Entscheidungsdatum
04.10.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z5Spruch
L529 1408114-3/4E
L529 2213532-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. M. EGGINGER als Einzelrichter über die Beschwerden von 1) XXXX auch XXXX , geb. XXXX , StA. Irak und 2) XXXX, geb. XXXX , StA. Irak, vertreten durch die Mutter XXXX auch XXXX , gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.12.2018, Zl. XXXX und ZI. XXXX, zu Recht:
A)
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrenshergang
I.1. Die Erstbeschwerdeführerin (BF1) reiste im Jahr 2008 erstmals in das österreichische Bundesgebiet ein, wo sie am 27.08.2008 einen Antrag auf internationalen Schutz einbrachte.
I.2. Ihr Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes (BAA) vom 15.07.2009 hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Ihr wurde jedoch gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak zuerkannt (Spruchpunkt II.) und eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt III.). Die gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des BAA vom 15.07.2009 erhobene Beschwerde wurde mit rechtskräftigem Erkenntnis des Asylgerichtshofes (AsylGH) vom 25.11.2013 abgewiesen. Ihre befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte wurde in der Folge bis zur Erlassung des im Spruch genannten Bescheides jeweils mittels Bescheiden des BAA und in der Folge des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) verlängert.
I.3. Am 20.07.2016 brachte die BF1 für ihren in Österreich geborenen Sohn, den Zweitbeschwerdeführer (BF2), einen Antrag auf internationalen Schutz im Familienverfahren ein. Mit Bescheid des BFA vom 07.09.2016 wurde der Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.), dem BF jedoch gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 3 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm eine bis zum 15.07.2018 befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt III.).
I.4. Am 11.05.2017 langte beim BFA eine Mitteilung des Stadtpolizeikommandos XXXX ein, wonach die BF1 gemeinsam mit deren Ehegatten und ihrem Sohn (dem BF2) am 24.03.2017 ausgehend von Kopenhagen nach Bagdad gereist ist.
I.5. Daraufhin wurde vom BFA mit Aktenvermerk vom 09.04.2018 ein Aberkennungsverfahren gegen die Beschwerdeführer eingeleitet. Am 12.06.2018 brachten die Beschwerdeführer einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung beim BFA ein.
I.6. Die BF1 wurde dazu vom BFA am 20.08.2018 niederschriftlich einvernommen. Sie gab dabei im Wesentlichen an, dass sie 2017 in den Irak gereist sei, damit ihre krebskranke Mutter ihren Sohn kennenlernen könne. Sie habe sich die ganze Zeit über in XXXX aufgehalten. Im Jahr 2018 sei sie zudem in die Türkei gereist, um ihren Ehegatten zu treffen. Bei einer Rückkehr könne sie im Irak nicht leben, die Lage sei nicht stabil, es gebe keinen Strom, es sei gefährlich dort und sie habe Angst vor Terroristen.
I.7. Mit 04.10.2018 bestätigte das BFA, dass die Heimreisekosten für die BF übernommen werden. Am 17.10.2018 langte beim BFA eine Ausreisebestätigung des IOM ein, wonach die Beschwerdeführer am 11.10.2018 unter Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe in den Irak ausgereist sind.
I.8. Mit den im Spruch genannten Bescheiden des BFA vom 12.12.2018 wurde den Beschwerdeführern der Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.). In einem wurde die ihnen erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 entzogen (Spruchpunkt II.). Der Antrag der Beschwerdeführer auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung wurde gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt III.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde ihnen nicht erteilt (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 5 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 4 FPG erlassen (Spruchpunkt V.).
I.9. Gegen die genannten Bescheide wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.
I.10. Die Verwaltungsakten langten am 24.01.2019 bei der zuständigen Gerichtsabteilung ein.
I.11. Am 07.03.2019 langte beim BVwG die Bekanntgabe der Vollmachtsauflösung des ehemaligen rechtsfreundlichen Vertreters der Beschwerdeführer ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Das BVwG hat durch den Inhalt der übermittelten Verwaltungsakten der belangten Behörde, sowie durch Einholung von Auszügen aus dem ZMR, dem GVS sowie dem zentralen Fremdenregister Beweis erhoben.
II. 1. Feststellungen (Sachverhalt)
II.1.1. Der og. Verfahrensgang steht fest.
II.1.2. Die Identität der BF1 und des BF2 steht fest. Sie sind irakische Staatsangehörige, Araber und Moslems. Die BF1 ist mit einem irakischen Staatsangehörigen verheiratet. Sie war von August 2008 bis 11.10.2018 - mit Unterbrechungen - im Bundesgebiet aufhältig. Ihr wurde mit Bescheid des BFA vom 15.07.2009 der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.
