TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/23 G307 2233130-1

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Veröffentlicht am 23.07.2020
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Entscheidungsdatum

23.07.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

G307 2233130-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus MAYRHOLD als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , geb. am XXXX , StA.: Bosnien und Herzegowina, vertreten durch RA Dr. Thomas KÖNIG, LLM in 1010 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.06.2020, Zahl XXXX zu Recht erkannt:

A)       Die Beschwerde wird als unbegründet a b g e w i e s e n .

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

1. Mit Schreiben vom 10.12.2019 lud das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien (im Folgenden: BFA) die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) für den 08.01.2020 vor, um deren Aufenthaltsgrundlage zu prüfen.

2. Am 22.01.2020 richtete das BFA neuerlich eine Ladung an die BF, welcher zufolge sie am 18.02.2020 vor dem Bundesamt zu einer Einvernahme erscheinen sollte. Auch dieser Ladung leistete die BF nicht Folge.

3. Schließlich richtete die belangte Behörde am 28.05.2020 eine dritte Ladung an die BF, wonach sie am 08.06.2020 vor Ort anwesend sein sollte. Zu diesem Termin erschien die BF nicht.

4. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid, der BF persönlich zugestellt am 06.07.2020, wurde dieser ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass deren Abschiebung nach Bosnien-Herzegowina gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.) sowie der BF gemäß § 55 Abs. 1 und Abs. 1 bis 3 eine 14tägige Frist zur freiwilligen Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt (Spruchpunkt IV.).

5. Gegen diesen Bescheid erhob die BF durch die im Spruch genannte Rechtsvertretung (im Folgenden: RV) mit Schriftsatz vom 06.07.2020, beim BFA eingebracht am selben Tag Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin wurde beantragt, eine mündliche Verhandlung durchzuführen und dem Beschwerdeführer (gemeint wohl: der Beschwerdeführerin) Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben und den Bescheid vom 08.06.2020 aufzuheben.

6. Die Beschwerde und der zugehörige Verwaltungsakt wurden vom BFA dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) am 14.07.2020 vorgelegt und langten dort am 17.07.2020 ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die BF führt die im Spruch angegebene Identität (Name und Geburtsdatum), ist Staatsbürgerin von Bosnien-Herzegowina, mit dem österreichischen Staatsbürger XXXX , geb. am XXXX , verheiratet, Mutter der am XXXX geborenen XXXX und ist mit dem soeben erwähnten Kindesvater wie ihrer Tochter an derselben Anschrift in der XXXX in XXXX gemeldet.

1.2. Es konnte nicht festgestellt werden, wann genau die BF ins Bundesgebiet eingereist ist und, ob sie hier durchgehend seit dem Zeitpunkt ihrer erstmaligen Meldung am 03.08.2018 ununterbrochen aufhältig ist.

1.3. Sowohl die BF als auch deren Mann beziehen derzeit keine staatlichen Leistungen; letzterer ist seit 02.01.2020 ohne Beschäftigung. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die BF oder ihr Mann über ein regelmäßiges Einkommen oder Vermögen verfügen.

1.4. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die BF an irgendwelchen Krankheiten leidet, arbeitsunfähig wäre oder Deutschkenntnisse eines bestimmten Niveaus verfügt. Sie ist strafrechtlich unbescholten.

1.5. Obwohl die BF seit August 2018 durchgehend in Österreich gemeldet ist, verliefen die am 10.12.2019, 22.01.2020 und 18.05.2020 von Seiten der belangten Behörde in die Wege geleiteten Versuche, sie vor das Bundesamt zu laden, negativ, wobei die ersten beiden Ladungen am 17.12.2019 und 27.01.2020 durch Hinterlegung an die jeweils aufrechte Meldeanschrift der BF zugestellt wurden. Die BF erschien zu den vorgesehenen Ladungsterminen am 08.01.2020, 18.02.2002 und 08.06.2020 nicht.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass sich die BF zu den Zeitpunkten der Zustellung nicht im Bundesgebiet aufhielt. Die BF unterließ eine Ortsabwesenheitsmeldung bei der Post.

