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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AufG 1992 §3 Abs1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 95/19/0780Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerden 1.) der 1962 geborenen
I L und 2.) des 1991 geborenen A L, beide in Wien, beide vertreten durch Dr. Erwin Dick, Rechtsanwalt in 1120 Wien, Hilschergasse 25/15, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres vom 18. Juli 1995, zu 1.) Zl. 108.165/2-III/11/94 (betreffend die Erstbeschwerdeführerin) und zu
2.) Zl. 107.911/2-III/11/94 (betreffend den Zweitbeschwerdeführer), jeweils wegen Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführer brachten am 25. März 1994 im Wege der österreichischen Botschaft in Preßburg Anträge auf Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen ein, die am 6. April 1994 beim Magistrat der Stadt Wien einlangten. Die Anträge waren als Erstanträge bezeichnet. Als Ort der Antragstellung war jeweils "Wien" angegeben. Die Beschwerdeführer gaben als Aufenthaltszweck "Familienzusammenführung bzw. Familiengemeinschaft" mit dem Ehemann bzw. Vater an.
Mit gleichlautenden Bescheiden vom 29. August 1994 wurden die Anträge vom Landeshauptmann von Wien gemäß § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen, weil die Anträge vom Neffen der Erstbeschwerdeführerin bei der österreichischen Botschaft in Preßburg eingebracht worden seien. Mit dieser Vorgangsweise werde das gesetzliche Erfordernis einer Antragstellung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus nicht erfüllt, "zumal auch keinerlei Grund zur Annahme" bestehe, daß sich die antragstellenden Parteien zum Zeitpunkt der Antragstellung im Ausland befunden hätten.
Die dagegen erhobenen Berufungen wies der Bundesminister für Inneres mit im wesentlichen gleichlautenden Bescheiden vom 18. Juli 1995, jeweils zugestellt am 19. Juli 1995, gemäß § 6 Abs. 2 AufG ab. In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, die Beschwerdeführer hätten auf ihren Antragsformularen als Ort der Antragstellung Wien angegeben und dies auch durch ihre Unterschriften beurkundet. Die Anträge seien von Verwandten bei der österreichischen Botschaft in Preßburg eingebracht worden. Wie auch nicht bestritten werde, hätten sie sich zum Zeitpunkt der Antragstellung eindeutig im Bundesgebiet aufgehalten und somit das gesetzliche Erfordernis der Antragstellung vom Ausland aus nicht erfüllt. Zudem hielten sie sich nach wie vor illegal im Bundesgebiet auf. Durch den Aufenthalt des Ehegatten bzw. Vaters sowie der Tochter bzw. Schwester der Beschwerdeführer im Bundesgebiet bestünden zwar nicht absprechbare Bindungen zur Republik Österreich, diese seien aber den öffentlichen Interessen an der Versagung einer Aufenthaltsbewilligung hintanzustellen.
Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden, mit denen im wesentlichen gleichlautend Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführer erachten sich durch Nichtanwendung des § 3 AufG in ihrem Recht auf Anwendung der entsprechenden Bestimmungen des AufG verletzt. Die Erstbeschwerdeführerin sei serbische Staatsangehörige und lebe mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern, ihrer Tochter und dem Zweitbeschwerdeführer, seit 1994 in Österreich. Ihr Ehemann und ihre Tochter hätten bereits eine Aufenthaltsbewilligung, nur ihr Sohn und sie hätten noch keine erlangen können. In ihren Berufungen hätten die Beschwerdeführer auch die familiäre Situation geschildert und darauf hingewiesen, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Familienzusammenführung im Sinne des § 3 AufG vorlägen. Der Ehemann bzw. Vater der Beschwerdeführer arbeite bei einer Firma in Wien als Bügler und sei nunmehr schon fast drei Jahre in Österreich aufhältig. Die Familie habe sich in Österreich einen ordentlichen Wohnsitz geschaffen, ebenso eine ausreichende Existenzsicherung durch die Erwerbstätigkeit des Ehemannes bzw. Vaters. Die Ehe mit dem Ehegatten der Erstbeschwerdeführerin bestehe schon länger als zwei Jahre, beide Kinder seien ehelich geboren worden. Die Voraussetzungen für die Anwendung des § 3 AufG lägen vor.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerden kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die aufgrund ihres sachlichen, persönlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbundenen Beschwerden in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:
Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide ist für die Überprüfung ihrer Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof das AufG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 maßgeblich. Die §§ 3 Abs. 1 und 2 sowie 6 Abs. 2 AufG in der Fassung dieser Novelle lauten:
"§ 3. (1) Ehelichen und außerehelichen minderjährigen Kindern und Ehegatten
1.
