TE Vwgh Beschluss 1997/11/21 96/19/0913

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Veröffentlicht am 21.11.1997
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 idF 1995/351 §9 Abs3;
VwGG §27;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 96/19/0914

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, in der Beschwerdesache 1. der 1989 geborenen A A, und 2. der 1991 geborenen M A, beide in Wien, beide vertreten durch Dkfm. DDr. Gerhard Grone, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Neubaugasse 12-14, gegen den Bundesminister für Inneres wegen Verletzung der Entscheidungspflicht, jeweils in Angelegenheit einer Aufenthaltsbewilligung, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

Begründung

Die beiden minderjährigen Beschwerdeführerinnen, Staatsangehörige Rumäniens, stellten am 20. Dezember 1993 bei der österreichischen Botschaft in Bukarest Anträge auf Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen, die am 27. Dezember 1993 beim Magistrat der Stadt Wien einlangten und vom Landeshauptmann von Wien, jeweils mit Bescheiden vom 13. Juni 1994, gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen wurden. Die dagegen erhobenen Berufungen wurden vom Bundesminister für Inneres, jeweils mit Bescheiden vom 17. März 1996, als verspätet zurückgewiesen.

Bereits am 24. April 1995 stellten die Beschwerdeführerinnen im Wege der österreichischen Botschaft in Bukarest erneut Anträge auf Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen, die am 28. April 1995 beim Magistrat der Stadt Wien einlangten. Beide Anträge waren als Erstanträge bezeichnet. Mit gleichlautenden Bescheiden vom 28. August 1995, zugestellt am 7. September 1995, wies der Landeshauptmann von Wien die Anträge gemäß § 5 Abs. 1 AufG mangels einer für Inländer ortsüblichen Unterkunft ab.

Dagegen erhoben die Beschwerdeführerinnen mit Schriftsatz vom 19. September 1995, eingelangt beim Magistrat der Stadt Wien am 22. September 1995, Berufungen.

Mit Schriftsatz vom 25. März 1996, eingelangt hg. am selben Tage, erhoben die Beschwerdeführerinnen Beschwerde gemäß Art. 132 B-VG wegen Verletzung der Entscheidungspflicht. Sie begründeten die Beschwerden damit, daß sie beim Magistrat der Wien jeweils die Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligungen beantragt hätten, die jeweils mit Bescheiden vom 28. August 1995, zugestellt am 7. September 1995, abgewiesen worden seien. Die Berufungen seien rechtzeitig am 21. September 1995 zur Post gegeben worden. Da die Sendungen nicht zurückgelangt seien, sei davon auszugehen, daß sie spätestens am 22. September 1995 bei der Erstbehörde eingelangt seien. Mittlerweile sei die Entscheidungsfrist für die belangte Behörde abgelaufen, ohne daß eine Entscheidung ergangen wäre.

Nachdem der Verwaltungsgerichtshof mit hg. Verfügung vom 2. Mai 1996 gemäß § 35 Abs. 3 VwGG das Vorverfahren eingeleitet hatte, teilte die belangte Behörde, jeweils mit Note vom 12. August 1996, mit, daß laut Information des Landeshauptmannes von Wien vom 25. Juni 1996 die Zahl der Bewilligungen gemäß § 1 Abs. 2 der Verordnung der Bundesregierung BGBl. Nr. 854/1995 nach dem AufG für das Jahr 1996 für das Bundesland Wien für die Zwecke "Familiennachzug" und "Erwerbstätige, Schüler, Pensionisten und privat Aufhältige" erreicht worden sei, weshalb § 9 Abs. 3 AufG Anwendung finde und die Entscheidungen über anhängige Fälle bis zum Inkrafttreten einer neuen Verordnung gemäß § 2 AufG aufzuschieben seien.

Mit gleichlautenden Noten, jeweils vom 15. Jänner 1997, hg. eingelangt am 21. Jänner 1997, teilte die belangte Behörde mit, daß den Beschwerdeführerinnen am 7. Jänner 1997 Bescheide zugestellt worden seien, mit denen ihnen Aufenthaltsbewilligungen für den Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft mit Fremden" vom 20. Jänner 1997 bis zum 31. August 1997 erteilt wurden. Unter einem wurden die erlassenen Bescheide dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt.

Auf Anfrage des Verwaltungsgerichtshofes teilte die belangte Behörde mit Note vom 2. Juni 1997 mit, daß die gemäß der Verordnung der Bundesregierung BGBl. Nr. 1023/1994 festgelegte Höchstzahl für Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1995 "für die Zwecke Familiennachzug, Erwerbstätige, Schüler, Pensionisten und privat Aufhältige" laut Mitteilung des Amtes der Wiener Landesregierung am 16. Dezember 1995 erreicht worden sei. Diese Note wurde vom Verwaltungsgerichtshof dem Vertreter der Beschwerdeführer vorgehalten. In einer Stellungnahme vom 20. August 1997 vertrat der Vertreter der Beschwerdeführer die Auffassung, daß sich aus der Note der belangten Behörde zu deren Gunsten nichts gewinnen lasse, weil es sich bei den Anträgen der Beschwerdeführerinnen an die Erstbehörde um Verlängerungsanträge gehandelt habe, die nicht quotenwirksam seien. Die Beschwerdeverfahren seien daher einzustellen und der Bund in den Kostenersatz zu verfällen.

