TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/10 L511 2155027-1

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Veröffentlicht am 10.10.2019
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Entscheidungsdatum

10.10.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

L511 2155027-1/48E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Sandra Tatjana JICHA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, vertreten durch Mag. ZIPFEL, Caritas der Erzdiözese Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Burgenland, vom XXXX , Zahl: XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1 und § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 Asylgesetz (AsylG 2005) iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9 sowie § 46 und § 55 Fremdenpolizeigesetz (FPG) als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang

1.1. Der Beschwerdeführer stellte am 29.03.2015 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. (Aktenseite des Verwaltungsverfahrensaktes [im Folgenden: AS] 1, 9). Zu diesem wurde er am 31.03.2015 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt (AS 1-17) und nach Zulassung des Verfahrens am 27.11.2015 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Regionaldirektion Burgenland [BFA] niederschriftlich einvernommen (AS 45-89).

1.2. Das BFA wies mit im Spruch bezeichneten Bescheid den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 29.03.2015 gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I) und gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak (Spruchpunkt II) ab. Das BFA erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 und erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG. Das BFA stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung in den Herkunftsstaat Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III) und sprach aus, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV) (AS 279-351).

Mit Verfahrensanordnung vom XXXX wurde dem Beschwerdeführer vom BFA § 52 Abs. 1 BFA-VG für das Beschwerdeverfahren amtswegig eine juristische Person als Rechtsberater zur Seite gestellt (AS 263).

1.3. Der Beschwerdeführer hat gegen den am 03.04.2017 zugestellten Bescheid (AZ 273) am 18.04.2017 fristgerecht Beschwerde erhoben (AS 357-377).

2. Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht [BVwG] am 02.05.2017 die Beschwerde samt durchnummeriertem Verwaltungsakt vor (Ordnungszahl des hg Gerichtsaktes [im Folgenden:] OZ 1 [AS 1-379]).

3. Am 04.07.2019 langte beim BVwG ein Fristsetzungsantrag des Beschwerdeführers ein (Ordnungszahl des Gerichtsaktes [im Folgenden:] OZ 29).

3.1.1. Mit verfahrensleitender Anordnung des Verwaltungsgerichtshofes vom 10.07.2019, Fr2019/19/0011-5, beim BVwG eingelangt am 12.07.2019, wurde der Fristsetzungsantrag dem BVwG gemäß § 38 Abs. 4 VwGG mit der Aufforderung zugestellt, binnen drei Monaten die Entscheidung (Erkenntnis/Beschluss) zu erlassen und eine Ausfertigung, Abschrift oder Kopie des selben, sowie eine Kopie des Nachweises über die Zustellung der Entscheidung (Erkenntnis/Beschluss) an die antragstellende Partei, dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen, oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliege (OZ 31).

4. Das Bundesverwaltungsgericht hielt unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Arabisch am 17.09.2019 eine mündliche Verhandlung ab, an der der Beschwerdeführer teilnahm; die belangte Behörde ist nicht erschienen (OZ 37).

4.1.1. Das BVwG stellte eine Anfrage an die Staatenddokumentation (OZ 39, 42). Der Beschwerdeführer nahm zu den Länderinformationsquellen sowie zur Anfragebeantwortung Stellung (44-46), das BFA übermittelte keine Stellungnahme.

II. zu A) Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. entscheidungswesentliche Feststellungen

1.1. Der Beschwerdeführer führt den im Spruch angeführten Namen, ist 1974 geboren und Staatsangehöriger des Irak. Er verließ seinen Herkunftsstaat im Dezember 2014 über die Türkei, reiste am 29.03.2015 illegal in Österreich ein und stellte am selben Tag den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz (AS 1, 11, VHS 7). Der Beschwerdeführer stammt aus Bagdad, wo er bis zu seiner Ausreise auch gelebt hat. Er ist geschieden ohne Kinder und hat keine gesundheitlichen Einschränkungen zu vergegenwärtigen. Im Irak war er bis zu seiner Ausreise als Händler tätig. Er gehört der arabischen Volksgruppe und der sunnitischen Religionsgemeinschaft an. Aufgrund seines sunnitisch konnotierten Namens ist seine Glaubenszugehörigkeit auch nach außen ersichtlich (OZ 42, VHS 7).

1.2. Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich ausschließlich über eine Aufenthaltsberechtigung gemäß §§ 13 iVm 51 AsylG 2005. Der eingeholte Auszug aus dem Strafregister der Republik Österreich weist keine Einträge auf und es wurde kein Rückkehrverbot gegen ihn erlassen (OZ 35, AS 279). Seit Juni 2019 ist der Beschwerdeführer selbständig erwerbstätig und verfügt über das freie Gewerbe "Handelsgewerbe mit Ausnahme der reglementierten Handelsgewerbe und Handelsagent". Der Beschwerdeführer verdiente bis jetzt damit in Summe ca. EUR 2.200. Darüber hinaus bezieht der Beschwerdeführer bis dato Krankenversicherung und Geldleistungen aus der Grundversorgung idH von ca. EUR 360,00 monatlich für Miete und Verpflegung (OZ 34, 35, OZ 37/Z, VHS 6-8). Der Beschwerdeführer versteht wenig Deutsch und kann sich auf Deutsch kaum verständlich machen. Seine Umgangssprachen in Österreich sind Englisch und Arabisch. Die Beziehung zu einer Österreicherin ging vor kurzem auseinander (VHS 6-7). XXXX XXXX XXXX XXXX

1.3. Der Beschwerdeführer erstattete zu seinen Fluchtgründen und seiner Rückkehrbefürchtung chronologisch zusammengefasst folgendes Vorbringen:

