TE Bvwg Erkenntnis 2019/8/14 L504 2219448-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.08.2019
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Entscheidungsdatum

14.08.2019

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
AVG §68 Abs1
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a

Spruch

L504 2219448-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. R. ENGEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , XXXX geb., StA. Libanon, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.07.2019, Zl. 1228860801-190580408, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrenshergang

1. Die beschwerdeführende Partei [bP] stellte erstmals am 07.05.2019 auf dem Flughafen Wien/Schwechat einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde ein sog. Flughafenverfahren geführt.

Es handelt sich dabei um einen Mann, welcher seinen Angaben nach Staatsangehöriger des Libanon ist.

Aus dem unbestritten gebliebenen Verfahrensgang des angefochtenen Bescheides ergab sich auszugsweise dargestellt Folgendes:

"[...]

Aus dem EURODAC Trefferergebnis geht hervor, dass Sie bisher bereits 4 Mal am 15.03.2013 in Deutschland, am 04.06.2015 sowie am 03.07.2017 und am 01.09.2017 in Italien einen Asylantrag gestellt haben.

- Sie sind am 07.05.2019, via Flug [...] aus Larnaka kommend, am Flughafen Schwechat angereist und wurden zu einer Identitätsfeststellung gem. § 12 GrekoG angehalten, wobei Sie keinen Reisepass vorweisen konnten.

- Am selben Tag stellten Sie bei der Einreisekontrolle im Bereich der int. Einreise/Terminal 2/Flughafen im Zuge der Amtshandlung einen Antrag auf internationalen Schutz und gaben an, den Namen XXXX zu führen, am XXXX 1995 geboren und Staatsangehöriger des Libanon zu sein. Sie gaben weiters an:

"Ich bin Moslem der Volksgruppe Shia und habe aufgrund meiner Religion Probleme in meiner Heimat"

- Das Zulassungsverfahren wurde in der Erstaufnahmestelle am Flughafen geführt.

- Bei der Erstbefragung am 08.05.2019 vor dem SPK Schwechat, REFERAT III-FB 2- Grenzbez. Sonderaufgaben gaben Sie vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu Ihren Fluchtgründen Folgendes an:

[...]

Meine Familie mütterlicherseits ist Mitglied der Hisbollah.

Mein Onkel zwang mich Mitglied der Hisbollah zu werden. Ich wollte nicht Mitglied werden, deshalb entschloss ich zu fliehen. Ich will kein Terrorist werden. Sie machen mit mir Gehirnwäsche. Ich kenne die Namen von verschiedenen Hisbollah Mitgliedern.

Weiters will ich zum Christentum konvertieren.

"Ich habe hiermit alle meine Gründe und die dazugehörenden Ereignisse angegeben, warum ich nach Österreich gereist bin! Ich habe keine weiteren Gründe für eine Asylantragstellung."

- [...]

- Ihre niederschriftliche Einvernahme am 15.05.2019 durch den erkennenden Organwalter des BFA, in Anwesenheit des Rechtsberaters und im Beisein eines Dolmetschers der Sprache Arabisch gestaltete sich wie folgt:

[...]

LA: Hatten Sie wegen Ihrer Volksgruppe oder Religionszugehörigkeit Probleme im Heimatland?

VP: Mein Hauptproblem ist, dass ich Schiite bin und deswegen zur Hisbollah müsste. Sie nehmen nur Schiiten auf. Nachgefragt war es das und gab es sonst keine Probleme. Ich bin aber nicht gläubig und faste auch nicht.

LA: Sind Sie nun zum ersten Mal im Ausland?

VP: Nein - ich war bereits in Deutschland und in Italien von 2013 bis 2017.

LA: Was können Sie mir über Ihre bisherigen Asylverfahren in diesen Ländern erzählen?

VP: Ich hatte in Deutschland Angst über diese Gründe zu erzählen.

LA: Welchen Asylgrund haben Sie bisher angegeben?

VP: Ich habe in Deutschland gesagt, dass ich gar keine Asylgründe habe und habe gar nicht gelogen. Ich habe einen negativen Bescheid bekommen.

LA: Was haben Sie in Italien angegeben?

VP: Auch dasselbe. Nachgefragt habe ich gesagt, dass es im Libanon Probleme gibt - sprich Terrorismus und habe auch eine Ablehnung bekommen.

LA: Haben Sie in Österreich irgendwelche verwandtschaftlichen oder privaten Bezugspunkte?

VP: Nein.

LA: Was wussten Sie vorher über Österreich und wie sind Sie auf die Idee gekommen, dass Sie hierher reisten?

VP: Ich wusste dass Österreich ein sicheres Land ist und die Menschenrechte akzeptiert werden.

LA: Welche Angehörigen haben Sie noch im Heimatland?

VP: Meine Eltern und 2 Geschwister.

LA: Wie ist Ihr Familienstand?

VP: Ich bin ledig und habe keine Kinder.

LA: Wo wohnen nun Ihre Angehörigen im Heimatland?

VP: Meine Eltern sowie mein Bruder leben in XXXX Vorher in XXXX . Meine Großmutter mütterlicherseits in XXXX und hat ein 2. Haus in XXXX . Die Familie meines Vaters und die Großmutter väterlicherseits wohnt in XXXX .

LA: Welches Gebiet ist davon unter Einfluss der Hisbollah?

VP: Beide Gebiete.

LA: Wovon leben Ihre Angehörigen und was machen diese beruflich?

VP: Jetzt leben meine Eltern in XXXX . Mein Vater hat einen Supermarkt.

LA: Hatten Sie seit Ihrer Ausreise Kontakt mit Ihrer Familie?

VP: Ja.

LA: Was berichtet Ihre Familie?

VP: Ich rede mit meinem Vater meistens. Er fragt nur nach meinem Wohlbefinden.

LA: Haben Sie betreffend eine aktuelle Bedrohungssituation nachgefragt?

VP: Ich habe gefragt, ob jemand nach mir fragt. Die Familie meiner Mutter fragt nach mir. Mein Vater hat gesagt, dass ich nicht mehr zurückkehre und geflüchtet bin.

LA: Was haben Sie im Heimatland beruflich gemacht?

VP: Ich habe bei meinem Vater im Supermarkt gearbeitet.

LA: Wie gut konnten Sie von Ihrem Einkommen den Lebensunterhalt bestreiten?

VP: Sehr gut.

LA: Wann war Ihr letzter Arbeitstag?

VP: 1 Tag vor meiner Ausreise.

LA: Waren Sie in Ihrem Heimatland politisch tätig oder gehörten Sie einer politischen Partei an?

VP: In letzter Zeit habe ich ein Formular ausgefüllt und mich einer Partei angeschlossen. Ich habe Bildungsseminare gemacht. Als ich dann an einem Punkt angekommen war, an dem ich eine militärische Ausbildung machen musste, bin ich geflüchtet. Nachgefragt bekommt man vor der militärischen Ausbildung solche Seminare mit einer Gehirnwäsche. Es geht um die Religion und wie man sich zu verhalten hat.

LA: Jetzt nennen Sie mir einmal diese Partei bitte?

VP: Die Hisbollah.

LA: Erklären Sie mir genau Ihre politische Positionierung bitte?

VP: Wollen Sie wissen was man mich unterrichtet hat, als ich der Partei beigetreten bin?

LA: Ja z.B.?

VP: Ich bin der Ansicht, dass diese Partei den Libanon regiert und alle Probleme auf diese zurückzuführen sind.

LA: Vorhalt: Das ist wieder einmal sehr ausweichend. Bitte beantworten Sie konkret die Frage. Was wurden Sie jetzt unterrichtet?

VP: Ich habe die erste Ausbildung - Junud - (Soldaten) gemacht. Es gab Religionsunterricht und der Umgang mit Menschen iZm der Religion wurde uns klar gemacht. Zum Beispiel, dass man keinen Alkohol trinken darf, den Bart nicht rasieren, die Eltern nicht anschreien und nicht stehlen. Der Koran wird einem beigebracht und zuletzt gibt es eine Prüfung. Nachgefragt habe ich diese Prüfung im Mai gemacht.

