Entscheidungsdatum
20.07.2020Norm
AsylG 2005 §54 Abs1 Z1Spruch
G310 2225205-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Gaby WALTNER über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina, vertreten durch Dr. XXXX , Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 30.09.2019, Zl. XXXX , betreffend die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 56 AsylG zu Recht:
A) Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid wie folgt abgeändert:
„Dem Beschwerdeführer wird aufgrund seines Antrags vom 26.04.2019 gemäß
§§ 56 Abs 1, 58 und 60 AsylG eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ nach § 54 Abs 1 Z 1 AsylG erteilt.“
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Verfahrensgang:
Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Beschwerdeführers (BF) vom 26.04.2019 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 56 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erließ gleichzeitig eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 3 FPG iVm § 9 BFA-VG (Spruchpunkt II.), stellte die Zulässigkeit der Abschiebung des BF nach Bosnien und Herzegowina fest (Spruchpunkt III.) und bestimmte eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG (Spruchpunkt IV).
In der eingebrachten Beschwerde beantragte der BF, eine Beschwerdeverhandlung durchzuführen und ihm in Stattgebung der Beschwerde den beantragten Aufenthaltstitel zu erteilen. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag gestellt. Begründend wird ausgeführt, dass sich der BF seit 2013 in Österreich aufhalte, wobei er von 31.10.2013 bis 15.02.2019 in Besitz von Aufenthaltstitel gewesen sei. Die während seines Aufenthaltes in Österreich erfolgten Reisebewegungen seien nicht geeignet, die Dauer seines Aufenthaltes zu unterbrechen. Der BF verfüge über eine ortsübliche Unterkunft, für welche er Miete zahlt, sowie über einen Arbeitsvorvertrag eines Unternehmens, bei welchem er bereits über Jahre hindurch beschäftigt gewesen sei. Die Selbsterhaltungsfähigkeit sowie eine Krankenversicherung seien dadurch gewährleistet.
Die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens wurden dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vorgelegt, wo sie am 11.11.2019 einlangten.
Aufgrund der Aufforderung des BVwG, das Einkommen und den Bestand einer Krankenversicherung nachzuweisen, teilte der BF mit Eingabe vom 01.07.2020 mit, dass er mangels eines Aufenthaltstitels nicht erwerbstätig sei, habe aber nach wie vor eine verbindliche Arbeitsplatzzusage bei seinem letzten Arbeitgeber. Seine Eltern kämen derzeit für seinen Unterhalt auf; der Vater beziehe einen monatlichen Nettolohn von EUR 2.500,00. Vorgelegt wurde auch der aktuelle Mietvertrag und werde beabsichtigt, diesen dahingehend zu aktualisieren, dass an dieser Unterkunft per 01.09.2020 eine Wohngemeinschaft mit seiner Lebensgefährtin bestehe. Bislang habe er dort mit einem Freund zusammengewohnt. Nachweise der Unterhaltsleistungen durch die Eltern des BF und der Mietzinszahlungen der letzten drei Monate wurden anhand von Kontoauszügen bzw. Überweisungsbestätigungen erbracht.
Feststellungen:
Der BF kam am XXXX in XXXX zur Welt und ist Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina. Er besitzt aktuell einen am 06.10.2015 ausgestellten und bis 06.10.2025 gültigen bosnisch-herzegowinischen Reisepass.
Der BF hält sich seit XXXX .2013 kontinuierlich im Bundesgebiet auf und ist seither durchgehend an verschiedenen Adressen in XXXX mit Neben bzw. Hauptwohnsitz gemeldet. Seit September 2019 bewohnt er gemeinsam mit einem Freund eine aus zwei Zimmern, Küche, Bad, WC und Vorraum bestehende, ca. 40 m2 große Mietwohnung aufgrund eines schriftlichen Mietvertrags. Der monatliche Mietzins beträgt insgesamt EUR 516,00. Ab 01.09.2020 bewohnt der BF diese Wohnung zusammen mit seiner Lebensgefährtin zu denselben Konditionen. Während seines Aufenthalts im Bundesgebiet hielt sich der BF immer wieder für kurze Zeit im Ausland auf, um Urlaub zu machen.
