Entscheidungsdatum
02.06.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs2Spruch
G301 2230409-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Dr. René BRUCKNER über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit: Jamaika (alias XXXX , geboren am XXXX ; alias XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit: Sudan; alias XXXX , geboren am XXXX ), vertreten durch die ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg, vom 17.03.2020, Zl. XXXX , betreffend Rückkehrentscheidung und befristetes Einreiseverbot, zu Recht:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), Regionaldirektion Salzburg, dem Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) zugestellt am 17.03.2020, wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Jamaika zulässig ist (Spruchpunkt III.), gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von zwei (2) Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt V.) sowie gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.).
Mit dem am 02.04.2020 beim BFA, Regionaldirektion Salzburg, eingebrachten und mit 01.04.2020 datierten Schriftsatz erhob der BF durch seinen bevollmächtigten Rechtsvertreter Beschwerde gegen den oben genannten Bescheid in vollem Umfang.
Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) am 20.04.2020 vom BFA vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der BF führt die im Spruch angeführte Verfahrensidentität (Namen und Geburtsdatum) und ist Staatsangehöriger von Jamaika. Identitätsdokumente liegen nicht vor. Der BF ist überdies gegenüber Behörden in Österreich und anderen Staaten mit den im Spruch angeführten Alias-Identitäten aufgetreten.
Der genaue Zeitpunkt der Einreise des BF in Österreich konnte nicht bestimmt werden. Der BF reiste eigenen Angaben zufolge etwa zwei Monate vor seiner Festnahme – also etwa Mitte Jänner 2020 – von Italien kommend mit dem Zug in Österreich ein.
Der BF wurde am XXXX .03.2020 aufgrund einer Anzeigenerstattung der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) wegen beharrlichen unerlaubten Rauchens im Zug einer polizeilichen Personenkontrolle unterzogen. Der BF konnte dabei weder ein gültiges Reisedokument noch ein anderes Dokument vorweisen, aus dem sich ein rechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet ergeben würde. Daraufhin wurde der BF gemäß § 39 FPG festgenommen und in das Polizeianhaltezentrum (PAZ) XXXX überstellt.
Im Rahmen einer am 11.03.2020 durchgeführten erkennungsdienstlichen Behandlung und niederschriftlichen Einvernahme des BF durch Polizeibeamte der Landespolizeidirektion (LPD) XXXX wurde festgestellt, dass gegen den BF ein Einreise- bzw. Aufenthaltsverbot im Schengener Gebiet, erlassen durch Italien und die Schweiz, besteht und dass der BF in Italien – entgegen dessen Behauptung – über keinen Aufenthaltstitel („permesso di soggiorno“) verfügt.
Mit Schreiben der belangten Behörde vom 11.03.2020 wurde dem BF eine Verständigung zum Ergebnis der Beweisaufnahme übermittelt, in dem der BF über die beabsichtigte Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes informiert und ihm dazu die Möglichkeit einer schriftlichen Stellungnahme innerhalb von drei Tagen eingeräumt wurde. Der BF hat dazu keine Stellungnahme abgegeben.
Am XXXX .03.2020 wurde über den BF die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens sowie zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Am XXXX .03.2020 wurde der BF aufgrund Haftunfähigkeit aus der Schubhaft entlassen. Seitdem ist der Aufenthaltsort des BF unbekannt.
Der BF verfügt in Österreich über keine familiären und keine berücksichtigungswürdigen privaten Bindungen. Anhaltspunkte für eine berücksichtigungswürdige Integration des BF in Österreich in sprachlicher, beruflicher oder gesellschaftlicher Hinsicht liegen nicht vor. Der BF ist beschäftigungslos und verfügt über keine eigenen Mittel zur Sicherung seines Lebensunterhaltes. Bei seiner Überstellung in das PAZ XXXX am XXXX .03.2020 verfügte der BF nur über Barmittel in der Höhe von ca. 9 Euro.
Konkrete Anhaltspunkte dahingehend, dass der BF nur eingeschränkt zeitlich oder orientiert wäre oder an einer schwerwiegenden Erkrankung leiden würde, liegen nicht vor.
Es wird festgestellt, dass trotz der weltweiten Auswirkungen der COVID-19-Pandemie die Versorgung mit lebenswichtigen Gütern bzw. die medizinische Versorgung in Jamaika gesichert ist.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.
In der Beschwerde wird den entscheidungswesentlichen Feststellungen im angefochtenen Bescheid nicht substanziiert entgegengetreten und auch sonst kein dem festgestellten Sachverhalt entgegenstehendes oder darüber hinaus gehendes Vorbringen in konkreter und substanziierter Weise erstattet. So liegen auch keine widerstreitenden oder sonst strittigen Ermittlungsergebnisse im Zusammenhang mit der Feststellung des relevanten Sachverhaltes vor. Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt.