LA: Wie oft haben Sie bei diesen Seminaren teilgenommen?

VP: 2 Mal in der Woche für 1,5 Monate. Dann habe ich einen anderen Kurs gemacht namens Ansar.

LA: Wann fanden diese Termine statt und wie ließ sich das mit der Arbeit vereinbaren?

VP: Nach dem Sonnenuntergang für 1-2 Stunden. Nachgefragt waren sie in der Moschee XXXX .

LA: Erzählen Sie weiter und grenzen Sie ein wann diese Kurse waren.

VP: Von Mai bis Mitte Juni 2018 war der 1. Kurs. Der 2. Kurs war im Juli 2018. Nachgefragt stand ich dann vor der Ausbildung zum Kämpfer und habe mir gedacht, dass ich es nicht mache und es unmöglich für mich ist.

LA: Hatten Sie jemals persönlich Probleme mit den Behörden Ihres Heimatlandes?

VP: Nein.

LA: Haben Sie im Heimatland strafbare Handlungen begangen, sind Sie vorbestraft / verurteilt oder waren Sie schon einmal in Haft oder Gefangenschaft?

VP: Nein.

LA: An welcher Adresse haben Sie unmittelbar vor der Ausreise gelebt?

VP: Ich habe in XXXX gelebt mit Vater, Mutter und Bruder.

LA: Haben Sie auch die letzten Tage vor der Ausreise dort verbracht?

VP: Ja.

LA: Nennen Sie nun bitte detailliert und in Ihren eigenen Worten alle Ihre Fluchtgründe, sodass ich mir ein Bild davon machen kann? Sie haben hierzu ausreichend Zeit.

VP: Ich habe mich der Hisbollah angeschlossen. Meine Onkel mütterlicherseits sind dabei und haben gesagt, dass ich aus der schiitischen Familie auch beitreten muss. Sie sind der Ansicht, es gibt einen Feind, den man vernichten soll. Ich will keine militärische Ausbildung machen und keine Waffen tragen. Ich will keine Tabletten schlucken um stark zu sein. Ich bin deswegen aus dem Libanon geflüchtet.

LA: Wann haben Sie sich der Hisbollah angeschlossen?

VP: Im April 2018.

LA: Welche Rückkehrbefürchtungen haben Sie?

VP: Mein Onkel mütterlicherseits würde mich töten. Als ich 2017 zurückgereist bin hat er mich unter Druck gesetzt. Meine Familie hat mir damals gesagt, dass er ausgereist ist und es keine Probleme gibt.

LA: Gibt es eine Anzeige oder einen Haftbefehlt gegen Sie?

VP: Nein es gibt keinen Haftbefehl oder Anzeige.

LA: Vorhalt: Gemäß den LIB gibt es keine Zwangsrekrutierung der Hisbollah. Was sagen Sie dazu?

VP: Mein Onkel will mich zwangsweise mitnehmen. Wenn ich nicht mitmache bin ich ein Verräter.

LA: Was haben Sie unternommen dagegen?

VP: Ich bin geflüchtet weil ich nicht kämpfen will.

LA: Gabe es sonst noch Vorfälle die Sie ins Treffen führen wollen?

VP: Nein.

LA: Wurden Sie jemals persönlich belangt, bedroht oder verfolgt?

VP: Nein. Mein Onkel meinte, dass er mich einsperren würde, wenn ich nicht zur Partei gehe. Nachgefragt gab es sonst nichts. Ich will nicht kämpfen.

LA: Nennen Sie mir noch genaue Details zu Ihrem Onkel bitte?

VP: XXXX , er ist ca. 34. Sein genaues Geburtsdatum kenne ich nicht. Er ist verheiratet. Er wohnt in XXXX . Nachgefragt ist er seit langem bei der Hisbollah.

LA: Wann haben Sie Ihren Onkel zuletzt getroffen?

VP: Als er aus dem Jemen zurückkehrte im April. Das war 25 Tage vor meiner Ausreise.

LA: Welchen Einfluss hat Ihr Vater als Familienoberhaupt in Ihrer arabischen Gesellschaft?

VP: Sehr gut.

Anm: Frage wird wiederholt:

VP: Er beschützt die Familie und kommt dafür auf. Nachgefragt kann ich nicht mehr dazu sagen.

LA: Hat Ihr Vater gegen die Rekrutierungsversuche Ihres Onkels etwas unternommen?

VP: Er hat mit ihm geredet. Sie kamen zu uns nach Hause.

LA: Hat es eine Familienmediation oder ähnliches gegeben deswegen?

VP: Mit denen kann man nicht reden.

LA: Haben Sie Ihre behauptete Bedrohung durch Ihren Onkel den Behörden oder der Polizei gemeldet?

VP: Der Staat ist die Partei und hat auch den Präsidenten ins Amt gesetzt.

LA: Was ist seit Juli 2018 - entspricht Ende der Kurse - noch passiert und warum sind Sie dann erst jetzt ausgereist?

VP: Nichts. Ich bin bis zuletzt in die Moschee mitgegangen. Man muss ja den Kontakt aufrechterhalten. Nachgefragt muss man, wenn man zu ihnen gehört. Dann müssen Sie alles über einem wissen.

LA: Was war dann Ihre jetzige verspätete Ausreisemotivation?

VP: Ich habe nicht damit gerechnet dass er mich mitnehmen wird und habe Angst bekommen.

LA: Kann man in einem Krieg mit einem Kämpfer etwas anfangen, wenn dieser es nicht will?

VP: Nein, man kann nicht nützlich sein wenn man nicht will.

LA: Wie heiß der geheime Versammlungsort an dem sich die ersten Anhänger Mohammeds versammelt haben?

VP: In Mekka.

VP: Sagt Ihnen die Antwort dauz etwas? "Dar al-Arqam ibn Abi l-Arqam = Das Haus von Al-Arqam ibn Abi l-Arqam"

VP: nein habe ich noch nie gehört.

VP: Nach welchem Merkmal werden die Koranverse bzw. Suren unterschieden?

VP: Die Offenbarungszeiten. Wenn etwas dem Propheten wiederfahren hat, dann hat Gott Verse offenbart.

VP: Vorhalt: Antwort wäre - Es wird zwischen mekkanischen und medinensischen Suren bzw. Verse unterscheiden. Was sagen Sie dazu?

VP: Nichts.

LA: Wie viele Suren hat der Koran?

VP: Weiß ich nicht.

LA: Vorhalt: 114 Suren! Wieso haben Sie dann einen Koranunterricht erhalten?

VP: Uns wurde nur erklärt, wie man ihn zu praktizieren hat.

LA: Was ist der längste Vers im Koran?

VP: Das weiß ich nicht.

LA: Vorhalt: Antwort ist Sure 2 Vers 282, oder der Vers des Terminkaufs.

VP: Ich bin nur hingegangen um keinen Stress zu haben.

LA: Können Sie noch Jihad-Verse ins Treffen führen?

VP: ich kann nur diesen Vers nennen, kann mich aber nicht daran erinnern, welche Verse zum Jihad aufrufen: "La Tahsaban Allazin Qutili Fi sabili Allah amuatan Bal Ahyaun Inda Rabihim Yurzaqun"

Anm: Übersetzung: "Ich glaube nicht, dass diejenigen die für Gott gestorben sind, wahrlich tot sind. Sie sind lebendig und leben bei Ihrem Gott und werden versorgt."

VP: Der Vers ruft nicht zum Jihad auf, aber sie interpretieren es so.

LA: Vorhalt: Das ist kein Jihad-Vers von der Bedeutung dazu. Was sagen Sie dazu?

VP: Das ist das, was ich weiß. Es gibt sonst keinen Vers und sie interpretieren die Verse wie sie wollen.

Anm.: Es wird die Lage im HKS anhand der Länderfeststellungen / Anfragebeantwortung zur Rekrutierung durch die Hisbollah vom Juni 2018 erörtert.

[...] Den nachfolgend zitierten Quellen ist zu entnehmen, dass die Mitgliedschaft in der Hisbollah-Organisation auf "Treue zum ideologischen Programm der Organisation" beruht. Die Rekrutierung durch die Hisbollah beruht auf Freiwilligkeit und Fälle von "Zwangsrekrutierung" sind nicht bekannt.

