TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/23 G310 2231845-1

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Veröffentlicht am 23.06.2020
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Entscheidungsdatum

23.06.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §53 Abs3 Z2

Spruch

G310 2231845-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Gaby WALTNER über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Bosnien und Herzegowina, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 20.05.2020, Zl. XXXX betreffend die Erlassung eines Einreiseverbots zu Recht:

A)       Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid dahin abgeändert, dass Spruchpunkt VI. zu lauten hat:

„Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 und Z 2 FPG wird gegen die Beschwerdeführerin ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.“

B)       Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin (BF) wurde am XXXX .2020 im Bundesgebiet festgenommen. Am XXXX .2020 wurde über sie die Untersuchungshaft verhängt.

Mit Schreiben vom 04.03.2020 wurde die BF vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) aufgefordert, zur beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbots Stellung zu nehmen. Sie erstattete keine Stellungnahme.

Mit dem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX .2020, XXXX , wurde die BF zu einer zehnmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt, wobei sieben Monate unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden.

Nach niederschriftlicher Einvernahme der BF vor dem BFA am 10.04.2020 wurde mit dem im Spruch angeführten Bescheid der BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Bosnien und Herzegowina zulässig ist (Spruchpunkt III.), gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise eingeräumt (Spruchpunkt IV.), einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.) und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG gegen die BF ein achtjähriges Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.). Dies wurde im Wesentlichen mit dem nicht rechtmäßigen Aufenthalt der BF im Bundesgebiet, mit ihrer strafgerichtlichen Verurteilung und mit dem Fehlen beruflicher, privater oder familiärer Anknüpfungspunkte begründet.

Gegen Spruchpunkt VI. richtet sich die Beschwerde der BF mit dem Antrag, Spruchpunkt VI. ersatzlos zu beheben. Hilfsweise wird die Reduktion der Dauer des Einreiseverbots beantragt und ein Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag gestellt. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass die BF ihr gesetzwidriges Verhalten bedaure. Sie sei das erste Mal in Österreich gewesen und habe das Bundesgebiet auch gleich verlassen wollen; eine Rückkehr sei ausgeschlossen. Trotz der Verurteilung gehe von der BF keine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit aus.

Mit Mandatsbescheid des BFA vom XXXX .2020, Zl. XXXX wurde über die BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme sowie der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Am selben Tag stellte die BF einen Antrag auf unterstützte freiwillige Rückkehrhilfe und erfolgte mit Schreiben des BFA vom 22.05.2020 die Mitteilung, dass die Heim- bzw. Ausreisekosten übernommen werden. Die freiwillige Ausreise wurde aufgrund COVID-19 storniert, die Zustimmung seitens des BFA ist nach wie vor aufrecht.

Die Beschwerde und die Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vorgelegt, wo sie am 10.06.2020 einlangten, und erstattete eine Stellungnahme zur Beschwerde.

Feststellungen:

Die BF ist bosnische Staatsbürgerin und spricht bosnisch. Sie ist ledig und hat drei Kinder, die in Bosnien und Herzegowina leben. Die BF ist gesund und arbeitsfähig. Sie hat als Putzfrau gearbeitet und Kleidung verkauft.

Am XXXX .2020 reiste die BF zuletzt in Österreich ein. Abgesehen von ihrem Aufenthalt in der Justizanstalt XXXX von XXXX .2020 bis XXXX .2020 und im Polizeianhaltezentrum XXXX seit XXXX .2020 liegen keine Wohnsitzmeldungen der BF im Bundesgebiet vor. Ihr wurde nie ein österreichischer Aufenthaltstitel erteilt. Sie ging in Österreich keiner legalen Erwerbstätigkeit nach.

Wesentliche familiäre oder soziale Bindungen der BF in Österreich oder in anderen Staaten, für die die Rückführungsrichtlinie gilt, können nicht festgestellt werden, ebenso wenig eine sprachliche, berufliche oder gesellschaftliche Integration.