Er sei seit Abschluss der Schule Geschäftsmann gewesen. Er habe ab 2001 in China und Dubai gelebt und von dort aus, zuletzt aus China, Waren in den Irak verkauft (OZ 40). Zuletzt habe er 2013 an seinen Geschäftspartner XXXX eine Warenlieferung im Wert von USD 300.000 abgesandt. Die Zahlung blieb jedoch aus, weshalb der Beschwerdeführer Ende 2013 in den Irak reiste. Da sich sein Geschäftspartner weiter weigerte die Ware zu bezahlen, habe er im Juli 2014 eine Anzeige bei Gericht (AS 21, 23) getätigt. In der Folge fragte er bei der Polizei mehrmals nach den Fortschritten seine Anzeige betreffend nach. Im August wurde er angerufen und zur Polizei bestellt. Dort habe sein Geschäftspartner bereits auf ihn gewartet und dieser habe ihn mit Hilfe von mehreren Männern zusammengeschlagen. Es habe sich um Angehörige der Asa'ib ahl al-haq [AAH] gehandelt, was aus der Aufschrift der Autos ersichtlich gewesen sei. Er habe Verletzungen davongetragen (Fotos AS 65) und sei deshalb auch im Krankenhaus gewesen. Nach etwa zwei Monaten habe sein Vater versucht mit seinem Geschäftspartner ein Gespräch zu führen, was dieser jedoch unterband, indem er auf Sunniten schimpfte und eine Todesdrohung aussprach. 4 Tage danach habe der Beschwerdeführer einen Drohbrief erhalten (AS 57, 155), in dem die Familie aufgefordert worden war, das Haus binnen 24 Stunden zu verlassen. Da sie dies nicht gemacht hätten, sei der Druck erhöht worden, indem 2 Tage später die Fassade beschossen worden sei, nachdem sie über Lautsprecher aufgefordert worden waren, das Haus zu verlassen. Sein Bruder habe ihn und seine Eltern in der Folge in dessen Haus untergebracht. Das Wohnhaus sei nunmehr von den Milizen okkupiert. Wenig später habe der Beschwerdeführer von seinem Schwager, einem Schiiten, der in einem zur Miliz gehörigen Amt arbeite, erfahren, dass seitens der AAH an alle Milizangehörigen ein Schreiben (AS 19, 153, VHS 13-14) verteilt worden sei, indem der Tod des Beschwerdeführers gefordert worden sei. Der Schwager habe ihm dieses Schreiben auch aus dem Büro mitgenommen. Auf Grund dieser Todesdrohung habe sich der Beschwerdeführer zur Ausreise entschlossen (AS 83-85, VHS 10-12; OZ 34, 40, 44, 45).

Vor einer Rückkehr nach Bagdad habe er aus mehreren Gründen Angst. Zunächst sei sein Name ein Problem, weil es ihn klar als Sunniten auszeichne. Dies sei insofern ein Problem, weil die Milizen mehrheitlich schiitisch seien und insbesondere die AAH die Checkpoints auf dem Weg zwischen Bagdad und dem Flughafen kontrollieren würden. Darüber hinaus bestehe gegen ihn die Todesdrohung durch die AAH, was bewirke, dass sein Name in den bei den Checkpoints der AAH aufliegenden Listen aufscheine. Im Falle einer Personenkontrolle würde er daher nicht nur auf Grund seines sunnitischen Namens einer Gefährdung unterliegen, sondern auch bei Abgleich seines Namens mit der Liste der AAH (VHS 13-16; OZ 45 2-5).

Zu seinen Familienverhältnissen im Irak führte der Beschwerdeführer aus, seine Eltern lebten nunmehr in einer Mietwohnung, da das Wohnhaus von den Milizen okkupiert worden sei. Sie lebten von der Rente seines Vaters sowie von Mieteinnahmen eines weiteren Hauses mit 4 Wohnungen und 6 Geschäftslokalen. Dieses Haus sei jedoch mittlerweile um EUR 180.000 verkauft worden, wovon der Anteil des Beschwerdeführers EUR 40.000 betrage. Mit der Miliz sei sein Vater in Verhandlungen über einen angemessenen Verkaufspreis für das okkupierte Haus. Seine Mutter habe gesundheitliche Probleme und könne seitdem er zusammengeschlagen worden sei, aus einem Schockzustand heraus nicht mehr gehen. Zu seinem Bruder habe er keinen Kontakt mehr, weil dieser (bereits seit längerem) Schiite sei und sich darüber hinaus vor einiger Zeit der AAH angeschlossen habe. Seine Schwester sei mit einem Schiiten, dem bereits erwähnten Schwager, verheiratet (VHS S9-11, 13; OZ 44 4).

1.3.1. Das Vorbringen zum Fluchtgrund und den Lebensumständen im Irak wird bis auf den Umstand, dass die AAH in einem an Milizangehörige verteilten Schreiben den Tod des Beschwerdeführers gefordert und dadurch den Beschwerdeführer auf eine "Todesliste" aufgenommen haben soll, auf der er auch noch 2019 aufscheine, als glaubwürdig erachtet.

1.3.2. Das Vorbringen im Hinblick auf die Gefährdungssituation bei einer Rückkehr aufgrund des sunnitisch konnotierten Namens des Beschwerdeführers wird ebenso für glaubwürdig erachtet.

1.4. Aufgrund der vorhandenen Länderinformationsquellen werden folgende Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Irak getroffen:

1.4.1. Die Sicherheitslage im Irak hat sich nach der dramatischen Verschlechterung (vor allem durch den Vormarsch des IS ab Mitte 2014) in den Jahren 2015 und 2016 seitdem die territoriale Kontrolle des IS gebrochen wurde, verbessert. IS-Kämpfer sind jedoch weiterhin in manchen Gebieten aktiv und die Sicherheitslage ist veränderlich. Derzeit ist es staatlichen Stellen nicht möglich, das Gewaltmonopol des Staates sicherzustellen. Insbesondere schiitische Milizen, aber auch sunnitische Stammesmilizen handeln eigenmächtig. Die im Kampf gegen den IS mobilisierten, zum Teil vom Iran unterstützten Milizen sind nur eingeschränkt durch die Regierung kontrollierbar und stellen eine potenziell erhebliche Bedrohung für die Bevölkerung dar. Durch die teilweise Einbindung der Milizen in staatliche Strukturen (zumindest formaler Oberbefehl des Ministerpräsidenten, Besoldung aus dem Staatshaushalt) verschwimmt die Unterscheidung zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren. Auch in anderen Landesteilen ist eine Vielzahl von Gewalttaten mit rein kriminellem Hintergrund zu beobachten. Insbesondere in Bagdad kommt es zu Entführungen durch kriminelle Gruppen, die Lösegeld für die Freilassung ihrer Opfer fordern. Terroristische und politisch motivierte Gewalt setzte sich das ganze Jahr 2017 über fort. Bagdad war besonders betroffen. (LIB 37, 43 mN)

