TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/10 L515 2205510-1

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Veröffentlicht am 10.10.2019
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Entscheidungsdatum

10.10.2019

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §55
AVG §62 Abs4
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §55
VwGVG §28 Abs1

Spruch

L515 2205510-1/12E

L515 1314561-2/12E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. H. LEITNER als Einzelrichter beschlossen:

Das am 22.2.2019 mündlich verkündete Erkenntnis betreffend

- XXXX , StA der Republik Armenien, GZ L515 2205510-1/7Z und

- XXXX , StA der Republik Armenien, GZ L515 1314561-2/7Z,

beide vertreten durch RA Michael-Thomas Reichenvater

WIRD VON AMTS WEGEN GEM. § 62 ABS. 4 AVG 1991, BGBL. I NR. 51/1991 IDGF DAHINGEHEND BERICHTIGT, DASS DAS SATZ 2 DER ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE WIE FOLGT ZU LAUTEN HAT:

"AUFGRUND DES ERGEBNISSES DES BEWEISVERFAHRENS GEHT DAS HO. GERICHT DAVON AUS, DASS DIE BP ANGEHÖRIGE DER ARMENISCHEN VOLKSGRUPPE IN DER REPUBLIK ARMENIEN UND STAATSBÜRGER DER REPUBLIK ARMENIEN SIND."

SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DES AM 22.5.2019 MÜNDLICH VERKÜNDETEN ERKENNTNISSES:

IM NAMEN DER REPUBLIK!

1.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. H. LEITNER als Einzelrichter über die Beschwerde von

- XXXX , StA der Republik Armenien, GZ L515 2205510-1/7Z und

- XXXX , StA der Republik Armenien, GZ L515 1314561-2/7Z,

zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß 28 Abs. 1 VwGVG, Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz), BGBl I 33/2013 idgF, §§ 55, § 10 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG, BGBl I Nr. 87/2012 idgF, sowie §§ 52 Abs. 3 und Abs. 9, 46 und 55 FPG 2005, BGBl 100/2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrenshergang

I.1.1. Die beschwerdeführenden Parteien (in weiterer Folge kurz als "bP" bzw. gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch als "bP1" und "bP2" bezeichnet), sind Staatsangehörige der Republik Armenien.

Die volljährige bP1 ist die Mutter von bP2, welche zum Zeitpunkt der Einreise noch minderjährig war. Zwischenzeitig ist sie volljährig.

I.1.2. Die bP brachten nach rechtswidriger Einreise am 3.3.2007 einen Antrag auf internationalen Schutz ein, welcher vom damaligen Bundesasylamt abgewiesen wurde. Weiters wurde eine Ausweisung erlassen. Eine dagegen eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des AsylGH vom 5.7.2011 in allen Spruchpunkten abgewiesen und erwuchs am 8.7.2011 in Rechtskraft.

Der AsylGH ging davon aus, dass sich die Schilderung der behaupteten Repressalien als nicht glaubhaft erwies und auch sonst keine Rückkehrhindernisse hervorkamen. Insbesondere Verfügen die bP in Armenien über eine Existenzgrundlage, zumal sie Zugang zum Arbeitsmarkt und Sozialsystem haben und Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen können. Auch der Gesundheitszustand der bP, insbesondere der bP1 stelle kein Abschiebehindernis dar. Auch verfügen die bP im Bundesgebiet über keine derart ausgeprägten Anknüpfungspunkte, welche ein Überwiegen der privaten Interessen iSd Art. 8 Abs. 2 überwiegen lassen würden.

Anlässlich der Antragstellung und auch im Beschwerdeverfahren traten die bP unter falscher Identität auf.

Die bP wurden nach rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens am 15.9.2011 darüber informiert, dass sie aufgrund der durchsetzbaren Ausweisungsentscheidung in Bezug auf ihren Herkunftsstaat unverzüglich das Bundesgebiet zu verlassen haben. Ebenso wurden sei über die Möglichkeit der freiwilligen Rückkehr informiert.

I.1.2. Im Anschluss verharrten die bP im rechtswidrigen Aufenthalt und ignorierten ihre Verpflichtung zum Verlassen des Bundesgebiets und stellten am 24.10.2011 einen unzulässigen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gem. § 43 Abs. 3 NAG aF iVm § 44b Abs. 1 Z NAG, welcher von der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde mit Bescheid vom 3.5.2012 zurückgewiesen wurde. Eine dagegen eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des zuständigen LVwG vom 9.3.2017 abgewiesen.

Auch in diesem Verfahren traten die bP unter falscher Identität auf.

I.1.3. Die bP verharrten weiterhin im rechtswidrigen Aufenthalt im Bundesgebiet und ignorierten weiterhin ihre Obliegenheit zum Verlassen des Bundesgebietes.

I.1.4.1. Am 12.4.2017 stellten die bP bei der belangten Behörde ("bB") einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG. Sie verwiesen auf die nach ihrem Dafürhalten fortgeschrittene Integration und den nunmehr verstrichenen Zeitraum.

Die bP1 legte einen im Jahre 2017 ausgestellten armenischen Reisepass und die bP2 eine Geburtsurkunde, aus der hervorgeht, dass ihr Vater ethnischer Armenier -und nicht wie im Asylverfahren behauptet Aseri- ist.

I.1.4.2. Der Antrag wurde gem. § 55 AsylG abgewiesen. Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Armenien gemäß § 46 FPG zulässig ist. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gem. § 55 Abs. 1 iVm Abs. 3 mit 14 Tagen festgelegt.

I.2. Die bB ging davon aus, dass die von den bP beschriebenen und seitens der bB nicht angezweifelten privaten Anknüpfungspunkte iVm mit der Aufenthaltsdauer im Lichte des bisherigen Verhaltens der bP im Bundesgebiet nicht geeignet sind, im Rahmen einer Interessensabwägung von einem Überwiegen der privaten Interessen ausgehen zu können.

I.2.2. Zur abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Armenien traf die belangte Behörde keine Feststellungen.

I.2.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass sich keine Hinweise auf einen unter § 55 AsylG zu subsumierenden Sachverhalt ergeben und die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in die durch Art. 8 EMRK geschützten Rechte darstellt, sich die Abschiebung als zulässig darstellte und keine Gründe hervorkamen, welche eine längere Frist für die freiwillige Ausreise als jene in der Dauer von 14 Tagen gebieten würden.

I.3. Gegen den genannten Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Die bP verwiesen auf den bisherigen Sachverhalt, verwiesen insbesondere auf ihren langjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet, auf den Umstand, dass sie nunmehr ihre Identität richtiggestellt hätten, die bP an ihrem Wohnsitz im Bundesgebiet ordnungsgemäß gemeldet seien und ein homogenes Familienleben führen würden. Die bP verfügen in der Republik Armenien über keine Existenzgrundlage und können sich dort auch keine solche schaffen.

Das seitens der bB geführte Ermittlungsverfahren stelle sich als oberflächlich und mangelhaft dar, was im Rahmen einer Gesamtschau dazu führte, dass die bP in ihrer Entscheidungsfindung rechts- und tatsachenirrig vorging.

I.4. Nach Einlangen der Beschwerdeakte lud das ho. Gericht die Verfahrensparteien für den 22.5.2019 zu einer Beschwerdeverhandlung.

