TE Vwgh Beschluss 2020/4/27 Ra 2020/17/0013

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Veröffentlicht am 27.04.2020
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Index

E1E
E1P
10/07 Verwaltungsgerichtshof
34 Monopole
40/01 Verwaltungsverfahren
59/04 EU - EWR

Norm

GSpG 1989 §52 Abs2 idF 2014/I/013
VStG §16
VStG §64 Abs2 idF 2013/I/033
VwGG §38a Abs1
12010E056 AEUV Art56
12010P/TXT Grundrechte Charta Art49 Abs3

Beachte


* EuGH-Entscheidung:
EuGH 62020CJ0231 B 14.10.2021
* Enderledigung des gegenständlichen Ausgangsverfahrens im fortgesetzten Verfahren:
Ra 2020/17/0013 E 10.12.2021

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick, die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner, Mag. Liebhart-Mutzl und Dr. Koprivnikar sowie den Hofrat Dr. Terlitza als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des J Z in F, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 2. Dezember 2019, LVwG 30.23-2284/2018-30, betreffend Übertretungen des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Steiermark), den Beschluss gefasst:

Spruch

I. Beim Verwaltungsgerichtshof besteht Grund zur Annahme, dass im Sinne des § 38a Abs. 1 VwGG eine erhebliche Anzahl von Revisionen eingebracht werden wird, in denen gleichartige Rechtsfragen zu lösen sind: Es geht um die Fragen, ob § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz Glücksspielgesetz - GSpG sowie im Zusammenhang mit der Verhängung von Geldstrafen gemäß § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz leg. cit., die §§ 16 und 64 VStG gegen Unionsrecht (Art. 56 AEUV sowie Art. 49 Abs. 3 GRC) verstoßen und ob die vor dem Verwaltungsgerichtshof in Revision gezogene Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark wegen der allenfalls daraus folgenden Unanwendbarkeit ohne gesetzliche Grundlage ergangen ist.

II. Zur Beantwortung der in Spruchpunkt I. genannten Rechtsfragen hat der Verwaltungsgerichtshof § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz Glücksspielgesetz, BGBl. Nr. 620/1989, idF BGBl. I Nr. 13/2014, sowie § 16 VStG, BGBl. Nr. 52/1991 und § 64 Abs. 2 VStG, BGBl. Nr. 52/1991 idF BGBl. I Nr. 33/2013, anzuwenden.

III. Der Verwaltungsgerichtshof wird die Rechtsfragen in dem zu Ra 2020/17/0013 protokollierten Revisionsverfahren behandeln.

IV. Der Bundeskanzler ist gemäß § 38a Abs. 2 VwGG zur unverzüglichen Kundmachung des Spruches dieses Beschlusses im Bundesgesetzblatt verpflichtet. Auf die mit der Kundmachung eintretenden, in § 38a Abs. 3 VwGG genannten Rechtsfolgen, wird verwiesen.

Begründung

1        Beim Verwaltungsgerichtshof wurden zuletzt mehrere Revisionen zu den im Spruch genannten Rechtsfragen anhängig gemacht, welche im Wesentlichen vorbringen, § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG, die Verhängung von Ersatzfreiheitsstrafen (§ 16 VStG) und die Vorschreibung von Kostenbeiträgen zu den Strafverfahren (§ 64 VStG) widersprächen dem Unionsrecht (Art. 56 AEUV sowie Art. 49 Abs. 3 GRC).

2        Mit Beschluss vom heutigen Tag, Ra 2020/17/0013, hat der Verwaltungsgerichtshof dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

„1) Hat das nationale Gericht in einem Strafverfahren, das zum Schutze einer Monopolregelung geführt wird, die von ihm anzuwendende Strafsanktionsnorm im Lichte der Dienstleistungsfreiheit zu prüfen, wenn es bereits zuvor die Monopolregelung entsprechend den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes geprüft hat und diese Prüfung ergeben hat, dass die Monopolregelung gerechtfertigt ist?

2) Für den Fall der Bejahung der ersten Frage:

2a) Ist Art. 56 AEUV dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz zwingend die Verhängung einer Geldstrafe pro Glücksspielautomat ohne absolute Höchstgrenze der Gesamtsumme der verhängten Geldstrafen vorsieht?

2b) Ist Art. 56 AEUV dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Verhängung einer Mindeststrafe in der Höhe von € 3.000,-- pro Glücksspielautomat zwingend vorsieht?

2c) Ist Art. 56 AEUV dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe pro Glücksspielautomat ohne absolute Höchstgrenze der Gesamtsumme der verhängten Ersatzfreiheitsstrafen vorsieht?

2d) Ist Art. 56 AEUV dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche im Fall der Bestrafung wegen des unternehmerischen Zugänglichmachens verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Vorschreibung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafen vorsieht?

3) Für den Fall der Verneinung der ersten Frage:

3a) Ist Art. 49 Abs. 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz zwingend die Verhängung einer Geldstrafe pro Glücksspielautomat ohne absolute Höchstgrenze der Gesamtsumme der verhängten Geldstrafen vorsieht?

3b) Ist Art. 49 Abs. 3 GRC dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Verhängung einer Mindeststrafe in der Höhe von € 3.000,-- pro Glücksspielautomat zwingend vorsieht?

3c) Ist Art. 49 Abs. 3 GRC dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe pro Glücksspielautomat ohne absolute Höchstgrenze der Gesamtsumme der verhängten Ersatzfreiheitsstrafen vorsieht?

3d) Ist Art. 49 Abs. 3 GRC dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche im Fall der Bestrafung wegen des unternehmerischen Zugänglichmachens verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Vorschreibung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafen vorsieht?“

3        Es besteht aufgrund dieses hg. Beschlusses nunmehr im Sinne des § 38a Abs. 1 VwGG vor dem Hintergrund der gehäuften Revisionserhebungen im Glücksspielbereich (vgl. dazu die Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes z.B. für die Jahre 2017 und 2018) Grund zur Annahme, dass eine erhebliche Anzahl weiterer solcher in Rn. 1 genannter Revisionen in nächster Zeit beim Verwaltungsgerichtshof anhängig gemacht werden wird.

4        Die Voraussetzungen für einen Beschluss gemäß § 38a Abs. 1 VwGG liegen daher vor. Die Aussprüche gründen sich auf § 38a Abs. 1 VwGG, jener über die Kundmachungspflicht auf § 38a Abs. 2 VwGG.

Wien, am 27. April 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020170013.L03

Im RIS seit

07.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

18.02.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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