1.4.2. zur aktuellen Lage in Bagdad

Die Mehrheit der Einwohner Bagdads sind Schiiten. In der Vergangenheit umfasste die Hauptstadt viele gemischte schiitische, sunnitische und christliche Viertel, der Bürgerkrieg von 2006-2007 veränderte jedoch die demografische Verteilung in der Stadt und führte zu einer Verringerung der sozialen Durchmischung sowie zum Entstehen von zunehmend homogenen Vierteln. Viele Sunniten flohen aus der Stadt, um der Bedrohung durch schiitische Milizen zu entkommen. Die Sicherheit der Provinz wird sowohl vom "Baghdad Operations Command" kontrolliert, der seine Mitglieder aus der Armee, der Polizei und dem Geheimdienst zieht, als auch von den schiitischen Milizen, die als stärker werdend beschrieben werden. Seit 2016 ist das Ausmaß der Gewalt in Bagdad allmählich zurückgegangen. Es gab einen Rückgang an IS-Aktivität, nach den Vorstößen der irakischen Truppen im Nordirak, obwohl der IS weiterhin regelmäßig Angriffe gegen militärische und zivile Ziele durchführt, insbesondere, aber nicht ausschließlich, in schiitischen Stadtvierteln. Darüber hinaus sind sunnitische Bewohner der Gefahr von Übergriffen durch schiitische Milizen ausgesetzt, einschließlich Entführungen und außergerichtlichen Hinrichtungen. (LIB 43)

Am Dienstag [01.10.2019] sind im Irak Proteste gegen Korruption und Misswirtschaft ausgebrochen. Sicherheitskräfte gingen mit Tränengas und Schüssen gegen die Demonstranten vor. Die Zahl der Toten bei den mehrtägigen Protesten ist weiter gestiegen. Seit Beginn vor vier Tagen seien 104 Menschen ums Leben gekommen, teilte die staatliche Menschenrechtskommission in Bagdad mit. Demnach wurden fast 6.000 Menschen verletzt. Bei der überwiegenden Zahl der Opfer handle es sich um Demonstranten. Außerdem seien Dutzende Gebäude beschädigt worden. [derstandard.at, diepresse.com; Zugriff jeweils am 09.10.2019].

1.4.3. Aktivitiäten der Milizen, im Speziellen der Asa'ib Ahl Al-Haqq [AAH]

Das Milizenbündnis der Volksmobilisierungseinheiten (Popular mobilization forces) [PMF] steht unter der Aufsicht des 2014 gegründeten Volksmobilisierungskomitees. Obwohl Ende 2016 ein Gesetz in Kraft trat, das die PMF dem regulären irakischen Militär in allen Belangen gleichstellt und somit der Weisung des Premierministers unterstellt, hat der irakische Staat und die irakische Armee nur mäßige Kontrolle über die Milizen. Die 2006 gegründete AAH (Liga der Rechtschaffenen oder Khaz'ali-Netzwerk, League of the Righteous) ist die mit ca. 15.000 Mann die drittgrößte schiitische Miliz im Irak, pro-Iranisch und gilt heute als gefürchtetste, weil besonders gewalttätige Gruppierung innerhalb der Volksmobilisierung, die religiös-politische mit kriminellen Motiven verbindet. Ihr Befehlshaber Khaz'ali ist einer der bekanntesten Anführer der PMF. Die Milizen, darunter insbesondere auch die AAH, stellen Checkpoints und Sicherheitsbarrieren auf, führen Hausdurchsuchungen und Razzien durch und übernehmen damit Aufgaben aus dem Zuständigkeitsbereich der irakischen Armee. Die militärischen Erfolge der PMF gegen den IS steigerten ihre Popularität vor allem bei der schiitischen Bevölkerung, gleichzeitig wurden allerdings auch Berichte über Menschenrechtsverletzungen wie willkürliche Hinrichtungen, Entführungen und Zerstörung von Häusern veröffentlicht. Einige Milizionäre hätten sich laut mehrerer irakischer und US-amerikanischer Beamte an "mafiösen Praktiken" beteiligt. Sie würden Schutzgeld von großen und kleinen Unternehmen fordern und an Checkpoints das Passieren von Autofahrern für Erpressungstaktiken benutzen. Den Milizen wird auch ein Naheverhältnis zur organisierten Kriminalität nachgesagt. Die 2003/4 neu gegründeten Milizen kooperierten zwangsläufig mit den Mafiabanden ihrer Stadtviertel. Kriminelle Elemente wurden aber nicht nur kooptiert, die Milizen sind selbst in einem dermaßen hohen Ausmaß in kriminelle Aktivitäten verwickelt, dass manche Experten sie nicht mehr von der organisierten Kriminalität unterscheiden, sondern von Warlords sprechen, die in ihren Organisationen Politik und Sozialwesen für ihre Klientel und Milizentum vereinen. Einkünfte kommen hauptsächlich aus dem großangelegten Ölschmuggel, Schutzgelderpressungen, Amtsmissbrauch, Entführungen, Waffen- und Menschenhandel, Antiquitäten- und Drogenschmuggel. (LIB 54-55; ATD 5; a-11083-2)

Oppositionelle, Protestanführer und Aktivisten der Zivilgesellschaft erhalten Todesdrohungen durch die unterschiedlichen Milizen, und es gibt unbestätigte Berichte, dass sich diese auf "hit lists" der Milizen wiederfinden (UNHCR'19 19-20).

Schiitische Milizen, im speziellen auch die AAH, weisen zwar keine nennenswerten Zahlen von sunnitischen Mitgliedern auf, es gibt jedoch immer wieder Sunniten, die sich den schiitischen Milizen auch freiwillig anschließen, zumal es laut Experten auch langfristiges Ziel der schiitischen Milizen ist, zu einer Polarisierung unter den sunnitischen Kämpfern beizutragen und sie davon zu überzeugen, sich einer der schiitischen Gruppen anzuschließen (a-11083-2).