Die Feststellung zum Einreise- bzw. Aufenthaltsverbot im Schengener Gebiet, erlassen durch Italien und die Schweiz, beruht auf den unzweifelhaften Eintragungen im Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR) und im Schengener Informationssystem SIS II.
Die Feststellung, dass der BF – entgegen seiner Behauptung in der Einvernahme am 11.03.2020 – in Italien über keinen Aufenthaltstitel verfügt, beruht auf der diesbezüglichen Auskunft der italienischen Polizei gegenüber dem Polizeikooperationszentrum XXXX (AS 27).
Die Feststellung zum unbekannten Aufenthalt des BF in Österreich seit seiner Entlassung aus der Schubhaft ergibt sich daraus, dass im Zentralen Melderegister (ZMR) weder eine Wohnsitzmeldung aufscheint, noch sonst irgendwelche Hinweise auf den derzeitigen Aufenthaltsort des „untergetauchten“ BF vorliegen. Auch in der gegenständlichen, mit 01.04.2020 datierten Beschwerde wurde nicht dargelegt, wo sich der BF aufhalten würde.
Die Feststellungen zum Fehlen familiärer und berücksichtigungswürdiger privater Bindungen und zum Nichtvorliegen von Anhaltspunkten für die Annahme einer Integration in Österreich sowie die zum Herkunftsstaat getroffenen Feststellungen beruhen auf den diesbezüglichen Feststellungen im angefochtenen Bescheid und auf dem Umstand, dass in der Beschwerde keinerlei Umstände vorgebracht wurden, die allenfalls eine andere Beurteilung zugelassen hätten.
Die Feststellung zur Mittellosigkeit des BF ergibt sich aus dem diesbezüglich unbestrittenen Akteninhalt und den Eintragungen in der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung.
Die Feststellung, dass keine Anhaltspunkte vorliegen, dass der BF – allenfalls in krankheitswertiger Weise – nur eingeschränkt zeitlich oder orientiert wäre oder an einer schwerwiegenden Erkrankung leiden würde, ergibt sich daraus, dass der BF in der niederschriftlichen Einvernahme am 11.03.2020 die Frage nach dem Bestehen einer schwerwiegenden Krankheit ausdrücklich verneinte und die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme unter Ausführung allfälliger gesundheitlicher Probleme ungenutzt ließ. Vonseiten des BF wurden weder vor der belangten Behörde noch in der Beschwerde irgendwelche Unterlagen zum allfälligen Erkrankungen vorgelegt, obwohl kein Grund ersichtlich ist, weshalb dies nicht spätestens mit der Beschwerdeeinbringung möglich gewesen sein sollte.
Dem in der Beschwerde gestellten Antrag auf Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zur Abklärung des Gesundheitszustandes war nicht zu entsprechen, weil zur Begründung dieses Antrages ausschließlich ein bloß gegenüber dem Rechtsberater vermittelter „Eindruck“ vorgebracht wurde, dass der BF nur eingeschränkt zeitlich und örtlich orientiert sowie konzentrationsfähig sein könnte, ohne jedoch konkretere Umstände dahingehend darzulegen. Der auch in der Beschwerde nicht einmal ansatzweise näher konkretisierte Hinweis auf eine (psychische) Erkrankung und der bloße Verweis auf die notwendige Abklärung des Gesundheitszustandes des BF reichen dafür aber nicht aus. Ohne jegliche Angabe, an welcher Erkrankung der BF leide bzw. worin der bisherige Krankheits- und Behandlungsverlauf liege, ist aber auch das erkennende Gericht nicht gehalten, einen unzulässigen Erkundungsbeweis aufzunehmen (vgl. VwGH 09.09.2016, Ra 2014/02/0059).
Die Feststellung, dass die Versorgung mit lebenswichtigen Gütern bzw. die medizinische Versorgung in Jamaika trotz der COVID-19-Pandemie gesichert ist, beruht auf folgenden Erwägungen:
Die belangte Behörde hat der beschwerdeführenden Partei die maßgeblichen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat zur Kenntnis gebracht und ihm die Möglichkeit eingeräumt, zu den getroffenen Feststellungen eine Stellungnahme abzugeben. Der BF ist aber weder vor der belangten Behörde noch in der gegenständlichen Beschwerde den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat, die auf den in das Verfahren eingeführten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen beruhen, substanziiert entgegengetreten.