Von 31.10.2013 bis 30.10.2015 verfügte der BF über Aufenthaltsbewilligungen als Studierender. Aufgrund des Zweckänderungsantrags vom 23.10.2015 wurden ihm von 16.02.2016 bis 15.02.2019 Aufenthaltsbewilligungen als Schüler erteilt. Sein Verlängerungsantrag vom 14.02.2019 wurde mit Bescheid des Amts der XXXX Landesregierung vom XXXX .2019, GZ. XXXX , abgewiesen. Obwohl er seither keine Aufenthaltsgenehmigung mehr hat, verließ er Österreich nicht. Abgesehen davon gibt es keine Anhaltspunkte für Verstöße gegen die öffentliche Ordnung.
Der (ledige und kinderlose) BF ist gesund und arbeitsfähig sowie strafgerichtlich unbescholten. Er hat keine wesentlichen finanziellen Verbindlichkeiten. Gegen ihn ist weder eine Rückkehrentscheidung noch eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz aufrecht.
Der BF immatrikulierte 2013 an der Technischen Universität XXXX . Im Rahmen des Vorstudienlehrgangs der XXXX Universitäten legte er am 10.02.2014 eine Deutschprüfung für das Sprachniveau A2 erfolgreich ab, am 04.07.2014 eine für das Sprachniveau B1. Vom Schuljahr 2015/16 bis zum Schuljahr 2017/2018 besuchte er die Höhere Technische Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt XXXX , Fachschule für Berufstätige, Fachrichtung Mechatronik. Am 05.09.2016 wurde ihm das ÖSD Zertifikat B1 ausgestellt. Die am 23.05.2015 absolvierte Prüfung bezüglich des ÖSD Zertifikat C1 hat der BF nicht bestanden.
Der BF war von 20.6.2014 bis 21.06.2014 als Arbeiter und von 11.11.2015 bis 18.01.2016 als geringfügig beschäftigter Arbeiter tätig. Von 30.10.2015 bis 17.04.2019 war der BF bei seinem letzten Arbeitgeber, einem Gastronomieunternehmen, als Arbeiter beschäftigt. Dieser hat ihm ein Empfehlungsschreiben ausgestellt und eine neuerliche Einstellung zugesagt, wobei der monatliche Nettolohn EUR 1.400,00 zuzüglich Urlaubs- und Weihnachtsrenumerationen betragen wird.
Derzeit wird der BF von seinen Eltern finanziell unterstützt.
Der BF hat in Österreich einen (durch Empfehlungsschreiben dokumentierten) Freundes- und Bekanntenkreis.
Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und der Gerichtsakten des BVwG. Entscheidungswesentliche Widersprüche liegen nicht vor.
Die Feststellungen beruhen vorwiegend auf den Angaben des BF in seinem ursprünglichen Antrag, bei seiner Einvernahme vor dem BFA und in der Beschwerde sowie auf den von ihm vorgelegten Unterlagen.
Die Identität des BF wird durch seinen (dem BVwG in Kopie vorliegenden) unbedenklichen Reisepass belegt. Der aktuelle Mietvertrag sowie jener ab 01.09.2020 und der arbeitsrechtliche Vorvertrag wurden vorgelegt.
Der Inlandsaufenthalt des BF ergibt sich aus seiner Aussage vor dem BFA und den Wohnsitzmeldungen laut dem Zentralen Melderegister (ZMR). Die ihm erteilten Aufenthaltsbewilligungen sind im Fremdenregister dokumentiert. Die Auslandsaufenthalte werden durch die Grenzkontrollstempel in seinen Reisepässen belegt. Da die Aufenthalte außerhalb des Schengengebiets durchwegs nicht länger als drei Wochen dauerten, ist davon auszugehen, dass dadurch die grundsätzliche Kontinuität des Inlandsaufenthalts nicht unterbrochen wurde. Auslandsaufenthalte, die über das übliche Maß von Urlaubs- bzw. Besuchszwecken hinausgehen, können nicht festgestellt werden.
Schulbesuchsbestätigungen, Schulzeugnisse und Zeugnisse über die Deutschprüfungen wurden vorgelegt. Entsprechende Deutschkenntnisse des BF sind insbesondere deshalb plausibel, weil er vor dem BFA ohne Dolmetsch vernommen wurde. Die Zulassung zum Studium werden anhand der Kursbestätigungen des Vorstudienlehrgangs der XXXX Universitäten festgestellt. Die Versicherungszeiten und die Erwerbstätigkeit des BF ergeben sich aus dem Versicherungsdatenauszug; Beschäftigungsbewilligungen und Gehaltsabrechnungen wurden ebenfalls vorgelegt.