1.6. Mit Bescheid der Abteilung 35 des Magistrats der Stadt XXXX , Zahl XXXX , wurde der von der BF am XXXX .2019 gestellte Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Familienangehöriger“ nach dem NAG rechtskräftig abgewiesen. Begründet wurde diese Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die höchst zulässige Dauer des erlaubten sichtvermerksfreien Aufenthaltes im Zusammenhang mit der Inlandsantragstellung überschritten worden sei und der Aufenthalt der BF zu einer Belastung für eine Gebietskörperschaft führen könnte. Die BF ist derzeit nicht im Besitz eines Aufenthaltstitels und hielt sich zumindest zum Zeitpunkt dieser Bescheiderlassung rechtswidrig im Bundesgebiet auf.

1.7. Bosnien und Herzegowina gilt als sicherer Herkunftsstaat.

2. Beweiswürdigung

2.1. Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

2.2. Der oben festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund des vorliegenden Aktes und der mündlichen Verhandlung durchgeführten Ermittlungsverfahrens und wird in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zu Identität, Staatsbürgerschaft, Familienstand, Existenz einer Tochter, durchgehende Meldung der BF seit 03.08.2018, Staatsangehörigkeit des Mannes sowie Meldung der Mitglieder der Kernfamilie an derselben Adresse getroffen wurden, ergeben sich diese aus dem Inhalt des auf die BF und ihren
Mann lautenden Sozialversicherungsdaten- wie Auszuges aus dem Zentralen Melderegister (ZMR).

Die Identität der BF ergibt sich aus der Erwähnung ihres Reisepasses in deren ZMR-Auszug.

Dass sowohl die BF als auch deren Mann aktuell keiner Beschäftigung im Bundesgebiet nachgehen und zudem keine staatlichen Leistungen beziehen, folgt ebenso dem Inhalt der auf deren Namen lautenden Sozialversicherungsdatenauszüge. Es wurden keinerlei Bescheinigungsmittel für das Vorhandensein von Vermögen oder eines regelmäßigen Einkommens der BF und ihres Mannes beigebracht.

Nachweise für das Vorliegen von Deutschkenntnissen eines bestimmten Niveaus wurden nicht vorgelegt. Auch unterließ es die BF, sonstige Integrationsmomente oder Umstände, die für die Ausstellung eines Aufenthaltstitels (gemäß § 57 AsylG) von Relevanz wären, darzulegen.

Das Fehlen eines Aufenthaltstitels ergibt sich aus dem Inhalt des auf die BF lautenden Auszuges aus dem Zentralen Fremdenregister (ZFR).

Hinweise auf das Vorliegen von Krankheiten oder einer Arbeitsunfähigkeit auf Seiten der BF fanden sich nicht.

In Ermangelung der Vorlage ihres Reisepasses, welchem sich Ein- und Ausreisestempel entnehmen hätten könnten sowie wegen fehlender Vorlage sonstiger, den Aufenthalt der BF außerhalb Österreichs zum Zeitpunkt der jeweiligen Ladungszustellungen bescheinigender Dokumente konnte nicht festgestellt werden, dass die BF zum Zeitpunkt der Zustellvorgänge ortsabwesend war. Die dahingehende Behauptung reicht daher nicht zum Beweis der Abwesenheit von der Meldeanschrift aus.

Weder vor der MA 35, noch vor dem Bundesamt noch in der Beschwerde hat die BF dargetan, dass sie nach Ablauf der höchst zulässigen Aufenthaltsdauer von 90 Tagen innerhalb von 180 Tagen wieder ausgereist ist. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass sie diese erlaubte Dauer überschritten hat.

Die erfolglosen Zustellversuche ergeben sich aus den im Akt einliegenden Rückscheinen.

Die strafrechtliche Unbescholtenheit der BF folgt dem Amtswissen des erkennenden Gerichtes durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich.

Zudem wäre des dem Ehemann der BF unbenommen gewesen, dem BFA (die Behörde scheint immer auf dem Rückschein des Empfängers auf), der belangten Behörde Mitteilung über die Ortsabwesenheit der BF zu machen. Abgesehen davon wurde auch nicht dargetan, dass eine solche Meldung bei der Post erstattet wurde, wobei in einem solchen Fall eine neuerliche Zustellung der Sendung an die BF nach deren Rückkehr durch die Post erfolgt wäre (siehe dazu: https://www.post.at/g/a/ortsabwesenheit-geschaeftlich).