Der BF2 ist der Sohn der BF1, wurde in Österreich geboren und war bis 11.10.2018 - mit Unterbrechungen - hierorts aufhältig. Ihm wurde mit Bescheid des BFA vom 07.09.2016 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Mit Bescheiden des BFA vom 12.12.2018 wurde den Beschwerdeführern der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak aberkannt.
Die BF1 war in Österreich in den Jahren 2011 bis 2018, überwiegend geringfügig und mit zahlreichen Unterbrechungen, als Küchenhilfe erwerbstätig. Die Beschwerdeführer leiden an keiner lebensbedrohenden Krankheit. Die BF1 hat im Jahr 2015 eine Deutschprüfung auf dem Niveau A1 absolviert. Die BF1 hat in Österreich einen Freundeskreis. In Österreich haben die Beschwerdeführer keine familiären Anknüpfungspunkte. Im Irak (Bagdad) lebt noch die Mutter der BF1.
II.1.3. Zur Rückkehr der Beschwerdeführer:
Die BF1 reiste erstmals gemeinsam mit dem BF2 und ihrem Ehegatten ausgehend von Kopenhagen am 24.03.2017 nach Bagdad. Danach hielt sie sich für einen nicht näher feststellbaren Zeitraum in der Türkei auf, ehe sie nach Schweden reiste, wo sie sich ebenso für einen nicht näher feststellbaren Zeitraum aufhielt. Danach kehrte sie zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt in das österreichische Bundesgebiet zurück. Die BF1 reiste ein weiteres Mal zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt Ende Mai 2018 in die Türkei aus, wo sie sich in Istanbul aufhielt, ehe sie am 01.06.2018 ins Bundesgebiet zurückkehrte. Die Beschwerdeführer verfügten von 29.06.2017 bis 04.06.2018 über keine aufrechte österreichische Meldeadresse. Am 11.10.2018 reisten die BF1 und der BF2 unter Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe in den Irak aus. Seither sind sie nicht mehr im Bundesgebiet aufhältig.
Dass den Beschwerdeführern im Irak die reale Gefahr der Verletzung der in Art. 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention drohen würde oder für sie als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, konnte nicht festgestellt werden.
II.1.4. Zur Lage im Herkunftsstaat:
Zu den Feststellungen der belangten Behörde hinsichtlich der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Irak schließt sich das ho. Gericht den Feststellungen der belangten Behörde in den angefochtenen Bescheiden an.
II. 2. Beweiswürdigung
II.2.1. Die Identität der Beschwerdeführer steht aufgrund der der im Akt befindlichen Reisedokumente (Kopie irak. Reisepass, ausgestellt am 05.11.2015 - AS 611) bzw. der Geburtsurkunde des BF2 fest. Die sonstigen Feststellungen zur Person der BF1 und des BF2 ergeben sich aus dem unstrittigen Akteninhalt. Die Feststellungen zum bisherigen Aufenthalt der Beschwerdeführer, insbesondere zu deren bisherigen Aufenthaltstiteln, stützen sich auf den ebenso unstrittigen Akteninhalt.
Die Feststellungen zu den hiesigen Lebensumständen ergeben sich aus den glaubhaften Angaben der BF1 in Zusammenschau mit den von ihr vorgelegten Unterlagen.
II.2.2. Die Feststellungen zu den Reisebewegungen der Beschwerdeführer ergeben sich aus den eigenen Angaben der BF1 in Zusammenschau mit den diesbezüglichen, korrespondierenden Aktenbestandteilen (vgl. insbes. AS 463 bis 475 im Verfahrensakt zu L529 1408114-3). Nicht näher feststellbar war, mangels entsprechenden Nachweisen und konkreter Angaben, wie lange sich die Beschwerdeführer infolge ihrer ersten Ausreise in den Irak dort und danach in der Türkei und Schweden aufhielten, ehe sie ins österreichische Bundesgebiet zurückkehrten. Das Datum der zweiten Ausreise der BF1 in die Türkei konnte aufgrund ihrer unkonkreten Angaben lediglich auf den festgestellten Zeitraum eingegrenzt werden. Die Feststellungen zur fehlenden Meldeadresse im Bundesgebiet stützen sich auf die eingeholten ZMR-Auszüge. Die Feststellungen zur freiwilligen Ausreise der Beschwerdeführer konnten anhand der Ausreisebestätigungen der IOM getroffen werden (AS 605 und 607 im Verfahrensakt zu L529 1408114-3).
Aufgrund der freiwilligen Ausreise der Beschwerdeführer und aufgrund des Umstandes, dass diese seither nicht ins österreichische Bundesgebiet zurückkehrten war eine Bedrohung im Hinblick auf die in § 8 Abs. 1 Z. 2 AsylG 2005 genannten Gründe nicht anzunehmen, weshalb die entsprechende Negativfeststellung folgte.
