TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/19 W280 2221789-1

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Veröffentlicht am 19.05.2020
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Entscheidungsdatum

19.05.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W280 2221789-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Wolfgang BONT als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Serbien, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter PHILIPP gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX / XXXX , zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird insofern stattgegeben, als Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides ersatzlos aufgehoben wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF), ein Staatsangehöriger von Serbien, reiste im April XXXX in das Bundesgebiet ein. Am XXXX stellte er einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot Karte Plus".

Im Zeitraum vom XXXX bis XXXX sowie vom XXXX bis XXXX war der BF bei mehreren Dienstgebern in Wien beschäftigt. Am XXXX wurde folglich seitens der Fremdenpolizei gegen ihn Anzeige wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet erstattet, da dieser, ohne im Besitze einer entsprechenden Arbeitserlaubnis zu sein, in Österreich gearbeitet habe. Der Anzeige lag der Verdacht der Fälschung eines angeblich von der zuständigen Aufenthaltsbehörde ausgestellten Aufenthaltstitels zugrunde. Der BF beantragte folglich am XXXX die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG.

Der ursprüngliche Antrag auf Erteilung einer "Rot-Weiß-Rot Karte Plus" wurde sodann am XXXX abgelehnt. Wenige Tage später, sohin am XXXX , wurde das gegen den BF wegen des Verdachts auf Fälschung eines Beweismittels sowie dessen damaligen Rechtsvertreter und dessen Ehefrau wegen Fälschung von besonders geschützten Urkunden und schwerem Betrug geführte Strafverfahren gegenüber dem BF eingestellt.

Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom XXXX wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK gem. § 55 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I). Zudem wurde gegen ihn gem. § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 3 FPG erlassen (Spruchpunkt II). Es wurde gem. § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Serbien zulässig ist (Spruchpunkt III). Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 4 FPG nicht gewährt (Spruchpunkt IV) und einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gem. § 18 Abs. 2 Zif. 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V). Gem. § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG wurde gegen den BF zudem ein auf die Dauer von 3 (drei) Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI).

Mit Eingabe vom XXXX langte beim BFA fristgerecht die Beschwerde des BF ein, die dem Bundesverwaltungsgericht samt dem Bezug habenden Verwaltungsakt am XXXX , eingelangt am XXXX , vorgelegt wurde.

Die Beschwerde richtet sich ausdrücklich nur gegen die Dauer des Einreiseverbotes (Spruchpunkt VI). Der BF beantragt darin der Beschwerde Folge zu geben und den angefochtenen Spruchpunkt ersatzlos aufzuheben in eventu eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, die beantragten Beweise aufzunehmen und hiernach der Beschwerde Folge zu geben und Spruchpunkt VI ersatzlos aufzuheben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der volljährige BF ist Staatsangehöriger von Serbien und somit Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Er ist im Besitz eines am XXXX ausgestellten und bis XXXX gültigen serbischen Reisepasses. Seine Identität steht fest.

Er ist seit XXXX verheiratet und Vater eines Kindes. Seine Frau, die ebenfalls serbische Staatsangehörige ist, ist von Beruf Ärztin. Die Mutter des BF und sein Stiefvater sowie weitere Verwandte leben in Wien, seine Schwester in Deutschland.

Der BF beantragte am XXXX über einen Anwalt bei der zuständigen Niederlassungsbehörde einen Aufenthaltstitel. Ein dem BF von seinem Anwalt sodann ausgehändigter Aufenthaltstitel erwies sich in weiterer Folge als Fälschung. Das gegen den BF sowie seinen Anwalt und dessen Ehefrau eingeleitete Strafverfahren wurde am XXXX gegenüber dem BF gemäß § 190 Zif. 2 StPO eingestellt, da kein tatsächlicher Grund zur weiteren Verfolgung bestand.

In den Zeiträumen XXXX bis XXXX , XXXX bis XXXX sowie XXXX bis XXXX und vom XXXX bis XXXX war der BF im Bundesgebiet beschäftigt.

Er verfügt über ein Sprachzertifikat bezüglich der Stufe A 1.

2. Beweiswürdigung:

Der angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA.

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde, in den bekämpften Bescheid und in die Beschwerde. Ergänzend wurden Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister und der Grundversorgung zum vorliegenden Akt eingeholt.

Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund der Vorlage seines Reisepasses fest.

Die Feststellungen zu seinen persönlichen und familiären Verhältnissen beruhen auf den Angaben des BF gegenüber der belangten Behörde, aus den von ihm vorgelegten Unterlagen und Urkunden sowie den von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungen.