Gegen eine Ortsabwesenheit der BF spräche ferner die Geburt ihrer Tochter am XXXX und deren durchgehende Meldung an der Adresse der Eltern, wobei es der Lebenserfahrung widerspräche, dass der damals noch berufstätige Ehemann alleine die Obsorge für die Tochter während des Zeitraums der angeblichen Absenz der BF übernommen hat (laut seinem Sozialversicherungsdatenauszug war er vom 10.08.2019 bis 01.01.2020 durchgehend – wenn auch teils nur geringfügig – beschäftigt und hätte sich daher nicht ausreichend um seine Tochter kümmern können().

Die Versagung des Aufenthaltstitels nach dem NAG ist aus dem dahingehenden Bescheid im Akt ersichtlich (AS 1). Wegen der dortigen Feststellungen und der Rechtskraft dieser Entscheidung folgt auch, dass sich die BF tatsächlich über die 90-Tages-Frist hinaus in Österreich aufgehalten hat.

Dass Bosnien und Herzegowina ein sicherer Herkunftsstaat ist, ergibt sich aus § 1 Z 1 der Herkunftsstaatenverordnung.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zur Abweisung der Beschwerde:

3.1.1. Der mit „Rückkehrentscheidung“ betitelte § 52 FPG lautet:

„§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich
1.         nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder
2.         nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
1.         dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,
2.         dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
3.         ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
4.         ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
1.         nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre,
1a.         nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß § 31 Abs. 1 wegfällt, die für die erlaubte visumfreie Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt erforderlich ist,
2.         ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,
3.         ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,
4.         der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder
5.         das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.

(7) Von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 ist abzusehen, wenn ein Fall des § 45 Abs. 1 vorliegt und ein Rückübernahmeabkommen mit jenem Mitgliedstaat besteht, in den der Drittstaatsangehörige zurückgeschoben werden soll.

(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 kann auch über andere als in Abs. 9 festgestellte Staaten erfolgen.

(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde.“

Der „Voraussetzungen für den rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet“ betitelte § 31 FPG lautet:

„§ 31. (1) Fremde halten sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf,
1.         wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthaltes oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;
2.         wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder auf Grund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;
3.         wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind bis zu drei Monaten (Artikel 21 SDÜ gilt), sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen;
4.         solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach dem AsylG 2005 zukommt;
5.         bis zur Entscheidung über einen Verlängerungsantrag (§ 2 Abs. 4 Z 17a), solange der Aufenthalt als Saisonier in den vergangenen zwölf Monaten insgesamt die Dauer von neun Monaten nicht überschreitet;
6.         wenn sie Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels für unternehmensintern transferierte Arbeitnehmer gemäß ICT-Richtlinie eines anderen Mitgliedstaates sind, der das SDÜ nicht vollständig anwendet, und § 18 Abs. 13 AuslBG erfüllen, solange ihr Aufenthalt im Bundesgebiet in den vergangenen 180 Tagen nicht insgesamt die Dauer von 90 Tagen überschreitet und die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 lit. e SGK erfüllt sind;
7.         wenn sie gemäß der Forscher und Studenten-Richtlinie Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels „Forscher“ eines anderen Mitgliedstaates sind und eine Tätigkeit für eine Forschungseinrichtung ausüben, die gemäß § 1 Abs. 2 lit. h AuslBG vom sachlichen Anwendungsbereich des AuslBG ausgenommen ist, oder als deren Familienangehörige Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels eines anderen Mitgliedstaates sind, solange jeweils ihr Aufenthalt im Bundesgebiet in den vergangenen 360 Tagen nicht insgesamt die Dauer von 180 Tagen überschreitet und die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 lit. e SGK erfüllt sind;
8.         wenn sie gemäß der Forscher und Studenten-Richtlinie Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels „Student“ eines anderen Mitgliedstaates sind und an einem Unions- oder multilateralen Programm mit Mobilitätsmaßnahmen teilnehmen oder für sie eine Vereinbarung zwischen zwei oder mehreren Hochschuleinrichtungen besteht, solange ihr Aufenthalt im Bundesgebiet nicht insgesamt die Dauer von 360 Tagen überschreitet und die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 lit. e SGK erfüllt sind, oder
9.         soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt.