In der Beschwerde wurde dazu im Wesentlichen zusammengefasst vorgebracht, dass im angefochtenen Bescheid aktuelle Länderberichte zur Grundversorgung bzw. medizinischen Versorgung in Jamaika fehlen würden und dass aufgrund der generellen Armut und der – durch die COVID-19-Pandemie – zu erwartenden Nahrungsmittelverknappung und -verteuerung eine Versorgung mit lebenswichtigen Gütern bzw. die medizinische Versorgung nicht gesichert sei. Dem BF sei eine Rückkehr nach Jamaika nicht zumutbar und es bestehe das Risiko, dass der BF bei einer Rückkehr nach Jamaika in eine existenzbedrohende Notlage geraten könnte.
Diesem Vorbringen in der Beschwerde ist entgegenzuhalten, dass die belangte Behörde Berichte verschiedenster allgemein anerkannter Institutionen berücksichtigt hat, wobei die Ausführungen in der Beschwerde keineswegs den Wahrheitsgehalt der ausgewählten Berichte zu widerlegen oder diese anzuzweifeln vermochten. Der Verweis darauf, dass die Länderinformationen im angefochtenen Bescheid mit Jänner 2017 datiert oder noch älter seien, lässt für sich alleine genommen noch nicht den unbedingten Schluss zu, dass diese Informationen auch nach diesem Datum nicht mehr gültig oder zutreffend wären.
Auch dem Hinweis darauf, dass die WHO befürchte, dass COVID-19 auf Länder mit schwächeren Gesundheitssystemen übergreife und diese Länder nicht die Möglichkeiten hätten, Präventionsmaßnahmen zur Eindämmung der Krankheit zu setzen, ist entgegenzuhalten, dass sich daraus kein direkter Rückschluss auf die Lage in Jamaika ergibt, zumal diese in der Beschwerde zitierte Befürchtung der WHO bloß allgemein gehalten und nicht auf konkrete Staaten bezogen ist. So wird in der Beschwerde nicht dargelegt, weshalb davon auszugehen wäre, dass gerade auch Jamaika eines der „Länder mit schwächeren Gesundheitssystemen“ sei.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zur Rückkehrentscheidung, Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat und Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen:
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid eine Rückkehrentscheidung erlassen und diese auf § 52 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der geltenden Fassung, gestützt, sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Herkunftsstaat Jamaika festgestellt.
Gemäß § 52 Abs. 1 FPG hat das BFA gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (Z 1) oder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde (Z 2).
Gemäß § 52 Abs. 9 FPG ist mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist (§ 9 Abs. 1 BFA-VG). Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (§ 9 Abs. 2 BFA-VG).
Gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
Gemäß § 31 Abs. 1 Z 1 FPG halten sich Fremde unter anderem rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthalts oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben.
Für einen geplanten Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten von bis zu 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen, wobei der Zeitraum von 180 Tagen, der jedem Tag des Aufenthalts vorangeht, berücksichtigt wird, gelten für einen Drittstaatsangehörigen die in Art. 6 Abs. 1 Schengener Grenzkodex, VO (EU) 2016/399, genannten Einreisevoraussetzungen. So muss der Drittstaatsangehörige im Besitz eines gültigen Reisedokuments und, sofern dies in der sog. Visumpflicht-Verordnung, VO (EU) 2018/1806, vorgesehen ist, im Besitz eines gültigen Visums sein. Er muss weiters den Zweck und die Umstände des beabsichtigten Aufenthalts belegen und über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts sowohl für die Dauer des Aufenthalts als auch für die Rückreise in den Herkunftsstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat, in dem seine Zulassung gewährleistet ist, verfügen oder in der Lage sein, diese Mittel rechtmäßig zu erwerben; er darf nicht im SIS zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben sein und keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die internationalen Beziehungen eines Mitgliedstaates darstellen und insbesondere nicht in den nationalen Datenbanken der Mitgliedstaaten zur Einreiseverweigerung aus denselben Gründen ausgeschrieben worden sein.
Gemäß Art. 11 Abs. 1 Schengener Grenzkodex werden die Reisedokumente von Drittstaatsangehörigen bei der Einreise und bei der Ausreise systematisch abgestempelt. Ist das Reisedokument eines Drittstaatsangehörigen nicht mit dem Einreisestempel versehen, so können gemäß Art. 12 Abs. 1 Schengener Grenzkodex die zuständigen nationalen Behörden annehmen, dass der Inhaber des Reisedokuments die in dem betreffenden Mitgliedstaat geltenden Voraussetzungen hinsichtlich der Aufenthaltsdauer nicht oder nicht mehr erfüllt. Gemäß Art. 12 Abs. 2 Schengener Grenzkodex kann diese Annahme vom Drittstaatsangehörigen durch jedweden glaubhaften Nachweis widerlegt werden, insbesondere durch Belege wie Beförderungsnachweise oder Nachweise über seine Anwesenheit außerhalb des Hoheitsgebiets der Mitgliedstaaten, aus denen hervorgeht, dass er die Voraussetzungen hinsichtlich der Dauer eines kurzfristigen Aufenthalts eingehalten hat.