Die Rekrutierungsrate in die regulären Streitkräfte der Hisbollah wurde seit 2010 verlangsamt. Es gibt keinen Zwang sich der Hisbollah anzuschließen. Die Partei sucht nur diejenigen, die ihrer Ideologie uneingeschränkt verpflichtet sind. Rekruten, die nach wochenlanger Ausbildung nicht überzeugt sind, können gehen.

Wenn Personen, die sich vor der Hisbollah fürchten, Libanesen sind, werden sie Berichten zufolge nicht belästigt, sobald sie sich außerhalb der von der Hisbollah kontrollierten Regionen befinden.

VP: Weiters waren Sie waren im Heimatland berufstätig bis zu Ihrer Ausreise. Es ist nicht davon ausgehen, dass Sie dies in Zukunft nicht könnten.

Wollen Sie hierzu eine Stellungnahme angeben?

VP: Diese Information kenne ich, aber ich sagte, dass mich meine Familie gezwungen hat. Nachgefragt hat meine restliche Familie, außer meinem jüngeren Bruder, keine Probleme.

LA: Ich beende jetzt die Befragung. Hatten Sie Gelegenheit alle Ihre Gründe für die Antragstellung vorzubringen oder wollen Sie noch etwas hinzufügen?

VP: Ich habe alle Gründe gesagt.

LA: Haben Sie soweit den Inhalt der Einvernahme verstanden, oder haben Sie dazu noch irgendwelche Fragen?

VP: Ich habe alles verstanden und keine Fragen mehr.

LA: Als Ergebnis der heutigen Einvernahme wird Ihnen mitgeteilt, dass beabsichtigt ist Ihren Antrag auf internationalen Schutz hier in der EAST Flughafen abzuweisen.

Sie vermochten mit Ihren Einlassungen die von Ihnen genannten Gründe für das Verlassen Ihres Herkunftsstaates und die Gründe, welche Sie nun von einer Rückkehr in den Herkunftsstaat abhalten sollen iZm den LIB und ihren vagen behaupteten Bildungsseminaren iVm mit 5 einfachen Fragen zum Koran, nicht glaubhaft zu machen.

Es fanden sich in Ihrem heutigen Vorbringen Widersprüche und Sinnwidrigkeiten, die Sie nicht aufklärten. Insgesamt waren Ihre Schilderungen ausnehmend vage, detailarm und beschränkten Sie sich im Wesentlichen auf die Wiederholung einer "Rahmengeschichte".

Aus Sicht des Bundesamtes ist iZm Ihrer unglaubhaften Fluchtgeschichte auch nicht davon auszugehen, dass Ihnen bei einer Rückkehr nach Libanon dort mit einer hohen Wahrscheinlichkeit unmenschliche Behandlung, Strafe oder der Todesstrafe drohen könnte. Möchten Sie dazu etwas sagen?

VP: Nein nichts, ich wünsche mir hier Asyl.

[...]

- Der Hochkommissär der Vereinten Nationen für Flüchtlinge wurde am 16.05.2019

von der beabsichtigten Entscheidung des Bundesamtes verständigt und erteilte am heutigen Tag die Zustimmung, den Antrag auf internationalen Schutz gem. § 33 Abs. 1 Z. 2. AsylG abzuweisen.

[..]"

Die Behörde hat nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens mit Bescheid vom 20.05.2019 entschieden:

"I. Ihr Antrag auf internationalen Schutz vom 07.05.2019 wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 33 Absatz 1 Ziffer 1. und Ziffer 2. iVm § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, abgewiesen.

II. Gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG wird Ihr Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Ihren Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen.

III. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird Ihnen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt"

Das Bundesamt gelangte im Wesentlichen zur Erkenntnis, dass hinsichtlich der Gründe für die Zuerkennung des Status eines asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten eine aktuelle und entscheidungsrelevante Bedrohungssituation im Libanon nicht glaubhaft gemacht worden sei.

UNHCR vertrat nach Prüfung des Sachverhaltes so wie das Bundesamt die Ansicht, dass das Vorbringen als offensichtlich unbegründet eingestuft werden kann und erteilte gem. § 33 Abs 2 AsylG die Zustimmung.

Ebenso ergebe sich aus allgemeinen Lage im Herkunftsstaat keine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende bzw. reale Gefährdung der bP. Abschiebungshindernisse lägen demnach nicht vor. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen seien nicht gegeben.

Eine dagegen erhobene Beschwerde hat das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom

06.06.2019, rk. seit 06.06.2019, als unbegründet abgewiesen.

2. Über Festnahmeauftrag des Bundesamtes wurde die bP folglich am 07.06.2019 von der Polizei festgenommen und über sie zur Sicherung der Abschiebung mit Bescheid vom 08.06.2019 die Schubhaft verhängt.

Im Stande der Schubhaft stellte sie den verfahrensgegenständlichen 2. Antrag auf internationalen Schutz. Sie begründete diesen im Wesentlichen damit, dass die Gründe seit der ersten Antragstellung bekannt seien, sie hätten sich nicht geändert. Es seien keine neuen Fluchtgründe dazu gekommen. Sie stelle diesen Antrag neuerlich, weil sie eine neue Chance bekommen wolle.

Sie werde derzeit von ihrem Vater finanziell unterstützt, welcher aus dem Libanon Geld schicke. Sie wolle hier in Österreich arbeiten und eine Familie gründen. Sie besuche zwar keinen Kurs besucht, könne aber schon etwas Deutsch.

Das Bundesamt hat im Folgenden den Antrag auf internationalen Schutz gem. § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (I. u. II.), einen Aufenthaltstitel gem. § 57 AsylG nicht erteilt (III.), gem. § 10 AsylG iVm § 52 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (IV.), gem. § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gem. § 46 in den Libanon zulässig sei (V.), gem. § 55 Abs 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise eingeräumt (VI.).

Dagegen wurde innerhalb offener Frist durch die gewillkürte Vertretung Beschwerde erhoben. Nach Wiederholung des Verfahrensganges wird moniert, dass

* die bP die Gründe für das Verlassen des Libanon neuerlich dargelegt habe;

* die bP aus "wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung" geflüchtet sei und "soweit als möglich mitgewirkt und alle Fragen beantwortet habe";

* die bP "der Meinung sei, dass die Erstbehörde verabsäumte, den vorgebrachten Angaben von Amts wegen weiter nachzugehen", weshalb sie die Angaben "aufrecht halte".

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Das BVwG hat durch den Inhalt des übermittelten Verwaltungsaktes der belangten Behörde, einschließlich der Beschwerde Beweis erhoben.

1. Feststellungen (Sachverhalt)

Das Bundesamt traf nachfolgende Feststellungen denen sich das BVwG anschließt:

"Zu Ihrer Person:

Ihre Identität steht nicht fest. Im gegenständlichen Verfahren werden Sie mit dem Namen XXXX , am XXXX .1995 geb., StA Libanon, individualisiert.

Sie sind gesund und arbeitsfähig. Sie sind in Österreich nicht erwerbstätig. Ihre Einreise erfolgte illegal. Sie sind in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Bis zur Bescheiderlassung ergab sich weder eine schwere körperliche oder ansteckende Krankheit, noch ergab sich eine schwere psychische Störung, die bei einer Überstellung/Abschiebung nach Afghanistan [gemeint wohl: Libanon] eine unzumutbare Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes bewirken würde.

Es existieren unter Berücksichtigung aller bekannten Tatsachen keine Umstände, welche einer Ausweisung [gemeint wohl: Rückkehrentscheidung] aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegen stünden.

Sie verfügen über keine sonstige Aufenthaltsberechtigung.

Vorverfahren:

Ihr Antrag auf internationalen Schutz vom 7. Mai 2019 wurde (...) mit Bescheid des Bundesamtes vom 20. Mai 2019 gemäß § 33 Abs. 1 Z. 1 und Z. 2 i.V.m. § 3 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG wird Ihr Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung der subsidiär Schutzberechtigten im Bezug führen Herkunftsstaat Libanon abgewiesen. In Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde Ihnen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Die gegen diese Entscheidung eingebrachte Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht abgewiesen. Der Bescheid des BVWG erwuchs am 6. Juni 2019 in Rechtskraft.