Ihrer rechtskräftigen Verurteilung liegt zugrunde, dass die BF zusammen mit einer anderen weiblichen Person im bewussten und gewolltem Zusammenwirken als Mittäterinnen fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld bzw. Wertgegenstände, den im Urteil nachgenannten Personen mit dem Vorsatz, sich oder Dritte unrechtmäßig zu bereichern, weggenommen hat, nämlich am 20.02.2020 einer Frau, indem die BF deren Rucksack öffnete und daraus ein Etui mit EUR 70,00, 600,00 kroatischen Kuna und 8.000,00 serbischen Dinar wegnahm, während ihre Mittäterin sie dabei abdeckte und einem Mann, indem die Mittäterin dessen Fototasche öffnete und daraus eine Geldbörse samt EUR 150,00 und 140,00 israelischen Schekel im Gegenwert von etwa 38,00 EUR aus seiner Umhängetasche wegnahm, während die BF sie durch eine Umarmung abdeckte. Weiters haben die BF und ihre Mittäterin am 23.01.2020 einem Mann, indem sie in nicht mehr festzustellender arbeitsteiliger Vorgangsweise dessen Ledergeldbörse im Wert von EUR 900,00 samt EUR 1.000,00 und einer Sonnenbrille der Marke Cartier im Wert von EUR 1.000,00 aus seiner Umhängetasche weggenommen und in mehreren Angriffen insgesamt EUR 10.000,00, indem sie (im Zweifel nicht mit dem Vorsatz, gewerbsmäßig Diebstähle durch Einbruch zu begehen) die Ausgabemechanismen von Bankomaten von zwei Banken, sohin Sperrvorrichtungen im Sinn des § 129 Abs. 1 Z 3 StGB, mit widerrechtlich erlangten Schlüsseln, nämlich der beiden Bankkarten ihres letzten Opfers, öffneten. Diese Bankkarten, somit unbare Zahlungsmittel, über die sie nicht verfügen durften, haben sie sich mit dem Vorsatz, sich oder einen dritten durch deren Verwendung im Rechtsverkehr unrechtmäßig zu bereichern, verschafft. Am 20.02.2020 haben die BF und die Mittäterin darüber hinaus versucht, einem Mann Wertgegenstände wegzunehmen, indem sie sich umarmten und dadurch abdeckten, während eine der beiden dessen Rucksack öffnete, wobei die Wegnahme misslang. Auch haben sie Urkunden, über die sie nicht verfügen durften, mit dem Vorsatz, deren Verwendung im Rechtsverkehr durch die Berechtigten zu verhindern, unterdrückt, nämlich einen Führerschein, einen serbischen und kroatischen Reisepass und ein Busticket, jeweils ausgestellt auf ihr erstes Opfer sowie einen internationalen Führerschein ihres zweiten Opfers. Von diesem haben sie auch eine Kreditkarte, sohin ein unbares Zahlungsmittel, über das sie nicht verfügen durften, mit dem Vorsatz, deren Verwendung im Rechtsverkehr zu verhindern, unterdrückt.

Die BF hat hiedurch das Vergehen des teils durch Einbruch begangenen schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 5, 129 Abs. 1 Z 3, 130 Abs. 1 erster Fall, 15 StGB, die Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB, das Vergehen der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs. 1 erster Fall StGB und das Vergehen der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs. 3 StGB begangen und wurde – ausgehend von einem Strafrahmen von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe – zu einer zehnmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt, wobei 7 Monate unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden. Dem Privatbeteiligten, dem oben angeführten dritten Opfer, wurde ein Betrag von EUR 12.000,00 zugesprochen. Bei der Strafzumessung wurde die mehrfache Qualifikation als erschwerend gewertet. Mildernd wirkten sich das Geständnis, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist und die teilweise Schadensgutmachung durch Sicherstellung aus.

Die BF wurde am XXXX .2020 aus der Strafhaft entlassen, wurde in Schubhaft genommen und am XXXX .2020 entlassen.


Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich widerspruchsfrei aus dem unbedenklichen Inhalt der Verwaltungsakten und des Gerichtsakts des BVwG.

Die Identität der BF und die Feststellungen zu ihren persönlichen Verhältnissen beruhen auf den entsprechenden Konstatierungen im Strafurteil, des in Kopie im Akt aufliegenden bosnischen Reisepass, der in Kopie im Akt aufliegenden bosnischen Identitätskarte, ihren Angaben anlässlich der Einvernahme vor dem BFA sowie in der Beschwerde und der Vollzugsinformation, welcher auch das Ende der Strafhaft zu entnehmen ist.