Das BFA hat ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage nachvollziehbar zusammengefasst.
In der Beschwerde wurde kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüberhinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt glaubwürdig vorgebracht. Es werden im Wesentlichen die Angaben der BF1 im Verfahren wiederholt und ausgeführt, dass sich die BF1 während ihres Aufenthalts im Irak ausschließlich in XXXX aufgehalten habe, wobei XXXX vollkommen sicher sei. Zumal jedoch schon aus dem Akteninhalt (vgl. AS 463 bis 475 im Verfahrensakt zu L529 1408114-3) ersichtlich ist, dass die BF1 und der BF2 nicht direkt nach XXXX sondern nach Bagdad geflogen sind, wurde diesem Vorbringen bereits jegliche Glaubhaftigkeit und Plausibilität entzogen. Im Übrigen wurde in der Beschwerde bemängelt, dass die belangte Behörde bei Erlassung der Rückkehrentscheidung keine Interessenabwägung angestellt habe.
Das BVwG schließt sich den Feststellungen zum Sachverhalt und der dazu führenden Beweiswürdigung an. Im Übrigen werden weder der vom BFA festgestellte Sachverhalt noch die Beweiswürdigung des BFA in der Beschwerde substantiiert bekämpft, wie die obenstehenden Ausführungen zeigen, weshalb das BVwG nicht veranlasst war das Ermittlungsverfahren zu wiederholen bzw. zu ergänzen (vgl. z. B. VwGH 20.1.1993, 92/01/0950; 14.12.1995, 95/19/1046; 30.1.2000, 2000/20/0356; 23.11.2006, 2005/20/0551 ua.).
II.2.3. Zur Lage im Herkunftsstaat
Das Bundesamt stellte in den angefochtenen Bescheiden zutreffend fest, dass aufgrund der freiwilligen Rückkehr der Beschwerdeführer davon ausgegangen werden kann, dass diesen die gegenwärtige Lage im Herkunftsstaat bekannt ist und sich aus dieser keine Anhaltspunkte ergeben, die gegen deren Rückkehr sprechen.
Diesen Ausführungen war vor allem unter zentraler Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse der Beschwerdeführer, die im Herkunftsstaat noch über Familienangehörige verfügen, nicht entgegenzutreten und war nicht davon auszugehen, dass diese dort eine reale Gefährdung der hier maßgeblichen Rechtsgüter zu befürchten hätten.
II.3. Rechtliche Beurteilung
II.3.1. Zu Spruchpunkt I.: Aberkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten
II.3.1.1. § 9 AsylG 2005
(1) Einem Fremden ist der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn
1. die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) nicht oder nicht mehr vorliegen;
2. er den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat oder
3. er die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates erlangt hat und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen neuen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(2) - (3) [...]
(4) Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist mit dem Entzug der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu verbinden. Der Fremde hat nach Rechtskraft der Aberkennung Karten, die den Status des subsidiär Schutzberechtigten bestätigen, der Behörde zurückzustellen.
II.3.1.2. Im gegenständlichen Fall sind die BF1 und der BF2 am 11.10.2018 unter Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe freiwillig in den Irak zurückgekehrt. Die belangte Behörde gelangte angesichts dessen zur Auffassung, dass die Beschwerdeführer den Tatbestand des § 9 Abs. 1 AsylG 2005 verwirklicht hätten.
Asylberechtigten ist gemäß § 7 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 ihr Status unter anderem abzuerkennen, wenn sie den Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen in einem anderen Staat haben. Schon den Gesetzesmaterialien zu § 9 AsylG 2005 ist zu entnehmen, dass es, würde diese Regelung nun nur für Asylberechtigte gelten, eine Schlechterstellung gegenüber jenen Fremden, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, bedeuten, da deren Status nicht entzogen werden könnte (vgl. ErlRV 952 BlgNR XXII. GP, Zu §9). Sohin wurde der dem § 7 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 entsprechende Aberkennungsgrund auch bezüglich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in § 9 Abs. 1 Z. 2 AsylG 2005 normiert. Aufgrund des gleichen Wortlautes ist auch die zu § 7 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 ergangene hg. Rechtsprechung auf § 9 Abs. 1Z. 2 AsylG 2005 übertragbar.