Ihr Vorbringen im Erstverfahren war nicht glaubhaft.

Sie gaben in der Einvernahme an, dass die Fluchtgründe aus dem Erstverfahren aufrecht wären. Neue Fluchtgründe hätten sich keine.

Somit ist für die Behörde kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt feststellbar und das Bundesamt ist daher verpflichtet ihren Folgeantrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Betreffend die Feststellungen zu ihrem Privat und Familienleben:

Die oben angeführten Feststellungen zu ihrem Privat und Familienleben wurden aufgrund ihrer nicht anzuzweifelnden Angaben getroffen.

Zur Lage in Ihrem Herkunftsstaat:

1. Politische Lage

Libanon ist eine parlamentarische Demokratie nach konfessionellem Proporzsystem. Politische Parteien sind zugelassen; sie sind jedoch in der Praxis meist Zweckbündnisse, die vor allem auf der Zugehörigkeit zu einer religiösen Gruppe basieren. Die Verfassung des Landes schreibt eine Trennung der Gewalten vor. Parlamentswahlen sollen alle vier Jahre abgehalten werden; der Staatspräsident wird von den Abgeordneten für sechs Jahre gewählt. Das libanesische System wird von der Zusammenarbeit der verschiedenen religiösen Gruppen getragen; daneben spielen Familien- und regionale Interessen eine große Rolle (AA 1.3.2018).

Das politische System basiert auf der Verfassung von 1926, dem ungeschriebenen Nationalpakt von 1943 und dem im Gefolge der Taif-Verhandlungen am 30. September 1989 verabschiedeten "Dokument der Nationalen Versöhnung" (AA 1.3.2018). In diesem sogenannten Taif-Abkommen wurde festgelegt, dass die drei wichtigsten Ämter im Land auf die drei größten Konfessionen verteilt werden:

? Das Staatsoberhaupt muss maronitischer Christ sein

? Der Parlamentspräsident muss schiitischer Muslim sein

? Der Regierungschef muss sunnitischer Muslim sein

Dieser Proporz bestimmt die gesamte Verwaltung und macht auch vor der Legislative nicht halt. Das Parlament mit seinen 128 Mitgliedern setzt sich nach dem Grundsatz der konfessionellen Parität wie folgt zusammen:

34 Maroniten, 27 Schiiten, 27 Sunniten, 14 griechisch-orthodoxe Christen, 8 Drusen, 8 melikitische/griechisch-katholische Christen, 5orthodoxe Armeniern, 2 Alewiten, 1 armenischer Katholik, 1 Protestant und 1 weitere Minderheit (GIZ 6/2018, vgl. USDOS 20.4.2018).

Bei der im Abkommen von Taif vorgesehenen allmählichen Entkonfessionalisierung des politischen Systems gibt es bisher keine Fortschritte (AA 1.3.2018).

Das Parlament des Libanon ist konfessionsübergreifend in zwei politische Blöcke gespalten, die einander im Libanon unversöhnlich gegenüberstehen:

? die von der schiitisch geprägten und vom Iran beeinflussten Hisbollah angeführte 8.März-Koalition und

? die eher westlich orientierte, sunnitisch geprägte und von Saad Hariri (Future Movement; arab.: (al-)Mustaqbal) angeführte 14. März-Bewegung (BBC 4.11.2014; vgl. GIZ 6/2018).

Die traditionelle Feindschaft zwischen diesen beiden Blöcken wurde durch den Konflikt im benachbarten Syrien zusätzlich vertieft, als schiitische Hisbollah-Kämpfer sich auf die Seite der syrischen Regierung stellten, während die 14. März-Bewegung die syrischen Rebellen unterstützte (BBC 4.11.2014; vgl. GIZ 6/2018).

Diese Polarisierung lähmt das Land politisch und ökonomisch, verstärkt konfessionelle Spannungen zwischen Schiiten und Sunniten und erschwert bzw. verhindert außerdem die Erarbeitung notwendiger Lösungen für die ökonomischen, sozialen und politischen Herausforderungen (GIZ 6/2018).

Aufgrund schwer erzielbarer Mehrheiten war es auch jahrelang nicht möglich, ein Wahlgesetz zu verabschieden. Dies führte dazu, dass die Parlamentswahl 2013 ausgesetzt und das Mandat der Abgeordneten mehrfach verlängert wurde (GIZ 6/2018, vgl. USDOS 20.4.2018).

Am 31. Oktober 2016 wurde nach zweieinhalb Jahren und 45 gescheiterten Versuchen ein neuer Präsident gewählt. Mit der Wahl des maronitischen Christen Michel Aoun kam Bewegung in die stark polarisierte libanesische Politik. Da Aoun als Kandidat der schiitischen Hisbollah für das Amt des Präsidenten galt, wurde er zunächst von Premierminister Saad Hariri abgelehnt. Seine Wahl wurde schließlich erst durch eine überraschende Kehrtwende Hariris ermöglicht. Im Gegenzug beauftragte Aoun Hariri, eine neue Regierung der nationalen Einheit zu bilden. Zwei Monate nach der Präsidentschaftswahl wurde am 19. Dezember 2016 eine neue Regierung vereidigt (GIZ 6/2018).

Im Juni 2017 konnte sich das politische Establishment schließlich auf ein neues Wahlrecht einigen. Dieses sieht unter anderem vor, das Mehrheitswahlrecht durch das Verhältniswahlrecht abzulösen. Hierdurch sollten kleinere Parteien und Wählergruppen gestärkt werden, doch das von den Regierungsparteien außerhalb des Parlaments verhandelte Wahlgesetz enthält zahlreiche Einschränkungen der Verhältniswahl wie beispielsweise eine sehr hohe Einzugshürde bei zehn Prozent.

Positiv ist jedoch, dass die Parteien faktisch gezwungen werden, konfessionsübergreifende Listen zu bilden. Wenn es in einem Wahlkreis die Festlegung gibt, dass hier zwei Sitze für Christen und drei Sitze für Muslime vergeben werden, müssen hier die Parteien eine gemeinsame Liste bilden, um antreten zu dürfen.

Im neuen Wahlgesetz werden Jugendliche unter 21 ausgeschlossen. Auch wurde keine Quote für weibliche Parlamentsabgeordnete eingeführt, obwohl der Libanon eines der Länder mit der niedrigsten Zahl an weiblichen Abgeordneten ist. Der christlich-muslimische Proporz des Parlaments wird durch das Gesetz nicht berührt (GIZ 6/2018).

Am 6. Mai 2018 fanden nach jahrelanger Pattstellung schließlich erstmals seit 2009 erneut Parlamentswahlen statt.

77 Listen mit insgesamt 597 Kandidaten waren für die Wahl um 128 Parlamentssitze in 26 Distrikten registriert. Die Anzahl der weiblichen Kandidaten nahm gegenüber der letzten Wahl auf 86 zu und betrug somit nun 14,4 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag insgesamt bei 49,2 Prozent, nach 53,37 Prozent im Jahr 2009. Die offiziellen Ergebnisse weisen die Sitze wie folgt zu: Future Movement [Anm.: arab. - (al-)Mustaqbal], 21; Free Patriotic Movement, 20; Amal, 17; Libanese Forces, 15; Hisbollah, 12; Progressive Socialist Party, 8; die "Determination (Azem)" Bewegung des ehemaligen Premierministers Mikati, 4; Marada, die Syrian Social Nationalist Party, Kataeb und Tashnaq, jeweils 3 Sitze. Zum ersten Mal gewann ein Kandidat der Zivilgesellschaft einen Sitz durch die Wahlliste "Koulouna Watani" in Beirut. Die Zahl der gewählten Frauen im Parlament stieg von vier auf sechs (UN 13.7.2018; vgl. USDOS 29.5.2018).