Den Eintragungen im Reisepass ist zu entnehmen, dass die BF zuletzt am 17.02.2020 in das Gebiet der Schengenstaaten einreiste. Weitere Einreisen erfolgten zuvor, soweit relevant, am 12.02.2020 und am 03.12.2019.

Bosnischkenntnisse der BF sind aufgrund ihrer Herkunft plausibel. Eine Verständigung mit Dolmetschern für diese Sprache war im Strafverfahren und vor dem BFA offenbar problemlos möglich.

Es sind keine Anhaltspunkte für gesundheitliche Probleme der BF, die in einem erwerbsfähigen Alter ist und ihrem Heimatland auch erwerbstätig war.

Weder der Beschwerde noch dem übrigen Akteninhalt lässt sich entnehmen, dass die BF je über eine Aufenthaltsgenehmigung in Österreich verfügte oder hier legal erwerbstätig war. Im Fremdenregister ist weder ein Aufenthaltstitel noch ein entsprechender Antrag gespeichert. Im Sozialversicherungsdatenauszug finden sich auch keine Einträge. Die Anhaltung der BF in der Justizanstalt und im Polizeianhaltezentrum ergibt sich aus dem Zentralen Melderegister, in dem keine weiteren Wohnsitzmeldungen ersichtlich sind. Die Entlassung aus der Schubhaft basiert auf der Mitteilung des BFA vom 10.06.2020.

Die Feststellungen zu den von der BF begangenen Straftaten, zu ihrer Verurteilung und zu den Erschwerungs- und Milderungsgründen basieren auf dem Strafurteil. Im Strafregister scheinen keine weiteren Verurteilungen der BF auf.

Es sind keine Anhaltspunkte für eine Integration oder Anbindung der BF in Österreich aktenkundig. Ihren Angaben vor dem BFA ist lediglich zu entnehmen, dass sie drei Kinder in Bosnien und Herzegowina hat. Dieser grundsätzlich nachvollziehbaren Behauptung kann mangels entgegenstehender Beweisergebnisse gefolgt werden.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

Die BF ist als Staatsangehörige von Bosnien und Herzegowina Drittstaatsangehörige iSd § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.

Gemäß § 53 Abs. 1 und Abs. 3 FPG kann das BFA mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot, also die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der EU (außer Irlands), Islands, Norwegens, der Schweiz und Liechtensteins einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten, erlassen, wenn der Drittstaatsangehörige die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet. Die Dauer des Einreiseverbots ist abhängig von seinem bisherigen Verhalten. Dabei ist zu berücksichtigen, inwieweit sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. § 53 Abs. 3 FPG enthält eine demonstrative Aufzählung von Tatbeständen, deren Vorliegen eine schwerwiegende Gefährdung der Ordnung oder Sicherheit indiziert. Dies ist demnach z.B. dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten (§ 53 Abs. 3 Z 1 FPG) oder wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist (§ 53 Abs. 3 Z 2 FPG). In diesen Fällen kann ein Einreiseverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

Ein Einreiseverbot ist nicht zwingend mit jeder Rückkehrentscheidung zu verbinden (vgl VwGH 04.08.2016, Ra 2016/21/0207). Es ist dann zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Aufenthalt stelle eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar. Dabei ist sowohl für die Frage, ob überhaupt ein Einreiseverbot zu verhängen ist, als auch für die Bemessung der Dauer eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose vorzunehmen, in die das Gesamtverhalten des Betroffenen einzubeziehen ist. Aufgrund konkreter Feststellungen ist eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick worauf die Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gerechtfertigt ist. Es ist weiters in Rahmen einer Interessenabwägung zu prüfen, ob private oder familiäre Interessen des Betroffenen der Verhängung eines Einreiseverbots in der konkreten Dauer entgegenstehen (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht § 53 FPG K 10, 12; vgl auch VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0289).

