegen "Korruption auf Erden".

Personen, die sich zum Atheismus bekennen, können willkürlich festgenommen, inhaftiert, gefoltert und anderweitig misshandelt werden. Sie laufen Gefahr, wegen "Apostasie" (Abfall vom Glauben) zum Tode verurteilt zu werden (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019).

Situation für Konvertiten

Apostasie (d.h. Religionswechsel weg vom Islam) ist im Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht. Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel "mohareb" ("Waffenaufnahme gegen Gott"), "mofsid-fil-arz/fisad-al-arz" ("Verdorbenheit auf Erden"), oder "Handlungen gegen die nationale Sicherheit". In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie selten, bei keiner der Hinrichtungen in den letzten zehn Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie ein bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen gab es mehrere Exekutionen wegen "mohareb". Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen keine geläufige Bestrafung. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt. Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen. Anklagen lauten meist auf "Organisation von Hauskirchen" und "Beleidigung des Heiligen", wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden. Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Fälle von Konversion gelten daher als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Nach anderen Quellen wurden im Jahr 2017 gegen mehrere christliche Konvertiten hohe Haftstrafen (10 und mehr Jahre) verhängt [Anmerkung der Staatendokumentation: Verurteilungsgrund unklar]. Laut Weltverfolgungsindex 2019 wurden im Berichtszeitraum viele Christen, besonders solche mit muslimischem Hintergrund, vor Gericht gestellt und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt bzw. warten noch auf ihren Prozess. Ihre Familien sind während dieser Zeit öffentlichen Demütigungen ausgesetzt.

Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Trotz des Verbots nimmt die Konversion weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen. Laut der iranischen NGO Article 18 wurden von Jänner bis September 2018 37 Konvertiten zu Haftstrafen wegen "Missionsarbeit" verurteilt. In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind.

Einige Geistliche, die in der Vergangenheit in Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019).

Apostasie ist derzeit nicht nach kodifiziertem Recht, aber nach der Scharia strafbar. Letztere ist entsprechend Art. 4 der Verfassung Grundlage des iranischen Rechts. Richter in Iran sind nach Art. 167 der Verfassung gehalten, bei der Rechtsanwendung zuerst auf kodifiziertes Recht zurückzugreifen. Sind solche Gesetze nicht vorhanden, so müssen sie ihren Urteilsspruch auf Grundlage der authentischen islamischen Quellen oder der gültigen Rechtsurteile fällen.

Apostasie ist nach herrschender Meinung ein sog. Hadd-Delikt (Hadd-Strafen sind Strafen, die in der Scharia festgelegt sind). Folgende Prophetenworte werden im islamischen Recht dahingehend ausgelegt, dass Apostasie zu bestrafen ist: "...tötet den, der seine Religion wechselt" und "Das Blut eines Muslims (zu vergießen) ist nicht erlaubt, außer in einem dieser drei (Fälle): der verheiratete Ehebrecher, Leben um Leben und der seinen Glauben Verlassende und von der Gemeinschaft sich Trennende.

Die Scharia bietet dem Richter demzufolge bereits heute eine Rechtsgrundlage, um Apostaten in Iran zum Tode zu verurteilen. Die Apostasie ist der normalen Strafgerichtsbarkeit zugewiesen, Eingangsinstanz sind die allgemeinen Strafgerichte der Provinzen. Ein Todesurteil aufgrund des Vorwurfs der Apostasie erging zuletzt im November 2002 gegen den regimekritischen Hochschulprofessor Aghajari, seine Strafe wurde aber - unter verändertem Strafvorwurf - im Frühjahr 2005 in eine Haftstrafe umgewandelt. Fälle einer Vollstreckung der Todesstrafe wegen Apostasie wurden in den letzten Jahren nicht mehr bekannt. Der ehemalige Chef der iranischen Judikative, Ayatollah Sharoudi, hatte die Staatsanwaltschaften und die Gerichte angewiesen, niemanden wegen Religionswechsel zur Todesstrafe zu verurteilen. Eine derartige Verurteilung ist daher derzeit unwahrscheinlich. Die Direktive des ehemaligen Chefs der Justiz könnte jedoch kurzfristig zurückgenommen werden.

Indes ist zu beachten, dass es trotzdem zur Anklage und Einleitung von gerichtlichen Strafverfahren wegen Konversion kommen kann. Eine Anschuldigung wegen Apostasie kann schwerste Sanktionen nach sich ziehen. Oftmals lautet die Anklage auf "Gefährdung der nationalen Sicherheit", "Organisation von Hauskirchen" und "Beleidigung des Heiligen" wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Länderreport 10 Iran, Situation der Christen, Stand 3/2019).