Die Hisbollah und ihre politischen Verbündeten (darunter auch das Free Patriotic Movement FPM, eine christliche Partei unter der Führung von Präsident Michel Aoun, die wie 2009 knapp zwanzig Sitze erringen konnte), gewannen somit mit 65 knapp die Hälfte der 128 Sitze im Parlament, während der vom Westen unterstützte sunnitische Premierminister Saad al-Hariri zwar mehr als ein Drittel seiner Sitze verlor, aber mit 21 Parlamentsmitgliedern immer noch Führer des größten politischen Blocks ist. Zu diesem Block gehört auch die christliche, gegen die Hisbollah auftretende anti-syrische Partei "Libanese Forces", die als zweiter großer Sieger bei dieser Wahl ihre Mandate gegenüber der Wahl 2009 beinahe verdoppelte.

Insgesamt betrachtet haben somit die vom Iran unterstützte Hisbollah und ihre politischen Verbündeten bei den Parlamentswahlen etwas an Einfluss gewonnen (RFE 7.5.2018, vgl. ICG 9.6.2018), wenngleich sich an der grundsätzlichen Machtstruktur nichts geändert hat. Der bisherige Premier Hariri wurde trotz der Wahlverluste neuerlich damit beauftragt, eine Regierung zu bilden (GIZ 6/2018, vgl. USDOS 29.5.2018).

Im Libanon leben schätzungsweise zwischen 4,5 und 6,2 Millionen Menschen, je nachdem, inwieweit die große Zahl von Flüchtlingen mitberücksichtigt wird oder nicht (CIA 14.8.2018, vgl. GIZ 6/2018). Neben etwa 450.000 [Anm.: bei der UNRWA registrierten] palästinensischen Flüchtlingen - die Zahl der derzeit tatsächlich im Libanon aufhältigen palästinensischen Flüchtlinge beläuft sich laut einer aktuellen Volkszählung auf 174.422 Personen (Daily Star 21.12.2017) - sind im Libanon laut UNHCR etwa eine Million syrische Flüchtlinge registriert, was mehr als 25% der Wohnbevölkerung des Landes entspricht. Der Libanon beherbergt somit mehr syrische Flüchtlinge als jedes andere Land der Region. Der Krieg in Syrien hat nicht nur durch die große Flüchtlingswelle enorme Auswirkungen auf den Libanon, vielmehr droht der Konflikt das sensible Gefüge der libanesischen Gesellschaft zu zerreißen. Während die Hisbollah und ihre Anhänger den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad unterstützen, sympathisieren die Anhänger des Lagers 14. März mit den syrischen Rebellen, die Assad bekämpfen. Seit Beginn des militärischen Engagements der Hisbollah in Syrien zugunsten des Assad-Regimes hat sich die politische Spaltung des Libanon vertieft und führt zunehmend zu einem gewalttätigen konfessionellen Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten. Gleichzeitig - und obwohl die Hisbollah das Hariri-Bündnis beschuldigt, die radikalen Sunniten zu decken und im Gegenzug das Hariri-Bündnis wiederum die Hisbollah beschuldigt, den Libanon in den Krieg in Syrien hineinzuziehen - bilden beide Kontrahenten derzeit mit anderen politischen Kräften eine zwar konfliktreiche, aber durchaus funktionierende Regierung der nationalen Einheit, die es tatsächlich geschafft hat, ein Überschwappen des Bürgerkrieges aus Syrien zu verhindern (GIZ 6/2018, vgl. AA 1.3.2018).

Geschwächt durch die sich vertiefenden Gräben zwischen und innerhalb der Gemeinschaften [Anm.: Konfessionen] hat der libanesische Staat schrittweise seine Hauptaufgabe der Regierung und als Manager repräsentativer Politik aufgegeben und stützt sich vermehrt auf Sicherheitsmaßnahmen zur Aufrechterhaltung der Stabilität und des Status Quo (ICG 23.2.2016).

Der Libanon ist kein funktionierender Staat, deshalb haben sich die Menschen im Libanon immer mehr auf Klientelismus, anstatt auf den Staat verlassen. Politiker benutzen Geld, Ressourcen und Dienstleistungen, um sich eine Basis in der Bevölkerung zu schaffen. Diese Entwicklung in Kombination mit den konfessionellen Spannungen sowie den Auswirkungen von der Syrienkrise steht ernstzunehmenden Entwicklungsprozessen entgegen (Daily Star 30.12.2014).

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2. Sicherheitslage

Im folgenden Abschnitt finden sich allgemeine Informationen zur Sicherheitslage. Es wird ausdrücklich festgehalten, dass diese auch kurzfristig Änderungen unterworfen sein kann. Der besseren Übersichtlichkeit wegen ist die Darstellung der Sicherheitslage in den palästinensischen Flüchtlingslagern im Abschnitt über palästinensische Flüchtlinge zu finden.

Die wichtigsten religiösen Hauptgruppen im Libanon sind Schiiten, Sunniten, Christen und Drusen. Die sich daraus ergebenden Spannungen sind die Ursache für die meisten der internen Konflikte im Libanon, und andere Staaten der Region haben diese internen Konflikte regelmäßig als Vorwand genutzt, um in dem Land einzugreifen. Darüber hinaus hat insbesondere die Präsenz der palästinensischen und syrischen Flüchtlinge immer wieder zu Konflikten Anlass gegeben. Von 1975 bis 1990 herrschte im Libanon Bürgerkrieg, in dem die regionalen Mächte, insbesondere Israel, Syrien und die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) das Land als Schlachtfeld für ihre eigenen Konflikte benutzten (BBC 4.11.2014).

Anschließend kam es von 1992 bis 2004 zu einer Phase der Entspannung. Im Februar 2005 fiel der damalige Premierminister Rafik Hariri einem Attentat zum Opfer. Als Folge brach die sogenannte Zedernrevolution aus, die als Hauptforderung den Abzug der syrischen Truppen aus dem Libanon postulierte. Die sogenannte 14. März-Bewegung machte Syrien direkt für die Ermordung Hariris verantwortlich, zumal dieser zuvor die Stationierung syrischer Truppen im Libanon kritisiert und die Umsetzung der UN-Resolution 1559 gefordert hatte. Diese sieht den Rückzug aller ausländischen Truppen aus dem Libanon und die Entwaffnung und Auflösung der im Libanon aktiven Milizen vor, womit insbesondere die Hisbollah gemeint ist. Tatsächlich zog Syrien noch im April 2005 seine Truppen aus dem Libanon ab.

Die zivilen Behörden übten zwar weiterhin die Kontrolle über die Streitkräfte und andere Sicherheitskräfte aus, gleichzeitig operierten aber palästinensische Sicherheits- und Milizkräfte, die Hisbollah und andere extremistische Elemente außerhalb der Leitung oder Kontrolle der Regierung (USDOS 20.4.2018). Im Jahr 2013 hatte die EU die Hisbollah auf die Terrorliste gesetzt; im Gegensatz zu den USA allerdings nur deren militärischen Arm und nicht den im Parlament vertretenen politischen Arm (SpiegelOnline 22.7.2013).

Trotz aller Spannungen konnte ein Übergreifen des Syrienkonflikts, in dem sich die libanesische Hisbollah-Miliz seit Frühjahr 2013 auf Seiten des syrischen Regimes beteiligt, auf libanesisches Territorium in den vergangenen Jahren weitgehend verhindert werden. Allerdings befanden sich bis August 2017 in der Gegend um den Grenzort Arsal aus Syrien eingedrungene Kämpfer auf libanesischem Staatsgebiet. Nach länger andauernden Kämpfen, in die auf libanesischer Seite neben den Streitkräften auch die Hisbollah-Miliz verwickelt war, verließen die eingekesselten IS-Kämpfer mit ihren Familien im Rahmen einer Waffenstillstandsvereinbarung mit Bussen die umkämpfte Gegend (AA 1.3.2018; vgl. AI 23.5.2018). Bei einem Antiterroreinsatz der libanesischen Armee in der Gegend von Arsal am 30.06.2017 wurden 350 Personen vorübergehend festgenommen, mindestens vier starben im Gewahrsam der Armee, nach Armeeangaben in Folge bereits bestehender gesundheitlicher Probleme. Menschenrechtsgruppen fordern eine unabhängige Untersuchung der Vorgänge. Der Fall soll militärgerichtlich aufgearbeitet werden (AA 1.3.2018; vgl. AI 23.5.2018).