Verschiedene Auskunftspersonen berichteten im Jahr 2017 den von Landinfo und Lifos [die länderkundliche Rechercheeinheit der norwegischen und schwedischen Asylbehörden] interviewten Rechercheuren, dass die Milizen als "unantastbar" gesehen werden, und dass weder die Polizei, noch eine andere Behörde sie davon abhalten könnten, Verbrechen zu begehen. Ein irakischer Politiker, den Landinfo und Lifos in Bagdad interviewte, gab an, dass bei den meisten Übergriffen, die von Milizen in Bagdad ausgeübt werden, die Opfer Sunniten sind. Der Politiker gab weiters an, dass die PMF die Möglichkeit haben, in jede Privatwohnung einzudringen, sogar in die Wohnung von Parlamentsmitgliedern. Er meint, dass nicht einmal Premierminister Haider al-Abadi diese stoppen könne. Dass die Milizen im Irak - auch in Bagdad - Menschen in ihren Wohnhäusern festnehmen, wurde auch von Amnesty International [AI] berichtet. Laut AI und Reuters beitreiben Milizen eigene Haftanstalten, in denen Folterungen und Misshandlungen stattfinden, ohne dass es zur Einmischung von Seiten der Behörden kommt (ABmiliz 6).

1.4.4. Zur Lage der Sunniten

Es gibt weiterhin Berichte, dass die irakischen Sicherheitskräfte [ISF], einschließlich der Peshmerga und schiitischer Milizen, sunnitische Gefangene töten. Oftmals werden Sunniten einzig aufgrund ihrer Glaubensrichtung als IS-Sympathisanten stigmatisiert oder gar strafrechtlich verfolgt. Zwangsmaßnahmen und Vertreibungen aus ihren Heimatorten richteten sich 2017 vermehrt auch gegen unbeteiligte Familienangehörige vermeintlicher IS-Anhänger. USDOS und andere Quellen wie UN Security Council berichteten, dass vor allem die mehrheitlich schiitischen PMF gegen sunnitische Zivilpersonen vorgehen, um an ihnen Rache für die Verbrechen, welche der IS gegen die schiitische Bevölkerung begangen hat, zu nehmen. Auch Human Rights Watch berichtete im Januar 2019 über willkürliche Verhaftungen, Verschwindenlassen und Folter sunnitischer Männer, welche aus Gebieten kommen, die vom IS kontrolliert wurden. (LIB 72, 79; SFH 8-10; AA 17)

Im Irak finden Zwangsvertreibungen von arabischen Sunniten bzw. Verweigerungen der Rückkehr ins Heimatgebiet und Einschränkungen der Bewegungsfreiheit statt, sowie für IDPs Registrierungsverfahren, Überprüfungsverfahren und Sicherheitsscreenings, sowie Verweigerungen des Zuganges in bestimmte Regionen. Diese sind in zahlreichen Berichten dokumentiert (s. dazu etwa das Länderinformationsblatt, Berichte des Auswärtigen Amtes, des US-Department of State, des UNHCR, von Human Rights Watch, etc.). V.a. im Nord- und Zentralirak finden und fanden großangelegte Vertreibungen bzw. Verweigerungen der Rückkehr statt, sowie in jenen Gebieten, die von schiitischen Milizen als strategisch besonders wichtig eingestuft werden - dazu gehört auch das Gebiet zwischen Bagdad und der Grenze zum Iran, sowie die Provinz Babil (südlich von Bagdad). Zahlreiche Berichte beschreiben die Vertreibung/Verweigerung der Rückkehr von tausenden Sunniten aus ihrem/ in ihr Heimatgebiet in der Provinz Babil. Es finden sich auch Berichte, die allgemein über Morde, Entführungen und Drohungen gegenüber Sunniten im Süden des Landes berichten. Zu Bagdad gibt es Berichte, dass Sunniten von schiitischen Milizen aus ihren Wohnvierteln oder Wohnhäusern vertrieben werden. Darüber hinaus kommt es zu Todesdrohungen, Morden und Entführungen von Sunniten. Es wird von hohen Zahlen an willkürlichen Verhaftungen von Sunniten berichtet. Viele werden nach dem Anti-Terrorismusgesetz von 2005 verhaftet. Es kommt regelmäßig zur Verurteilung nach sogenannten "umstrittenen Geständnissen", einschließlich zu langen Haftstrafen oder der Todesstrafe. Schiitische Milizen genießen in Bagdad eine große Bewegungs- und Handlungsfreiheit. (AB'17 3)

Viele Iraker, insbesondere Sunniten, würden versuchen ihre Namen zu ändern, was das Innenministerium veranlasst habe, dass nur mehr der Name "Saddam" geändert werden könne. Diskriminierung von sunnitischen Bewohnern und Flüchtlingen sei "ein sehr großes Problem". Es komme zu Misshandlungen an Checkpoints. Es habe auch Fälle gegeben, wo junge Männer mit sunnitischen Namen unter dem Vorwand eines Sicherheitschecks festgenommen worden seien und in der Folge verschwunden seien (ABname 2-6).

1.4.5. zur Versorgungslage im Irak, insbesondere in Bagdad

Der Staat kann die Grundversorgung der Bürger nicht kontinuierlich und in allen Landesteilen gewährleisten. Die Iraker haben eine dramatische Verschlechterung in Bezug auf die Zurverfügungstellung von Strom, Wasser, Abwasser- und Abfallentsorgung, Gesundheitsversorgung, Bildung, Verkehr und Sicherheit erlebt. Nachdem der Irak seit Jahrzehnten durch Krieg, Bürgerkrieg, Sanktionen zerrüttet wurde laufen nunmehr Wiederaufbauprogramme und die Weltbank traf für das Jahr 2019 vorsichtig-positive Wirtschaftsprognosen. Ob der Wiederaufbau zu einem nachhaltigen positiven Aufschwung beiträgt, hängt aus Sicht der Weltbank davon ab, ob das Land die Korruption in den Griff bekommt. Laut Welternährungsorganisation sind im Irak zwei Millionen Menschen von Nahrungsmittelunsicherheit betroffen. Die Landwirtschaft ist für die irakische Wirtschaft von entscheidender Bedeutung. Schätzungen zufolge hat der Irak in den letzten vier Jahren jedoch 40 Prozent seiner landwirtschaftlichen Produktion verloren. (LIB 118, 121).