von österreichischen Staatsbürgern oder
2.
von Fremden, die aufgrund einer Bewilligung, eines vor dem 1. Juli 1993 ausgestellten Sichtvermerkes oder sonst gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 bis 5 rechtmäßig seit mehr als zwei Jahren ihren Hauptwohnsitz in Österreich haben, ist nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 Z. 3 und 4 eine Bewilligung zu erteilen, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5 Abs. 1) vorliegt.
(2) Die Erteilung einer Bewilligung gemäß Abs. 1 für Ehegatten setzt voraus, daß die Ehe zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits mindestens ein halbes Jahr besteht.
...
§ 6.
...
(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Begründet eine Einbringung auf dem Postweg oder durch Vertreter die Vermutung, daß diese Regelung umgangen werden soll, kann die persönliche Einbringung verlangt werden. Eine Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: Im Fall des Verlustes der österreichischen Staatsbürgerschaft, des Asyls oder des Aufenthaltsrechts gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1; weiters in den Fällen des § 7 Abs. 2, des § 12 Abs. 4 und einer durch zwischenstaatliche Vereinbarung oder durch eine Verordnung gemäß § 14 FrG ermöglichten Antragstellung nach Einreise; schließlich für jene im Bundesgebiet aufhältigen Personen, für die dies in einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Z. 4 festgelegt ist. Der Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung und auf Änderung des Aufenthaltszwecks kann bis zum Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung auch vom Inland aus gestellt werden."
§ 3 Z. 3 der am 27. Juni 1995 im Bundesgesetzblatt kundgemachten Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1995, BGBl. Nr. 408/1995, lautete:
"§ 3. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung kann ausnahmsweise im Inland gestellt werden von:
...
3. Personen, für die eine Beschäftigungsbewilligung, eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt ist, und deren Familienangehörigen im Sinne des § 3 des Aufenthaltsgesetzes, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten und
..."
Weder aus dem Beschwerdevorbringen noch aus den Verwaltungsakten ergeben sich Hinweise darauf, daß die Beschwerdeführer jemals über Aufenthaltsbewilligungen verfügten. Die belangte Behörde wertete ihre Anträge daher zu Recht als Erstanträge, für deren Beurteilung § 6 Abs. 2 AufG maßgeblich war.
Weder aus dem Beschwerdevorbringen noch aus den Verwaltungsakten ergeben sich ferner Hinweise darauf, daß die Beschwerdeführer zu jenem Personenkreis zählen, der aufgrund § 6 Abs. 2 zweiter Satz AufG oder einer darauf gestützten Verordnung der Bundesregierung ausnahmsweise zur Antragstellung im Inland berechtigt sind. Insbesondere ergibt sich die Zulässigkeit einer Inlandsantragstellung nicht aus § 3 Z. 3 der Verordnung BGBl. Nr. 408/1995. Selbst wenn nämlich der Ehemann bzw. Vater der Beschwerdeführer über eine Beschäftigungsbewilligung, eine Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein verfügen sollte, können sich die Beschwerdeführer nicht auf § 3 Z. 3 der erwähnten Verordnung berufen, weil sie selbst, wie bereits dargestellt, noch nie über eine Aufenthaltsbewilligung verfügten. Die belangte Behörde hatte die Anträge der Beschwerdeführer daher an § 6 Abs. 2 erster Satz AufG zu messen.