I.4.1. Gemeinsam mit der Ladung wurden den bP Feststellungen zur abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Armenien übermittelt. Aus diesen geht hervor, dass in Armenien von einer unbedenklichen Sicherheitslage auszugehen und der armenische Staat gewillt und befähigt ist, auf seinem Territorium befindliche Menschen vor Repressalien Dritter wirksam zu schützen. Ebenso ist in Bezug auf die Lage der Menschenrechte davon auszugehen, dass sich hieraus in Bezug auf die bP ein im Wesentlichen geachtet werden. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass in der Republik Armenien die Grundversorgung der Bevölkerung gesichert ist, eine soziale Absicherung auf niedrigem Niveau besteht, verschiedene Organisationen jene Menschen unterstützen, die nicht für die Sicherung der eigenen Existenz sorgen können, die medizinische Grundversorgung flächendeckend gewährleistet ist, Rückkehrer mit keinen Repressalien zu rechnen haben und in die Gesellschaft integriert werden. In Bezug auf Rückkehrer ergibt sich aus den Feststellungen, dass diese den vollen Zugang zum armenischen Sozialwesen und zu in Armenien tätigen Organisationen, sowie zum armenischen Gesundheitssystem und Arbeitsmarkt haben, sowie verschiedene Organisationen Beratung- und Hilfsleistungen anbieten. Im Falle drohender Obdachlosigkeit besteht die Möglichkeit einer vorübergehenden Wohnungsnahme und werden solche Menschen in weiterer Folge bei der Wohnungssuche unterstützt.

In Armenien besteht für alle Männer vom 18. - 27. Lebensjahr Wehrpflicht und unterliegt die Entziehung der Wehrpflicht strafrechtlicher Sanktionen. Dennoch haben Rückkehrer grundsätzlich mit keiner Bestrafung zu rechnen, wenn sie sich nach der Rückkehr bei der zuständigen Behörde melden. Ermittlungsverfahren wegen Wehrdienstenzuges werden in diesem Falle eingestellt, für Männer über 27 Jahre besteht die Möglichkeit der Bezahlung einer Geldbuße. Als Alternative zur Ableistung des Wehrdienstes steht es den Wehrpflichtigen offen, Zivildienst abzuleisten.

Zu den übermittelten Feststellungen zur abschiebungsrelevanten Lage in Armenien gaben die bP vor der Verhandlung keine Stellungnahme ab.

I.4.2. Der Verlauf der Verhandlung wird wie folgt wiedergegeben:

"...

RI: Wollen Sie ihre Angaben zu Ihrem Gesundheitszustand vor der belangten Behörde oder in der Beschwerdeschrift ergänzen?

P1: Ich habe ständig Stress, jede Minute. Ich nehme Medikamente ein, ich nehme Tabletten gegen meinen Bluthochruck ein.

RI: Leiden Sie an einer Krankheit, die in ihrem Herkunftsstaat nicht behandelbar ist?

P1: Ich habe diese Krankheit in Österreich bekommen. Ich kann nachts nicht schlafen. Ich habe in Armenien niemanden, ich habe nur meinen Sohn und der ist da. Ich habe dort weit entfernte Verwandte habe aber keinen Kontakt zu diesen. Ich habe auch Probleme mit der Schilddrüse, aber ich bekomme hier deswegen keine Medikamente.

RI: Sie wurden bereits beim BFA zu ihren privaten und familiären Verhältnissen befragt und haben im Verfahren auch von sich aus entsprechende Unterlagen vorgelegt. Wollen Sie sich hierzu weitergehend äußern bzw. hat sich diesbezüglich etwas geändert?

P1: Ich habe keine Möglichkeit zurückzukehren, ich habe dort niemanden und nichts, keine Eltern. Ich denke immer daran, dass an der Grenze, jeden Tag zahlreiche junge Leute umkommen. Einmal pro Monat kommt die Polizei, hier in Österreich, sie klopft an die Türe um zu überprüfen, ich bekomme Stress, ich nehme Passedan Tropfen, gegen meinen Stress.

RI: An welcher armenischen Grenze kommen Ihrer Ansicht nach zahlreiche armenische, Junge Leute um?

P1: An der Grenze zwischen Aserbaidschan und Armenien. Ich weiß, dass es mir im Falle einer Rückkehr sehr schlecht gehen wird. Ich habe jeden Tag Stress. Sobald ich in Armenien lande werde ich kein Leben mehr haben. Mein Sohn ist ein junger Mann, er hat auch Stress, ich schäme mich, dass ich jetzt vor so vielen Leuten weinen muss. Seit 12 Jahren leben wir ohne Möglichkeiten und ich habe keine Eltern gesehen und ich lebe ohne Perspektive. Ich möchte nicht, dass mein Sohn umkommt oder behindert wird. Ich schäme mich sehr. Ich bin auch ein Mensch, ich habe kein leichtes Leben. Ich möchte leben, es geht nicht darum was man isst oder anzieht. Mein Sohn ist ein junger Mann, wo soll man ihn hinschicken. Wenn ich alles hätte dann ginge es mir nicht so schlecht. Es ist eine angespannte Lage in Armenien. Man versucht die Korruption zu bekämpfen aber es kommt alles durcheinander.

...

Befragung von P1:

RI: Besitzen Sie einen Aufenthaltstitel in Österreich?

P1: Nein, wir warten noch. Ich hatte hier nie Probleme. Egal wo ich hingehe, es wird mir sehr schlecht gehen. Ich hatte keine Freude im Leben und habe nichts Gutes gesehen.

RI: Leben Sie in Österreich alleine oder mit jemanden zusammen?

P1: Mit meinem Sohn zusammen.

RI: Haben Sie in Österreich oder in anderen Staaten außerhalb Ihres Herkunftsstaates noch Verwandte?

P1: Nein.

RI: (ohne Dolmetscher) Sprechen Sie Deutsch?

P1: Ja, ein bisschen.

RI an P1: (ohne Dolmetscher) Was haben Sie gestern gemacht?

P1: Gestern, zu Hause Fernsehschauen, Aufräumen zu Hause, ich gehe Einkaufen und dann kommen zu Hause aufräumen, sitzen und bisschen Buch lesen Deutschbuch.

RI: (ohne Dolmetscher) Wie heißt das Buch?

P1: A1, A2 Buch habe ich zu Hause, ich lese gut, Sprache ein bisschen. Stress...

Mit Dolmetscherin.

RI: Wie nehmen Sie am sozialen Leben in Österreich teil (Mitgliedschaft bei Vereinen, Organisationen, ehrenamtliches Engagement, etc.)?

P1: Ja, ich arbeite freiwillig beim Sozialamt und helfe wo ich gebraucht werde.

RI: Sind Sie selbsterhaltungsfähig (Frage wird erklärt)?

P1: Ich bekomme derzeit Unterstützung vom Sozialamt aber, wenn ich ein Dokument hätte dann wäre ich bereit Arbeiten zu gehen um mich selbst zu erhalten.

RI: Sind Sie in Österreich strafrechtlich verurteilt?

P1: Nein.

RI: Sind Sie auf andere Art und Weise mit der österreichischen Rechtsordnung in Konflikt geraten?

P1: Nein.

RI: Haben Sie noch zu jemanden in ihrem Herkunftsstaat Kontakt?

P1: Nein.

RI: Warum sind Sie nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens und dem damit einhergehenden Verlust des Aufenthaltsrechts in Österreich ihrer gesetzlichen Obliegenheit nicht nachgekommen und haben das Bundesgebiet nicht verlassen?