Die medizinische Versorgungssituation bleibt angespannt. Das Gesundheitswesen besteht aus einem privaten und einem öffentlichen Sektor. Grundsätzlich sind die Leistungen des privaten Sektors besser, zugleich aber auch teurer. Ein staatliches Krankenversicherungssystem existiert nicht. Alle irakischen Staatsbürger, die sich als solche ausweisen können, haben Zugang zum Gesundheitssystem. Fast alle Iraker leben etwa eine Stunde vom nächstliegenden Krankenhaus bzw. Gesundheitszentrum entfernt. In ländlichen Gegenden lebt jedoch ein bedeutender Teil der Bevölkerung weiter entfernt von solchen Einrichtungen. (LIB 122)

2. Beweisaufnahme und Beweiswürdigung

2.1. Die Beweisaufnahme erfolgt durch

* Abhaltung einer mündlichen Verhandlung [VHS] am 17.09.2019 (OZ 37)

* Einsicht in den dem BVwG vorliegenden Verwaltungsverfahrensakt (OZ 1 [AS 1-379]) beinhaltend insbesondere die Erstbefragung, die Niederschrift(en), den Bescheid und die Beschwerde

* sowie Einsicht in folgende vorgelegte Unterlagen und Dokumente

- Irakischer Personalausweis (AS 1-5): Totalfälschung durch KTU festgestellt (AZ 193-219), Freispruch durch BG Baden (OZ 4);

- Irakischer Staatsbürgerschaftsnachweis (AS 51-52): Echtheit durch KTU bestätigt (AS 249-255).

- Anzeige des Handelspartners (AS 21, ÜS23), Aufforderung das Haus zu verlassen (AS 37, 57; ÜS 153), Fahndungsschreiben (AS 19, 35, 55; ÜS 155)

- Sonstige Dokumente: Handelskammerausweis (AS 3-5, 53-54), Hausbesitzurkunde und Verkaufsunterlagen (AS 59; OZ 45), Lebensmittelkarte und Meldebestätigung Vater (AS 61-63), Fotos (AS 65)

- Gewerbeanmeldung Stadt Wien vom 18.06.2019 (OZ 28)

- Unterlagen zum Unternehmen in Österreich (OZ 34)

- Unterlagen zur Geschäftstätigkeit im Irak (OZ 40, 44, 45)

* Einsicht in das Zentrale Melderegister (ZMR), das Strafregister der Republik Österreich (SA, SC), das Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister des Bundesministeriums für Inneres (IZR), sowie das Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich (GVS) (OZ 35)

* Anfragebeantwortung der Staatendokumentation in Bezug auf den konkreten Namen des Beschwerdeführers (OZ 39, 42)

* Einsicht in folgende länderspezifische Berichte (OZ 36)

- ACCORD: AB Irak: Anwerbung von sunnitischen Arabern durch schiitische Milizen (insbesondere Asa'ib Ahl al-Haqq) im Jahr 2014; Folgen 2019 für Personen, die sich 2014 Zwangsrekrutierung durch schiitische Milizen widersetzten; Gebietskontrolle von Asa'ib Ahl al-Haqq [a-11083-2]

- ACCORD: Themendossier zum Irak: Schiitische Milizen, Dokument-ID #2013050, 22.07.2019 [ATD]

- ACCORD: Anfragebeantwortung [AB] Irak: Lage von Personen, die für NGOs und/oder amerikanische Organisationen gearbeitet haben; Bedrohung durch schiitische Milizen; aktuelle Aktivitäten der schiitischen Milizen im Land, insbesondere Saraya al-Salam, 17.11.2016 [a-9910-1]

- ACCORD: AB Irak: Aktivitäten der Asa'ib Ahl al-Haqq, insbesondere Verhalten gegenüber sunnitischen MuslimInnen [a-10480-2]

- Deutsches Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Dezember 2018), 12.01.2019 [AA]

- EASO: Contry Guidance Iraq, Juni 2019 [CG]

- EASO: Country of Origin Information Report Iraq - Targeting of Individuals, März 2019 [COI-i]

- EASO: Country of Origin Information Report Iraq - Security situation, März 2019 [COI-s]

- EASO: Country of Origin Information Report Iraq - Internal mobility, Februar 2019 [COI-m]

- Schweizer Flüchtlingshilfe: Irak Verfolgung sunnitischer tribes - al-Sadoun, 26.06.2019 [SFH]

- Staatendokumentation [SD]: Länderinformationsblatt Irak, 20.11.2018 aktualisiert 25.07.2019 [LIB]

- SD: Anfragebeantwortung [AB] Irak: "Re-Registrierungsverfahren" / Überprüfungsverfahren / Sicherheitsscreenings / Zwangsvertreibungen (bzw. Verweigerungen der Rückkehr), etc. für/von sunnitische(n) Araber(n), die in ihre Heimatregion zurückkehren - insb. Heimkehr nach Basra und Bagdad, 29.12.2017 [AB'17]

- SD: AB Irak: Von schiitischen Milizen dominierte Gebiete, 04.01.2018 [ABmiliz]

- SD: Research paper Iraq, Socio-economic dynamics Baghdad, 31.07.2019 [SD-RP.B]

- SD-AB Irak: Verfolgung aufgrund eines sunnitischen Namens, 07.05.2018 [ABname]

- UNHCR International Protection Cosiderations with Regard to People Fleeing the Republic of Iraq, Mai 2019 [UNHCR'19]

2.2. Beweiswürdigung

2.2.1. Die Feststellungen zur Identität und Herkunft des Beschwerdeführers (Punkt 1.1), seiner Religionszugehörigkeit, seinem Familienstand und seiner Ausreise (Punkt 1.1.) ergeben sich aus den diesbezüglich nicht anzuzweifelnden Angaben im Verfahren (AS 1, 7-15, 67-77, VHS 7), welche durch (teilweise im Original) vorgelegte Dokumente gestützt werden (AS 51-52). Der Staatsbürgerschaftsnachweis (AS 51-52) des Beschwerdeführers wurde bereits im erstinstanzlichen Verfahren einer kriminaltechnischen Untersuchung unterzogen und als authentisch bewertet (AS 249-255). Der die selben Daten aufweisende Personalausweis (AS 1-5) hat sich zwar als Totalfälschung herausgestellt (AS 193-219), der Beschwerdeführer wurde aber von einem österreichischen Gericht vom Vorwurf des vorsätzlichen Verwendens einer gefälschten Urkunde rechtskräftig freigesprochen, da er keine Kenntnis von der Fälschung hatte (OZ 4).