Über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes legte die belangte Behörde die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:

§ 27 Abs. 1 VwGG lautet:

"§ 27. (1) Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde) nach Art. 132 B-VG kann erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, oder der unabhängige Verwaltungssenat, der nach Erschöpfung des Instanzenzuges, sei es durch Berufung oder im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten, wenn aber das das einzelne Gebiet der Verwaltung regelnde Gesetz für den Übergang der Entscheidungspflicht eine längere Frist vorsieht, nicht binnen dieser in der Sache entschieden hat. Die Frist läuft von dem Tag, an dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war."

§ 36 Abs. 2 VwGG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 88/1997 lautet:

"§ 36.

...

(2) Bei Säumnisbeschwerden nach Art. 132 B-VG ist der belangten Behörde aufzutragen, innerhalb einer Frist bis zu drei Monaten den Bescheid zu erlassen und eine Abschrift des Bescheides dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliegt. Die Frist kann einmal verlängert werden, wenn die Verwaltungsbehörde das Vorliegen von in der Sache gelegenen Gründen nachzuweisen vermag, die eine fristgerechte Erlassung des Bescheides unmöglich machen. Wird der Bescheid erlassen oder wurde er vor Einleitung des Vorverfahrens erlassen, so ist das Verfahren über die Säumnisbeschwerde einzustellen."

§ 9 Abs. 3 AufG in der Fassung der Novelle

BGBl. Nr. 351/1995, lautet:

"§ 9.

...

(3) Sobald die gemäß § 2 Abs. 1 festgelegte Anzahl von Bewilligungen für eine in der Verordnung bestimmte Gruppe erreicht ist, dürfen für solche Personen keine weiteren Bewilligungen erteilt werden. Die Entscheidung über die zu diesem Zeitpunkt anhängigen und danach einlangenden Anträge ist bis zum Inkrafttreten einer nachfolgenden Verordnung gemäß § 2 aufzuschieben, die für solche Personen eine neue Zahl von Bewilligungen vorsieht. § 73 AVG und § 27 VwGG sind in diesem Fall nicht anwendbar."

§ 1 Abs. 2 der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1995, BGBl. Nr. 1023/1994, lautete (auszugsweise):

§ 1.

...

(2) Die Anzahl dieser Bewilligungen wird im folgenden

Verhältnis auf die Länder aufgeteilt:

...

Wien: höchstens 4300 Bewilligungen,

davon höchstens 2300 Bewilligungen für den Familiennachzug."

Wie sich aus den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten ergibt, gaben die Beschwerdeführerinnen in ihren Anträgen auf Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen als Aufenthaltszweck "Familienzusammenführung bzw. Familiengemeinschaft" mit ihren Eltern an. Anders als ihre Eltern, die über Aufenthaltsbewilligungen, jeweils gültig vom 24. März 1994 bis zum 30. August 1995, verfügten, waren den Beschwerdeführerinnen nach Ausweis der Verwaltungsakten vor ihren Anträgen weder Sichtvermerke noch Aufenthaltsbewilligungen ausgestellt worden. Die Bezeichnung der Anträge als "Erstanträge" erfolgte daher - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung - zu Recht. Da gemäß § 4 Abs. 1 zweiter Satz AufG die gemäß § 2 erlassenen Verordnungen nur auf die Verlängerung von Bewilligungen keine Anwendung finden, hatte die belangte Behörde im Falle der Beschwerdeführerinnen - sobald die gemäß § 2 Abs. 1 AufG festgelegte Anzahl von Bewilligungen für den Zweck "Familiennachzug" erschöpft war - nach § 9 Abs. 3 AufG vorzugehen.

Daß die Anzahl von Bewilligungen für den Zweck "Familiennachzug" am 16. Dezember 1995 erreicht war, wird von den Beschwerdeführerinnen nicht bestritten. Auch der Verwaltungsgerichtshof hat keinen Grund, an dieser Angabe der belangten Behörde zu zweifeln.

War aber die für die Beschwerdeführerinnen maßgebliche Quote am 16. Dezember 1995 bereits erschöpft, so war die belangte Behörde ab diesem Zeitpunkt auf Grund § 9 Abs. 3 AufG gehindert, ihre Berufungsbescheide bis zur Erlassung einer nachfolgenden Quotenverordnung zu erlassen. Unbestritten ist, daß keine Gründe für eine Abweisung der Anträge vorlagen, sodaß die belangte Behörde nicht berechtigt war, derartige Entscheidungen, die ungeachtet der Erschöpfung der Quoten möglich waren (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Juni 1997, Zl. 96/19/2208), zu treffen.

Die Zeiten der geschlossenen Quoten (vom 16. Dezember 1995 bis zum 31. Dezember 1995) waren auf die Frist des § 27 VwGG nicht anzurechnen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Juni 1997, Zl. 96/19/2208). Daraus folgt, daß der belangten Behörde zur Entscheidung über die Berufungen nur der Zeitraum vom 22. September 1995 bis zum 16. Dezember 1996 sowie, infolge der wieder geöffneten Quote auf Grund der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1996, BGBl. Nr. 854/1995, vom 1. Jänner 1996 bis zum 25. März 1996, dem Tag der Einbringung der Säumnisbeschwerde, offenstand. Die Wartefrist des § 27 VwGG von sechs Monaten war daher im Zeitpunkt der Einbringung der Säumnisbeschwerde noch nicht abgelaufen. Die am 25. März 1996 beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachten Säumnisbeschwerden erweisen sich demnach als zu früh gestellt, weil die belangte Behörde keine sechs Monate zur Entscheidung über die vorliegenden Berufungen zur Verfügung hatte.

Die Säumnisbeschwerden waren daher mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Schlagworte

Anspruch auf Sachentscheidung Besondere Rechtsgebiete Binnen 6 Monaten Verletzung der Entscheidungspflicht Diverses Zurückweisung - Einstellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996190913.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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