TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/4 W213 2230625-1

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Veröffentlicht am 04.05.2020
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Entscheidungsdatum

04.05.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2
WG 2001 §18b Abs4
WG 2001 §30 Abs2

Spruch

W 213 2230625-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Albert SLAMANIG als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , gegen den Bescheid des Militärkommandos WIEN, Ergänzungsabteilung vom 14.04.2020, GZ. P1559626/1-MilKdo W/Kdo/ErgAbt/2019 (3), betreffend Nachstellung (§ 18b Abs. 4 WehrG ), beschlossen:

A)

Der bekämpfte Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 2 und 3 VwGVG behoben und die Angelegenheit an die belangte Behörde zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

I.1.Der am XXXX geborene Beschwerdeführer wurde bereits am 09.07.2019 im Rahmen der Stellung für tauglich befunden. Am 03.04.2020 wurde er gemäß § 30 WehrG vorzeitig aus dem Präsenzdienst entlassen weil durch den Truppenarzt eine Infektion mit COVID 19 festgestellt wurde.

I.2. Die belangte Behörde erließ in weiterer Folge den nunmehr angefochtenen Bescheid, dessen Spruch wie folgt lautet:

"Die Durchführung Ihrer neuerlichen Stellung wird von Amts wegen verfügt.

Sie werden voraussichtlich ab September 2020 einer neuerlichen Stellung unterzogen; der konkrete Stellungstermin wird Ihnen mit einer gesonderten Ladung bekanntgegeben werden.

Rechtsgrundlage: § 18b Abs. 4 des Wehrgesetzes 2001 - WG 2001, BGBl. I Nr. 146, in der derzeit geltenden Fassung."

Begründend wurde nach Wiedergabe des Verfahrensgangs im Wesentlichen ausgeführt, dass die Weiterentwicklung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers gegenwärtig nicht sicher abgesehen werden könne. Daher sei die Durchführung der neuerlichen Stellung frühestens in dem im Spruch zitierten Zeitraum zielführend, zumal erst dann voraussichtlich eine sichere medizinische Beurteilungsmöglichkeit bezüglich seiner Eignung zum Wehrdienst gegeben sein werde.

I.3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass es sich in diesem Fall eindeutig um eine Dienstunfähigkeit nach § 30 Abs. 2 WehrG handle. Es wäre daher eine Einweisung in die Krankenstation (Einhaltung der 24 Tage Frist) vollauf gerechtfertigt gewesen, da eine Quarantäne bei einer Covid-19 Infektion normalerweise mit 14 Tagen bemessen sei.

Ferner hätte er als asymptomatischer Fall als nicht hindernd eingestuft werden müssen; dabei wäre es auch ausreichend gewesen, ihm alternativ zur Krankenstationsquarantäne eine Heimquarantäne zu verordnen, anstatt sich für eine Zwangsabrüstung, welche gegen seinen Willen ausgesprochen worden sei, zu entscheiden. Die Anordnung einer Zwangsabrüstung wäre nur in dem Fall sinnvoll gewesen, wenn er nach einem 24 tägigen Aufenthalt in der Krankenstation nicht genesen wäre.

Die Folgen, welche zu seinen Lasten aus dieser vorzeitigen und überstürzten Präsenzdienstentlassung entstanden seien, seien nicht nur der plötzliche Verlust einer Krankenversicherung während einer Pandemie (bei angeblich nachgewiesener Erkrankung) und eine komplette Mittellosigkeit, sondern auch ein zeitlicher Verlust von mindestens sechs Monaten, um ins Berufsleben einzutreten zu können, da er frühestens im September 2020 zu einer neuerlichen Stellung geladen werde und danach noch auf den Einberufungsbefehl warten müsse.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem oben dargestellten Verfahrensgang.