Willkürliche Verhaftungen durch iranische Behörden

Trotz Fehlens einer strafrechtlichen Grundlage kommt es immer wieder zu willkürlichen Verhaftungen von Konvertierten. Die ehemalige UN-Sonderberichterstatterin für die Lage der Menschenrechte in Iran, Asma Jahangir, hat in ihrem Bericht an den UN-Menschenrechtsrat (UNHRC) vom März 2017 betont, dass seitens der iranischen Behörden und vom Klerus gezielt mit strengen Maßnahmen und willkürlichen Verhaftungen gegen christliche Konvertiten mit vormals muslimischen Hintergrund vorgegangen wird. Auch Christians in Parliament APPG und APPG for International Freedom of Religion or Belief weisen auf willkürliche Verhaftungen von christlichen Personen hin. Danach ist es in den letzten zehn Jahren beispielsweise üblich geworden, dass während der Weihnachtszeit in verschiedenen Städten Irans christliche Konvertiten von den Sicherheitskräften festgenommen werden. In einem Interview mit UK Home Office im Juli 2017 wies die Organisation Article 18 darauf hin, dass bei den Verhaftungen von Konvertierten die gesetzlichen Vorschriften nur selten eingehalten werden. In den meisten Fällen würden Betroffene weder vorgeladen, noch werde ihnen bei ihrer Verhaftung ein Haftbefehl vorgelegt. Auch würden sie nicht über die Anklagepunkte informiert.

Konvertierte werden bei Razzien in Hauskirchen, Privathäusern oder an beliebigen anderen Orten festgenommen. Gemäß Zeugenaussagen an Christians in Parliament APPG und APPG for International Freedom of Religion or Belief sind Razzien und Festnahmen in Privathäusern von christlichen Personen in Iran weit verbreitet. Personen, die ihren Glauben in Hauskirchen praktizieren, sind von Razzien betroffen. Voraussetzung sind Informationen aus dem Umfeld der Hauskirchen. BosNewsLife zufolge haben Sicherheitskräfte allein im Monat August 2016 in mindestens vier Hauskirchen Razzien durchgeführt. Die Behörden beabsichtigen mit solchen Aktionen ein Klima der Angst zu schaffen. Gemäß Aussagen von Elam Ministries werden bei Razzien in Hauskirchen alle Anwesenden festgenommen: Sowohl diejenigen, die neu und inaktiv sind, als auch die Kirchenführenden (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Länderreport 10 Iran, Situation der Christen, Stand 3/2019).

Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online-Aktivitäten ist weit verbreitet. Es kann jedoch nicht klargestellt werden, wie hoch die Kapazitäten zur Überwachung sind. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019).

Berichten zufolge sollen auch Kautionszahlungen absichtlich sehr hoch angesetzt werden, um den Familien von Konvertiten wirtschaftlich zu schaden. Im Anschluss an die Freilassung wird Konvertiten das Leben erschwert, indem sie oft ihren Job verlieren bzw. es ihnen verwehrt wird, ein Bankkonto zu eröffnen oder ein Haus zu kaufen. Die Regierung nutzt Kautionszahlungen, um verurteilte Christen vorsätzlich verarmen zu lassen, und drängt sie dazu, das Land zu verlassen (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019).

Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten, und ob er/sie auch im Ausland bekannt ist, ab. Normale Mitglieder von Hauskirchen riskieren, zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden, da die Behörden diese Personen schikanieren und einschüchtern wollen. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion aber andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder andere Personen im Glauben zu unterrichten, dann kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019).

Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Während Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagen, dass eine Taufe keine Bedeutung habe, ist sich ein Ausländer mit Kontakt zu Christen in Iran darüber unsicher; Middle East Concern, eine Organisation, die sich um die Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten und Nordafrika kümmert, ist der Meinung, dass eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein könnte (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019).

Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein, und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Auch Publikationen, die sich mit dem Christentum beschäftigen und schon auf dem Markt waren, wurden konfisziert, obwohl es von der Regierung genehmigte Übersetzungen der Bibel gibt. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019).

Anzahl verhafteter Konvertierter

Christen im Exil haben gemäß dem US Department of State von zahlreichen Festnahmen, insbesondere von evangelikalen und vom Islam konvertierten Christen berichtet. Laut der USCIRF und der in Budapest ansässigen Nachrichtenagentur BosNewsLife haben iranische Sicherheitskräfte zwischen Mai und August 2016 ungefähr 80 Christen verhaftet. Die Mehrheit der Inhaftierten wurde laut USCIRF verhört und nach wenigen Tagen freigelassen, aber ein Teil der Verhafteten wurde über Monate ohne Anklage festgehalten. Mehrere Betroffene seien weiterhin in Haft. Menschenrechtsgruppen gehen allerdings davon aus, dass es eine Dunkelziffer gibt und die Zahl der Christen, welche von den Behörden aufgegriffen werden, viel höher liegen könnte. Im Dezember 2016 waren rund 90 christliche Personen wegen ihren religiösen Tätigkeiten oder ihrem Glauben inhaftiert oder saßen in Untersuchungshaft (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Länderreport 10 Iran, Situation der Christen, Stand 3/2019).