Die Feststellungen zu den familiären Verhältnissen des BF basieren auf seinen Angaben gegenüber dem BFA. Seine in Österreich geknüpften Sozialkontakte sind aufgrund des mehrjährigen Aufenthalts, der Ausbildungen und der Erwerbstätigkeit nachvollziehbar; sie werden auch durch die vorgelegten Empfehlungsschreiben belegt.
Nach der vorgelegten KSV-Auskunft hat der BF keine relevanten finanziellen Verpflichtungen. Weiters wurden die E-Card, Überweisungsbestätigungen betreffend der Unterhaltsleistungen durch die Eltern des BF sowie aktuelle Kontoauszüge vorgelegt.
Die Unbescholtenheit des BF geht aus dem Strafregister hervor. Im Verfahren sind keine Hinweise für gesundheitliche Probleme oder Einschränkungen seiner Arbeitsfähigkeit hervorgekommen, zumal er in einem erwerbsfähigen Alter ist, immer wieder erwerbstätig war und eine Vollzeitbeschäftigung anstrebt.
Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass gegen den BF vor dem angefochtenen Bescheid eine Rückkehr- oder Rückführungsentscheidung erlassen wurde, zumal dies weder aus dem Fremdenregister noch aus dem Schengener Informationssystem hervorgeht. Hinweise auf Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, die über den zuletzt unrechtmäßigen hinausgehen, sind nicht aktenkundig.
Rechtliche Beurteilung:
Der BF ist als Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs 4 Z 10 FPG.
Gemäß § 56 AsylG kann im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen auf begründeten Antrag eine Aufenthaltsberechtigung erteilt werden, wenn der Drittstaatsangehörige zum Zeitpunkt der Antragstellung nachweislich seit fünf Jahren durchgängig im Bundesgebiet aufhältig war, davon mindestens die Hälfte, jedenfalls aber drei Jahre, rechtmäßig. Unter anderem bei Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG ist eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ (§ 54 Abs 1 Z 1 AsylG) zu erteilen. Gemäß § 9 Abs 4 Z 3 Integrationsgesetz (IntG) ist das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ua dann erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs 1 UG oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht.
Gemäß § 56 Abs 3 erster Satz AsylG hat das BFA den Grad der Integration des Drittstaatsangehörigen, insbesondere die Selbsterhaltungsfähigkeit, die schulische und berufliche Ausbildung, die Beschäftigung und die Kenntnisse der deutschen Sprache zu berücksichtigen.
Eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ berechtigt gemäß § 54 Abs 1 Z 1 AsylG zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und unselbständigen Erwerbstätigkeit gemäß § 17 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG). Eine „Aufenthaltsberechtigung“ berechtigt demgegenüber gemäß § 54 Abs 1 Z 2 AsylG zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und einer unselbständigen Erwerbstätigkeit, für die eine entsprechende Berechtigung nach dem AuslBG Voraussetzung ist.
§ 60 AsylG legt allgemeine Erteilungsvoraussetzungen für Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen fest (siehe VwGH 14.04.2016, Ra 2016/21/0077). Nach § 60 Abs 1 AsylG dürfen Aufenthaltstitel nicht erteilt werden, wenn gegen den betreffenden Drittstaatsangehörigen eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 iVm 53 Abs 2 oder 3 FPG oder eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht. Gemäß § 60 Abs 2 AsylG dürfen Aufenthaltstitel gemäß § 56 AsylG nur erteilt werden, wenn der Antragsteller einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird (Z 1), über einen alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und die Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist (Z 2), sein Aufenthalt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (§ 11 Abs 5 NAG) führen könnte (Z 3) und dadurch die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden (Z 4). Aufenthaltstitel dürfen einem Drittstaatsangehörigen nach § 60 Abs 3 AsylG nur erteilt werden, wenn sein Aufenthalt nicht öffentlichen Interessen widerstreitet. Der Aufenthalt eines Drittstaatsangehörigen widerstreitet dem öffentlichen Interesse, wenn dieser ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass dieser durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt (Z 1) oder im Falle der §§ 56 und 57 AsylG der Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde (Z 2).
Gemäß § 11 Abs 5 NAG führt der Aufenthalt eines Fremden dann zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft, wenn er feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 ASVG entsprechen. Für Alleinstehende beträgt dieser Richtsatz ab 01.01.2019 EUR 933,06. Diese Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und Unterhaltszahlungen an nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in § 292 Abs 3 zweiter Satz ASVG festgelegten Höhe (EUR 294,65 für das Jahr 2019) unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche oder durch eine Haftungserklärung ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nur der das pfändungsfreie Existenzminimum gemäß § 291a EO übersteigende Einkommensteil zu berücksichtigen. In Verfahren bei Erstanträgen sind soziale Leistungen nicht zu berücksichtigen, auf die ein Anspruch erst durch Erteilung des Aufenthaltstitels entstehen würde, insbesondere Sozialhilfeleistungen oder die Ausgleichszulage.