In Anwendung dieser Grundsätze hat das BFA zu Recht die Erfüllung des Tatbestands des § 53 Abs. 3 Z 1 FPG bejaht. Da die BF im Dezember 2019 und Februar 2020 in das Gebiet der Schengenstaaten eingereist war und die Tathandlungen im Jänner und Februar 2020 stattfanden, ist auch der Tatbestand des § 53 Abs. 3 Z 2 FPG erfüllt.

Der Aufenthalt der BF stellt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar, die ein Einreiseverbot erforderlich macht, obwohl sie erstmals strafgerichtlich verurteilt wurde und erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßte. Aufgrund der schwerwiegenden gewerbsmäßigen Vermögensdelinquenz ist in Verbindung mit der tristen finanziellen Situation im Hinblick auf den Privatbeteiligtenzuspruch in der Höhe von EUR 12.000,00 und dem Fehlen eines legalen Einkommens Wiederholungsgefahr anzunehmen. Da die BF unmittelbar nach ihrer letzten Tat festgenommen wurde und seither in Haft ist, kann noch nicht von einem Wegfall oder einer wesentlichen Minderung der von ihm ausgehenden Gefährlichkeit ausgegangen werden. Dazu bedarf es grundsätzlich eines längeren Zeitraums des Wohlverhaltens, wobei in erster Linie das gezeigte Wohlverhalten in Freiheit maßgeblich ist (VwGH 27.04.2017, Ra 2016/22/0094).

Es ist aber zu berücksichtigten, dass das Strafgericht den Strafrahmen bei weitem nicht ausschöpfte. Ein Einreiseverbot in der Dauer von acht Jahren steht außer Relation zu der über die BF verhängten Freiheitsstrafe, dem Unrechtsgehalt der von ihr begangenen Taten unter Berücksichtigung aller Milderungs- und Erschwerungsgründe und ihrer privaten und familiären Situation, die keinen relevanten Inlandsbezug aufweist. Dabei ist insbesondere auch zu berücksichtigen, dass die BF zum ersten Mal straffällig wurde und ein Geständnis ablegte. Demgemäß ist die Dauer des Einreiseverbots auf drei Jahre zu reduzieren. Ein Einreiseverbot in dieser Dauer ist notwendig, aber auch ausreichend, um der von der BF ausgehenden Gefährlichkeit wirksam zu begegnen und eine nachhaltige Änderung ihres Verhaltens und ihrer Einstellung zu den rechtlich geschützten Werten zu bewirken. Dadurch bleibt auch die Möglichkeit gewahrt, auf eine neuerliche bzw. noch schwerere Delinquenz mit einem entsprechend längeren Einreiseverbot reagieren zu können. Eine weitere Reduktion scheitert allerdings an der Schwere der von der BF begangenen Straftaten.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

§ 21 Abs. 7 BFA-VG erlaubt das Unterbleiben einer Verhandlung sogar dann, wenn deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Diese Regelung steht im Einklang mit Art 47 Abs. 2 GRC. Bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen kommt der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zwar besondere Bedeutung zu, und zwar sowohl in Bezug auf die Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art 8 EMRK sonst relevanten Umstände. Daraus ist aber noch keine generelle Pflicht zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Verfahren über aufenthaltsbeendende Maßnahmen abzuleiten. In eindeutigen Fällen, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das BVwG von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, kann auch eine beantragte Verhandlung unterbleiben (VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0233).

Da der entscheidungswesentliche Sachverhalt nicht klärungsbedürftig ist und auch bei einem positiven Eindruck von der BF bei einer mündlichen Verhandlung kein Entfall oder eine weitere Herabsetzung des Einreiseverbots möglich wäre, konnte hier eine mündliche Verhandlung unterbleiben. Von deren Durchführung ist keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten, zumal ohnehin von der Richtigkeit der in der Beschwerde aufgestellten, glaubhaften Behauptungen der BF ausgegangen wird.

Zu Spruchteil B:

Die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose und die Bemessung der Dauer eines Einreiseverbots sind im Allgemeinen nicht revisibel (VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0284). Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil sich das BVwG an bestehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung orientieren konnte und keine darüber hinausgehende grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs. 4 B-VG zu lösen war.

Schlagworte

Einreiseverbot Herabsetzung Interessenabwägung Milderungsgründe öffentliche Interessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G310.2231845.1.00

Im RIS seit

24.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

24.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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