Familienangehörige Konvertierter

Auch Familienangehörige von konvertierten Personen sind Ziel staatlicher Schikane und Drohungen. Verschiede Quellen geben an, dass Familienmitglieder von christlichen Konvertierten Opfer von Schikanen durch staatliche Akteure werden können. Elam Ministries berichtet von einem 12-jährigen Jungen, der über seinen Glauben befragt und geschlagen wurde und zusammen mit seinen konvertierten Eltern verhaftet wurde. Gemäß Angaben der internationalen Organisation in der Türkei an das DIS riskieren Familienmitglieder von Konvertierten den Verlust der Arbeitsstelle oder eine Verweigerung des Hochschuleintritts. Als weiteres Beispiel werden Eltern fortgeschrittenen Alters erwähnt, die wegen der Konversion ihres Kindes durch staatliche Behörden schikaniert werden. Wenn der Ernährer der Familie verhaftet wird, bringe dies außerdem finanzielle Folgen mit sich mit, zumal große Summen Geld als Kaution für die temporäre Freilassung aufgetrieben werden müsste. Diese Beträge werden so hoch festgesetzt, um der Familie möglichst hohen finanziellen Schaden zuzufügen. Berichte weisen auf Verwandte von einem ins Ausland geflohenen und von Verhaftung bedrohten christlichen Pastors hin, die fast täglich bedroht wurden und in eine andere Stadt ziehen mussten, weil der iranische Geheimdienst MOIS die lokale Gemeinde informierte, dass sie Apostaten seien (Schweizerische Flüchtlingshilfe vom 07.07.2018: Iran: Gefährdung von Konvertiten).

Soziale Folgen einer Konversion

Neben den strafrechtlichen Folgen einer Konversion besteht die Möglichkeit, dass bei Bekanntwerden des Glaubenswechsels der Arbeitsplatz in Gefahr gerät. Insbesondere bei staatlichen Unternehmen, in denen Angehörige des "Herasat" (Aufsichtsgruppe des iranischen Geheimdienstministeriums) regelmäßig vertreten sind und auch in Privatunternehmen ab einer bestimmten Größe, die die Anwesenheit des "Herasat" dulden müssen. Dabei ist es auch möglich, dass Familienangehörige des Konvertiten ebenfalls eine Kündigung erhalten.

Unabhängig von der gesellschaftlichen Umgebung besteht für Konvertiten die Gefahr, dass sie sich, wenn sie sich innerhalb der eigenen Familie erkennbar zum Christentum bekennen, erheblichen Widerständen bis hin zur aktiven Denunziation bei den Sicherheitskräften seitens eines Angehörigen der Familie aussetzen. Darüber hinaus riskieren sie auch den Ausschluss aus der Familie. Dies trifft insbesondere auf Konvertiten zu, deren Familienangehörige innerhalb des Regierungsapparates arbeiten, da diese in der Furcht leben, die Arbeit zu verlieren. Auch das Recht auf die Kindererziehung wird in solchen Fällen möglicherweise von der Familie in Frage gestellt, da die Erziehung eines muslimischen Kindes für Andersgläubige ausgeschlossen ist.

Grundsätzlich kann aber auch davon ausgegangen werden, dass diese Konflikte ausbleiben, wenn die Familie einem eher säkularen Umfeld entspringt, wie es in der iranischen Gesellschaft oftmals oder zunehmend der Fall ist. Daher kann auch davon ausgegangen werden, dass außerhalb des beruflichen Umfelds ein mangelhafter Moschee-Besuch oder die Verweigerung der Teilnahme an muslimischen Ritualen nicht zwingend den Verdacht einer Konversion aufkommen lässt. Dennoch ist es nicht verwunderlich, dass viele Konvertiten den Glaubenswechsel gegenüber ihren Familien verschweigen, um mögliche Konflikte zu umgehen (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Länderreport 10 Iran, Situation der Christen, Stand 3/2019).

Rückkehr von Konvertiten

Die Rückkehr von Konvertiten in den Iran führt nicht zwingend zu einer Festnahme oder Inhaftierung. In den vergangenen zehn Jahren wurde seitens der in Iran vertretenen westlichen Botschaften, die grundsätzlich Rückführungen iranischer Staatsangehöriger vor Ort kontrollieren, kein Fall der Festnahme eines Konvertiten bei der Einreise gemeldet.

Allgemein wird eine Unterscheidung zwischen dem Konvertiten, der bereits vor einer Ausreise in den Fokus der Sicherheitskräfte geraten ist und demjenigen, der nach der Ausreise einen Glaubenswechsel tätigte, vorgenommen.