Den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat, hat der Betreffende dann iSd § 7 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005, wenn er dort seinen Hauptwohnsitz begründet hat. Es muss sich um einen anderen als den Herkunftsstaat handeln, da dieser bereits durch Art. 1 Abschnitt C Z. 4 der GFK und sohin durch § 7 Abs. 1 Z. 2 AsylG 2005 erfasst ist (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, AsylG § 7 K13). Zumal in § 9 Abs. 1 AsylG 2005 keine dem § 7 Abs. 1 Z. 2 AsylG 2005 entsprechende Regelung normiert ist, ist, anders als beim Asylaberkennungsverfahren, für die Verwirklichung des § 9 Abs. 1 Z. 2 AsylG 2005 auch die Rückkehr und Verlegung des Mittelpunkts der Lebensbeziehungen des Betroffenen in den Herkunftsstaat denkbar. Eine andere Beurteilung wäre sachlich nicht rechtfertigbar, zumal die neuerliche Wohnsitznahme im Herkunftsstaat noch deutlicher gegen die Gefahr der Verletzung der durch § 8 Abs. 1 AsylG 2005 geschützten Menschenrechte spricht, als die Wohnsitznahme in einem anderen Staat. Art. 1 Abschnitt C Z. 4 der GFK normiert, dass eine Person nicht mehr unter die Bestimmungen des Abkommens fällt, wenn sie freiwillig in das Land, das sie aus Furcht vor Verfolgung verlassen hat oder außerhalb dessen sie sich befindet, zurückgekehrt ist und sich dort niedergelassen hat. Ein derartiger Sachverhalt ist idR auch schon durch die Z. 1 leg cit erfasst (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, AsylG § 7 K7), der zufolge eine Person schon dann nicht mehr unter die Bestimmungen der GFK fällt, wenn sie sich freiwillig erneut dem Schutz des Landes, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, unterstellt. Die freiwillige Niederlassung im bisherigen Verfolgerstaat iSd § 9 Abs. 1 Z. 2 AsylG 2005 verlangt einen auf Dauer angelegten Aufenthalt, wie eine auf Dauer angelegte Wohnsitznahme.
II.3.1.3. Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies:
Die BF1 reiste bereits im Jahr 2017 erstmals zurück in den Herkunftsstaat. Konnte sie die damalige Rückkehr noch damit rechtfertigen, dass sie ihre schwerkranke Mutter besuchen habe wollen und ihr den BF2 vorstellen habe wollen, so fehlt eine entsprechende Konstellation für die vom BFA den gegenständlichen, angefochtenen Bescheiden zugrunde gelegte freiwillige Ausreise der BF1 und des BF2 am 11.10.2018. Dem Antragsformular für die freiwillige Rückkehr der BF1 ist zu entnehmen, dass diese finanzielle Starthilfe für die Wiederaufnahme ihres Lebens im Irak beantragte und angab an RI-Projekten der IOM teilzunehmen, weshalb nicht von einer bloß vorübergehenden Rückkehr auszugehen ist. Da die Beschwerdeführer seit der Ausreise aus Österreich nicht in das österreichische Bundesgebiet zurückkehrten und keine gegenteiligen Informationen einlangten ist davon auszugehen, dass sich diese nach wie vor im Irak befinden und sich dort sohin dauerhaft iSd der og. Kriterien niedergelassen und einen Wohnsitz im Herkunftsstaat genommen haben. Zumal der bisherige Rechtsvertreter mit Eingabe vom 07.03.2019 die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses bekanntgab ist auch aktuell nicht mit einer Rückkehr der Beschwerdeführer zu rechnen, sondern vielmehr davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer den Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen in den Irak zurückverlegt haben.
Gegenständlich kommt noch hinzu, dass die BF1 im Besitz eines am 05.11.2015 ausgestellten irakischen Reisepasses ist.
Dass die Umstände (im Herkunftsstaat), die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt haben, dort nicht mehr bestehen oder sich in einem Maße verändert haben, dass ein solcher Schutz nicht mehr erforderlich ist, wird mit der freiwilligen Rückkehr und dem Verbleib dort (durch die BF1 und BF2) - konkludent - als gegeben unterstellt, wären sie ansonsten doch nicht dorthin ausgereist und anschließend auch verblieben.
Nach Ansicht des BVwG sind die dargestellten Voraussetzungen für die Aberkennung des Status als subsidiär Schutzberechtiger gemäß § 9 Abs. 1 Z. 1 und 2 AsylG 2005 hinsichtlich der Beschwerdeführer daher gegeben.
Hinsichtlich der Beschwerdeführer liegt ein Familienverfahren gemäß § 34 AsylG 2005 vor.
Bei der Aberkennung des subsidiären Schutzes gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 im Familienverfahren ist zu prüfen, ob die Aberkennung hinsichtlich keines der Familienangehörigen eine Verletzung der angeführten Menschenrechte bedeuten würde; auch dann, wenn dies bei der Zuerkennung des Status aufgrund der Familienangehörigkeit möglicherweisen gar nicht relevant war. Hätte die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten für nur eines der Familienmitglieder die Verletzung der genannten Menschenrechte zur Folge, so kommt eine Aberkennung für keines der Familienmitglieder in Betracht (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, AsylG § 9 K7).
