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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ABGB §6;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 95/19/1725Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des T C in Wien, geboren 1973, vertreten durch Dr. Peter Prikoszovits, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Kaiserstraße 67, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres vom 19. Februar 1995, Zlen. 100.840/5-III/11/94 und 100.840/6-III/11/94, jeweils betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer stellte zunächst im Wege der österreichischen Botschaft in Ankara am 9. Dezember 1993 einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, der am 15. Dezember 1993 beim Magistrat der Stadt Wien einlangte. Dieser Antrag wurde vom Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 28. Jänner 1994 gemäß § 4 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen. Die dagegen erhobene Berufung wurde vom Beschwerdeführer am 13. Juni 1994 zurückgezogen.
Bereits am 23. Februar 1994 hatte der Beschwerdeführer im Wege der österreichischen Botschaft Preßburg einen weiteren Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestellt, der am 2. März 1994 beim Magistrat der Stadt Wien einlangte. Einen dritten Antrag stellte der Beschwerdeführer am 27. Mai 1994. In den beiden zuletzt genannten Anträgen gab der Beschwerdeführer als derzeitigen Wohnsitz jeweils eine Adresse im 20. Wiener Gemeindebezirk, als Aufenthaltszweck Familienzusammenführung mit seiner Ehefrau, einer österreichischen Staatsbürgerin, sowie als Ort, an dem die Anträge ausgefüllt wurden, "Wien" an.
Mit Bescheid vom 27. Juni 1994 wurde der zweite Antrag des Beschwerdeführers vom Landeshauptmann von Wien gemäß § 5 Abs. 1 AufG wegen mangelnden Unterhaltes abgewiesen, die Abweisung des dritten Antrages erfolgte durch den Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 5. Juli 1994 gemäß § 6 Abs. 2 AufG, weil der Antrag nicht vor der Einreise des Beschwerdeführers vom Ausland aus gestellt worden sei.
Die gegen die genannten Bescheide eingebrachten Berufungen wurden mit Bescheiden des Bundesministers für Inneres, jeweils vom 19. Februar 1995, jeweils zugestellt am 1. März 1995, gemäß § 6 Abs. 2 AufG abgewiesen. Der Bundesminister für Inneres begründete seine Bescheide im wesentlichen damit, daß der Beschwerdeführer die beiden Anträge nach der auf seinen eigenen Angaben beruhenden Aktenlage nicht vor der Einreise, mit der sein derzeitiger Aufenthalt begonnen habe, gestellt habe. Dies sei angesichts seiner eigenhändigen, in Wien geleisteten Unterschrift auf dem Antragsformular und auf Grund der von ihm vorgelegten Unterlagen evident. Es stehe dem Beschwerdeführer jederzeit frei, auf die vom Gesetz geforderte Weise einen Antrag einzubringen und damit einen bestehenden Rechtsanspruch auf Familienzusammenführung zu verwirklichen, weshalb durch die vorliegenden Entscheidungen in keiner Weise in sein Familienleben eingegriffen würde. Aus diesem Grund und infolge der Verfahrensvorschrift des § 6 Abs. 2 AufG sei die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ausgeschlossen und sei auf das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers - auch im Zusammenhang mit seinen persönlichen Verhältnissen - nicht weiter einzugehen gewesen.