Konvertiten, die aus einer Gefährdungs- oder Konfliktsituation heraus die Ausreise betrieben haben, werden als gefährdet betrachtet, da möglicherweise seitens der Behörden eine Akte über sie angelegt wurde und dies bei der Einreise über das Informationssystem angezeigt wird. Auch Konvertiten, die im Ausland in der Öffentlichkeit für ihr christliches neues Leben bekannt wurden, laufen Gefahr, dass die iranischen Sicherheitskräfte eine solche Ermittlungsakte angelegt haben. Dabei genügt es nicht, über die sozialen Medien den Glaubenswechsel zu verbreiten; vielmehr wird angenommen, dass bei entsprechender Aufmerksamkeit für die iranischen Dienste entscheidend ist, ob der Glaubenswechsel nachvollziehbar ist oder lediglich eine "copy/paste"-Entscheidung getroffen wurde, um eine Annäherung zum westlichen Leben zu erreichen (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Länderreport 10 Iran, Situation der Christen, Stand 3/2019).

Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben; Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019).

Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, werden für die Behörden nicht von Interesse sein. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, dann wäre eine Rückkehr nach Iran kein Problem. Konvertiten, die ihre Konversion aber öffentlich machen, können sich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen, einschließlich Facebook berichtet, können die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang würde davon abhängen, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein "high-profile"-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, wird der Konvertit wohl keine harsche Strafe bekommen. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein, würde nicht zu einer Verfolgung führen, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, würde er/sie nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das zu einem Problem werden (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019).

Menschenrechtslage/Sanktionen

Der Iran zählt zu den Ländern mit einer anhaltend beunruhigenden Lage der Menschenrechte, die jedoch besser ist als in der Mehrzahl der Nachbarländer. Die Menschenrechtsbilanz der Regierung bleibt schlecht und verschlechterte sich in mehreren Schlüsselbereichen. Zu den Menschenrechtsfragen gehören Hinrichtungen für Verbrechen, die nicht dem internationalen Rechtsstandard der "schwersten Verbrechen" entsprechen, zahlreiche Berichte über rechtswidrige oder willkürliche Tötungen, Verschwindenlassen und Folter durch Regierungsbeamte, harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen, systematische Inhaftierungen einschließlich Hunderter von politischen Gefangenen. Weiters unrechtmäßige Eingriffe in die Privatsphäre, Beschränkungen der freien Meinungsäußerung, der Presse und des Internets, einschließlich Zensur, Blockieren von Webseiten und Kriminalisierung von Verleumdungen; erhebliche Eingriffe in das Recht auf friedliche Versammlung und Vereinigungsfreiheit, wie z.B. die restriktiven Gesetze für Nichtregierungsorganisationen (NGO); Einschränkungen der Religionsfreiheit, Beschränkungen der politischen Beteiligung, weit verbreitete Korruption auf allen Regierungsebenen, rechtswidrige Rekrutierung von Kindersoldaten durch Regierungsakteure zur Unterstützung des Assad-Regimes in Syrien, Menschenhandel, strenge staatliche Beschränkungen der Rechte von Frauen und Minderheiten, Kriminalisierung von sexuellen Minderheiten, Verbrechen, die Gewalt oder Gewaltdrohungen gegen LGBTI-Personen beinhalten, und schließlich das Verbot unabhängiger Gewerkschaften. Die Regierung unternahm wenige Schritte um verantwortliche Beamte zur Rechenschaft zu ziehen. Viele dieser Missstände sind im Rahmen der Regierungspolitik zu verantworten. Straffreiheit ist auf allen Ebenen der Regierung und der Sicherheitskräfte weit verbreitet.

Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivität, die als Angriff auf das politische System empfunden wird oder die islamischen Grundsätze in Frage stellt. Als rechtliche Grundlage dienen dazu weit gefasste Straftatbestände (vgl. Art. 279 bis 288 iStGB sowie Staatsschutzdelikte insbesondere Art. 1 bis 18 des 5. Buches des iStGB). Personen, deren öffentliche Kritik sich gegen das System der Islamischen Republik Iran als solches richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten, können der Spionage beschuldigt werden. Besonders unter Druck stehen Mitglieder bzw. Gründer von Menschenrechtsorganisationen (zumeist Strafverteidiger bzw. Menschenrechtsanwälte), wie etwa des "Defenders of Human Rights Center", deren Gründungsmitglieder nahezu allesamt wegen ihrer Tätigkeit hohe Haftstrafen verbüßen. Zum Teil wurden auch Körperstrafen sowie Berufs- und Reiseverbote über sie verhängt. Es ist davon auszugehen, dass sie in Haftanstalten physischer und schwerer psychischer Folter ausgesetzt sind. Oft werden auch Familienmitglieder und Freunde von Strafverteidigern unter Druck gesetzt (verhört oder verhaftet). Die Tätigkeit als Frauen- und Menschenrechtsaktivist wird regelmäßig strafrechtlich verfolgt (Vorwurf der Propaganda gegen das Regime o.ä.) und hat oft die Verurteilung zu Haft- oder auch Körperstrafen zur Folge (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019).