2.2.2. Die Feststellungen zur Lebenssituation des Beschwerdeführers in Österreich (Punkt 1.2), ergeben sich aus seinen Angaben in der Verhandlung (VHS 6-9), welche sich mit den eingeholten Datenauszügen decken (OZ 35), so dass kein Grund bestand, diese Angaben zu bezweifeln. Die Unbescholtenheit des Beschwerdeführers und das Nichtbestehen eines Rückkehrverbotes (Punkt 1.2.) ergeben sich ebenfalls aus behördlich geführten Datenregistern, an deren Richtigkeit kein Anlass an zu zweifeln bestand (OZ 35).

2.2.3. Das Bundesverwaltungsgericht erachtet das Vorbringen des Beschwerdeführers (Punkt 1.3) zu den Ereignissen vor seiner Ausreise - Betrug durch den Geschäftspartner, Anzeigeerstattung, persönlicher Rachefeldzug des Geschäftspartners mit Hilfe der AAH - als glaubwürdig. So ist durchaus vorstellbar, dass der Beschwerdeführer mit seinem Handelspartner Probleme hatte und diesen auch bei Gericht anzeigte, wenngleich die Dimension, ca. USD 300.000 für eine einzige Warenlieferung, eher übertrieben erscheint, zumal auch die vorgelegten Bilanzen aus den Jahren 2004 bis 2006 nur einen Warenlieferwert zwischen USD 20.000 und USD 96.000 aufweisen. Der Beschwerdeführer konnte sowohl die Geschäftstätigkeit, als auch die Anzeige bei Gericht auch durch Vorlage diverser Unterlagen, welche sich mit dem Vorbringen decken belegen (AS 21, 23; OZ 34, 40, 44, 45).

2.2.3.1. Vor dem festgestellten Länderhintergrund im Irak ist auch durchaus glaubwürdig, dass sich sein Handelspartner mit Hilfe der Miliz seiner Schulden beim Beschwerdeführer entledigen wollte und dem Beschwerdeführer nicht nur mit der Miliz drohte, sondern auch dessen Zusammenschlagen veranlasste, zumal sich aus den Feststellungen zu den Aktivitäten der Milizen, insbesondere der AAH (Punkt 1.4.3) ergibt, dass einzelne Milizangehörige ihre Position für kriminelle Handlungen verwenden.

2.2.3.2. Dass dieser private Rachefeldzug jedoch dazu geführt haben soll, dass die AAH in einem an Milizangehörige verteilten Schreiben den Tod des Beschwerdeführers gefordert habe und der Beschwerdeführer auf einer "Todesliste" der AAH aufgeschienen sei bzw. im Jahr 2019 immer noch aufscheine, vermag nicht nachvollzogen werden. Zum diesbezüglich vorgelegten "Fahndungsschreiben" (AS 19, 153), welches der Beschwerdeführer von seinem Schwager erhalten hatte, ist auszuführen, dass (selbst bei unterstellter Authentizität des Schreibens) zwar eine lokale Verteilung in einem Büro nicht unmöglich erscheint; eine Verteilung an alle Milizangehörige der AAH wie vom Beschwerdeführer vorgebracht (VHS 13), derzeit ca. 15.000 Mann, erscheint jedoch unter Berücksichtigung der Feststellungen zu den Milizen nicht plausibel (Punkt 1.4.5 insbesondere LIB 54-55). Aus den Länderberichten ergibt sich wie bereits erwähnt nämlich durchaus, dass einzelne Mitglieder der AAH ihre Position auch für kriminelle Handlungen benützen (Punkt 1.4.3), dass diese jedoch zu einer landesweiten Fahndung nach einer einzelnen Person führen würden, lässt sich den Länderberichten nicht entnehmen, zumal als Veranlassung zu den kriminellen Handlungen die Geldbeschaffung und nicht Rachefeldzüge - noch dazu für einen nicht der Miliz angehörigen Dritten - beschrieben sind. Auch der diesbezügliche Verweis des Beschwerdeführers auf UNHCR'19 stützt (entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers) die Ansicht des BVwG, da dort ausgeführt wird, dass sich auf den unbestätigt existierenden "hit lists" der unterschiedlichen Milizen [zur jeweils eigenen Position] Oppositionelle, Protestanführer und Aktivisten der Zivilgesellschaft wiederfinden (UNHCR'19 19-20). Dass der Beschwerdeführer eine derart exponierte Person des Öffentlichen Lebens wäre, ergibt sich aus dem Vorbringen jedoch nicht.

2.2.3.3. Zur Glaubwürdigkeit der Lebensumstände der Familie des Beschwerdeführers im Irak ist auszuführen, dass sich dieses vor dem Länderhintergrund plausibel darstellt. Sowohl die Okkupation des Hauses findet sich in den Darstellungen der Aktivitäten der Milizen wieder (Punkt 1.4.3), als auch der Umstand, dass sein Bruder ein ehemaliger Sunnite für eine schiitische Miliz tätig ist (vgl. dazu insbesondere a-11083-2).

2.2.4. Die Befürchtungen des Beschwerdeführers im Hinblick auf seine Religion und seinen Namen (Punkt 1.3, 1.1) finden Deckung in einer explizit auf seinen Namen bezogenen Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, wonach es sich bei seinem Namen um einen sunnitisch konnotierten Namen handelt. Ergänzend legte der Beschwerdeführer eine diesbezügliche Auskunft des UNCHR-Büros vor (OZ 42, OZ 46). Dass die Sicherheitslage der Sunniten (auch in Bagdad) prekär ist findet sich etwa im aktuellen Länderinformationsblatt Irak (LIB 43, 72), in speziell zu diesem Thema ergangenen Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation (ABname; ABmiliz) sowie auch in Berichten des Auswärtigen Amtes (AA 17) und der Schweizer Flüchtlingshilfe (SFH 8-10) wieder, weshalb den diesbezüglichen Befürchtungen des Beschwerdeführers aus Sicht des BVwG Glaubwürdigkeit zukommt.