Zumal auch der BF2 mit seiner gesetzlichen Vertretung - der BF1 - zurückkehrte und seither im Irak aufhältig ist, liegen keine entsprechenden Anhaltspunkte für etwaige Menschenrechtsverletzungen vor.
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide war daher als unbegründet abzuweisen.
II.3.2. Zu Spruchpunkt II.: Entzug der befristeten Aufenthaltsberechtigung
Gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 ist die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit dem Entzug der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu verbinden. Da die belangte Behörde den Beschwerdeführern zurecht deren Status der subsidiär Schutzberechtigten aberkannte, stütze sich die Anordnung in Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide rechtskonform auf die Bestimmung des § 9 Abs. 4 AsylG 2005. Die Beschwerde war daher auch gegen Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide abzuweisen.
Zu Spruchpunkt III.: Abweisung der Verlängerungsanträge
Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.
Zumal die belangte Behörde in Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide den Beschwerdeführern deren Status der subsidiär Schutzberechtigten aberkannte und die dagegen erhobene Beschwerde mit Erkenntnis vom heutigen Tag als unbegründet abgewiesen wurde, liegen die Voraussetzungen zur Verlängerung ihres Status nicht mehr vor, weshalb die belangte Behörde den Verlängerungsantrag der Beschwerdeführer zu Recht gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 abwies.
Die Beschwerde war daher auch gegen Spruchpunkt III. der angefochtenen Bescheide als unbegründet abzuweisen.
II.3.3. Zu Spruchpunkt IV. bis V.: Rückkehrentscheidung
II.3.3.1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.
Ob eine Rückkehrentscheidung letztlich zulässig ist, bedarf gemäß § 58 Abs. 1 Z. 4 AsylG 2005 einer amtswegigen Prüfung ob nicht die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 AsylG 2005 vorliegen:
Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
Es liegen keine Umstände vor, dass den Beschwerdeführern allenfalls von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz) zu erteilen gewesen wäre und wurde diesbezüglich in der Beschwerde auch nichts dargetan.
Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist, dass dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iSd Art. 8 EMRK geboten ist. Nur bei Vorliegen dieser Voraussetzung kommt ein Abspruch über einen Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 überhaupt in Betracht (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).
Gemäß § 52 Abs. 2 Z. 4 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
Die Beschwerdeführer sind irakische Staatsangehörige und somit keine begünstigten Drittstaatsangehörigen. Es kommt ihnen auch kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu. Daher war gegenständlich gemäß § 52 Abs. 2 Z. 4 FPG grundsätzlich eine Rückkehrentscheidung vorgesehen.
II.3.3.2. Gemäß § 52 FPG iVm § 9 BFA-VG darf eine Rückkehrentscheidung jedoch nicht verfügt werden, wenn es dadurch zu einer Verletzung des Privat- und Familienlebens käme.
Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung - nunmehr Rückkehrentscheidung - nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.
Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.
Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
Unter der Schwelle des § 50 FPG kommt den Verhältnissen im Herkunftsstaat unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens Bedeutung zu, sodass etwa "Schwierigkeiten beim Beschäftigungszugang oder bei Sozialleistungen" in die bei der Erlassung der Rückkehrentscheidung vorzunehmende Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG miteinzubeziehen sind (vgl. VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0119 unter Hinweis auf VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).
Bei der Interessenabwägung ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101) auch ein Vorbringen zu berücksichtigen, es werde eine durch die Rückkehr in den Heimatstaat wegen der dort herrschenden Verhältnisse bewirkte maßgebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Fremden, insbesondere die deutliche Verschlimmerung psychischer Probleme, eintreten (vgl. VwGH 11.10.2005, 2002/21/0132; 28.03.2006, 2004/21/0191; zur gebotenen Bedachtnahme auf die durch eine Trennung von Familienangehörigen bewirkten gesundheitlichen Folgen VwGH 21.04.2011, 2011/01/0093). Bei dieser Interessenabwägung ist unter dem Gesichtspunkt des § 9 Abs. 2 Z 5 BFA-VG 2014 (Bindungen zum Heimatstaat) auch auf die Frage der Möglichkeiten zur Schaffung einer Existenzgrundlage bei einer Rückkehr dorthin Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 31.01.2013, 2012/23/0006).