Gemäß § 6 Abs. 2 erster Satz AufG ist der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Mit "der Einreise nach Österreich" im Sinne dieser Bestimmung ist die Einreise des Antragstellers gemeint. Nach dem ua. aus den Gesetzesmaterialien erschließbaren Normzweck des § 6 Abs. 2 AufG wird für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung allerdings nicht nur vorausgesetzt, daß der Antrag vor der Einreise in das Bundesgebiet gestellt wird, sondern auch, daß die Entscheidung über den Antrag grundsätzlich vom Ausland aus abgewartet wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 95/19/1703, mwN). Das im § 6 Abs. 2 erster Satz AufG normierte Erfordernis, einen Antrag vom Ausland aus zu stellen und die Entscheidung über den Antrag vom Ausland aus abzuwarten, ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht als bloße Formvorschrift zu werten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/19/1010), sondern als Voraussetzung, deren Nichterfüllung die Abweisung eines Antrages nach sich zieht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 95/19/0895).
Die Beschwerdeführer treten den Bescheidfeststellungen der belangten Behörde, sie hätten ihre Anträge nicht vor der Einreise, mit der ihr derzeitiger Aufenthalt begonnen habe, gestellt, nicht entgegen. In den Beschwerden bringen sie außerdem ausdrücklich vor, sich bereits seit 1994 in Österreich aufzuhalten. Im Hinblick auf die unbestritten gebliebenen Beschwerdefeststellungen und das ausdrückliche Beschwerdevorbringen kann die Schlußfolgerung der belangten Behörde, die Beschwerdeführer hätten ihre Anträge nicht gemäß § 6 Abs. 2 erster Satz AufG eingebracht, nicht als rechtswidrig erkannt werden.
Daran ändert auch nichts der Hinweis der Beschwerdeführer auf § 3 AufG. Zwar bestand die nach Ausweis der Verwaltungsakten bereits am 7. Jänner 1987 geschlossene Ehe der Erstbeschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits länger als ein halbes Jahr, doch besteht entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nur dann, wenn ein Antrag sämtliche Erfolgsvoraussetzungen, darunter auch die Antragstellung vor der Einreise des Antragstellers in das Bundesgebiet sowie das Abwarten der Entscheidung über den Antrag im Ausland, erfüllt.
Die Abweisung der Anträge durch die belangte Behörde erfolgte demnach zu Recht.
Dieses Ergebnis erweist sich auch im Hinblick auf Art. 8 MRK nicht als rechtswidrig. Der Gesetzgeber der Novelle zum AufG BGBl. Nr. 351/1995 hat mit den §§ 2 Abs. 3, Z. 4 und 6 Abs. 2 dritter Satz AufG sowie mit der darin enthaltenen - von der Bundesregierung auch genützten - Verordnungsermächtigung jedenfalls in Ansehung von Angehörigen von Fremden bereits auf die durch Art. 8 Abs. 1 MRK geschützten familiären Interessen Bedacht genommen. Verfassungsrechtliche Bedenken, daß die durch die genannten Bestimmungen vorgenommene Umschreibung des begünstigten Personenkreises zu eng wäre und ihrerseits Art. 8 MRK nicht entspräche, sind beim Verwaltungsgerichtshof auch im vorliegenden Fall nicht entstanden. Die Fälle der Beschwerdeführer sind auch nicht vergleichbar mit denjenigen, in denen nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes aufgrund einer verfassungskonformen Interpretation des § 6 Abs. 2 AufG eine analoge Anwendung der Bestimmungen über die Verlängerung von Aufenthaltsbewilligungen geboten wäre (vgl. z. B. das Erkenntnis vom 16. Juni 1995, Slg. Nr. 14.148).
Die Beschwerden waren daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995190779.X00Im RIS seit
02.05.2001