§ 58 AsylG regelt das Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln gemäß §§ 55 ff AsylG.
Der BF hielt sich zum Zeitpunkt der Antragstellung im April 2019 seit mehr als fünf Jahren im Bundesgebiet auf. Sein Aufenthalt war großteils rechtmäßig. Die kurzfristigen Auslandsaufenthalte unterbrechen dabei die anspruchsbegründende Dauer des Aufenthalts nicht (siehe § 2 Abs 7 NAG), zumal nach der Rechtsprechung des VwGH kurzfristige Auslandsaufenthalte (etwa eine Woche und ca. drei Wochen) bzw. Ferienaufenthalte den Mittelpunkt der Lebensinteressen des Betroffenen nicht verändern (siehe VwGH 16.12.2014, Ra 2014/22/0071). Da der BF Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfüllt hat, zumal er sich aus der Zulassung zum Studium an der Technischen Universität XXXX ergibt, dass er jedenfalls über einen Schulabschluss verfügt, der zum Besuch einer Universität berechtigt (§ 9 Abs 4 Z 3 IntG), liegen die Voraussetzungen für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung plus“ nach § 56 Abs 1 AsylG vor. Im Rahmen der in § 56 Abs 3 erster Satz AsylG festgelegten Kriterien ist dabei zu berücksichtigen, dass der BF eine Ausbildung im tertiären Bildungsbereich gemacht (wenn auch nicht abgeschlossen) hat, legal erwerbstätig war, gute Deutschkenntnisse hat und eine Einstellungszusage vorliegt.
Auch die Erteilungsvoraussetzungen nach § 60 AsylG sind erfüllt. Es liegen keine Erteilungshindernisse iSd § 60 Abs 1, Abs 2 Z 4 und Abs 3 AsylG vor. Der BF hat durch die Vorlage des Mietvertrags einen Rechtsanspruch auf eine ortsübliche Unterkunft nach § 60 Abs 2 Z 1 AsylG nachgewiesen. Aus dem vorgelegten arbeitsrechtlichen Vorvertrag, der sich gemäß § 7 Abs 1 Z 7 NAG-DV zum Nachweis des gesicherten Lebensunterhalts eignet, ergibt sich, dass sein Aufenthalt iSd § 60 Abs 2 Z 3 AsylG iVm § 11 Abs 5 NAG zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen wird, weil demnach Einkünfte zur Verfügung stehen werden, die den Ausgleichszulagenrichtsatz übersteigen, und die monatlichen regelmäßigen Kosten den Wert der freien Station (EUR 294,65) nicht übersteigen, zumal er keine Kredite bedienen muss und die anteiligen Mietkosten (bei Berücksichtigung seines Mitmieters) EUR 258,00 pro Monat betragen. Da aufgrund der aufzunehmenden Beschäftigung eine gesetzliche Pflichtversicherung bestehen wird, ist kein gesonderter Nachweis über den nach § 60 Abs 2 Z 2 AsylG erforderlichen Krankenversicherungsschutz zu erbringen (vgl § 7 Abs 1 Z 6 NAG-DV).
Dem BF ist daher in Stattgebung der Beschwerde eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ gemäß § 54 Abs 1 Z 1 AsylG iVm § 56 Abs 1 AsylG zu erteilen. Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids ist insoweit abzuändern, die Spruchpunkte II. bis IV. haben als Folge dieser Entscheidung ersatzlos zu entfallen.
Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt werden konnte, unterbleibt eine Beschwerdeverhandlung gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG, zumal keine widerstreitenden Beweisergebnisse vorliegen und von einer mündlichen Verhandlung vor dem BVwG keine weitere Klärung dieser Angelegenheit zu erwarten ist.
Die Revision nach Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig, weil das BVwG grundsätzliche Rechtsfragen im Sinne dieser Gesetzesstelle nicht zu lösen hatte.
Schlagworte
Aufenthaltsberechtigung plus Deutschkenntnisse Integration Interessenabwägung öffentliche InteressenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:G310.2225205.1.00Im RIS seit
24.09.2020Zuletzt aktualisiert am
24.09.2020