Das Recht auf Achtung des Familienlebens iSd Art. 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt (EGMR Kroon, VfGH 28.06.2003, G 78/00); etwa bei Zutreffen anderer Faktoren aus denen sich ergibt, dass eine Beziehung genügend Konstanz aufweist, um de facto familiäre Bindungen zu erzeugen: z. B. Natur und Dauer der Beziehung der Eltern und insbesondere, ob sie geplant haben, ein gemeinsames Kind zu haben; ob der Vater das Kind als eigenes anerkannt hat; ob Unterhaltszahlungen für die Pflege und Erziehung des Kindes geleistet wurden; und die Intensität und Regelmäßigkeit des Umgangs (EGMR v. 8.1.2009, Zl 10606/07, Fall Grant gg. Vereinigtes Königreich).
Die Beschwerdeführer haben keine familiären Anknüpfungspunkte in Österreich, sind am 11.10.2018 in den Irak ausgereist und seither nicht mehr in Österreich aufhältig. Ein schützenswertes Familienleben besteht daher nicht.
II.3.3.3. Die aufenthaltsbeendende Maßnahme könnte daher allenfalls noch in das Privatleben der Beschwerdeführer eingreifen.
Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.
Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, in ÖJZ 2007, 852 ff.). Eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration ist erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/10/0479, davon aus, dass "der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [...] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte". Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichthof bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055 ua. mwH).
Auch bei einem mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthalt in Verbindung mit dem Vorliegen gewisser integrationsbegründender Aspekte ist dann nicht zwingend von einem Überwiegen des persönlichen Interesses auszugehen, wenn dem Umstände entgegenstehen, die das gegen einen Verbleib im Inland sprechende öffentliche Interesse verstärken bzw. die Länge der Aufenthaltsdauer im Inland relativieren. Es ist daher auch in Fällen eines mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthaltes eine Gesamtabwägung unter Einbeziehung aller fallbezogen maßgeblichen Aspekte vorzunehmen, wenn auch unter besonderer Gewichtung der langen Aufenthaltsdauer (vgl. VwGH 17.10.2016, Ro 2016/22/0005).
In diesem Zusammenhang ist auch auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) vom 8.4.2008, NNYANZI gg. das Vereinigte Königreich, hinzuweisen. Darin erachtete es der EGMR im Fall einer Asylwerberin, deren Verfahren insgesamt bereits rund 10 Jahre dauerte - die Beschwerdeführerin hatte in dieser Zeit einen Beruf erlernt, beteiligte sich an der Kirchengemeinschaft, hatte Freunde, darunter eine Beziehung zu einem Mann - nicht als notwendig zu entscheiden, ob die Beziehungen, welche sie während ihres beinahe zehnjährigen Aufenthalts im Vereinigten Königreich begründet hat, Privatleben iSd Art. 8 EMRK darzustellen geeignet ist. Selbst unter der Annahme, dass dem so wäre, sei die in Aussicht genommene Abschiebung nach Uganda gesetzlich vorgesehen und durch ein legitimes Ziel motiviert, nämlich die "Aufrechterhaltung und Stärkung der Einwanderungskontrolle". Jedes von der Beschwerdeführerin während ihres Aufenthalts im Vereinigten Königreich etablierte Privatleben würde ihre Abschiebung bei einer Abwägung gegen das legitime öffentliche Interesse an einer wirksamen Einwanderungskontrolle nicht zu einem unverhältnismäßigen Eingriff machen. Anders als im Fall Üner/NL sei die Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall kein niedergelassener Einwanderer. Ihr wäre nie ein Bleiberecht im belangten Staat erteilt worden. Ihr Aufenthalt im Vereinigten Königreich während der Anhängigkeit ihrer verschiedenen Asylanträge und Menschenrechtsbeschwerden sei immer prekär gewesen und ihre Abschiebung aufgrund der Abweisung dieser Anträge werde durch eine behauptete Verzögerung ihrer Erledigung durch die Behörden nicht unverhältnismäßig. Die Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Uganda würde daher keine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen.
Zwar kann die BF1 auf einen mehr als zehnjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet verweisen, wobei dieser grundsätzlich durchgehend legal war, zumal ihr bislang der Status der subsidiär Schutzberechtigten zukam. Allerdings wird das Gewicht ihrer langen Aufenthaltsdauer dadurch erheblich abgeschwächt, dass die BF mehrmals aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgereist ist und sich während ihrer Auslandsaufenthalte in jeweils nicht näher feststellbarem zeitlichem Ausmaß nicht in Österreich befand und sogar in den Irak zurückkehrte. Sie verfügte sie von 29.06.2017 bis 04.06.2018 über keine aufrechte österreichische Meldeadresse.
Im Fall der BF 1 kommt auch noch hinzu, dass sie im Besitz eines am 05.11.2015 ausgestellten irakischen Reisepasses ist.