Rechtsschutz / Justizwesen

Seit 1979 ist Iran eine Islamische Republik. in welcher versucht wird. demokratische und islamische Elemente miteinander zu verbinden. Die iranische Verfassung besagt. dass alle Gesetze sowie die Verfassung auf islamischen Grundsätzen beruhen müssen. Mit einer demokratischen Verfassung im europäischen Sinne kann sie daher nicht verglichen werden (ÖB Teheran 12.2018). Das in der iranischen Verfassung enthaltene Gebot der Gewaltentrennung ist praktisch stark eingeschränkt. Der Revolutionsführer ernennt für jeweils fünf Jahre den sogenannten Chef der Judikative. Dieser ist laut Art.157 der Verfassung die höchste Autorität in allen Fragen der Justiz; der Justizminister hat demgegenüber vorwiegend Verwaltungskompetenzen. Die Unabhängigkeit der Gerichte ist in der Verfassung festgeschrieben. unterliegt jedoch Begrenzungen. Immer wieder wird deutlich. dass Exekutivorgane. v.a. der Sicherheitsapparat. trotz des formalen Verbots. in Einzelfällen massiven Einfluss auf die Urteilsfindung und die Strafzumessung nehmen. Zudem ist zu beobachten. dass fast alle Entscheidungen der verschiedenen Staatsgewalten bei Bedarf informell durch den Revolutionsführer und seine Mitarbeiter beeinflusst und gesteuert werden können. Auch ist das Justizwesen nicht frei von Korruption. Nach belastbaren Aussagen von Rechtsanwälten ist ca. ein Drittel der Richter bei entsprechender Gegenleistung zu einem Entgegenkommen bereit. In Iran gibt es eine als unabhängige Organisation aufgestellte Rechtsanwaltskammer ("Iranian Bar Association";IBA). Allerdings sind die Anwälte der IBA staatlichem Druck und Einschüchterungsmaßnahmen, insbesondere in politischen Verfahren, ausgesetzt. Die Liste der Verteidiger in politischen Verfahren ist auf 20 Anwälte beschränkt worden, die z. T dem Regime nahe stehen. Das Justizsystem wird als Instrument benutzt, um Regimekritiker und Oppositionelle zum Schweigen zu bringen. Obwohl das Beschwerderecht rechtlich garantiert ist, ist es in der Praxis eingeschränkt, insbesondere bei Fällen, die die nationale Sicherheit oder Drogenvergehen betreffen.

Richter werden nach religiösen Kriterien ernannt. Internationale Beobachter kritisieren weiterhin den Mangel an Unabhängigkeit des Justizsystems und der Richter und, dass die Verfahren internationale Standards der Fairness nicht erfüllen. Iranische Gerichte, insbesondere die Revolutionsgerichte, verletzen immer wieder die Regeln für faire Gerichtsverfahren. Geständnisse, die wahrscheinlich unter Anwendung von Folter erlangt wurden, werden als Beweis vor Gericht verwendet. Die Behörden setzen sich ständig über die Bestimmungen hinweg, welche die Strafprozessordnung von 2015 für ein ordnungsgemäßes Verfahren vorsieht, wie das Recht auf einen Rechtsbeistand unmittelbar nach der Festnahme und während der Untersuchungshaft.

In der Normenhierarchie der Rechtsordnung Irans steht die Scharia an oberster Stelle. Darunter stehen die Verfassung und das übrige kodifizierte Recht. Die Richter sind nach der Verfassung angehalten, bei der Rechtsanwendung zuerst auf Grundlage des kodifizierten Rechts zu entscheiden. Im Zweifelsfall kann jedoch gemäß den Art. 167 und 170 der iranischen Verfassung die Scharia vorrangig angewendet werden.

In der Strafjustiz existieren mehrere voneinander getrennte Gerichtszweige. Die beiden wichtigsten sind die ordentlichen Strafgerichte und die Revolutionsgerichte. Daneben sind die Pressegerichte für Taten von Journalisten, Herausgebern und Verlegern zuständig. Die "Sondergerichte für die Geistlichkeit" sollen abweichende Meinungen unter schiitischen Geistlichen untersuchen und ihre Urheber bestrafen. Sie unterstehen direkt dem Revolutionsführer und sind organisatorisch außerhalb der Judikative angesiedelt.