P1: Wohin soll ich gehen, wenn ich hier lebe. Ich habe eine Erkrankung bekommen, soll ich dorthin gehen um zu sterben. Es ist besser, wenn ich hier sterbe.

RI: Sie lebten bis zur gegenständlichen Antragstellung in Österreich unter falsche Identität.

P1: Am Anfang habe ich das nicht verstanden, ich bin das erste Mal in diesem Land, man hat mich betrogen und angelogen. Ich habe mich dafür entschuldigt. Es gab auch eine Gerichtsverhandlung.

RI: Sie haben 10 Jahre zugewartet bis Sie Ihre Identität richtigstellten.

P1: Ja, ich habe das nicht gewusst, ich hatte Angst. Ich habe es nicht besser verstanden, ich meinte das gut. Ich wollte das nicht so machen. Auch für mich ist es unangenehm.

BehV: Sie wurden bei der Einvernahme vor dem BFA, im Zusammenhang mit der Asylantragstellung ausdrücklich belehrt, dass Sie die Wahrheit sagen müssen und auch über die Nachteile der urnichtigen Angaben belehrt. Warum sagten Sie nicht die Wahrheit?

P1: Zuerst habe ich anderen Personen gelglaubt und danach bekam ich Angst. Ich bin alleine da und habe niemanden der mich unterstützt. Ich machte das aus Angst.

BehV: Was war jetzt der Grund dafür, dass Sie nach über 10 Jahren Ihren Namen richtig stellen?

P1: Ich habe das so gewollt. Ich wollte das schon früher machen, hatte aber immer wieder Angst.

Der BehV hat keine weiteren Fragen.

RV: Vor was haben Sie Angst?

P1: Ich habe Angst, dass es Folgen geben könnte, weil ich andren geglaubt habe. Ich habe Angst, das ich alleine sein werde und mein Sohn nicht mehr bei mir sein kann.

RV: Was war der Grund dafür, dass Sie bei der Asylantragstellung einen falschen Namen angegeben haben?

P1: Ich habe anderen geglaubt, ich glaube jetzt niemanden mehr.

RV: hatten Sie Angst wegen Ihrer richtigen Identität nach Armenien abgeschoben zu werden?

P1: Ja, auch.

RV: Sind Sie auch caritativ bei der Caritas tätig?

P1: Ja.

RV: Wie oft?

P1: Einmal in der Woche.

RV: Was machen Sie dort?

P1: Ich reinige und dolmetsche, so viel ich kann.

RV: Ist der Arbeitsvorvertrag, aus dem Jahr 2018, wonach Sie als Küchenhilfe arbeiten können, noch gültig?

P1: Ja, der ist noch aktuell.

RV: Wann machen Sie die A2 Prüfung?

P1: Innerhalb von einem oder zwei Monaten, ich werde die Prüfung ablegen.

RV: Können Sie die Prüfung im Juni absolvieren?

P1: Ich werde es versuchen, wenn ich einen Prüfungstermin bekomme, dann schon.

RV: Gibt es ihrerseits noch Verwandte in Armenien?

P1: Wenig, aber ich habe keinen Kontakt zu ihnen.

RV: Wer lebt dort?

P1: Meine Cousine mütterlicherseits. Ich hatte damals keinen Kontakt zu ihr und auch jetzt nicht. nachgefragt gebe ich an, dass ich zu meinem geschiedenen Ehegatten auch keinen Kontakt habe. Mein Sohn war 2 Jahre alt, als ich mich scheiden ließ, seitdem habe ich keinen Kontakt zu meinem Exmann.

RV: Gibt es in Armenien eine Wohnmöglichkeit?

P1: Nein, nirgends.

RV: Sind Sie noch in psychotherapeutischer Behandlung?

P1: Ja, ich nehme Medikamente ein.

RV: Sie verweisen auf den vorgelegten Befund?

P1: Ja, da steht alles darinnen.

P1 verlässt um 11:14 Uhr den Verhandlungssaal.

Der P2 betritt um 11:14 Uhr den Verhandlungssaal.

Befragung von P2:

RI: Besitzen Sie einen Aufenthaltstitel in Österreich?

P2: Nein.

RI: Leben Sie in Österreich alleine oder mit jemanden zusammen?

P2: Ich lebe mit meiner Mutter zusammen.

RI: Haben Sie in Österreich oder in anderen Staaten außerhalb Ihres Herkunftsstaates noch Verwandte?

P2: Nein, keine

RI: (ohne Dolmetscher) Sprechen Sie Deutsch?

P2: Ja.

RI an P2: (ohne Dolmetscher) Was haben Sie gestern gemacht?

P2: Gestern. Was habe ich denn gemacht. Ich war zu Hause, um 2 bin ich zu einem Freund gegangen, wir haben dann Tischtennis gespielt und ich ging wieder zurück nach Hause.

RI an P2: Wie sind Sie heute nach Linz gekommen?

P2: Wir sind mit dem Auto. Ein Freund von mir hat uns hierhergebracht, mit seinem Auto.

RI: Wie nehmen Sie am sozialen Leben in Österreich teil (Mitgliedschaft bei Vereinen, Organisationen, ehrenamtliches Engagement, etc.)?

P2: Nein, ich habe von solchen Möglichkeiten nichts gewusst.

RI: Sind Sie selbsterhaltungsfähig (Frage wird erklärt)?

P2: Ich bekomme Unterstützung von Freunden und ich und meine Mutter bekommen Geld. Wir bekommen Sozialhilfe.

RI: Sind Sie in Österreich strafrechtlich verurteilt?

P2: Nein.

RI: Sind Sie auf andere Art und Weise mit der österreichischen Rechtsordnung in Konflikt geraten?

P2: Nein.

RI: Haben Sie noch zu jemanden in ihrem Herkunftsstaat Kontakt?

P2: Nein.

RI: Warum sind Sie nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens und dem damit einhergehenden Verlust des Aufenthaltsrechts in Österreich ihrer gesetzlichen Obliegenheit nicht nachgekommen und haben das Bundesgebiet nicht verlassen?

P2: Weil ich hier aufgewachsen bin, in Armenien habe ich nichts mehr, keine Verwandte, keine Unterstützung, gar nichts.

RI: Sie lebten bis zur gegenständlichen Antragstellung in Österreich unter falsche Identität.

P2: Das hat meine Mutter damals angegeben.

RI: Warum haben Sie 10 Jahre zugewartet um Ihre Identität richtig zu stellen?

P2: Aus Angst dass wir abgeschoben werden.

BehV keine Fragen.

RV: Haben Sie einen Reisepass besessen?

P2: Nein.

RV: Warum bekommen Sie keinen armenischen Reisepass?

P2: Ich habe dort keinen Militärdienst absolviert.

RV: Ich habe im Verfahren einen Arbeitsvorvertrag vorgelegt und eine Einstellungszusage.

Ist diese noch aufrecht?

P2: Ja.

RV: Ich habe im Verfahren eine Unterschriftenliste vorgelegt, zahlreiche Leute haben auf dieser unterschrieben, um wen handelt es sich bei diesen Leuten?

P2: Es sind Bekannte und Freunde mit denen ich Kontakt habe.

RV: Sind darunter auch Österreicher?

P2: Ja, Österreicher aber auch Ausländer, aber mehr Österreicher.

RV: Sie sind 12 Jahre in Österreich?

P2: Ja.

RV: Haben Sie bei Ihren Freunden, mit denen sie tagtäglich verkehren, auch Österreicher darunter?