Zwar war die BF1 während ihres Aufenthalts mehrfach als geringfügig Beschäftigte, sowie kurzzeitig als Vollzeitbeschäftigte Küchenhilfe legal im Bundesgebiet erwerbstätig, allerdings bezog sie bis 30.04.2017 Leistungen der staatlichen Grundversorgung und bestritt ihren Lebensunterhalt vornehmlich durch die Leistungen der Grundversorgung. Sie hat trotz ihres langen Aufenthalts in Österreich erst eine Deutschprüfung auf dem Niveau A1 absolviert. Sie verfügt hierorts zwar über Freunde und Bekannte, über das übliche Maß hinausgehende soziale Kontakte waren jedoch nicht feststellbar. Andere Integrationsaspekte waren nicht feststellbar. Zumal die BF1 trotz ihres langjährigen Aufenthalts kaum integrative Schritte gesetzt hat, kann von einer gelungenen Integration der BF1 weder in sprachlicher, beruflicher oder gesellschaftlicher Hinsicht gesprochen werden. Ein besonders berücksichtigungswürdiges Privatleben infolge einer fortgeschrittenen Integration der BF1 im Bundesgebiet war sohin nicht erkennbar. Außergewöhnliche Umstände, die zu einem Überwiegen der privaten Interessen am Weiterverbleib der BF1 führen würden, konnten somit nicht festgestellt werden.
Demgegenüber wurde die BF1 im Irak geboren und lebte dort bis zur Ausreise - verbrachte daher den überwiegenden Teil ihres bisherigen Lebens dort. Sie wurde dort sozialisiert und spricht Arabisch auf muttersprachlichem Niveau. In Bagdad lebt nach wie vor ihre Mutter, mit der sie vor ihrer Ausreise aus Österreich regelmäßig in Kontakt stand. Auch ist davon auszugehen, dass dort weitere Verwandte und Bekannte der BF1 leben. Schließlich sprach gewichtig für eine stärkere Bindung der BF1 zum Irak, dass sie am 11.10.2018 unter Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe freiwillig dorthin zurückkehrte und seither nicht wieder nach Österreich reiste. In Anbetracht dessen ist davon auszugehen, dass sie sich bei der Wiedereingliederung keinerlei Problemen gegenübersah und dort in der Lage ist, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Zudem kann sie im Irak von ihren Verwandten unterstützt werden.
Der minderjährige BF2 wurde am XXXX in Österreich geboren. Zum Zeitpunkt der Ausreise am 11.10.2018 war er daher ca. zweieinhalb Jahre alt. Soweit, wie im vorliegenden Fall, Kinder von der Rückkehrentscheidung betroffen sind, sind nach der Judikatur des EGMR die besten Interessen und das Wohlergehen dieser Kinder, insbesondere das Maß an Schwierigkeiten, denen sie im Heimatstaat begegnen, sowie die sozialen, kulturellen und familiären Bindungen sowohl zum Aufenthaltsstaat als auch zum Heimatstaat zu berücksichtigen (vgl. dazu die Urteile des EGMR vom 18.10.2006, Üner gegen die Niederlande, Beschwerde Nr. 46410/99, Rz 58, und vom 6.07.2010, Neulinger und Shuruk gegen die Schweiz, Beschwerde Nr. 41615/07, Rz 146). Maßgebliche Bedeutung hat der EGMR dabei den Fragen beigemessen, wo die Kinder geboren wurden, in welchem Land und in welchem kulturellen und sprachlichen Umfeld sie gelebt haben, wo sie ihre Schulbildung absolviert haben, ob sie die Sprache des Heimatstaats sprechen, und insbesondere ob sie sich in einem anpassungsfähigen Alter ("adaptable age"; vgl. dazu die Urteile des EGMR vom 31.07.2008, Darren Omoregie und andere gegen Norwegen, Beschwerde Nr. 265/07, Rz 66, vom 17.02.2009, Onur gegen das Vereinigte Königreich, Beschwerde Nr. 27319/07, Rz 60, und vom 24.11.2009, Omojudi gegen das Vereinigte Königreich, Beschwerde Nr. 1820/08, Rz 46) befinden (vgl. VwGH 21.04.2011, 2011/01/0132).
Dabei ist zusätzlich zu beachten, dass dem minderjährigen Beschwerdeführer der objektiv unrechtmäßige Aufenthalt subjektiv nicht im gleichen Ausmaß wie seinen Eltern zugerechnet werden kann (vgl. VfGH 07.10.2014, U 2459/2012 ua.).