Grundsätzlich ist es im Libanon so, dass die staatlichen Institutionen in Teilen des Landes keinen uneingeschränkten Zugriff haben. Dies gilt insbesondere für die meisten palästinensischen Flüchtlingslager. Die Sicherheitslage dort blieb im Allgemeinen stabil. Im Lager Ein El Helweh bei Sidon kam es allerdings zu einigen gewalttätigen Zwischenfällen und Schießereien. Bei Zusammenstößen im März und April 2018 zwischen extremistischen Gruppen und palästinensischen Streitkräften wurden vier Menschen getötet und elf verletzt (UN 13.7.2018). Detaillierte Informationen zur Lage in den Palästinenserlagern finden sich in Abschnitt 19.

Weiters sind die Zugriffsmöglichkeiten der libanesischen Staatsorgane insbesondere auch in den südlichen Vororten Beiruts und in den schiitischen Siedlungsgebieten im Süden des Landes eingeschränkt (AA 1.3.2018, vgl. USDOS 29.5.2018). Diese werden weitgehend von der Hisbollah kontrolliert, die der Bevölkerung auch grundlegende Dienstleistungen in den Bereichen Gesundheitsvorsorge, Bildung, Lebensmittelhilfe, innere Sicherheit und Erhaltung der Infrastruktur zur Verfügung stellt (USDOS 29.5.2018).

Bei der von der UN geforderten Abrüstung aller bewaffneten Gruppen einschließlich der palästinensischen Milizen und dem militärischen Flügel der Hisbollah konnten bislang keine Fortschritte erzielt werden. Die Hisbollah bestätigte weiterhin öffentlich, über entsprechende militärische Kapazitäten zu verfügen. Somit ist die libanesische Regierung weiterhin nicht in der Lage, die volle Souveränität und Autorität über ihr Territorium auszuüben (UN 13.7.2018).

Am 5. und 23. April 2018 inhaftierten die libanesischen Streitkräfte 15 der Zugehörigkeit zu einer terroristischen Gruppe verdächtigte syrische Staatsangehörige, und beschlagnahmten während einer Razzia in einer informellen syrischen Flüchtlingssiedlung in Arsal Waffen und Munition. Am 14. Mai verhaftete die libanesische General Security in Al-Hirmil zwei syrische Staatsangehörige wegen ihrer Zugehörigkeit zu terroristischen Vereinigungen. Am 17. Mai 2018 wurde ein angeblicher Waffenhändler in Akkar im Nordlibanon von den Streitkräften der Internen Sicherheit verhaftet (UN 13.7.2018).

Das österreichische Außenministerium hat für das gesamte syrische Grenzgebiet, die Bekaa-Ebene nördlich von Baalbek und für die Palästinenserlager und deren Umgebung, insbesondere Ein Al-Hilweh und Mieh Mieh bei Saida (Sidon) und Nahr al Bared und Beddawi bei Tripoli Reisewarnungen ausgesprochen. Ein hohes Sicherheitsrisiko wird allgemein für die Provinzen Tripoli und Akkar, die südlichen Vororte Beiruts (Dahiye), die südlichen Stadtränder von Sidon/Saida (Ein El-Hilweh), das israelische Grenzgebiet und die restliche Bekaa-Ebene, einschließlich Baalbek ausgewiesen (BMeiA 11.7.2018).

Das Schweizer Außenministerium warnt vor zahlreichen nicht explodierten Bomben und Minen in der Bekaa-Ebene. Es sind bewaffnete Gruppierungen aktiv, und Grenzüberschreitungen durch Kämpfer sind häufig. In und um die Stadt Arsal (Anmerkung: auch Ersal, Irsal, Aarsal geschrieben) sowie um Ras Baalbek und Qaa kommt es regelmäßig zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen der Armee und militanten Gruppierungen. Spannungen zwischen einzelnen Bevölkerungsgruppen, aber auch innerhalb einzelner Gemeinschaften, können sich in bewaffnete Konfrontationen oder Anschlägen entladen. Im Juni 2016 forderten Selbstmordanschläge in Qaa mehrere Todesopfer und Verletzte. Im März 2011 wurde in der Nähe von Zahlé in der südlichen Bekaa-Ebene eine Gruppe ausländischer Touristen entführt und mehrere Monate lang festgehalten. Seither sind mehrere Entführungen bekannt geworden. Besonders die Zahl von Entführungen mit hohen Lösegeldforderungen hat zugenommen (EDA 5.12.2017).

Die Spannungen in den Flüchtlingslagern sind groß und können sich auch aus geringen Anlässen in Gewalttaten entladen. In Saïda (Sidon) kommt es vereinzelt zu Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Im Südlibanon finden laufend Truppenverschiebungen statt. Insbesondere im libanesisch-israelischen Grenzgebiet und nochmal verstärkt südlich des Litani-Flusses bis zur israelischen Grenze sind die Spannungen sehr hoch (EDA 5.12.2017). Auch das Britische Außenministerium betont die permanente Gefahr von Terroranschlägen (gov.uk o.D.).

Ende März 2018 verabschiedete das libanesische Kabinett eine nationale Strategie zur Verhinderung von gewalttätigem Extremismus - eine Initiative, die der inzwischen geschäftsführende Ministerpräsident Saad Hariri im Rahmen eines globalen Aktionsplans der Vereinten Nationen vorangetrieben hat. Es wird geschätzt, dass der Prozess weitere acht Monate [Anm: bis Anfang 2019] dauern wird, bis die Bürger ihn in ihren Gemeinden umsetzen werden. Neben Tunesien und Marokko ist der Libanon einer der Pioniere in der Region, der eine solche Strategie umsetzt (Daily Star 27.6.2018).

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3. Rechtsschutz / Justizwesen

Die Verfassungsinstitutionen, insbesondere Parlament, Regierung und Justizwesen, funktionieren im Prinzip nach rechtsstaatlichen Grundsätzen, sind aber in ihrer tatsächlichen Arbeit politischen Einflussnahmen ausgesetzt. Die Gewaltenteilung ist in der Verfassung zwar festgeschrieben, wird in der Praxis aber nur eingeschränkt respektiert; insbesondere in politisch brisanten Ermittlungsverfahren kommt es zu Versuchen der Einflussnahme auf die Justiz, z.B. bei der Ernennung von Staatsanwälten und Ermittlungsrichtern oder zum Schutz politischer Parteigänger vor Strafverfolgung. Personen, die an zivil- und strafrechtlichen Routineverfahren beteiligt waren, baten manchmal um die Unterstützung prominenter Personen, um den Ausgang ihrer Verfahren zu beeinflussen. Die Einhaltung der in der Verfassung garantierten richterlichen Unabhängigkeit ist in der praktischen Durchführung durch verbreitete Korruption, chronischen Mangel an qualifizierten Richtern und zum Teil auch politische Einflussnahme eingeschränkt (AA 1.3.2018; vgl. USDOS 20.4.2018).

Angeklagte gelten als unschuldig, bis ihre Schuld bewiesen ist. Gerichtsverhandlungen sind in der Regel öffentlich, die Richter können aber geschlossene Gerichtsverhandlungen anordnen. Angeklagte haben das Recht, bei der Verhandlung anwesend zu sein, sich rechtzeitig mit einem Anwalt zu beraten, Zeugen zu befragen, Beweise vorzulegen und in Berufung zu gehen (USDOS 20.4.2018).

Eine Strafverfolgungs- und Strafbemessungspraxis, die nach Merkmalen wie ethnischer Zugehörigkeit, Religion oder Nationalität diskriminiert, ist im Libanon nicht gegeben. Allgemeine kriminelle Delikte werden im Rahmen feststehender straf- bzw. strafprozessrechtlicher Vorschriften nach insgesamt weitgehend rechtsstaatlichen Prinzipien verfolgt und geahndet. Die Strafprozessordnung stattet die Ermittlungsbehörden mit weitreichenden Vollmachten aus, schreibt aber auch Rechte des Beschuldigten fest, z. B. das Recht auf unverzügliche Kontaktaufnahme zu Rechtsanwälten, Ärzten und Familienangehörigen. Angeklagte haben weiters das Recht auf rechtlichen Beistand; allerdings existiert kein staatlich finanziertes System der Pflichtverteidigung. Die Anwaltskammer stellt bei Bedarf Pflichtverteidiger zur Verfügung. Dolmetscher müssen in der Regel durch den Angeklagten selbst gestellt werden (AA 1.3.2018).