P2: Ja.

RV: Haben Sie in Armenien eine Unterkunftsmöglichkeit, Haus oder Wohnung?

P2: Nein.

RV: Was würde passieren wenn Sie nach Armenien abgeschoben werden?

P2: Es ist wie ein fremdes Land für mich, ich bin seit 12 Jahren hier. Ich müsste das Militär machen, meine Mutter bleibt dort obdachlos. Es ist dann schwer.

RV: Wie stellen Sie sich hier Ihre Zukunft vor?

P2: Ich gehe zur Arbeit, ich mache den Führerschein. Ich bin jung und möchte mein Leben leben. Ich möchte die Chance bekommen, dass ich arbeiten kann.

RV: Auf welchen Niveau haben Sie Ihre Deutschkenntnisse dokumentiert?

P2: A2 Prüfung habe ich gemacht.

RI: Wer ist Herr XXXX ?

P2: Er ist ein Bekannter von mir.

RI: Was können Sie mir über ihn erzählen?

P2: Wir leben in der gleichen Stadt.

RI: Wer ist XXXX ?

P2: Auch eine Bekannte.

RI: Was können Sie mir über sie erzählen?

P2: Nicht viel. Beste Freunde sind wir nicht. Ich kenne XXXX gut. Ich bin oft mit ihm unterwegs.

RI: Wer ist XXXX ? Was können Sie über diesen erzählen?

P2: Er ist ein Bekannter und wohnt in der Nähe der Kirche.

Die P1 betritt um 11:28 Uhr den Verhandlungssaal.

Gemeinsame Befragung der P

RI: Das ho. Gericht kann sich nunmehr ein Bild über ihre privaten und familiären Bindungen in Österreich machen und erscheinen hierzu seitens des ho. Gerichts keine weiteren Fragen offen. Wollen Sie sich noch weitergehend zu Ihren privaten und familiären Bindungen in Österreich bzw. der Integration äußern?

P2: Ich bitte Sie, dass Sie uns eine Chance geben damit wir hierbleiben können und Arbeiten gehen können.

RI: Ihnen wurden Feststellungen zur abschiebungsrelevanten Lage in Armenien zur Kenntnis gebracht. Seitens des ho. Gerichts wir insbesondere auf die Änderungen in Armenien seit der "Samtenen Revolution" hingewiesen. Wollen Sie sich hierzu äußern?

RI verweist auch die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 18.10.2019, zur Unterstützung von Rückkehrern.

RI erörtert weiters eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation der bB vom 18.10.2018 zur Unterstützung von Rückkehrern.

P1: Das stimmt nicht, Sie wissen selber, dass es das nicht gibt. Es sind nur leere Worte, es entspricht nicht der Tatsache. Ich denke an meinen Sohn.

P2: Das steht nur auf dem Zettel.

RI: Im Falle der Abweisung Ihres Antrages ist gesetzmäßig eine Frist von 14 Tagen zur freiwilligen Ausreise festgelegt. Beim Überwiegen besonderer Umstände kann eine längere Frist festgesetzt werden. In diesem Fall sind von Ihnen diese Umstände nachzuweisen und gleichzeitig ist von Ihnen ein Termin für die freiwillige Ausreise bekannt zu geben.

P1: Ich bin seit 12 Jahren da und erlebt ständig Stress, soll ich jetzt in meine Heimat zurückkehren um zu sterben. Es würde für mich den Tot bedeuten.

P2: Nein, wir wollen daran nicht denken.

BehV: Fest steht, dass die BF nach illegaler Einreise zunächst in Österreich, am 03.07.2007 einen Asylantrag stellten, der negativ beschieden wurde. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde auch durch Erkenntnis des AsylGH abgewiesen und erwuchs in Rechtskraft. Hinsichtlich der Identität der BF bleibt festzuhalten, dass sie sich diesbezüglich erst vor ca. 2 Jahren und bereits 10-jährigen, unberechtigten Aufenthaltes bemüßigt fühlten, die wahre Identität den Behörden preis zu geben. Weiters verweise ich auf die klare Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtshofes, der feststellte, dass das beharrliche, illegale Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder, illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung, im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesens darstellt und die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31.10.2002, 2002/18/0190) bezüglich des Privat -und Familienliebens ist anzumerken, dass beide BF im gleichen Umfang von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen betroffen sind und somit kein Eingriff in das Familienleben gegeben ist. Das Privatleben in Österreich besteht seit 2007, seitens des BFA wird jedoch nochmals die außerordentliche Bedeutung eine geordneten Fremdenwesens hervorgehoben und darauf verwiesen, dass laut Erkenntnis des VwGH vom 25.10.2010 zur Zahl 2010/18/0029 selbst ein langjähriger Aufenthalt beabsichtige Eheschließung, mit einem österr. Staatsbürger, einen in Österreich geborenen Sohn, gute Deutschkenntnisse, Unbescholtenheit, nahezu durchgängige Beschäftigung, sozial vielfältige Vernetzungen und Integration als nichtausreichend für eine verfestigte Integration angesehen würde. Abschließend möchte ich nochmals festhalten, dass der langjähre Aufenthalt der BF auf der Tatsache der Verschleierung ihrer Identität und dem letztlich unberechtigten Asylantrag bzw. Anträge auf Aufenthaltstitel resultierte. Durch die Falschaussagen und unrechtmäßige Inanspruchnahmen von sozialen Leistungen, sind die BF durch den Bericht der XXXX auch bereits in den Fokus der Justiz geraten. Im Bezug auf eine Rückkehr der BF nach Armenien ist auszuführen, dass es sich beim P2 um einen jungen, gesunden und arbeitsfähigen Mann handelt. Im Fall der freiwilligen Rückkehr könnte den BF durch die Republik Österreich Rückkehrhilfe gewährt werden. Zudem verweise ich auf die Länderinformationen zu Armenien und die Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation zu Armenien, die zahlreiche, und konkrete, vorgesehen Unterstützungsleistungen für Rückkehrer auflisten, insbesondere werden auch zahlreiche Kontaktstellen und Ansprechpersonen in Armenien namhaft gemacht. ich beantrage daher die Beschwerde der BF in allen Spruchpunkten als unbegründet abzuweisen.

RI fragt den RV um seine Stellungnahmen zu dieser Beurteilung.