COVID-19 ist eine durch das Coronavirus SARS-CoV-2 verursachte Infektionskrankheit. Sie wurde erstmals 2019 in Metropole Wuhan (Provinz Hubei) beschrieben, entwickelte sich im Januar 2020 in der Volksrepublik China zur Epidemie und breitete sich schließlich zur weltweiten COVID-19-Pandemie aus. Die genaue Ausbruchsquelle ist derzeit noch unbekannt. Es wird angenommen, dass sich das Virus wie andere Erreger von Atemwegserkrankungen hauptsächlich durch Tröpfcheninfektion verbreitet. Es gibt keinen Impfstoff. Die Behandlung erfolgt symptomatisch, das heißt durch Linderung der Krankheitsbeschwerden wie zum Beispiel durch Gabe fiebersenkender Mittel. Personen, die nach einer COVID-19 Erkrankung wieder genesen sind, sollten die sonst üblichen Hygienemaßnahmen beachten. Es wird derzeit davon ausgegangen, dass das zumindest für einen gewissen Zeitraum kein Risiko besteht, erneut an COVID-19 zu erkranken. Wie lange eine Immunität nach der Erkrankung besteht kann man derzeit noch nicht sagen. Dies werden weitere Forschungen zeigen. Jüngere Menschen sind seltener von schweren COVID-Krankheitsverläufen betroffen. Eine chronische Erkrankung zu haben erhöht das Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf noch nicht (z.B. Personen, deren hoher Blutdruck gut mit Medikamenten eingestellt ist). Wenn allerdings Personen mit einer schweren chronischen Grunderkrankung zusätzlich an COVID-19 erkranken, ist das Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs erhöht. Dieses erhöhte Risiko trifft nur auf einen kleinen Anteil von Personen zu. Zu dieser Personengruppe zählen unter anderem Menschen mit schweren chronischen Lungenerkrankungen (z.B. mit COPD im fortgeschrittenen Stadium oder mit zystischer Fibrose), mit fortgeschrittenen chronischen Nierenerkrankungen (z.B. Personen nach Nierentransplantation oder die Dialyse benötigen), mit fortgeschrittener Herzinsuffizienz sowie Menschen, die aktuell eine Krebstherapie erhalten oder diese erst innerhalb der letzten 6 Monate abgeschlossen haben. Erkrankungen wie diese können einen ungünstigen Erkrankungsverlauf annehmen lassen. Daher sollen sie zusätzlichen Anspruch auf Schutzmaßnahmen erhalten.

2. Beweiswürdigung:

Diese Feststellung konnten unmittelbar auf Grund der Aktenlage getroffen werden. Die Feststellungen hinsichtlich COVID-19 basieren auf den offiziellen Mitteilungen des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus/Coronavirus---Haeufig-gestellte-Fragen.html).

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG Abstand genommen werden, da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint und eine mündliche Erörterung die weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Dem Entfall der Verhandlung stehen auch weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit - mangels derartiger gesetzlicher Bestimmungen - Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A.)

§ 18b WehrG lautet (auszugsweise):

"Nachstellung und neuerliche Stellung

§ 18b. (1) Wehrpflichtige, die ihrer Stellungspflicht trotz Aufforderung nicht nachkommen, sind vom Militärkommando einer Nachstellung zuzuweisen. § 18 Abs. 1 hinsichtlich der Aufforderung zur Stellung ist anzuwenden.

(2) Wehrpflichtige, deren vorübergehende Untauglichkeit festgestellt wurde, sind nach Ablauf der von der Stellungskommission für die voraussichtliche Dauer ihrer vorübergehenden Untauglichkeit festgesetzten Frist vom Militärkommando aufzufordern, sich zu dem in der Aufforderung bestimmten Zeitpunkt einer neuerlichen Stellung zu unterziehen. Dies gilt hinsichtlich Wehrpflichtiger nach § 18a Abs. 1 Z 2 nur bei Vorliegen einer erneuten freiwilligen Meldung zur Stellung.

(3) Hat die Stellungskommission bei einem Wehrpflichtigen bereits dreimal die vorübergehende Untauglichkeit festgestellt, so kann das Militärkommando aus besonders rücksichtswürdigen Interessen von weiteren Aufforderungen zu einer neuerlichen Stellung von Amts wegen absehen, sofern militärische Rücksichten nicht entgegenstehen.