Der zum Ausreisezeitpunkt zweieinhalb bzw. inzwischen dreijährige BF2 ist in Österreich geboren. Er lebte zunächst im Familienverband mit den Eltern bzw. nach deren Trennung bei seiner Mutter. Es ist daher davon auszugehen, dass der BF2, seinem geringen Alter entsprechend, mit den kulturellen Gegebenheiten seines Heimatlandes und seiner Muttersprache vertraut gemacht wurde, insbesondere da der BF2 mit seiner Mutter bereits am 11.10.2018 freiwillig in den Irak zurückkehrte und dort inzwischen bereits mehr als elf Monate verbracht hat. Der Verbleib im Herkunftsstaat mit seiner Mutter ist daher und auch angesichts der dort noch lebenden Verwandten zumutbar. Aufgrund seines jungen Alters befindet er sich zudem jedenfalls im anpassungsfähigen Alter. Er hatte seine Sozialisation in Österreich zudem, soweit eine solche aufgrund seines sehr jungen Alters überhaupt möglich war, eben erst begonnen, weshalb diese nicht als dermaßen fortgeschritten angesehen werden kann, dass sie nicht auch in seinem Herkunftsstaat fortgesetzt werden könnte, zumal er im Heimatland weiter in Obsorge seiner Mutter ist und diese ihm seine Eingliederung in den Herkunftsstaat erleichtern kann (zur Sozialisation von Kindern etwa nach Vollendung des dritten Lebensjahres vgl. VwSlg. 14972 A/1998 und VwGH 19.01.2006, 2005/21/0297).
Die Feststellung der strafrechtlichen Unbescholtenheit der Beschwerdeführer stellt der Judikatur folgend weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen dar (VwGH 21.1.1999, 98/18/0420).
Die Beschwerdeführer vermochten zum Entscheidungszeitpunkt daher keine entscheidungserheblichen integrativen Anknüpfungspunkte im österreichischen Bundesgebiet darzutun, welche zu einem Überwiegen der privaten Interessen der Beschwerdeführer an einem Verbleib im österreichischen Bundesgebiet gegenüber den öffentlichen Interessen an ihrer Rückkehr in den Herkunftsstaat führen könnten. Zwar hielten sich die Beschwerdeführer als subsidiär Schutzberechtigte rechtmäßig im Bundesgebiet auf, allerdings sind sie bereits im Jahr 2017 vorübergehend in ihren Herkunftsstaat zurückgekehrt, was als relevanter Verstoß gegen das Einwanderungsrecht in die gg. Interessenabwägung einzubeziehen ist. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Artikel 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (VwGH 16.01.2001, Zl. 2000/18/0251, uva), weshalb ein derart gravierender Verstoß - wie jener der Beschwerdeführer - ein gewichtiges Interesse an deren Außerlandesbringung begründet.
Aufgrund der genannten Umstände überwiegen in einer Gesamtabwägung derzeit die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung bei Weitem die privaten Interessen der Beschwerdeführer am Verbleib im Bundesgebiet. Insbesondere das Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Sinne eines geordneten Fremdenwesens wiegt in diesem Fall schwerer als die privaten Interessen der Beschwerdeführer an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet. Im Übrigen sind die Beschwerdeführer bereits am 11.10.2018 ausgereist und befinden sich sohin bereits mehr als elf Monate nicht mehr im Bundesgebiet, was deren Interesse am hiesigen Aufenthalt in besonderem Maß mindert.
Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG überwiegt daher das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthaltes der Beschwerdeführer im Bundesgebiet deren persönliches Interesse am Verbleib, weshalb durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.
Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG stellt sohin keine Verletzung der Beschwerdeführer in ihrem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK dar.
II.3.4. Absehen von einer mündlichen Beschwerdeverhandlung
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung vor dem BVwG unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt wurde vom Bundesamt vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben und ist bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch als aktuell und vollständig zu erachten. Für die in der Beschwerde behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens ergeben sich aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes keine hinreichenden Anhaltspunkte, die einer nochmaligen Anhörung des BF und Ergänzung des Verfahrens bedurft hätten. Das Bundesamt hat die, die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt und hat das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung geteilt.
In der Beschwerde wurde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüberhinausgehender, für die Beurteilung relevanter Sachverhalt konkret und substantiiert behauptet, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG 2014 festgelegte Neuerungsverbot verstößt.
Die Beschwerde zeigt auch nicht auf, was bei einer nochmaligen Anhörung - außer einer bloßen Wiederholung des bisherigen Vorbringens - an entscheidungsrelevantem Sachverhalt hätte hervorkommen können.
Es konnte daher davon ausgegangen werden, dass der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als hinreichend geklärt anzusehen ist und daher von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen werden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten Aberkennungstatbestand § 9 Abs. 1 Familienverfahren freiwillige Ausreise Interessenabwägung öffentliche Interessen Privat- und Familienleben Resozialisierung Rückkehrentscheidung Rückkehrhilfe soziale VerhältnisseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:L529.1408114.3.00Im RIS seit
23.09.2020Zuletzt aktualisiert am
23.09.2020