Neben den in mehrere Instanzen gegliederten Zivilgerichten existieren im Libanon konfessionelle Gerichtsbarkeiten, in deren Zuständigkeit die familien- und erbrechtlichen Verfahren fallen (USDOS 20.4.2018; vgl.: AA 1.3.2018). Der Libanon verfügt über 15 separate Personenstandsgesetze für seine offiziell anerkannten Religionen, es gibt jedoch kein bürgerliches Gesetzbuch, das Themen wie Scheidung, Eigentumsrecht oder Kindersorgerecht behandelt. Darüber hinaus werden die religiösen Gerichte kaum vom Staat kontrolliert; die Rechte von Frauen sind in den genannten Personenstandsgesetzen oftmals stark eingeschränkt (Daily Star 19.1.2015, vgl. HRW 18.1.2018. Nähere Ausführungen hierzu sind dem Abschnitt 17, Kapitel "Frauen" zu entnehmen).

Das Rechtssystem unterscheidet im Strafrecht zwischen Zivil- und dem Verteidigungsministerium unterstellten Militärgerichten. Letztere haben die Rechtsprechung inne über Fälle, die das Militär betreffen, bzw. in welchen Militärs oder Zivilisten der Spionage, des Hochverrats, des Waffenbesitzes, der Wehrdienstverweigerung und Delikten gegen die Staatssicherheit, gegen das Militär oder deren Angehörige bezichtigt werden. Dabei werden die Zuständigkeiten der Militärgerichtsbarkeit vor allem beim Vorwurf des Terrorismus bzw. bei terroristischen Delikten mit islamistischem Hintergrund oftmals sehr extensiv ausgelegt. Militärgerichte verhandeln sicherheitsrelevante Straftaten auch dann, wenn sie von Zivilisten begangen wurden, oftmals in Schnellverfahren und ohne ausreichenden Rechtsbeistand (AA 1.3.2018; vgl. USDOS 20.4.2018).

Menschenrechtsorganisationen zeigten sich besorgt über die Praxis, Zivilisten vor Militärgerichten anzuklagen, über das Maß an Prozessrechten für Angeklagte sowie die fehlende Überprüfung der Urteilssprüche durch reguläre Gerichte (USDOS 20.4.2018).

Seit Jahren wird - wenn bislang auch ohne greifbare Fortschritte - erwogen, alle Militärverfahren ordentlichen Gerichten zu übertragen (AA 1.3.2018).

In den palästinensischen Flüchtlingslagern betreiben palästinensische Gruppen nach eigenem Ermessen eine autonome Rechtsprechung abseits der Kontrolle des Staates (USDOS 20.4.2018).

Quellen: [...]

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4. Sicherheitsbehörden

Die führenden Positionen in den Sicherheitsbehörden werden u.a. nach konfessionellem Proporz vergeben. Die Forces de Sécurité Intérieure (FSI) [auch "Internal Security Force" - ISF] ist die allgemein zuständige Polizei des Staates und gleichzeitig Hilfsorgan der Justiz (z.B. zum Führen des Kriminalregisters). Sie wird durch einen sunnitischen General geleitet und steht dem ebenfalls sunnitischen Innenminister nahe. Die demgegenüber schiitisch geprägte Sûreté Générale (SG) hat neben Fragen der Ein- und Ausreisekontrollen auch eine nachrichtendienstliche Funktion inne. Ihr Leiter wird der AMAL-Partei von Parlamentspräsident Berri zugeordnet. Ein Polizeigesetz im engeren Sinne gibt es nicht (AA 1.3.2018).

Die LAF [Lebanese Armed Forces] unter der Führung des Verteidigungsministeriums sind für die externe Sicherheit verantwortlich, haben aber aus Gründen der Staatssicherheit auch die Befugnis, Verdächtige zu verhaften (USDOS 20.4.2018). Im Gegensatz zu den anderen Sicherheitskräften gilt die Armee trotz eines stets christlichen Oberbefehlshabers und zahlreicher christlicher Generäle als parteipolitisch und konfessionell weitgehend neutral und genießt grundsätzlich hohes Ansehen in allen Bevölkerungsteilen. Sie nimmt - beispielsweise durch die weit verbreiteten Kontrollpunkte - auch Aufgaben der inneren Sicherheit wahr (AA 1.3.2018).

Daneben gibt es noch mehrere vorwiegend nachrichtendienstlich tätige Sicherheitsbehörden (Amn ad-Daula - Staatssicherheit; Amn al-Dschaisch - militärische Sicherheit; Sicherheitsdienst der Quwat al-Amn ad-Dakhili - Polizeikräfte; Nachrichtendienstliche Abteilung der Sûreté Générale). Alle genannten Institutionen und Dienste arbeiten seit Frühjahr 2014 zwar verstärkt zusammen, auch wenn nicht immer eine klare Abgrenzung ihrer Kompetenzen gegeben ist. Ihre Professionalisierung wird auch deutlich dahingehend beschränkt, dass bestimmte Institutionen einer bestimmten Konfession und somit dem entsprechenden politischen Lager zuzuordnen sind. Die daraus resultierenden Loyalitäten beeinflussen teilweise spürbar deren Arbeit (AA 1.3.2018).

Das General Directorate for State Security, das an den Premierminister berichtet, und das Directorate of General Security - DGS [auch "Sûreté Générale - SG] unter der Führung des Innenministeriums sind verantwortlich für die Grenzsicherung (USDOS 20.4.2018).

Sowohl das General Directorate for State Security als auch das DGS sammeln Informationen über potentiell die Staatssicherheit gefährdende Gruppen. Jeder Sicherheitsapparat hat seine eigenen internen Mechanismen, um Fälle von Missbrauch und Fehlverhalten zu untersuchen.

Verhaltensvorschriften der ISF definieren die Pflichten der ISF-Mitglieder sowie die verpflichtenden gesetzlichen und ethischen Standards. Verschiedene Sicherheitskräfte erhielten Training zur Umsetzung des Verhaltenskodex. Trotz effektiver Kontrolle ziviler Behörden über die Sicherheitskräfte genießen letztere Berichten zufolge ein gewisses Maß an Straflosigkeit, nicht zuletzt weil es an öffentlich zur Verfügung stehenden Informationen über den Ausgang von Verfahren fehlt. Außerdem fehlen Mechanismen zur Untersuchung und Bestrafung von Misshandlungen und Korruption (USDOS 20.4.2018).

Zudem haben die staatlichen Institutionen in Teilen des Landes keinen uneingeschränkten Zugriff. Die Hisbollah bildet zumindest in ihren Hochburgen, d.h. in Teilen der Bekaa-Ebene, in südlichen Beiruter Vororten und Teilgebieten des Südens weiterhin eine Art Staat im Staate und übernimmt dort neben sozialen und politischen faktisch auch Aufgaben der Sicherheitsbehörden. Parallel bestehen kleinere bewaffnete Milizen der AMAL-Partei des Parlamentspräsidenten Nabih Berri, drusische Bürgerwehren sowie christliche Milizen (etwa in Nähe zur Kataeb-Partei oder zur griechisch-orthodoxen Kirche), die sich zuletzt im Spätsommer 2015 auch an Kampfhandlungen gegen aus Syrien einsickernde sunnitische Extremisten beteiligt haben (AA 1.3.2018).

Trotz der Anwesenheit von libanesischen Sicherheitskräften und UNO-Einheiten behielt die Hisbollah signifikanten Einfluss über Teile des Landes und die Regierung machte keinen konkreten Fortschritt, um die bewaffneten Milizen aufzulösen und zu entwaffnen.

Palästinensische Flüchtlingslager stellen [Anm.: mit Ausnahme des Lagers Nahr el-Bared] weiterhin sich selbst regierende Einheiten dar und betreiben Sicherheits- und Militärkräfte, die nicht unter der Kontrolle von Regierungsbeamten stehen (USDOS 20.4.2018; siehe hierzu auch den Abschnitt 19).