Die Feststellungen zu den Bemühungen des BF um Erlangung eines Aufenthaltstitels und Einstellung des Strafverfahrens gegen diesen ergibt sich aus dem schlüssigen und glaubwürdigen Darlegungen des BF im Laufe des Verfahrens vor der belangten Behörde und der Mitteilung der Staatsanwaltschaft über die Einstellung des Strafverfahrens gem. § 190 Zif. 2 StPO.

Das Vorliegen von Beschäftigungsverhältnissen in den festgestellten Zeiträumen sowie dem Nachweis von Sprachkenntnissen der Stufe A 1 ergibt sich aus der im Verfahrensakt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Gemäß § 9 Abs. 2 FPG und § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.

Da sich die gegenständliche - zulässige und rechtzeitige - Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen, Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 53 Abs. 1 FPG kann mit einer Rückkehrentscheidung vom BFA mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

§ 53 Abs 2 FPG enthält eine demonstrative Aufzählung von Tatbeständen, deren Vorliegen eine Gefährdung öffentlicher Interessen indiziert.

Ein Einreiseverbot ist nicht zwingend mit jeder Rückkehrentscheidung zu verbinden, sondern steht im Ermessen der Behörde. Es soll bestimmte, mit dem Aufenthalt der betroffenen Fremden potentiell verbundenen Gefährdungen öffentlicher Interessen hintanhalten. Dabei ist im Rahmen einer Interessenabwägung zu prüfen, inwiefern private und familiäre Interessen des Fremden der Verhängung des Einreiseverbots in der konkreten Dauer allenfalls entgegenstehen. Ein Einreiseverbot ist dann zu verhängen, wenn die Gefährdungsprognose eine zukünftige Gefährdung relevanter öffentlicher Interessen ergibt und eine Interessenabwägung nach Art 8 EMRK zu Lasten des betroffenen Drittstaatsangehörigen ausgeht (vgl Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht § 53 FPG K 10 ff).

Die belangte Behörde hat sich bei ihrer Beurteilung der vorzunehmenden Gefährdungsprognose allgemein auf die Bestimmung des § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG gestützt ohne eine individuelle Bewertung hinsichtlich des BF vorzunehmen.

Zwar ist eine vorsätzliche Vorgehensweise keine Voraussetzung der Erfüllung eines unter leg.cit zu subsumierenden Tatbestandes und kommt es daher auf die subjektive Sicht des Drittstaatsangehörigen nicht an. Von einem eine Beschäftigung in Österreich aufnehmenden Drittstaatsangehörigen darf grundsätzlich verlangt werden, sich mit den dafür einschlägigen Rechtsnormen und der physischen Ausgestaltung der von ihm beantragten Rot-Weiß-Rot Karte Plus vertraut zu machen. Der BF hätte gegenüber dem von ihm beauftragten Anwalt daher darauf insistieren müssen sich die entsprechende Aufenthaltsbescheinigung physisch ausfolgen zu lassen und sich nicht nur mit einer Kopie begnügen dürfen. Der gegebene Sachverhalt ist sohin nicht gänzlich geeignet den BF völlig zu entlasten.

Es ist jedoch im gesamten Verfahren kein Hinweis erkennbar, dass der BF vorhatte, sich im Bundesgebiet für längere Zeit unrechtmäßig aufzuhalten oder wiederholt gegen fremden- und beschäftigungsrechtliche Vorschriften zu verstoßen.

Vielmehr hat der BF von Beginn an Anstrengungen unternommen seinen Aufenthalt im Bundesgebiet rechtmäßig zu gestalten. Es ist daher keine Wiederholungsgefahr anzunehmen, zumal der Erfüllung eines objektiven, unter § 53 Abs. 2 FPG zu subsumierenden Tatbestandes angesichts des vernachlässigbaren Fehlverhalten des BF nicht überbewertet werden soll.

Die Erlassung eines Einreiseverbotes ist sohin nicht gerechtfertigt. Der angefochtene Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheids ist daher in Stattgebung der Beschwerde ersatzlos zu beheben.

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des VfGH vom 12.03.2012, Zl. U 466/11 ua., festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss.

Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstanziiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde vorangegangen. Weder wird in der Beschwerde eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens behauptet, noch ergeben sich aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes diesbezüglich Anhaltspunkte. Vielmehr wurde den Grundsätzen der Amtswegigkeit, der freien Beweiswürdigung, der Erforschung der materiellen Wahrheit und des Parteiengehörs entsprochen. Der Sachverhalt wurde nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet.

Es konnte daher die gegenständliche Entscheidung auf Grund der Aktenlage getroffen und von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Einreiseverbot aufgehoben ersatzlose Behebung Gefährdungsprognose

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W280.2221789.1.00

Im RIS seit

24.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

24.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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