Die Anwendung dieser Rechtslage auf den hier maßgeblichen Sachverhalt ergibt Folgendes:
Der BF ist Staatsangehöriger von Jamaika und als solcher Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Staatsangehörige von Jamaika unterliegen gemäß Anhang I der Visumpflicht-Verordnung, VO (EU) 2018/1806, der Visumpflicht.
Die Einreise kann aus beruflichen Gründen, zu Studien- oder sonstigen Ausbildungszwecken, für touristische oder private Reisen, aufgrund von Reisen zu politischen, wissenschaftlichen, kulturellen, sportlichen oder religiösen Veranstaltungen oder aus anderen Gründen erfolgen.
Der BF hielt sich eigenen Angaben zufolge seit etwa Mitte Jänner 2020 in Österreich auf, ohne jemals über eine Berechtigung zum (befristeten oder unbefristeten) Aufenthalt verfügt zu haben. Der BF verfügte über kein gültiges Reisedokument und kein Visum für die Einreise nach Österreich, außerdem besteht gegen den BF ein aufrechtes Einreise- bzw. Aufenthaltsverbot im Schengener Gebiet, erlassen durch die Staaten Italien und Schweiz. Der BF befand sich von XXXX .03.2020 bis XXXX .03.2020 in Schubhaft im PAZ XXXX . Im Bundesgebiet liegt keine Wohnsitzmeldung vor. Eigenen Angaben zufolge reiste der BF in Österreich ein, um seinen hier lebenden Bruder zu besuchen, wobei er dessen genauen Aufenthaltsort nicht nennen konnte, danach wollte der BF nach Deutschland und Holland weiterreisen. Der Aufenthaltsort des BF ist seit der Entlassung aus der Schubhaft unbekannt.
Die belangte Behörde ist somit zu Recht davon ausgegangen, dass sich der BF zum Zeitpunkt der Erlassung der Rückkehrentscheidung unrechtmäßig in Österreich aufgehalten hat. Sie hat im angefochtenen Bescheid die Rückkehrentscheidung daher zutreffend auf § 52 Abs. 1 Z 1 FPG gestützt.
In der Beschwerde wurde die Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass die Behörde bei einer korrekten Interessensabwägung der privaten Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet mit den öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung feststellen hätte müssen, dass eine Rückkehrentscheidung gegen den BF unverhältnismäßig und daher rechtswidrig sei. Im Besonderen hätte die Behörde nicht feststellen dürfen, dass der BF gesund ist. Der BF habe bei einem Besuch durch seinen amtswegig zur Seite gestellten Rechtsberater am 18.03.2020 im PAZ XXXX von gesundheitlichen Problemen und einer Gehbehinderung am linken Bein berichtet. Der BF habe den Eindruck vermittelt, dass er nur eingeschränkt zeitlich und örtlich orientiert sowie konzentrationsfähig sei. In der Beschwerde wurde der Antrag auf Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens hinsichtlich der Gehbehinderung des BF sowie durch eine Fachärztin für Psychiatrie hinsichtlich der eingeschränkten zeitlichen und örtlichen Orientierung des BF gestellt. Des Weiteren wurde die Entscheidung der Behörde ohne persönliche Einvernahme des BF durch das BFA erlassen, der BF hätte jedenfalls mit einem Dolmetscher zu seinen Lebensumständen und zu seinem Privat- und Familienleben in Österreich bzw. in anderen Mitgliedstaaten der EU befragt werden müssen. Außerdem drohe dem BF bei einer Rückkehr nach Jamaika eine existenzielle Notlage.
Bei der Beurteilung der Frage, ob die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme aus dem Blickwinkel des § 9 BFA-VG iVm. Art. 8 EMRK zulässig ist, ist weiters eine gewichtende Gegenüberstellung des öffentlichen Interesses an der Aufenthaltsbeendigung mit dem Interesse des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich vorzunehmen.
Auch wenn das persönliche Interesse am Verbleib in Österreich grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthalts des Fremden zunimmt, so ist die bloße Aufenthaltsdauer freilich nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles vor allem zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen, die eine Aufenthaltsbeendigung auf die familiären und sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 15.12.2015, Zl. Ra 2015/19/0247).
Im vorliegenden Fall ist wesentlich zu berücksichtigen, dass sich der BF erst seit kurzer Zeit in Österreich aufgehalten hat und seit seiner Entlassung aus der Schubhaft am XXXX .03.2020 „untergetaucht“ ist. Der derzeitige Aufenthaltsort des BF ist nicht bekannt und wurde auch in der mit 01.04.2020 datierten und vom bevollmächtigten Rechtsvertreter verfassten Beschwerde nicht bekannt gegeben.