Die Zuständigkeit der Revolutionsgerichte beschränkt sich auf folgende Delikte:

- Straftaten betreffend die innere und äußere Sicherheit des Landes, bewaffneter Kampf gegen das Regime, Verbrechen unter Einsatz von Waffen, insbesondere "Feindschaft zu Gott" und "Korruption auf Erden";

- Anschläge auf politische Personen oder Einrichtungen;

- Beleidigung des Gründers der Islamischen Republik Iran und des jeweiligen Revolutionsführers;

- Spionage für fremde Mächte;

- Rauschgiftdelikte, Alkoholdelikte und Schmuggel;

- Bestechung, Korruption, Unterschlagung öffentlicher Mittel und Verschwendung von Volksvermögen.

Gerichtsverfahren, vor allem Verhandlungen vor Revolutionsgerichten, finden nach wie vor unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und sind extrem kurz. Manchmal dauert ein Verfahren nur wenige Minuten.

Die iranische Strafrechtspraxis unterscheidet sich stark von jener der europäischen Staaten: Körperstrafen sowie die Todesstrafe werden verhängt. Nach Art. 278 iStGB können in bestimmten Fällen des Diebstahls Amputationen von Gliedmaßen

- auch für Ersttäter - vom Gericht angeordnet werden. Amputation eines beispielsweise Fingers bei Diebstahl fällt unter Vergeltungsstrafen ("Qisas"), ebenso wie die Blendung, die auch noch immer angewendet werden kann. Durch Erhalt eines Abstandsgeldes ("Diya") kann der ursprünglich Verletzte jedoch auf die Anwendung einer Blendung verzichten.

Aussagen hinsichtlich einer einheitlichen Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis sind nur eingeschränkt möglich, da diese sich durch scheinbare Willkür auszeichnet. Rechtlich möglich wird dies vorrangig durch unbestimmte Formulierungen von Straftatbeständen und Rechtsfolgen sowie eine uneinheitliche Aufsicht der Justiz über die Gerichte. Auch willkürliche Verhaftungen kommen vor und führen dazu, dass Personen ohne ein anhängiges Strafverfahren festgehalten werden. Darüber hinaus ist die Strafverfolgungspraxis auch stark von aktuellen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen bestimmt. Im August 2018 wurde angesichts der kritischen Wirtschaftslage ein Sondergericht für Wirtschaftsstraftaten eingerichtet, das bislang schon sieben Menschen wegen Korruption zum Tode verurteilt hat.

Wohl häufigster Anknüpfungspunkt für Diskriminierung im Bereich der Strafverfolgung ist die politische Überzeugung. Beschuldigten bzw. Angeklagten werden grundlegende Rechte vorenthalten, die auch nach iranischem Recht garantiert sind. Untersuchungshäftlinge werden bei Verdacht eines Verbrechens unbefristet ohne Anklage festgehalten, ihre Familien werden nicht oder sehr spät informiert. Oft erhalten Gefangene während der laufenden Ermittlungen keinen rechtlichen Beistand, weil ihnen dieses Recht verwehrt wird oder ihnen die finanziellen Mittel fehlen. Insbesondere bei politisch motivierten Verfahren gegen Oppositionelle erheben Gerichte oft Anklage aufgrund konstruierter oder vorgeschobener Straftaten. Die Strafen sind in Bezug auf die vorgeworfene Tat zum Teil unverhältnismäßig hoch. Hinsichtlich der Ausübung von Sippenhaft liegen gegensätzliche Informationen vor, sodass eine belastbare Aussage nicht möglich ist.

Hafterlass ist nach Ableistung der Hälfte der Strafe möglich. Amnestien werden unregelmäßig vom Revolutionsführer auf Vorschlag des Chefs der Justiz im Zusammenhang mit hohen religiösen Feiertagen und dem iranischen Neujahrsfest am 21. März ausgesprochen. Bei Vergeltungsstrafen können die Angehörigen der Opfer gegen Zahlung eines Blutgeldes auf den Vollzug der Strafe verzichten. Unter der Präsidentschaft Rohanis hat die Zahl der Aussetzung der hohen Strafen bis hin zur Todesstrafe wegen des Verzichts der Angehörigen auf den Vollzug der Strafe stark zugenommen.

Rechtsschutz ist oft nur eingeschränkt möglich. Anwälte, die politische Fälle übernehmen, werden systematisch eingeschüchtert oder an der Übernahme der Mandate gehindert. Der Zugang von Verteidigern zu staatlichem Beweismaterial wird häufig eingeschränkt oder verwehrt. Die Unschuldsvermutung wird mitunter - insbesondere bei politisch aufgeladenen Verfahren - nicht beachtet. Zeugen werden durch Drohungen zu belastenden Aussagen gezwungen. Es gibt zahlreiche Berichte über durch Folter und psychischen Druck erzwungene Geständnisse.