Gegen diese Bescheide erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde gemäß Art. 144 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof. Nachdem dieser mit Beschluß vom 25. September 1995, B 1063, 1064/95-5, deren Behandlung abgelehnt und sie an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten hatte, wurde sie vom Beschwerdeführer ergänzt. Er bekämpft die Bescheide wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und erachtet sich in seinem Recht auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, insbesondere im Zusammenhang mit Art. 8 MRK, verletzt. Der Beschwerdeführer lebe schon seit mehreren Jahren in Österreich, habe am 15. April 1993 eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und lebe mit dieser und zwei gemeinsamen Kindern im
20. Wiener Gemeindebezirk. Er verfüge über einen Befreiungsschein gemäß § 15 Abs. 1 Z. 2 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, gültig vom 29. September 1993 bis zum 28. September 1998, und gehe einer geregelten Beschäftigung nach. Bereits am 8. Dezember 1993 habe der Beschwerdeführer bei der österreichischen Botschaft in Ankara einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung eingebracht. Dieser Antrag sei jedoch mit der Begründung abgewiesen worden, daß im Falle der Familienzusammenführung eine mindestens einjährige Ehe Voraussetzung für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung sei, wobei auf § 3 Abs. 2 und 3 AufG nicht Bedacht genommen worden sei. Der Beschwerdeführer habe sich nicht entmutigen lassen und habe nach Ablauf der Jahresfrist einen weiteren Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung, diesmal in Preßburg, gestellt. Auch dieser Antrag sei jedoch mit der Begründung abgewiesen worden, daß die Ehegattin des Beschwerdeführers über kein ausreichendes Einkommen zur Sicherung des Lebensunterhaltes der Ehegatten verfüge. Abgesehen davon, daß der Beschwerdeführer bereits mehrmals das formale Erfordernis der Antragstellung vom Ausland aus erfüllt habe, sei es schlichtweg unmenschlich zu verlangen, daß er nun, da er bereits seit mehreren Jahren im Bundesgebiet aufhältig sei, eine Familie gegründet habe und einer geregelten Beschäftigung nachgehe, die beschwerliche und zeitaufwendige Prozedur einer Antragstellung vom Ausland aus ein weiteres Mal auf sich nehmen solle. Es bestehe zwar ein gerechtfertigtes staatliches Interesse, den Aufenthalt von Fremden in geordnete Bahnen zu lenken, doch bestehe zweifellos auf der anderen Seite das fundamentale und auch verfassungsrechtliche abgesicherte Interesse von Ehegatten, gemeinsam zu wohnen, zu leben und zu wirtschaften. Aus Art. 8 MRK erfließe das Recht des Ehegatten, gemeinsam mit dem anderen einen Wohnsitz zu begründen. Es ergebe sich daraus der Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung unabhängig davon, ob die Antragstellung vom Inland oder vom Ausland aus erfolgt sei.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:
Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Zustellung der angefochtenen Bescheide ist für die Überprüfung ihrer Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof das Aufenthaltsgesetz in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 maßgeblich.
Die §§ 3 Abs. 1 und 2, 6 Abs. 2 sowie 13 Abs. 1 AufG in der Fassung vor dieser Novelle lauteten:
"§ 3. (1) Ehelichen und außerehelichen minderjährigen Kindern und Ehegatten
1.
von österreichischen Staatsbürgern oder
2.
von Fremden, die aufgrund einer Bewilligung, oder sonst gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 bis 5 rechtmäßig ohne Bewilligung seit mehr als zwei Jahren
ihren ordentlichen Wohnsitz in Österreich haben, ist eine Bewilligung zu erteilen, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5 Abs. 1) vorliegt.
(2) Die Erteilung einer Bewilligung gemäß Abs. 1 für Ehegatten setzt voraus, daß die Ehe zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits mindestens ein Jahr besteht.
...
§ 6.
...
(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Der Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung kann auch vom Inland aus gestellt werden.
...
§ 13. (1) Die Berechtigung zum Aufenthalt von Fremden, auf die dieses Bundesgesetz Anwendung findet und die sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, bleiben unberührt. Sie können mit Ablauf der Geltungsdauer dieser Berechtigung die Erteilung einer Bewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften (§ 4 Abs. 2) beantragen."
Da der Beschwerdeführer noch nie über eine Aufenthaltsbewilligung verfügte, kam für ihn die Stellung eines Verlängerungsantrages nicht in Frage.
Weder nach seinem Beschwerdevorbringen noch nach der Aktenlage verfügte der Beschwerdeführer jemals über einen Sichtvermerk. Sein Fall ist daher nicht unter § 13 Abs. 1 zweiter Satz AufG zu subsumieren, wonach Fremde, die sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des AufG rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, mit Ablauf der Geltungsdauer ihrer bisherigen Berechtigungen die Erteilung einer Bewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften beantragen können.