Der Aufenthalt des BF in Österreich war jedenfalls nicht rechtmäßig. Dass der BF in Österreich über familiäre Bindungen verfügen würde, konnte nicht festgestellt werden. Der Behauptung in der Beschwerde, wonach der BF nicht persönlich zu seinem Privat- und Familienleben in Österreich befragt worden sei, ist entgegenzuhalten, dass der BF in der polizeilichen Einvernahme vom 11.03.2020 diesbezüglich sehr wohl befragt wurde und darauf lediglich antwortete, dass er in Österreich einen Bruder habe, ohne jedoch dessen Namen oder Adresse zu nennen. Überdies wurde dem BF mit Schreiben der belangten Behörde das Ergebnis der Beweisaufnahme zur Kenntnis gebracht und ihm diesbezüglich auch die Möglichkeit einer Stellungnahme eingeräumt, wovon der BF jedoch keinen Gebrauch machte.
Die Behauptung in der Beschwerde, der zufolge der BF durch die Behörde persönlich hätte einvernommen werden müssen und zu seinem Privat- und Familienleben in Österreich bzw. in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union hätte befragt werden müssen, übersieht, dass im vorliegenden Fall eine persönliche Einvernahme nicht zwingend vorgesehen ist und die Behörde ihrer Verpflichtung zur Wahrung des Parteiengehörs auch dadurch entspricht, dass sie der Partei das schriftliche Ergebnis der Beweisaufnahme zur mündlichen oder schriftlichen Stellungnahme binnen einer bestimmten Frist vorhält oder sie zur Akteneinsicht auffordert. Die Partei kann aus § 45 Abs. 3 AVG keinen Anspruch ableiten, außerhalb einer Verhandlung mündlich gehört zu werden (VwGH 19.09.2012, ZI. 2010/22/0199).
Mit Schreiben vom 11.03.2020 wurde dem BF eine Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme mit der Aufforderung zur Abgabe einer Stellungnahme zugestellt und dadurch dem Recht auf Parteiengehör entsprochen. Dem Vorbringen in der Beschwerde, dass der BF zu jenem Zeitpunkt rechtlich nicht vertreten, rechts- und sprachunkundig und in seiner Bewegungsfreiheit durch den Aufenthalt im PAZ XXXX eingeschränkt gewesen sei, und aufgrund dessen nicht die Möglichkeit gehabt hätte, sein Recht auf Parteiengehör wahrzunehmen, kann nicht gefolgt werden. Überdies ist festzuhalten, dass der BF – selbst unter der hypothetischen Annahme einer Verletzung des Parteiengehörs durch die belangte Behörde – jedenfalls im gegenständlichen Beschwerdeverfahren, in dem er rechtlich sehr wohl vertreten ist, derartige Angaben nachholen hätte können, was dieser jedoch auch in der vorliegenden Beschwerde nicht getan hat, obwohl nicht ersichtlich ist, weshalb ihm dies nicht möglich oder zumutbar gewesen wäre.
Was die privaten Lebensumstände anbelangt, ist festzuhalten, dass Hinweise auf eine Integration in sprachlicher, beruflicher und sozialer Hinsicht auch schon im Hinblick auf die kurze Dauer seines bisherigen – unrechtmäßigen – Aufenthalts in Österreich nicht erkennbar sind. Weiters liegen gegen den BF bereits durch Italien und die Schweiz erlassene Einreise- bzw. Aufenthaltsverbote im Schengener Gebiet vor. Der BF verfügt über keine ausreichenden Mittel zur Sicherung seines Lebensunterhaltes und der derzeitige Aufenthaltsort des BF ist unbekannt.
Letztlich konnte auch nicht davon ausgegangen werden, dass der BF, etwa auf Grund seines längeren Aufenthalts außerhalb seines Herkunftsstaates, überhaupt nicht mehr in der Lage sein könnte, sich in Jamaika wieder zurechtzufinden. So spricht der BF Englisch und hat dort, wie im Bescheid der belangten Behörde festgestellt und in der Beschwerde auch nicht bestritten wurde, seinen Lebensmittelpunkt. Es kann somit auch nicht davon ausgegangen werden, dass dem BF die dortigen örtlichen Gegebenheiten überhaupt nicht bekannt wären und er sich dort nicht zurechtfinden würde. Der BF ist auch als gesund und arbeitsfähig anzusehen. Er wird daher im Herkunftsstaat in der Lage sein, sich mit bereits ausgeübten Tätigkeiten oder gegebenenfalls mit anderen Tätigkeiten, wenn auch nur durch Gelegenheitsarbeiten, ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften.