2.2.5. Die getroffenen länderspezifischen Feststellungen (Punkt 1.4.) ergeben sich aus den Berichten und Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation (OZ 36). Die Staatendokumentation des BFA berücksichtigt im Länderinformationsblatt Irak [LIB] und den Anfragebeantwortungen Berichte verschiedener staatlicher Spezialbehörden, etwa des Deutschen Auswärtigen Amtes und des deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge oder des US Department of State, ebenso, wie auch Berichte von Nichtregierungsorganisationen, wie etwa von ACCORD, Amnesty international, Human Rights Watch, oder der Schweizerischen Flüchtlingshilfe. Die herangezogenen Quellen sind aktuell, Großteils aus dem Jahr 2019, die spezielleren Anfragebeantwortungen sind aus den Jahren 2016 bis 2019.

Angesichts der Ausgewogenheit und Seriosität der genannten Quellen sowie der Plausibilität der weitestgehend übereinstimmenden Aussagen darin, besteht für das BVwG kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Auch die Parteien sind den in das Verfahren eingeführten Quellen nicht entgegengetreten (OZ 37, 44, 45).

3. Rechtliche Beurteilung

3.1.1. Die Zuständigkeit des BVwG und die Entscheidung durch eine Einzelrichterin ergibt sich aus § 6 Bundesgesetz über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes [BVwGG] iVm §7 BFA-VG und dem AsylG 2005.

3.1.2. Das Verfahren des BVwG ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt. Verfahrensgegenständlich sind demnach neben dem VwGVG auch die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, sowie jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen sinngemäß anzuwenden, die das AMS im erstinstanzlichen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (§ 17 VwGVG).

3.1.3. Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig (§§ 7, 9 VwGVG).

3.2. Zu Spruchpunkt I - Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG 2005

3.2.1. Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 [Anmerkung: Drittstaatssicherheit, Schutz im EWR-Staat oder in der Schweiz oder Zuständigkeit eines anderen Staates] zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (§ 3 Abs. 1 AsylG 2005). Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht (§ 3 Abs. 3 Z 1 AsylG 2005) oder der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat (§ 3 Abs. 3 Z 2 AsylG 2005). Die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder auf Grund eines Antrags auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, ist mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt (§ 3 Abs. 5 AsylG 2005).

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951, BGBl Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 31. Jänner 1967, BGBl Nr. 78/1974 (GFK), ist als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

3.2.2. Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ist die Glaubhaftmachung, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention, demnach aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht (VwGH 02.09.2015, Ra2015/19/0143). Nach der jüngeren Ansicht des UNHCR reicht es aus, dass der Konventionsgrund ein (maßgebender) beitragender Faktor ist, er muss aber nicht als einziger oder überwiegender Grund für die Verfolgung oder das Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen nachgewiesen werden (VwGH 23.02.2016, Ra2015/20/0113 mit Literaturnachweisen von UNHCR, Hathaway/Foster und Marx). Zentraler Aspekt der in Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 05.09.2016, Ra2016/19/0074). Unter Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005 umschreibt Verfolgung als jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 Statusrichtlinie, worunter (ua) Handlungen fallen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 MRK keine Abweichung zulässig ist. Dazu gehören insbesondere das durch Art. 2 MRK geschützte Recht auf Leben und das in Art. 3 MRK niedergelegte Verbot der Folter (VwGH 15.12.2016, Ra 2016/18/0083).

Um den Status des Asylberechtigten zu erhalten, muss die Verfolgung nur mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit drohen; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 27.05.2019, Ra2019/14/0153)

3.2.3. Wie im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt, kommt dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinem Fluchtgrund - Todesdrohungen durch die und Aufscheinen auf einer Todesliste der Asa'ib Ahl al-haq - keine Glaubwürdigkeit zu, weshalb dieses entsprechend der VwGH-Judikatur (VwGH 20.10.2016, Ra2016/20/0260 mwN) einer rechtlichen Beurteilung nicht zu Grunde zu legen ist, da es von vorneherein nicht geeignet ist, eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung glaubhaft zu machen.

3.2.4. Der Beschwerdeführer gehört der sunnitischen Glaubensrichtung an, was nach Außen durch seinen sunnitisch konnotierten Namen ersichtlich ist.

3.2.4.1. Den diesbezüglichen Länderfeststellungen zur Lage der Sunniten (Punkt 1.4.4) ist zu entnehmen, dass sunnitisch konnotierte Namen im Irak Grund für Verfolgung, Schikane und Diskriminierung von Seiten staatlicher Stellen, als auch von schiitischen Milizen sein können. Sowohl sunnitische als auch schiitische Milizen suchen sich ihre Opfer oft an Hand des Namens aus, da es bei Irakern oft keine anderen Hinweise auf deren Konfessionszugehörigkeit gibt. Im Kontext zielgerichteter Gewalt gegen Sunniten kann ein sunnitischer Name in manchen Fällen sogar als Todesurteil wahrgenommen werden. Diskriminierung von sunnitischen Bewohnern und Flüchtlingen sei "ein sehr großes Problem". Es komme zu Misshandlungen an Checkpoints. Es habe auch Fälle gegeben, wo junge Männer mit sunnitischen Namen unter dem Vorwand eines Sicherheitschecks festgenommen worden seien und in der Folge verschwunden seien. Sunniten geben daher oft vor, Schiiten zu sein etwa durch Namensänderungen, Verwendung von gefälschten Personalausweisen oder dem Auswendiglernen von relevanten Koranzitaten. (ABname 2-6). Aus den Länderberichten ergibt sich auch, dass die irakische Armee wenig Einfluss über die Handlungen der Milizen habe und auch in Bagdad die Sicherheitslage für Sunniten überaus fragil ist, was durch die Präsenz der schiitischen PMF noch verstärkt werde. Bei den meisten Übergriffen, die von Milizen in Bagdad ausgeübt werden, sind die Opfer Sunniten. Berichten von AI und Reuters zufolge nehmen Milizen im Irak, auch in Bagdad, Menschen in ihren Wohnhäusern fest und betreiben eigene Haftanstalten, in denen Folterungen und Misshandlungen stattfinden, ohne dass es zur Einmischung von Seiten der Behörden komme (ABmiliz 6).