(1a) Liegt kein Fall des Abs. 1 vor, halten sich Fremde nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf; dies insbesondere, wenn sie
1.         auf Grund eines Rückübernahmeabkommens (§ 19 Abs. 4) oder internationaler Gepflogenheiten rückgenommen werden mussten,
2.         auf Grund einer Durchbeförderungserklärung, sonstiger zwischenstaatlicher Abkommen oder auf Ersuchen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union um Durchbeförderung (§ 45b Abs. 1) oder auf Grund einer Durchlieferungsbewilligung gemäß § 47 ARHG oder § 35 des Bundesgesetzes über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-JZG), BGBl. I Nr. 36/2004, eingereist sind,
3.         geduldet sind (§ 46a) oder
4.         eine Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 erhalten haben.

(Anm.: Abs. 2 und 3 aufgehoben durch Art. 2 Z 48, BGBl. I Nr. 145/2017)

(4) Kinder, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, halten sich während der ersten sechs Lebensmonate rechtmäßig im Bundesgebiet auf, sofern die Mutter oder ein anderer Fremder, dem Pflege und Erziehung des Kindes zukommt, rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen ist; dies gilt, solange der Betreffende rechtmäßig niedergelassen bleibt, bei Ableitung vom Vater überdies nur, wenn diesem das Recht zur Pflege und Erziehung allein zukommt. Außerdem sind solche Kinder während der ersten sechs Lebensmonate rechtmäßig aufhältig, sofern und solange deren Pflege und Erziehung einem österreichischen Staatsbürger mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet allein zukommt.“

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa den Beschluss vom 19. Dezember 1990, Zl. 90/02/0158) kann mit der bloßen Behauptung einer Ortsabwesenheit ohne nähere Angaben und ohne Anbot entsprechender Bescheinigungsmittel das Vorliegen einer unwirksamen Zustellung durch Hinterlegung nicht dargetan werden; vielmehr hat jemand, der Zustellmängel behauptet, diese Behauptung entsprechend zu begründen und Beweise dafür anzuführen, die die vom Gesetz im Zusammenhang mit einem vorhandenen Rückschein aufgestellte Vermutung der vorschriftsmäßigen Zustellung zu widerlegen geeignet erscheinen lassen (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 1992, Zlen. 92/02/0021, 0022). Daran anknüpfend, wegen einer fehlenden Ortsabwesenheitsmeldung und aufgrund mangelnder Übermittlung des Reisepasses oder sonstiger die Präsenz im Ausland dokumentierender Unterlagen an das BFA oder BVwG (siehe bereits oben) konnte der BF dementsprechend auch kein Auslandsaufenthalt zugestanden werden. Vor diesem Hintergrund und der – bereits durch die MA 35 festgestellte – Überschreitung der Aufenthaltsdauer hat das Bundesamt die Rückkehrentscheidung zu Recht auf § 52 Abs. 1 Z 1 FPG gestützt.

Der mit „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ betitelte § 57 AsylG lautet:

„§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:
1.         wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,
2.         zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3.         wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.

(3) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 2 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein Strafverfahren nicht begonnen wurde oder zivilrechtliche Ansprüche nicht geltend gemacht wurden. Die Behörde hat binnen sechs Wochen über den Antrag zu entscheiden.

(4) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 3 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO nicht vorliegt oder nicht erlassen hätte werden können.“

Die BF erfüllt – wie bereits von der belangten Behörde festgehalten – keine der Voraussetzungen des § 57 AsylG. Ergänzend sei bemerkt, dass im Falle eines Auslandsaufenthaltes – wie im Rechtsmittel vorgebracht – ein derartiger Antrag zurückzuweisen wäre.

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG idgF lautet:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.       der Grad der Integration,

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden, wenn

1.       ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, es sei denn, eine der Voraussetzungen für die Erlassung eines Einreiseverbotes von mehr als fünf Jahren gemäß § 53 Abs. 3 Z 6, 7 oder 8 FPG liegt vor, oder

2.       er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt."