Im Lichte dieser nach § 9 BFA-VG iVm. Art. 8 Abs. 2 EMRK gebotenen Abwägung hat sich somit insgesamt nicht ergeben, dass vorhandene familiäre oder nachhaltige private Bindungen in Österreich das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts überwiegen würden. Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist die belangte Behörde somit zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet das persönliche Interesse am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, welche im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung (auf Dauer oder vorübergehend) unzulässig erscheinen ließen.
Schließlich sind im Hinblick auf die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid gemäß § 52 Abs. 9 iVm. § 50 FPG getroffene amtswegige Feststellung keine konkreten Umstände dahingehend hervorgekommen, dass allenfalls auch unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens die Abschiebung in den Herkunftsstaat Jamaika unzulässig wäre (vgl. VwGH 16.12.2015, Zl. Ra 2015/21/0119).
Im gesamten Verfahren haben sich keine Umstände ergeben, denen zufolge eine Abschiebung nach Jamaika unzulässig wäre. Auch aufgrund der aktuellen COVID-19-Pandemie ergibt sich nicht, dass der BF, der keiner bekannten Risikogruppe angehört, bei seiner Rückkehr nach Jamaika dort mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Gefahr iSd Art. 2 oder 3 EMRK ausgesetzt wäre.
Auch Umstände, dass vom BFA allenfalls von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz) zu erteilen gewesen wäre, liegen unter Zugrundelegung des festgestellten Sachverhaltes nicht vor.
Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, die Zulässigkeit einer Abschiebung in den Herkunftsstaat und die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 vorliegen, war die Beschwerde insoweit (gegen die Spruchpunkte I., II. und III. des angefochtenen Bescheides) als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zur Nichtgewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise und zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung:
Die belangte Behörde hat mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt V.) und gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung aberkannt (Spruchpunkt VI.).
Gemäß § 55 Abs. 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, hat das Bundesamt von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde.
Gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.
Wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zu Recht dargelegt hat und wie sich aus den oben dargelegten Ausführungen ergibt, erwies sich die sofortige Ausreise des mittellosen und unrechtmäßig in Österreich aufhältigen BF, gegen den auch bereits ein Einreise- und Aufenthaltsverbot für den Schengen-Raum vorliegt, im Interesse der öffentlichen Ordnung (zur Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens) als erforderlich. Der BF hat durch sein bisheriges Verhalten unzweifelhaft gezeigt, dass er bislang nicht gewillt war, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten.
Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung und damit zusammenhängend die Nichtgewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise sind somit zu Recht erfolgt.
Die Beschwerde war daher auch insoweit gemäß § 55 Abs. 4 FPG und § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG als unbegründet abzuweisen.
3.3. Zum Einreiseverbot:
Die belangte Behörde hat das gegenständliche Einreiseverbot auf § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 2 Z 6 FPG gestützt und im Wesentlichen mit dem Umstand begründet, dass der BF aufgrund seiner Mittellosigkeit eine Gefährdung für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle. Der BF habe aufgrund seines unrechtmäßigen Aufenthaltes nicht die Möglichkeit sich durch die Aufnahme einer legalen Erwerbstätigkeit einen Verdienst zu schaffen, ebenso wenig bestehe Anspruch auf Grundversorgung und erhalte der BF auch sonst keine staatlichen Zuwendungen. Daher bestehe auch die begründete Gefahr, dass sich der BF durch die Begehung strafbarer Handlungen (Beschaffungskriminalität) die Mittel für seinen Unterhalt verschaffen könnte. Die Dauer des Einreiseverbotes wurde mit zwei Jahren festgesetzt und damit begründet, dass die Dauer des erlassenen Einreiseverbotes jenem Zeitraum entspreche, welcher aus Sicht der Behörde unbedingt erforderlich sei, sich zum einen finanzielle Mittel außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union aufzubauen und um die Grundeinstellung zur Einhaltung der österreichischen Rechtsordnung ändern zu können.
Gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, kann vom Bundesamt mit Bescheid mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.
Gemäß § 53 Abs. 2 FPG ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist nach § 53 Abs. 2 Z 6 FPG insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige, den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag.
Gemäß § 53 Abs. 4 FPG beginnt die Frist des Einreiseverbotes mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.