Insbesondere Isolationshaft wird genutzt, um politische Gefangene und Journalisten psychisch unter Druck zu setzen. Gegen Kautionszahlungen können Familienmitglieder die Isolationshaft in einzelnen Fällen verhindern oder verkürzen (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019; Auswärtiges Amt: Bericht über die Lage in der Islamischen Republik Iran vom 12.01.2019).

1.2. Hinsichtlich der beschwerdeführenden Parteien:

1.2.1. Am 07.10.2015 stellte der Drittbeschwerdeführer nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz. Die Erst- und die Zweitbeschwerdeführerinnen sowie der Viertbeschwerdeführer reisten mit einem Visum legal nach Österreich ein und stellten gemeinsam am 18.08.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Die Zweitbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführer sind miteinander verheiratet, wobei die Ehe im Jahr XXXX im Iran geschlossen wurde, und die Erstbeschwerdeführerin und der Viertbeschwerdeführer sind ihre gemeinsamen volljährigen Kinder, wobei der Viertbeschwerdeführer bei der Antragstellung noch minderjährig war. Die beschwerdeführenden Parteien sind alle Staatsangehörige des Iran, Zugehörige der Volksgruppe der Perser und stammen aus XXXX . Sie entstammen einer bekannten Familie und sind mit dem XXXX minister entfernt verwandt. Sie sind alle strafrechtlich unbescholten.

1.2.2. Die beschwerdeführenden Parteien bekennen sich zum christlichen (protestantischen) Glauben und sind Angehörige einer freikirchlichen Glaubensgemeinschaft ( XXXX . Zuvor waren sie gebürtige, aber nie gläubige, Muslime. Sie wurden nichtreligiös erzogen. Die beschwerdeführenden Parteien haben sich ernsthaft aus innerer Überzeugung dem Christentum zugewendet. Sie haben ihre christliche Überzeugung (ihre Konversion) öffentlich gemacht und leben ihren Glauben in Österreich offen aus, wobei sie rege kirchliche Aktivitäten entfalten und missionieren. Sie sind ernstlich gewillt, ihre christliche Religion auch weiterhin (auch im Iran) auszuleben und auszuüben.

Der Drittbeschwerdeführer hat bereits im Iran über einen Arbeitskollegen Interesse am Christentum entwickelt und begonnen, sich mit der christlichen Glaubenslehre auseinanderzusetzen. Er nahm bei Versammlungen in Hauskirchen teil und half später auch mit, Bibeln in der Stadt XXXX zu verteilen. Er missionierte auch seine Ehefrau und seine Kinder. Seit Mitte August 2015 wird er von den iranischen Behörden gesucht und es fanden ihn betreffende behördliche Suchmaßnahmen in seinem Haus statt. Nach der ersten Suchmaßnahme (Nachfrage nach dem Drittbeschwerdeführer) flüchtete der Drittbeschwerdeführer illegal aus dem Iran. In Österreich kam der Drittbeschwerdeführer im April 2016 mit der freikirchlichen Glaubensgemeinschaft XXXX in Kontakt, nachdem er sechs Monate lang eine Kirche in der Nähe von XXXX besucht hatte. Seitdem vertieft er seinen christlichen Glauben, nimmt regelmäßig an den Gottesdiensten sowie an der Bibelschule teil und ist in der Kirchengemeinde, etwa bei der Flüchtlingsarbeit, ehrenamtlich tätig.

Die Erstbeschwerdeführerin erhielt über ihren Vater, den Drittbeschwerdeführer, im Jahr 2015 im Iran Zugang zur christlichen Glaubenslehre, die sie überzeugte. In der Folge sprach sie mit Freunden und Studienkollegen über ihre Hinwendung zum Christentum bzw. über das Christentum. Wegen dieser Gespräche musste sich die Erstbeschwerdeführerin an der Universität erklären und sie erhielt eine Vorladung zur Disziplinarkommission der Universität. Sie wurde auch von Kommilitonen sexuell belästigt, da ihr wegen ihre Hinwendung zum Christentum unterstellt wurde, sexuell freizügiger zu sein. Die Erstbeschwerdeführerin besuchte deshalb die Universität nicht mehr. Weil es wegen ihres Vaters auch zu einer Hausdurchsuchung kam, zog sie mit ihrer Mutter und ihrem Bruder zu ihrer Tante nach XXXX . Über (eine Frau mit) Beziehungen und gegen Bezahlung von viel Geld gelang ihnen in der Folge die legale Ausreise aus dem Iran. Gleich am ersten Sonntag nach ihrer Ankunft in Österreich besuchte sie eine Kirche. Die Erstbeschwerdeführerin engagiert sich wie auch ihre Eltern und ihr Bruder in der XXXX , wo sie regelmäßig bei der Live-Gruppe und bei den Gottesdiensten präsent ist sowie Dienste in der Kirchengemeinde übernimmt, so ist sie ehrenamtlich im Medienteam der Kirchengemeinde tätig. Sie beschäftigt sich täglich mit der Bibel.