RV: Die Vertretung der BF erlaubt eingangs den Antrag zu stellen auf zeugenschaftliche Einvernahme, dessen am heutigen Tag stellig gemachten XXXX , bei dem es sich um einen engen Freund der Familie der BF handelt. Zum Beweise dafür, dass der P2 für den Fall der Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen entweder in seiner Firma oder in der Firma der Gattion XXXX beschäftigt werden wird und sich jedenfalls die Firma von Narine und XXXX aus finanzieller Sicht die Vollzeitbeschäftigung des P2 leisten können. Hinsichtlich des Vorbringens des Vertreters der belangten Behörde ist darauf zu verweisen, dass die zitierten Entscheidungen des VwGH als obsolet und nicht auf den Einzelfall bezogen anzuwenden sind. Insbesondere der VwGH in der Entscheidung aus dem Jahr 2010 davon ausgeht, dass in diesem Fall eine Umgehung des NAG stattgefunden hätte, da aufgrund der Eheschließung eine Auslandsantragsstellung über die österr. Vertretungsbehörde betr. die Erteilung eine Aufenthaltstitels initiiert wäre. Die Entscheidung des AsylGH datiert aus dem Jahr 2011, seit diesem Zeitpunkt haben sich die BF maßgeblich im Bundesgebiet der Republik Österreich integriert und haben von sich aus im Jahr 2017 bei Übernahme der Vertretung durch den Rechtsvertreter der BF ihre Identitäten richtiggestellt. Betreff des Einwandes der belangten Behörde, dass die BF in das Licht der Justiz gerückt seien erlaubt sich der RV der BF darauf zu verweisen, dass ein ursprünglich gegen die BF eingeleitetes Strafverfahren mit Urteil des LG XXXX vom 16.05.2018 zu XXXX wegen Verdachts des Vergehens nach § 119 FPG rechtskräftig freigesprochen endete. In diesem Zusammenhang erlaubt sich der RV die gekürzte Urteilsausfertigung vorzulegen. Die BF sind maßgeblich sozial integriert, gerichtlich unbescholten und stellt sohin entgegen der Auffassung der belangten Behörde ein weiterer Verbleib im Bundesgebiet keine Gefahr für die Öffentliche Ruheordnung und Sicherheit dar und sind die Interesse der BF an einem weiteren Verbleib in Österreich höher anzusetzen als jene der Republik selbst. Gegenständliche Anträge dienen zweifelsohne der Aufrechterhaltung des Privat- und Familienliebens im Sinne es Artikel 8 ERMK vergleichbare Fälle des BVwG dokumentierte auch dass den jeweiligen BF Folge gegeben wurde, sodass für den Fall eine abschlägigen Entscheidung von einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung von Fremden untereinander auszugehen wäre. P1 wird innerhalb eines Monates die notwendige Deutschsprachkenntnisse auf Niveau A2 (Österr. Sprachdiplom) erbringen und wird sofern das Hohe Gericht dem RV der BF eine Frist einräumt, innerhalb von 4 Wochen das A2 Zeugnis zur Vorlage zu bringen und dem auch unaufgefordert nachgekommen.

P2 müsste bei Abschiebung in sein Heimatland den Militärdienst absolvieren, dies für 24 Monate. Für beide P sind keine existentiellen Grundlagen wie Wohnversorgung und finanzielle Hilfe in Armenien evident.

Betreffend die Länderberichte über die Allgemeine Menschenrechte in Armenien, erlauben sich die P auf die eingebrachten Stellungnahmen vom 01.03. sowie 30.10.2018 zu verweisen, sodass unter Zusammenschau des bisherigen Vorbringens im Verfahren der im Verfahren vorgelegten Urkunden gegenständliche Antrage vollinhaltlich aufrecht erhalten werden.

Seitens des ho. Gericht ergeht folgender verfahrensleitende Beschluss[:]

Der beantragte Zeuge wird nicht einvernommen, zumal das genannte Beweisthema als wahr unterstellt wird.

Eine Frist zur Vorlage des Sprachdiploms A2 wird nicht gewährt. Der Beurteilungsmaßstab für die ho. Entscheidung ist der feststehende Sachverhalt zum Zeitpunkt der Entscheidung des ho. Gerichts und nicht seitens der Parteien in Zukunft geplanter Maßnahmen.

..."

II.5.1. Am Ende der Verhandlung wurden mittels mündlich verkündetem Erkenntnisses die Beschwerden in allen Spruchpunkten abgewiesen. Aufgrund eines (Ab)schreibfehlers wurde die Volksgruppenzugehörigkeit anstatt mit armenisch mit "kurdisch/jezidisch" festgehalten.

II.5.2. Die bP beantragte fristgerecht die schriftliche Ausfertigung des am 22.5.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses.

II.6. Bereits vor der schriftlichen Ausfertigung des am 22.5.2019 eingebrachten Erkenntnisses brachte der Rechtsfreund der bP eine Beschwerde beim VfGH ein. Dieser erkennte mit Beschluss vom 4.7.2019 der Beschwerde keine aufschiebende Wirkung zu, weil nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses für die Beschwerdeführer kein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden ist.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt)

II.1.1. Die beschwerdeführenden Parteien

Bei den bP handelt es sich um einen im Herkunftsstaat der Mehrheits- und Titularethnie angehörige Armenier, welche aus einem überwiegend von Armeniern bewohnten Gebiet stammen und sich zum Mehrheitsglauben des Christentums bekennen.

Die bP1 und bP2 sind nicht invalide, anpassungsfähige und arbeitsfähige Mensch einer -wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich- gesicherten Existenzgrundlage.

Die bP stammen aus einem Staat, auf dessen Territorium die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet ist und andererseits gehört die bP keinem Personenkreis an, von welchem anzunehmen ist, dass sie sich in Bezug auf ihre individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, welche ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann. So war es den bP auch vor dem Verlassen Armeniens möglich, dort ihr Leben zu meistern. Das ho. Gericht verkennt zwar nicht, dass die langjährige Abwesenheit die (Wieder)eingliederung in die armenische Gesellschaft bzw. den armenischen Arbeitsmarkt im Vergleich zu jenen Personen, welche sich einen verhältnismäßig kurzen Zeitraum außer Landes aufhielten, doch ergibt sich aus den getroffenen Feststellungen, dass nach einer längeren Aufenthaltsdauer eine Wiedereingliederung in die armenische Gesellschaft möglich und zumutbar ist und die bP in keine, über anfängliche Schwierigkeiten hinausgehende dauerhaft aussichtslose Lage geraten würden.

Auch steht es der bP frei, eine Beschäftigung bzw. zumindest Gelegenheitsarbeiten anzunehmen oder das -wenn auch nicht sonderlich leistungsfähige- Sozialsystem des Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen. Hier wird auf die bereits getroffenen Feststellungen verwiesen, woraus sich ergibt, dass die bP im Falle einer Rückkehr jedenfalls mit einer Befriedigung der unmittelbaren Lebensbedürfnisse, wie etwas Wohnraum, Verpflegung und medizinische Versorgung rechnen können.

Darüber hinaus ist es den bP unbenommen, Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen und sich im Falle der Bedürftigkeit an eine im Herkunftsstaat karitativ tätige Organisation zu wenden.

Aufgrund der oa. Ausführungen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass die bP im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat ihre dringendsten Bedürfnisse befriedigen können und nicht in eine, allfällige Anfangsschwierigkeiten überschreitende, dauerhaft aussichtslose Lage geraten.

Die Urkundenvorlage bzw. das Vorbringen der bP dokumentiert weiters, dass die bP mit den armenischen Behörden in Kontakt stehen und sie den armenischen Behörden sichtlich als armenische Staatsbürger bekannt sind. Weiters zeigt sich, dass sich die bP über die aktuelle Lage und Verhältnisse in Armenien Kenntnis verschafften.

bP1 befindet sich in einem wehrpflichtigen Alter und kam der Stellung nicht nach. Er hat nach einer Rückkehr nach Armenien deswegen mit keiner Bestrafung zu rechnen. Her hat jedoch der Musterung nachzukommen und steht es ihm frei, anstatt des Wehrdienstes Zivildienst abzuleisten.

Die bP1 leidet an einer Erkrankung der Schilddrüse und an Bluthochdruck und nimmt in diesem Zusammenhang Medikamente ein. Eine unmittelbar lebenserhaltende Medikation wurde nicht vorgetragen und ergab sich auch sonst nicht im Rahmen des Ermittlungsverfahrens. Ebenso ergab sich kein Hinweis, dass die von den bP, insbesondere bP1 vorgetragenen Erkrankungen in Armenien nicht medikamentös behandelbar sind (vgl. http://www.pharm.am/index.php/en/other-documents/186-list-of-essential-medicines-of-republic-of-armenia).