Das erkennende Gericht schließt sich im Ergebnis der Beurteilung der belangten Behörde an, wonach die Voraussetzungen für die Erlassung eines Einreiseverbotes im gegenständlichen Fall vorliegen. Die Beschwerde erweist sich aus den folgenden Erwägungen als unbegründet:
Der BF hat die Beschwerde hinsichtlich des Einreiseverbotes im Wesentlichen damit begründet, dass die Ausführungen der Behörde, denen zufolge der BF zum Überleben kriminell werden müsse, nicht zutreffend seien. Es bestehe in Österreich auch die Möglichkeit der Unterstützung durch karitative Organisationen. Der weitere Inlandsaufenthalt sei für den BF in der derzeitigen Situation von existenzieller Bedeutung und seine privaten Interessen am Verbleib in Österreich würden die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung überwiegen. Das mit zwei Jahren befristete Einreiseverbot sei für den unbescholtenen BF jedenfalls unverhältnismäßig hoch und erweise sich damit als rechtswidrig.
Was das Vorliegen des Tatbestandes des § 53 Abs. 2 Z 6 FPG anbelangt, so hat nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 60 Abs. 2 Z 7 FPG (vor Inkrafttreten des FrÄG 2011) der Fremde initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass er nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhalts verfügt, sondern sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint. Die Verpflichtung, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, besteht insoweit, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen (vgl. VwGH 13.09.2012, Zl. 2011/23/0156; 22.01.2013, Zl. 2012/18/0191).
Ein derartiges Vorbringen hat der BF weder vor der belangten Behörde noch in der Beschwerde erstattet und auch keine Bescheinigungsmittel vorgelegt, wonach er über regelmäßige (finanzielle) Unterhaltsmittel verfügen würde, die aus rechtmäßig erworbenen Einkünften stammen und auf die der Fremde einen Rechtsanspruch hätte, sodass eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch seinen Aufenthalt gemäß § 53 Abs. 2 Z 6 FPG indiziert ist. Dem Vorbringen in der Beschwerde, dass in Österreich die Möglichkeit der Unterstützung durch karitative Organisationen besteht, ist entgegenzuhalten, dass keine diesbezüglichen Nachweise vorgelegt wurden und dass die theoretische Möglichkeit einer Unterstützung nicht als Nachweis geeignet ist. Außerdem erfüllt diese Form der Unterstützung nicht die oben angeführten Voraussetzungen, da Unterstützungsleistungen, auf die kein Rechtsanspruch besteht, nicht zur Dartuung ausreichender Unterhaltsmittel geeignet sind (VwGH 13.09.2006, Zl. 2006/18/0215).
Aus der Mittellosigkeit des BF resultiert die Gefahr der Beschaffung der Unterhaltsmittel aus illegalen Quellen bzw. einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft, weshalb im Fall des Fehlens ausreichender Unterhaltsmittel die Annahme einer Gefährdung im Sinn des § 53 Abs 2 FPG gerechtfertigt ist (siehe VwGH 19.12.2018, Ra 2018/20/0309).
Da dem BF neben dem Fehlen ausreichender Unterhaltsmittel aber auch maßgeblich angelastet werden muss, dass er gegen fremdenrechtliche Vorschriften – etwa gegen aufrechte Einreiseverbote im Schengener Gebiet – wiederholt verstoßen hat, geht von ihm eine signifikante Gefährdung öffentlicher Interessen aus. Dem BFA ist vor diesem Hintergrund darin beizupflichten, dass für ihn keine günstige Zukunftsprognose erstellt werden kann und Wiederholungsgefahr besteht.
Die belangte Behörde ist daher zutreffend vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 53 Abs. 2 Z 6 FPG ausgegangen.
Den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) kommt ein hoher Stellenwert zu (vgl. VwGH 09.03.2003, Zl. 2002/18/0293).
Letztlich ist im Rahmen einer Interessenabwägung zu prüfen, ob private oder familiäre Interessen des Betroffenen der Verhängung eines Einreiseverbots in der konkreten Dauer entgegenstehen. Dabei ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen, zumal in § 53 Abs. 2 und 3 FPG in Bezug auf die Bemessung der Dauer des Einreiseverbots die Abwägung nach Art. 8 EMRK angesprochen wird (vgl. VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0289).
Bei der bereits oben dargelegten Prüfung der Rückkehrentscheidung hat sich nicht ergeben, dass vorhandene familiäre oder private Bindungen in Österreich das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts überwiegen würden.
Angesichts dessen sind letztlich auch Schwierigkeiten bei der Gestaltung der Lebensverhältnisse, die infolge der Rückkehr des BF in den Herkunftsstaat auftreten können, im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen und insgesamt an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit hinzunehmen (vgl. VwGH 15.03.2016, Zl. Ra 2015/21/0180).
Es kann daher der belangten Behörde nicht vorgeworfen werden, wenn sie im vorliegenden Fall durch das dargestellte persönliche Fehlverhalten von einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausging, welche die Anordnung eines Einreiseverbotes erforderlich machen würde.