Weil die beschwerdeführenden Parteien vom Christentum überzeugt waren, ließen sie sich am 04.06.2016 (Drittbeschwerdeführer) sowie am 19.11.2016 (die Erst- und die Zweitbeschwerdeführerinnen sowie den Viertbeschwerdeführer) nach dem Ritus der freikirchlichen Glaubensgemeinschaft XXXX taufen. Dem ging ein Taufvorbereitungskurs voraus. Die beschwerdeführenden Parteien sind geschätzte und engagierte Mitglieder der Kirchengemeinde, die sich die christlichen Werte und die christliche Lebensweise sehr gut angeeignet haben. Sie beschäftigen sich mit den Glaubensinhalten ihrer neuen Religion und verfügen diesbezüglich über umfangreiches Wissen. Sie beteiligen sich regelmäßig und aktiv an den Gottesdiensten und Aktionen der Kirchengemeinde (Medien-, Kinder-, Jugend- oder Flüchtlingsarbeit) und sind missionarisch tätig. Die beschwerdeführenden Parteien beabsichtigen die Fortsetzung ihrer kirchlichen/religiösen Aktivitäten, insbesondere auch die Missionierungstätigkeit, da dies für ihre Glaubensüberzeugung von zentraler Bedeutung ist. Sie sind vom Christentum ehrlich überzeugt und ein Widerruf ihres nunmehrigen religiösen Bekenntnisses kommt für sie nicht in Betracht.

Die Familie der beschwerdeführenden Parteien im Iran kann die Konversion der beschwerdeführenden Parteien nicht verstehen und hat die beschwerdeführenden Parteien ausgeschlossen.

1.2.3. Die beschwerdeführenden Parteien sind gefährdet, im Iran asylrelevant in das Blickfeld der iranischen Behörden/bzw. ihrer Familie im Iran bzw. der iranischen muslimischen Gesellschaft zu geraten und aus politischen/religiösen Gründen Opfer schwerster Menschenrechtsverletzungen zu werden.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Situation im Iran beruhen auf den dort jeweils angeführten Quellen. Die herangezogenen Länderberichte basieren wiederum auf Berichten anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der entscheidungswesentlichen Situation im Iran ergeben. Angesichts der Seriosität der Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Überdies bestehen keine Anhaltspunkte, dass die herangezogenen Berichte bzw. die Situationsdarstellung ihre Aktualität bereits verloren haben bzw. hat. Die Parteien des Verfahrens traten diesen Feststellungen bzw. den Quellen, welche in der Beschwerdeverhandlung erörtert wurden, nicht entgegen. Zudem stehen die Feststellungen auch in Einklang mit den Feststellungen der belangten Behörde in den angefochtenen Bescheiden.

2.2. Zu den Feststellungen unter Punkt 1.2.:

Die Feststellungen zu den Personen der beschwerdeführenden Parteien ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten sowie aus den beigeschafften Strafregisterauszügen, insbesondere jedoch aus den glaubwürdigen Angaben der beschwerdeführenden Parteien im Verfahren vor der belangten Behörde und in der Beschwerdeverhandlung und den dazu vorgelegten Urkunden (insbesondere Empfehlungsschreiben des XXXX ; Taufurkunden), gestützt vom glaubwürdigen persönlichen Eindruck, der im Zuge der durchgeführten Beschwerdeverhandlung von den beschwerdeführenden Parteien gewonnen werden konnten.

Nach der Überzeugung des Bundesverwaltungsgerichtes machten die beschwerdeführenden Parteien wahrheitsgetreue, glaubwürdige Angaben. Ihre Aussagen sind im wesentlichen Kern gleichbleibend, substantiiert und sowohl in sich als auch im Verhältnis zu den Aussagen untereinander und auch vor dem Hintergrund der Verhältnisse im Iran bei einer Gesamtbetrachtung stimmig. So legten die beschwerdeführenden Parteien ihren familiären Hintergrund, die Geschehnisse im Iran, ihren Glaubenswechsel und ihre Glaubensüberzeugung und die ihnen im Falle der Rückkehr drohenden Gefahren in der Beschwerdeverhandlung lebensnah und sehr anschaulich dar. Die Angaben der beschwerdeführenden Parteien sind plausibel und werden auch durch beweiskräftige Urkunden untermauert sowie vom Zeugen bestätigt. Einzelne Unklarheiten und Abweichungen in den Aussagen beziehen sich auf Nebenbereiche und sind sichtlich auf Missverständnisse zurückzuführen; dies wurde in der Beschwerdeverhandlung überzeugend dargetan bzw. erklärt.

Ausgehend davon entspricht es nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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