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5. Folter und unmenschliche Behandlung

Das Strafgesetzbuch verbietet die Anwendung von Gewalt, um ein Geständnis oder Informationen über eine Straftat oder andere Personen zu erhalten. Trotzdem verweisen einige Nichtregierungsorganisationen (NGOs) auf Berichte über misshandelte Häftlinge. Die Justiz hat solche Vorwürfe nur selten untersucht oder verfolgt. Die Regierung leugnete die systematische Anwendung von Folter, obwohl die Behörden bestätigten, dass es bei Voruntersuchungen auf Polizeistationen, in militärischen Einrichtungen bzw. in Untersuchungshaft, wo Beamte Verdächtige ohne Anwalt verhört haben, manchmal zu gewaltsamen Übergriffen kam. Solche Missbräuche fanden angeblich in mehreren Einheiten statt, obwohl die nationalen Gesetze es den Richtern verbieten, unter Zwang gewonnene Geständnisse anzunehmen. Es gab Berichte, dass die ISF (Internal Security Force) Drogenkonsumenten, an der Prostitution beteiligte Personen und LGBTI-Personen in ihrem Gewahrsam bedroht und misshandelt hat; gleichzeitig haben Menschenrechtsorganisationen und Rechtsexperten allerdings auch auf Verbesserungen bei der Behandlung von Häftlingen im Laufe des Jahres hingewiesen. Ehemalige Gefangene, Häftlinge und lokale Menschenrechtsgruppen berichteten unter anderem von physischen und psychischen Druck, erzwungenen HIV-Tests und Drohungen mit längerer Haft (USDOS 20.04.2018).

Am 4. Juli 2017 gab die libanesische Armee eine Erklärung heraus, dass vier Syrer in Arsal, einem Sperrgebiet im Nordosten des Libanon, in dem viele syrische Flüchtlinge leben, in deren Gewahrsam gestorben waren. HRW zur Verfügung gestellte Fotos der Opfer belegen laut HRW die Vorwürfe des Missbrauchs und der Folter (HWR 7.8.2018; vgl. AA 1.3.2018).

HRW verweist weiters auf den Fall des Schauspielers Ziad Itani, der laut detaillierten Berichten unter Verhör gefoltert worden ist. Dies zeigt, dass trotz des neu verabschiedeten Anti-Folter-Gesetzes anhaltende Probleme hinsichtlich der Behandlung von Gefangenen bestehen (Daily Star 17.7.2018).

Im Mai 2017 trat der Libanon erstmals vor dem UN-Ausschuss gegen Folter auf, nachdem das UN-Übereinkommen gegen Folter und sein Fakultativprotokoll im Jahr 2000 bzw. 2008 ratifiziert worden waren (AI 22.2.2018). Zu deren Umsetzung wurde im Oktober 2017 das oben bereits erwähnte neue Anti-Folter-Gesetz ratifiziert, womit das libanesische Strafgesetzbuch nun erstmals eine Definition von Folter vorsieht und diese Folter sowie andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlungen unter Strafe stellt (AI 26.6.2018, vgl. HRW 18.1.2018; USDOS 20.4.2018).

Ermittlungs- oder Strafverfahren wegen Foltervorwürfen sind dennoch bisher nur in drei Einzelfällen bekannt geworden (drei Mitarbeiter der Sicherheitskräfte des Gefängnisses Roumieh wurden diesbezüglich angeklagt). Jedwede Form "systematischer Folter" streitet die Regierung aber ab. Es handle sich um Exzesse Einzelner, gegen die man auf strafrechtlicher Grundlage vorgehen werde. Menschenrechtsorganisationen haben (anders als das IKRK seit 2007) keinen Zutritt zu den Militärgefängnissen und zum Verhörzentrum im Verteidigungsministerium (AA 1.3.2018).

Neben der Kriminalisierung der Folter legt das neue Gesetz die Unzulässigkeit von Folteraussagen fest, fordert die Staatsanwaltschaft auf, innerhalb von 48 Stunden auf Beschwerden oder Folterbescheide zu reagieren, begründet das Recht auf Rehabilitation und erklärt Folter als Verbrechen, das nicht durch Notwendigkeit oder nationale Sicherheitsanforderungen gerechtfertigt ist (AI 26.6.2018).

Trotz aller positiven Aspekte weist das Gesetz eine Reihe von Mängeln auf. So hat sich der UN-Menschenrechtsausschuss besorgt gezeigt, weil das Gesetz (a) die Definition von Folter auf Ermittlungen, Verhöre, gerichtliche Ermittlungen, Gerichtsverfahren und Strafen beschränkt; (b) grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlungen oder Strafen nicht kriminalisiert; (c) eine Verjährungsfrist für die Verfolgung von Folter einschließt; (d) Strafen vorschreibt, die nicht die Schwere der Straftat widerspiegeln; und (e) keine wirksamen Rechtsmittel und Wiedergutmachung vorsieht (UN 9.5.2018, vgl. AI 26.6.2018).

Darüber hinaus enthält das Gesetz keine Bestimmungen, wonach sich der Folter beschuldigte Armeeoffiziere vor zivilen Gerichten verantworten müssen (AI 22.2.2018).

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6. Korruption

Gemäß Transparency International's Corruption Perceptions Index (2017) hat sich der Libanon in Bezug auf Korruption seit 2015 um 20 Plätze auf Platz 143 (von 169 bzw. 180 untersuchten Ländern/Territorien) verschlechtert (TI 2017, vgl. TI 2015).

Korruption und Vetternwirtschaft sind im Libanon weit verbreitet. Selbst unter führenden Politikern sind Bestechungen in großem Stil keine Seltenheit. In ihrem Schutz bildeten sich weit verästelte Netzwerke organisierter Korruption. Mangelnde Transparenz und Korruption sind laut der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit die Ursache für die missliche Lage des Landes und hemmen überdies die wirtschaftliche Entwicklung (GIZ 6/2018).

Zu den hauptsächlichen Korruptionsformen gehörten systematischer Klientelismus, richterliche Unterlassung (insbesondere bei Untersuchungen von politisch motivierten Morden), Wahlbetrug (erleichtert durch das Fehlen von vorgedruckten Stimmzetteln) und Bestechung.

Die parlamentarische bzw. prüfungsbehördliche Kontrolle über Einnahmen und Ausgaben ist nicht in ausreichendem Maße gegeben (USDOS 20.4.2018).

Unternehmen zahlen regelmäßig Bestechungsgelder und pflegen Beziehungen zu Politikern, um Aufträge zu erhalten. Auch die Flüchtlingshilfe vor Ort ist nicht frei von Korruption. Berichten zufolge haben einige Nichtregierungsorganisationen (NGOs) - in Zusammenarbeit mit korrupten libanesischen Beamten - Gelder von internationalen Organisationen abgezweigt oder Ressourcen für überhöhte Gehälter und Leistungen für leitende Angestellte verschwendet. Die Besorgnis der Geber über vorhandene Korruption gilt als einer der Gründe für die chronischen Defizite bei der finanziellen Unterstützung für syrische Flüchtlinge (FH 1.2017).

Ex lege sind zwar strafrechtliche Sanktionen für offizielle Korruption vorgesehen; eine effiziente und wirkungsvolle Umsetzung solcher Sanktionen erfolgt aber nicht. Die staatliche Korruptionskontrolle wird von Beobachtern als unzureichend eingestuft (USDOS 20.4.2018). Der Präsident der Republik, die Präsidenten der Abgeordnetenkammer und des Ministerrates sowie Minister, Abgeordnete und Richter, Gemeindevorsteher und Beamte sind zwar gesetzlich verpflichtet, ihr Finanzvermögen bei Amtsantritt und auch wieder bei Ausscheiden aus dem Amt bekanntgeben, aber diese Informationen sind nicht öffentlich zugänglich. Wird der Staatsrat wegen Nichterfüllung angerufen, verhängt der Staatsrat verwaltungsrechtliche Sanktionen, die darin bestehen, die Amtszeit des Am

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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