Da weder nach dem Beschwerdevorbringen noch nach der Aktenlage ersichtlich ist, daß der Beschwerdeführer zu jenen Fällen zählt, in denen nach langjährigem rechtmäßigen Aufenthalt infolge einer kurzen Fristversäumung nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes eine analoge Anwendung der für Verlängerungsanträge maßgeblichen Vorschriften infolge verfassungskonformer Interpretation des § 6 Abs. 2 AufG geboten ist (vgl. das Erkenntnis vom 16. Juni 1995, Slg. Nr. 14.148), wertete die belangte Behörde die Anträge des Beschwerdeführers zu Recht als Erstanträge, für die jeweils § 6 Abs. 2 erster Satz aF AufG maßgebend waren.
Gemäß § 6 Abs. 2 erster Satz aF AufG ist der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Mit "der Einreise nach Österreich" im Sinne dieser Bestimmung ist die Einreise des Antragstellers gemeint. Nach dem u.a. aus den Gesetzesmaterialien erschließbaren Normzweck des § 6 Abs. 2 aF AufG wird für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung allerdings nicht nur vorausgesetzt, daß der Antrag vor der Einreise in das Bundesgebiet gestellt wird, sondern auch, daß die Entscheidung über den Antrag grundsätzlich vom Ausland aus abgewartet wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 95/19/1703, mwN). Das im § 6 Abs. 2 erster Satz aF AufG normierte Erfordernis, einen Bewilligungsantrag vom Ausland aus zu stellen und die Entscheidung über den Antrag vom Ausland aus abzuwarten, ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht als bloße Formschrift zu werten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/19/1010), sondern als Voraussetzung, deren Nichterfüllung die Abweisung eines Antrages nach sich zieht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 95/19/0895).
Der Beschwerdeführer tritt den Bescheidfeststellungen der belangten Behörde, er habe seine Anträge nicht vor der Einreise, mit der sein derzeitiger Aufenthalt begonnen habe, gestellt, nicht entgegen. In der Beschwerde bringt er außerdem ausdrücklich vor, sich bereits seit mehreren Jahren in Österreich aufzuhalten. Im Hinblick auf die unbestritten gebliebenen Beschwerdefeststellungen und das Beschwerdevorbringen kann die Schlußfolgerung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe seine Anträge nicht gemäß § 6 Abs. 2 erster Satz aF AufG eingebracht, nicht als rechtswidrig erkannt werden.
Daran ändert auch nichts der Hinweis des Beschwerdeführers auf § 3 aF AufG. Zwar bestand seine am 15. April 1993 mit einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossene Ehe zum Zeitpunkt der Stellung des dritten Antrages bereits länger als ein Jahr, doch besteht entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nur dann, wenn ein Antrag sämtliche Erfolgsvoraussetzungen, darunter auch die Antragstellung vor der Einreise des Antragstellers in das Bundesgebiet, erfüllt hat. § 6 Abs. 2 erster Satz aF AufG ist, anders als der Beschwerdeführer vorbringt, nicht als bloßes Formalerfordernis der Antragstellung vom Ausland aus zu verstehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/19/1010).
Die Abweisung der Anträge durch die belangte Behörde erfolgte demnach zu Recht.
Dieses Ergebnis erweist sich auch im Hinblick auf Art. 8 MRK nicht als rechtswidrig. Wie bereits dargelegt, verfügte der Beschwerdeführer nach der Aktenlage noch niemals über eine Aufenthaltsbewilligung. Daß er vor Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes über Sichtvermerke verfügt hätte, hat er ebenfalls nicht vorgebracht. Hingegen räumt der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde selbst ein, sich seit mehreren Jahren in Österreich bei seiner Familie aufzuhalten. Hat der Beschwerdeführer aber während der Dauer seines Aufenthaltes über keine der dafür notwendigen Berechtigungen verfügt, so erwiese sich der durch die Versagung einer Aufenthaltsbewilligung allenfalls bewirkte Eingriff in das Recht auf Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers aus Gründen der öffentlichen Ordnung im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK als gerechtfertigt.
Da somit die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Formgebrechen nicht behebbare NICHTBEHEBBARE materielle MängelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995191724.X00Im RIS seit
11.07.2001