Entferntere Verwandte der bP leben nach wie vor in Armenien, laut Angaben der bP pflegen sie zu diesen keinen Kontakt. Sie brachten jedoch auch nicht vor, dass es mit diesem zu einem Bruch gekommen sei, bzw. dass die bP mit diesem zerstritten wären.

Die bP sind nicht selbsterhaltungsfähig. Sie sind strafrechtlich unbescholten. Sie verfügen über die sich aus der Aufenthaltsdauer typischerweise ergebenden privaten Anknüpfungspunkte. Sie beherrschen die deutsche Sprache auf dem sich aus der Verhandlung ergebenen Niveau verfügen über Einstellungszusagen und über die in der Verhandlung beschriebenen Kontakte in Österreich. Sie verfügen über einen festen Wohnsitz und haben die im Verfahren beschriebenen Kurse bzw. Bildungsveranstaltungen besucht. Die in einer Unterschriftenliste angeführten Personen setzen sich für einen Verbleib der bP im Bundesgebiet ein.

Die bP haben in Österreich keine weiteren Verwandten und leben auch sonst mit keiner nahe stehenden Person zusammen. Sie möchten ihr künftiges Leben in Österreich gestalten und halten sich seit dem Jahre 2007 im Bundesgebiet auf. Sie reisten rechtswidrig in das Bundesgebiet ein. Nach der Einreise stellten die bP unter Angabe von nicht glaubhaften Gründen einen unbegründeten Antrag auf internationalen Schutz, wodurch ihr Aufenthalt vorübergehend legalisiert wurde. Im Anschluss an das abgeschlossene Asylverfahren kamen sie ihrer Obliegenheit zu verlassen des Bundesgebietes nicht nach, sondern stellten einen unzulässigen Antrag gem. § 43 Abs. 3 NAG aF, obwohl in ihren privaten und familiären Anknüpfungspunkten nach der rechtskräftig negativen Asylentscheidung keine Änderung eintrat. Nach rechtskräftiger Zurückweisung dieses Antrages stellten sie nunmehr den gegenständlichen Antrag.

Die bP lebten vom Zeitpunkt ihrer Einreise in das Bundesgebiet bis zur Stellung des gegenständlichen Antrages für die Dauer von ca. 10 Jahre unter falscher Identität im Bundesgebiet. Sie traten unter falsche Identität auf, um die Behörden nicht in die Lage zu versetzen, aufenthaltsbeendende Maßnahmen umzusetzen.

Es kann als notorisch bekannt angesehen werden, dass die Fremdenbehörde im Falle der Ausreiseunwilligkeit eines rechtswidrig aufhältigen Fremden, welcher über kein Reisedokument verfügt, auf die Ausstellung eines Ersatzreisedokuments für die Abschiebung ("Heimreisezertifikat") durch den Herkunftsstaat angewiesen ist und die Ausstellung eines solchen Dokuments in jenen Fällen, in denen Fremde unter falscher Identität auftreten, wesentlich erschwert bzw. regelmäßig verunmöglicht wird. Im gegenständlichen Fall standen die bP durch die Stellung eines unzulässigen Antrages gem. § 43 Abs. 3 NAG aF, bei dem es sich offensichtlich um einen Kettenantrag zur Vereitlung des Vollzuges einer durchsetzbaren Ausweisung handelte, nicht per se unter Abschiebeschutz (vgl.Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, RZ 13, letzter Absatz zu § 58 Abs. 13 AsylG mit Verweis auf VwGH 22.10.2009, Zl. 2009/21/0293). Eine Umsetzung der durchsetzbaren Ausweisung war jedoch schon deswegen nicht möglich, weil sich die bP unter falscher Identität im Bundesgebiet aufhielten und es für die österreichischen Behörden unmöglich bzw. im Vorhinein aussichtslos war, ein Ersatzreisedokument für die bP zur Abschiebung zu erlangen.

Die Identität der bP steht nach Einschätzung der bB nunmehr fest.

II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat im Herkunftsstaat Armenien

II.1.2.1. In Bezug auf die abschiebungsrelevante Lage in Armenien verweist das ho. Gericht auf die im Verfahrensgang getroffenen Feststellungen in zusammengefasster Form.

II.1.2.2. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass es sich bei der Republik Armenien um einen sicheren Herkunftsstaat gem. § 19 BFA-VG handelt.

II.1.3. Behauptete Ausreisegründe aus dem bzw. Rückkehrhindernisse in den Herkunftsstaat

Es kann nicht festgestellt werden, dass die bP den von ihnen behaupteten Gefährdungen ausgesetzt waren bzw. im Falle einer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer solchen Gefahr ausgesetzt wäre.

Ebenso kann nicht festgestellt werden, dass die bP im Falle einer Rückkehr in die Republik Armenien über keine Existenzgrundlage verfügen würde, bzw. Umstände vorliegen, welche gegen die Vornahme des Abschiebevorganges an sich sprechen würden.

2. Beweiswürdigung

II.2.1. Der festgestellte Sachverhalt in Bezug auf den bisherigen Verfahrenshergang steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage und dem Ergebnis der ho. Ermittlungsverfahrens, insbesondere dem Ergebnis der Beschwerdeverhandlung fest und ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt (§37 AVG) ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.

II.2.2. Die personenbezogenen Feststellungen hinsichtlich der bP ergeben sich nach Einschätzung der bB aus ihren seit der gegenständlichen Antragstellung in diesem Punkt nicht weiter widerlegten Angaben sowie ihren Sprach- und Ortskenntnissen und dem seitens der bP nunmehr vorgelegten Bescheinigungsmitteln, welches von der bB nicht als ge- oder verfälsch qualifiziert wurden.

II.2.3 Zu der getroffenen Auswahl der Quellen, welche zur Feststellung der abschiebungs-relevanten Lage im Herkunftsstaat herangezogen wurden, ist anzuführen, dass es sich hierbei aus der Sicht des erkennenden Gerichts um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen -sowohl staatlichen, als auch nichtstaatlichen Ursprunges- handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Die getroffenen Feststellungen ergeben sich daher im Rahmen einer ausgewogenen Gesamtschau unter Berücksichtigung der Aktualität und der Autoren der einzelnen Quellen. Auch kommt den Quellen im Rahmen einer Gesamtschau Aktualität zu.

In Bezug auf die existierende Quellenlage wurden zusammenfassende Feststellungen von der Staatendokumentation der bB, welche ex lege zur Objektivität verpflichtet ist und deren Tätigkeit der Beobachtung eines unabhängigen Beirates unterliegt, getroffen, welchen sich das ho. Gericht im beschriebenen Rahmen anschließt.

Die bP trat auch den Quellen und deren Kernaussagen nicht konkret und substantiiert entgegen und wird neuerlich darauf hingewiesen, dass die Republik Österreich die Republik Armenien als sicheren Herkunftsstaat im Sinne des § 19 BFA-VG betrachtet und daher von der normativen Vergewisserung der Sicherheit Armeniens auszugehen ist (vgl. Punkt II.3.1.5. und Unterpunkte).