Was den räumlichen Geltungsbereich des Einreiseverbotes anbelangt, ist festzuhalten, dass alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union außer Irland, sowie die assoziierten Schengen-Staaten Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein an die Rückführungsrichtlinie gebunden sind (vgl. die Pressemitteilung der Europäischen Kommission IP/11/1097 vom 29.09.2011). Daraus folgt, dass sich der räumliche Umfang der in § 53 Abs. 1 FPG idF FrÄG 2011 festgelegten Anweisung schon aus den gesetzlichen in Verbindung mit den unionsrechtlichen Bestimmungen ergibt und somit die Staaten erfasst, für die die Rückführungsrichtlinie gilt. Dieses Gebiet ist nicht deckungsgleich mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Ausgenommen ist Irland und es kommen Island, Norwegen, die Schweiz und Liechtenstein dazu. In diesem Sinn ist der in § 53 Abs. 1 FPG idF FrÄG 2011 verwendete, offenbar aus der Rückführungsrichtlinie übernommene Begriff „Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten“ auszulegen. Es ist somit nicht erforderlich, im Spruch eines Bescheides, mit dem gemäß § 53 Abs. 1 FPG idF FrÄG 2011, somit iSd. Art. 11 Abs. 1 iVm. Art. 3 Z 6 Rückführungsrichtlinie ein Einreiseverbot erlassen wird, jene Staaten, für die das Verbot der Einreise und des Aufenthaltes ausgesprochen wird, noch einmal konkret zu nennen, sofern deutlich wird, dass es sich um ein Einreiseverbot handelt (VwGH 22.05.2013, Zl. 2013/18/0021). Für die Einschränkung des räumlichen Geltungsbereiches des Einreiseverbotes auf Österreich gibt es keine gesetzliche Grundlage (VwGH 28.05.2015, Ra 2014/22/0037).
Das dargestellte Fehlverhalten des BF ist jedenfalls Grundinteressen der öffentlichen Ordnung zum Schutz des Fremdenwesens zuwidergelaufen.
Die Dauer des Einreiseverbotes im Ausmaß von zwei Jahren steht – bei einem grundsätzlich zulässigen Höchstausmaß von fünf Jahren – in angemessener und daher rechtlich vertretbarer Relation. Private oder familiäre Interessen des BF stehen der Verhängung des Einreiseverbotes nicht entgegen. Es bestehen keine privaten, beruflichen oder gesellschaftlichen Anknüpfungen in Österreich oder anderen Vertragsstaaten. Im vorliegenden Fall wird eine Dauer von zwei Jahren auch als ausreichend erachtet, um in diesem Zeitraum eine nachhaltige Besserung des Verhaltens und der persönlichen Einstellung zu den rechtlich geschützten Werten zu bewirken. Eine Herabsetzung des Einreiseverbotes erschiene hingegen unter Berücksichtigung des bereits dargestellten Gesamtfehlverhaltens des BF und des sich daraus weiterhin ergebenden Gefährdungspotenzials als völlig unangemessen. Das persönliche Fehlverhalten des BF bestand letztlich nicht etwa in einem einmaligen „Fehltritt“ und einer daran folgenden Besserung seines Verhaltens, denn obwohl bereits ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gegen den BF für den Schengen-Raum vorliegt, hat er durch den unrechtmäßigen Aufenthalt in Österreich erneut gegen die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften verstoßen und durch das „Untertauchen“ des BF ist anzunehmen, dass der BF auch weiterhin nicht gewillt ist, sich an die für die Einreise und den Aufenthalt vorgesehenen Bestimmungen zu halten.
Eine Herabsetzung der Dauer des Einreiseverbotes kam daher nicht in Betracht, sondern war gerade auch zum Schutz der angeführten öffentlichen Interessen in Österreich, aber auch in anderen europäischen Staaten, geboten.
Da sich das angeordnete Einreiseverbot als rechtmäßig und die festgesetzte Dauer des Einreiseverbotes als angemessen erwiesen haben, war die Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 2 Z 6 FPG als unbegründet abzuweisen.
3.4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Im gegenständlichen Fall wurde der Sachverhalt nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substanziierter Weise behauptet (siehe VwGH 28.05.2014, ZI. Ra 2014/20/0017 und 0018-9).
Es konnte daher – trotz eines entsprechenden Antrages in der Beschwerde – gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint.
3.5. Unzulässigkeit der Revision (Spruchpunkt B.):
Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen. Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist teilweise zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
Interessenabwägung öffentliche Interessen Resozialisierung RückkehrentscheidungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:G301.2230409.1.00Im RIS seit
24.09.2020Zuletzt aktualisiert am
24.09.2020