(4) Wehrpflichtige, deren Eignung zum Wehrdienst von der Stellungskommission festgestellt wurde, sind vom Militärkommando auf ihren Antrag einer neuerlichen Stellung zuzuweisen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine Änderung der Eignung zu erwarten ist. Gelangen diese Anhaltspunkte dem Militärkommando auf andere Weise als durch einen Antrag zur Kenntnis, so hat diese Behörde die Wehrpflichtigen von Amts wegen nach Maßgabe militärischer Interessen einer neuerlichen Stellung zu unterziehen. Der Antrag ist beim Militärkommando schriftlich einzubringen. Eine Antragstellung ist nicht zulässig ab Beginn des Tages

1. der Erlassung des Einberufungsbefehles oder

2. der Kundmachung der allgemeinen Bekanntmachung einer Einberufung zum Präsenzdienst

bis zur Entlassung aus diesem Präsenzdienst. Wird die Entlassung aus diesem Präsenzdienst vorläufig aufgeschoben, so ist eine Antragstellung bis zur Beendigung des Aufschubpräsenzdienstes nicht zulässig. In allen Fällen einer neuerlichen Stellung bleibt bis zu deren rechtskräftigem Abschluss die zuletzt getroffene Eignungsfeststellung aufrecht."

Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass beim Beschwerdeführer am 03.04.2020 eine Infektion mit COVID 19 festgestellt wurde, wobei der Beschwerdeführer keine Erkrankungssymptome aufgewiesen hat. Nach gegenwärtigem Kenntnisstand führt eine derartige Infektion in der Regel nur bei Angehörigen von Risikogruppen zu einer schweren Erkrankung. In allen anderen Fällen zeigen sich bei den Betroffenen keine Symptome oder die Erkrankung nimmt einen milden Verlauf.

Vor dem Hintergrund dieser Sachlage ist nicht ersichtlich, warum die Tauglichkeit des Beschwerdeführers zum Wehrdienst durch bloße Tatsache einer - asymptomatischen - Infektion mit COVID 19 infrage gestellt sein soll. Zutreffend zeigt der Beschwerdeführer auf, dass wohl eine vorübergehende Dienstunfähigkeit nach § 30 Abs. 2 WehrG vorliegen dürfte.

Darüber hinaus hat es die belangte Behörde unterlassen zu ermitteln, ob der Beschwerdeführer einer Risikogruppe angehört. Nur in diesem Fall wäre allenfalls die Tauglichkeit des Beschwerdeführers zum Wehrdienst infrage zu stellen.

Im Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, hat der VwGH folgende grundlegende Aussagen zur Zurückverweisung getroffen:

"Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stellt die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis steht diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat."

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung ist davon auszugehen, dass die belangte Behörde wesentliche Ermittlungen unterlassen und notwendige Feststellungen nicht getroffen hat. Die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch die belangte Behörde liegt - im Gegensatz zu einer Ermittlung und Feststellung durch das Bundesverwaltungsgericht - im Interesse der Raschheit und ist auch mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden.

Der bekämpfte Bescheid war daher gemäß § 28 Abs. 2 und 3 VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Erlassung eines Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde unter Beiziehung eines geeigneten medizinischen Sachverständigen festzustellen haben, ob die beim Beschwerdeführer festgestellte Infektion mit COVID 19 tatsächlich eine Änderung seiner Eignung zum Wehrdienst bewirkt hat bzw. ob der Beschwerdeführer einer Risikogruppe angehört.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Wie oben dargestellt wurde, ist die hier zu lösende Rechtsfrage angesichts der klaren Sach- und Rechtslage als geklärt zu betrachten.

Schlagworte

Ermittlungsmangel Ermittlungspflicht Kassation mangelnde Feststellungen mangelnde Sachverhaltsfeststellung Nachstellung Pandemie Präsenzdienst Präsenzdienst - Entlassung vorzeitige Entlassung Zurückverweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W213.2230625.1.00

Im RIS seit

24.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

24.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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