Zum Vorbringen der bP2 in der Beschwerdeverhandlung sie sei Wehrpflichtig, ist festzuhalten, dass es zwar an der Grenze zu Aserbaidschan in periodischen Abständen zu bewaffneten Zwischenfällen kommt, von permanent kriegerischen Auseinandersetzungen kann jedoch nicht gesprochen werden, weshalb für einen armenischen Grundwehrdiener nicht ein über die bloße Möglichkeit hinausgehendes, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit anzunehmendes Risiko besteht, während der Ableistung des Militärdienstes an der Grenze zu Aserbaidschan um Leben zu kommen oder ernsthaft verletzt zu werden und es der bP2 frei steht, Zivildienst abzuleisten, womit sie keinen militärischen Gefahren ausgesetzt wäre.

In Bezug auf den in der Beschwerdeverhandlung gestellten Beweisantrag, die dort genannte Person Zeugenschaftlich einzuvernehmen wird festgehalten, dass hier kein tauglicher Beweisantrag vorliegt. Ein tauglicher Beweisantrag liegt nach der Rsp des VwGH nur dann vor, wenn darin sowohl das Beweisthema wie auch das Beweismittel genannt sind und wenn das Beweisthema sachverhaltserheblich ist (VwGH 24.1.1996, 94/13/0152; Thienel, Verwaltungsverfahrensrecht, 3. Auflage, S 174). Derartiges liegt jedoch nicht vor, wenn das Beweisthema als wahr unterstellt wird, was im gegenständlichen Verfahren der Fall ist, zumal die thematisierte Einstellungszusage dem Grunde nach nicht angezweifelt wird. Das ho. Gericht ist daher nicht verhalten, dem Beweisantrag zu entsprechen.

Auch hat sich die bB bzw. das ho. Gericht im Rahmender Beurteilung der Glaubhaftmachung der behaupteten Fluchtgründe nur "parate Bescheinigungsmittel" zu beschränken (Hinweis OGH 23.3.1999, Zl. 4 Ob 26/99y, = ÖBl 1999, 240, sowie OGH 23.9.1997, Zl. 4 Ob 251/97h, = ÖBl 1998, 225, aber auch Erk. d. VwGH vom 25.6.2003, 2000/04/0092). Eine Glaubhaftmachung die sich nicht sofort ausführen lässt, eignet sich nicht zum Zwecke der Geltendmachung der im Verfahren geforderten Glaubhaftmachung (Hengstschläger/Leeb, AVG, Manz Kommentar, Rz 18 zu § 47). Im konkreten Fall bedeutet dies, dass die bB und auch das Gericht lediglich die von der bP vorgelegten und der bB bzw. dem ho. Gericht tatsächlich zugänglichen Beweismittel zu berücksichtigen hatte und das Gericht nicht verhalten war, die Entstehung weiterer Bescheinigungsmittel, wie etwas das in Bezug auf die bP1 thematisierte Sprachdiplom abzuwarten.

Letztlich weist das ho. Gericht darauf hin, dass bereit im diesem Verfahren vorausgegangenem Asylverfahren festgestellt wurde, dass die bP im Falle einer Rückkehr nach Armenien keiner irgendwie gearteten Gefährdung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wäre. Ebenso wurde in diesem Verfahren festgestellt, dass die bP in Armenien über eine Existenzgrundlage verfügen und keine krankheitsbedingten Abschiebehindernisse bestehen. Hinweise, dass sich in diesen Punkten eine relevante Änderung des maßgeblichen Sachverhalts zum Nachteil der bP ergeben hätten, kamen bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Umstände nicht hervor.

3. Rechtliche Beurteilung

II.3.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter, Anzuwendendes Verfahrensrecht, Sicherer Herkunftsstaat, Entscheidungszeitpunkt, relevante Übergangsbestimmungen, amtswegige Korrektur

II.3.1.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF) entscheidet das Bundesverwaltungs-gericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

II.3.1.2. Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesver-waltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl I 10/2013 idgF entscheidet im gegenständlichen Fall der Einzelrichter.

II.3.1.3. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft und hat das ho. Gericht im gegenständlichen Fall gem. § 17 leg. cit das AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt. Gem. §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

II.3.1.4. Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, es den angefochtenen Bescheid, auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

II.3.1.5. Gem. § 19 Abs. 5 BFA-VG kann die Bundesregierung bestimmte Staaten durch Verordnung als sicher Herkunftsstaaten definieren. Gemäß § 1 Z 12 der Herkunftsstaaten-Verordnung (HStV), BGBl. II Nr. 177/2009 idgF, gilt die Republik Armenien als sicherer Herkunftsstaat.

II.3.1.5.1. Gem. Art. 37 der RL 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 zum gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes können die Mitgliedstaaten zum Zwecke der Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz Rechts- und Verwaltungsvorschriften beinhalten oder erlassen, die im Einklang mit Anhang I zur VO sichere Herkunftsstaaten bestimmen können. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Staat als sicherer Herkunftsstaat bestimmt werden kann, werden verscheide Informationsquellen, insbesondere Inforationen andere Mitgliedstaaten, des EASO, des UNHCR, des Europarates und andere einschlägiger internationaler Organisationen herangezogen

Gem. dem oben genannten Anhang I gilt ein Staat als sicherer Herkunftsstaat, wenn sich anhand der dortigen Rechtslage, der Anwendung der Rechtsvorschriften in einem demokratischen System und der allgemeinen politischen Lage nachweisen lässt, dass dort generell und durchgängig weder eine Verfolgung im Sinne des Artikels 9 der Richtlinie 2011/95/EU noch Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe noch Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts zu befürchten sind.

Bei der entsprechenden Beurteilung wird unter anderem berücksichtigt, inwieweit Schutz vor Verfolgung und Misshandlung geboten wird durch

a) die einschlägigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Staates und die Art und Weise ihrer Anwendung;

b) die Wahrung der Rechte und Freiheiten nach der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten und/oder dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und/oder dem Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Europäischen Konvention keine Abweichung zulässig ist;

c) die Einhaltung des Grundsatzes der Nicht-Zurückweisung nach der Genfer Flüchtlingskonvention;

d) das Bestehen einer Regelung, die einen wirksamen Rechtsbehelf bei Verletzung dieser Rechte und Freiheiten gewährleistet.

Aus dem Grundsatz, wonach, wann immer nationale Behörden oder Gerichte Recht anwenden, das Richtlinien umsetzt, diese gemäß der richtlinienkonformen Interpretation dazu verhalten sind, "das zur Umsetzung einer Richtlinie erlassene nationale Recht in deren Licht und Zielsetzung auszulegen" (VfSlg. 14.391/1995; zur richtlinienkonformen Interpretation siehe weiters VfSlg. 15.354/1998, 16.737/2002, 18.362/2008; VfGH 5.10.2011, B 1100/09 ua.) ergibt sich, dass davon ausgegangen werden kann, dass sich der innerstaatliche Gesetzgeber und in weiterer Folge die Bundesregierung als zur Erlassung einer entsprechenden Verordnung berufenes Organ bei der Beurteilung, ob ein Staat als sicherer Herkunftsstaat gelten kann, von den oa. Erwägungen leiten lässt bzw. ließ. Hinweise, dass die Republik Österreich entsprechende Normen, wie etwa hier die Herkunftssaaten-Verordnung in ihr innerstaatliches Recht europarechtswidrig umsetzt bestehen nicht, zumal in diesem Punkt kein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Republik Österreich anhängig ist bzw. eingeleitet wurde (vgl. Art. 258 f AEUV).