3.1.2. Der mit „Aufenthaltsberechtigung aus Gründen des Art 8 EMRK betitelte § 55 AsylG lautet:

„§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn
1.         dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und
2.         der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.“

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

Der Begriff des Privatlebens iSd Art. 8 EMRK ist weit zu verstehen und umfasst das persönliche und berufliche Umfeld eines Menschen, in dem er mit anderen interagiert. Nach ständiger Rechtsprechung des EGMR ist die Gesamtheit der sozialen Beziehungen zwischen einem ansässigen Migranten und der Gemeinschaft, in der er lebt, integraler Bestandteil des Begriffs des Privatlebens (EGMR 13.10.2011, 41548/06, Trabelsi/DE; EGMR [GK] 23.06.2008, 1638/03, Maslov/AT). Dazu zählen auch berufliche und geschäftliche Beziehungen. Wie stark das Privatleben ausgeprägt ist, hängt in erster Linie von der Dauer des Aufenthalts ab. Für die Annahme eines in den Schutzbereich von Art. 8 EMRK fallenden Privatlebens ist keine konkrete Mindestaufenthaltsdauer erforderlich. Die bereits in Österreich verbrachte Zeit und die dabei erfolgte Integration ist erst bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu beachten (vgl. Peyerl/Czech in Abermann ua. (Hrsg), NAG § 11 Rz 38).

3.1.3. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich:

Die BF ist zwar mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet und ist ihr daher ein Familienleben im Inland zuzugestehen. Sie verblieb jedoch ohne Aufenthaltstitel und trotz Überschreitung der höchst zulässigen Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet. Ihr bisheriger Lebensmittelpunkt lag nicht in Österreich. Dadurch wird ihr Aufenthalt in Österreich stark relativiert. Auch sonst stellte die BF keinerlei Bescheinigungsmittel im Hinblick auf eine allfällige Integration zur Verfügung und legte keine Beweise für das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel vor.

Da zudem von der BF zwar der Bescheid in seiner Gesamtheit angefochten, dezidiert aber nur die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt, jedoch kein weiteres Begehren geäußert wurde, war Spruchpunkt I. des Bescheides zu bestätigen.

3.2. Der mit „Ausreiseverpflichtung und Durchsetzungsaufschub“ betitelte § 70 FPG lautet:

„§ 70. (1) Die Ausweisung und das Aufenthaltsverbot werden spätestens mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar; der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige hat dann unverzüglich auszureisen. Der Eintritt der Durchsetzbarkeit ist für die Dauer eines Freiheitsentzuges aufgeschoben, auf den wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung erkannt wurde.

(Anm.: Abs. 2 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)

(3) EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen ist bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

(4) Der Durchsetzungsaufschub ist zu widerrufen, wenn

1. nachträglich Tatsachen bekannt werden, die dessen Versagung gerechtfertigt hätten;

2. die Gründe für die Erteilung weggefallen sind oder

3. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige während seines weiteren Aufenthaltes im Bundesgebiet ein Verhalten setzt, das die sofortige Ausreise aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gebietet.“

Da den BF ein Durchsetzungsaufschub von 1 Monat seitens des BFA erteilt wurde und kein Anlass bestand, diesen zu verlängern, war die Beschwerde auch in diesem Umfang als unbegründet abzuweisen.

3.3. Entfall der mündlichen Verhandlung

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFAVG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Zahl Ra 2014/20/0017 und 0018-9, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung „wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint“ unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) vom 12.03.2012, Zl. U 466/11 ua., festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFAVG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde vorangegangen. Für eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens ergeben sich aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes keinerlei Anhaltspunkte. Vielmehr wurde den Grundsätzen der Amtswegigkeit, der freien Beweiswürdigung, der Erforschung der materiellen Wahrheit und des Parteiengehörs entsprochen. So ist die belangte Behörde ihrer Ermittlungspflicht hinreichend nachgekommen. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt wurde nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet.

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes konnte im vorliegenden Fall die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben, weil der maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde samt Ergänzung geklärt war. Was das Vorbringen der BF in der Beschwerde betrifft, so findet sich in dieser kein neues bzw. kein ausreichend konkretes Tatsachenvorbringen, welches die Durchführung einer mündlichen Verhandlung notwendig gemacht hätte.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Interessenabwägung öffentliche Interessen Pandemie Resozialisierung Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G307.2233130.1.00

Im RIS seit

24.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

24.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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