Der VfGH (Erk. vom 15.10.20014 G237/03 ua. [dieses bezieht sich zwar auf eine im Wesentlichen inhaltsgleiche Vorgängerbestimmung des § 19 BFA-VG, ist aber nach Ansicht des ho. Gerichts aufgrund der in diesem Punkt im Wesentlichen unveränderten materiellen Rechtslage nach wie vor anwendbar]) stellt ein Bezug auf die innerstaatliche Rechtslage ua. fest, dass der Regelung des AsylG durch die Einführung einer Liste von sicheren Herkunftsstaaten kein Bestreben des Staates zu Grunde liegt, bestimmte Gruppen von Fremden kollektiv außer Landes zu schaffen. Es sind Einzelverfahren zu führen, in denen auch über die Sicherheit des Herkunftslandes und ein allfälliges Refoulement-Verbot endgültig zu entscheiden ist. Dem Gesetz liegt - anders als der Vorgangsweise im Fall Conka gegen Belgien (EGMR 05.02.2002, 51564/1999) - keine diskriminierende Absicht zu Grunde. Die Liste soll bloß der Vereinfachung des Verfahrens in dem Sinne dienen, dass der Gesetzgeber selbst zunächst eine Vorbeurteilung der Sicherheit für den Regelfall vornimmt. Sicherheit im Herkunftsstaat bedeutet, dass der Staat in seiner Rechtsordnung und Rechtspraxis alle in seinem Hoheitsgebiet lebenden Menschen vor einem dem Art 3 EMRK und der Genfer Flüchtlingskonvention widersprechenden Verhalten seiner Behörden ebenso schützt wie gegen die Auslieferung an einen "unsicheren" Staat. Das Schutzniveau muss jenem der Mitgliedstaaten der EU entsprechen, was auch dadurch unterstrichen wird, dass die anderen sicheren Herkunftsstaaten in § 6 Abs. 2 AsylG [Anm. a. F., nunmehr § 19 Abs. 1 und 2 BFA-VG] in einem Zug mit den Mitgliedstaaten der EU genannt werden.

Die Einführung einer Liste sicherer Herkunftsstaaten führte zu keiner Umkehr der Beweislast zu Ungunsten eines Antragstellers, sondern ist von einer normativen Vergewisserung der Sicherheit auszugehen, soweit seitens des Antragstellers kein gegenteiliges Vorbringen substantiiert erstattet wird. Wird ein solches Vorbringen erstattet, hat die Behörde bzw. das ho. Gerichten entsprechende einzelfallspezifische amtswegige Ermittlungen durchzuführen.

Aus dem Umstand, dass sich der innerstaatliche Normengeber im Rahmen einer richtlinienkonformen Vorgangsweise und unter Einbeziehung der allgemeinen Berichtslage zum Herkunftsstaat der bP ein umfassendes Bild über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien verschaffte, ist ableitbar, dass ein bloßer Verweis auf die allgemeine Lage im Herkunftsstaat, bzw. die Vorlage von allgemeinen Berichten grundsätzlich nicht geeignet ist, einen Sachverhalt zu bescheinigen, welcher geeignet ist, von der Vorbeurteilung der Sicherheit für den Regelfall abzuweichen (das ho. Gericht geht davon aus, dass aufgrund der in diesem Punkt vergleichbaren Interessenslage die Ausführungen des VwGH in seinem Erk. vom 17.02.1998, Zl. 96/18/0379 bzw. des EGMR, Urteil Mamatkulov & Askarov v Türkei, Rs 46827, 46951/99, 71-77 sinngemäß anzuwenden sind, zumal sich die genannten Gerichte in diesen Entscheidungen auch mit der Frage, wie allgemeine Berichte im Lichte einer bereits erfolgten normativen Vergewisserung der Sicherheit [dort von sog. "Dublinstaaten"] zu werten sind).

II.3.1.5.2. Auf den konkreten Einzelfall umgelegt bedeutet dies, dass im Rahmen einer verfassungs- und richtlinienkonformen Interpretation der hier anzuwendenden Bestimmungen davon ausgegangen werden kann, dass sich die Bundesregierung im Rahmen einer normativen Vergewisserung in umfassendes Bild von der abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Armenien unter Einbeziehung der unter II.2.3 erörterten Quellen verschaffte und zum Schluss kam, dass die Republik Armenien die unter Anhang I der RL 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 zur gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes und den im Erk. des VfGH vom 15.10.20014 G237/03 ua. genannten Kriterien erfüllt.

Aufgrund dieser normativen Vergewisserung besteht für die bB bzw. das ho. Gericht die Obliegenheit zur amtswegigen Ermittlung der abschiebungsrelevanten Lage nur insoweit, als seitens der bP ein konkretes Vorbringen erstattet wird, welches im konkreten Einzelfall gegen die Sicherheit Armeniens spricht und der bB bzw. dem ho. Gericht im Lichte der bereits genannten Kriterien die Obliegenheit auferlegt, ein entsprechendes amtswegiges Ermittlungsverfahren durchzuführen. Diese Obliegenheit wurde seitens der bB jedenfalls erfüllt. Das Vorbringen der bP war nicht geeignet, einen Sachverhalt zu bescheinigen, welcher die Annahme zuließe, dass ein von der Vorbeurteilung der Sicherheit für den Regelfall abweichender Sachverhalt vorliegt und ergab sich derartiges auch nicht im Rahmen des amtswegig eingeleiteten Verfahrens.

II.3.1.6. Das ho. Gericht hat seine Entscheidung gemessen an jenem Sachverhalt zu messen, wie er zum Entscheidungszeitpunkt vorliegt und hat mit seiner Entscheidung nicht zuzuwarten, um abzuwarten, ob sich pro futuro ein weiterer Sachverhalt ereignen könnte, weshalb dem Antrag der bP bzw. deren Rechtsfreundes auf ein Zuwarten der Entscheidung, um Abzuwarten, ob die bP1 zukünftig ein weiteres Sprachzertifikat erlangen wird, nicht zu entsprechen war.

II.3.1.7. Gemäß § 75 Abs. 23 AsylG ist die in Bezug auf die bP durch den AsylGH erlassene Ausweisung nunmehr als Rückkehrentscheidung zu behandeln.

II.3.1.8. Amtswegige Korrektur des mündlich verkündeten Erkenntnisses

Gemäß dem im gegenständlichen Verfahren anwendbaren § 62 Abs. 4 AVG kann das ho. Gericht Schreib- und Rechenfehler oder diesen gleichzuhaltende, offenbar auf ein Versehen beruhende Unrichtigkeiten jederzeit von Amts wegen berichtigen.

Im genannten mündlich verkündeten Erkenntnis befindet sich ein in § 62 Abs. 4 AVG genannte Fehler, indem die Volksgruppenzugehörigkeit der bP aufgrund eines Versehens falsch übertragen wurde. Durch die hier vorgenommene Korrektur ändert sich der normative Inhalt des Bescheides nicht und bliebe es letztlich im Ergebnis ohne Belange, ob die bP der armenischen oder kurdisch/jezidischen Volksgruppe angehören würden. Eine amtswegige Berichtigung erfolgte dennoch im Lichte der Rechtssicherheit.

Zu A) (Spruchpunkt I)

II.3.2. Frage der Erteilung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung

II.3.3.1. Gesetzliche Grundlagen (auszugsweise):

§ 10 AsylG 2005, Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme:

"§ 10. (1) - (2) ...

(3) Wird ein Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung ein

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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