3.2.4.2. Wenngleich sich aus den zitierten Länderberichten ergibt, dass (ua) Sunniten einem Gefährdungspotential unterliegen, so ergibt sich daraus nicht, dass im Irak ein Genozid der Sunniten stattfände. Fallbezogen treten - zumal das Aufscheinen auf einer Todesliste der Asa'ib Ahl al-haq für unglaubwürdig befunden wurde - auch keine weiteren Risikofaktoren zur Zugehörigkeit zur sunnitischen Glaubensrichtung hinzu, sodass zusammenfassend vor dem länderspezifischen Hintergrund auch unter Einbeziehung der jüngsten aufgetretenen (nicht konfessionell bedingten) gewalttätigen Proteste in Bagdad nicht davon auszugehen ist, dass der Beschwerdeführer mit der für die Asylgewährung erforderlichen maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (vgl. diesbezüglich zu sunnitischen Familien und Einzelpersonen jeweils aus Bagdad VwGH 10.07.2019, Ra2019/14/0225; 29.06.2018, Ra2018/18/0138; 25.04.2017, Ra2017/18/0014).

3.2.5. Es liegt somit keine Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK vor und braucht daher auch auf die Frage der Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit der staatlichen Organe vor derartigen Bedrohungen sowie des Vorliegens einer innerstaatlichen Fluchtalternative nicht mehr eingegangen werden und die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides des BFA ist als unbegründet abzuweisen.

3.3. Zu Spruchpunkt II - Subsidiäre Schutzberechtigung gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005

3.3.1. Nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, 1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder 2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Nach § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 leg.cit. mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 leg.cit. oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 leg.cit. zu verbinden. Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 leg.cit.) offen steht.

3.3.2. Für die Gewährung des subsidiären Schutzstatus iSd § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist (über die Auslegung des Art. 15 lit. b der Statusrichtlinie iVm Art. 3 Statusrichtlinie hinausgehend) bereits jegliche reale Gefahr (real risk) einer Verletzung von Art. 3 MRK an sich, unabhängig von einer Verursachung von Akteuren oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat ausreichend (VwGH 27.05.2019, Ra2019/14/0153). Um von der realen Gefahr (real risk) einer drohenden Verletzung der durch Art. 2 oder 3 MRK garantierten Rechte eines Asylwerbers bei Rückkehr in seinen Herkunftsstaat ausgehen zu können, reicht es nicht aus, wenn eine solche Gefahr bloß möglich ist. Es bedarf vielmehr einer darüber hinausgehenden Wahrscheinlichkeit, dass sich eine solche Gefahr verwirklichen wird (VwGH 21.02.2017, Ra2016/18/0137). Der EGMR erkennt in ständiger Rechtsprechung, dass ein real risk vorliegt, wenn stichhaltige Gründe (substantial grounds) dafür sprechen, dass die betroffene Person im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat das reale Risiko (insbesondere) einer Verletzung ihrer durch Art 3 MRK geschützten Rechte zu gewärtigen hätte. Dafür spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob dieses reale Risiko in der allgemeinen Sicherheitslage im Herkunftsstaat, in individuellen Risikofaktoren des Einzelnen oder in der Kombination beider Umstände begründet ist. Allerdings betont der EGMR in seiner Rechtsprechung auch, dass nicht jede prekäre allgemeine Sicherheitslage ein reales Riskio iSd Art 3 MRK hervorruft. Im Gegenteil lässt sich seiner Judikatur entnehmen, dass eine Situation genereller Gewalt nur in sehr extremen Fällen (in the most extreme cases) diese Voraussetzung In den übrigen Fällen bedarf es des Nachweises von besonderen Unterscheidungsmerkmalen (special distinguishing features), aufgrund derer sich die Situation des Betroffenen kritischer darstellt als für die Bevölkerung im Herkunftsstaat im Allgemeinen (VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0137 uHa EGMR Sufi und Elmi / UK mwN). Der Tatbestand einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes in § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 orientiert sich an Art. 15 lit.c der Statusrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU) und umfasst eine Schadensgefahr allgemeiner Art, die sich als "willkürlich" erweist, also sich auf Personen ungeachtet ihrer persönlichen Situation erstrecken kann. Entscheidend für die Annahme einer solchen Gefährdung ist nach den Ausführungen des EuGH, dass der den bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, eine Zivilperson liefe bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr, einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein. Dabei ist zu beachten, dass der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, damit der Antragsteller Anspruch auf subsidiären Schutz hat, umso geringer sein wird, je mehr er möglicherweise zu belegen vermag, dass er aufgrund von seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist (VwGH 21.02.2017, Ra2016/18/0137 uHa EuGH 17.02.2009, C-465/07, Elgafaji; 30.01.2014, C-285/12, Diakite).

3.3.3. Die Deckung der existentiellen Grundbedürfnisse kann aus den Feststellungen zur Lage im Irak (siehe Punkt 1.4.5) als gesichert angenommen werden.

3.3.3.1. Der aus Bagdad stammende Beschwerdeführer ist ein alleinstehender Mann mit familiärem Anschluss in Bagdad ohne weitere gesundheitliche Einschränkungen, der auch über ausreichend finanzielle Mittel verfügt, weshalb nicht erkennbar ist, warum er in eine aussichtslose Lage geraten sollte oder ihm eine Existenzsicherung in seinem Herkunftsstaat nicht zumutbar sein sollte, zumal auch aus den Länderfeststellungen keinesfalls hervorgeht, dass die Lage für alle Personen (ohne Hinzutreten von besonderen Umständen) dergestalt wäre, dass das existentielle Überleben gefährdet wäre. Es ergeben sich aus den Länderfeststellungen auch keine Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse). Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde, liegt somit nicht vor (vgl VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063).

Das BVwG verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass sich die wirtschaftliche Lage des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat möglicherweise schlechter darstellen wird als in Österreich; aus den getroffenen Ausführungen ergibt sich aber eindeutig, dass der Schutzbereich des Art 3 EMRK nicht tangiert ist.

3.3.4. Eine lebensbedrohende Erkrankung oder einen sonstigen auf seine Person bezogenen "außergewöhnlichen Umstand", welcher ein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK darstellen könnte, hat der Beschwerdeführer ebenso wenig behauptet oder bescheinigt.

3.3.5. Wenngleich sich die aktuelle Situation im Irak, insbesondere in Bagdad, als angespannt und konfliktträchtig darstellt, kann trotz der in manchen Landesteilen insbesondere auch in Bagdad regional und temporär angespannten Sicherheitslage vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen nicht angenommen werden, dass sich der Irak im Zustand willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes befindet, und dass für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines solchen internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht. Aufgrund der getroffenen Feststellungen kann ferner auch nicht davon gesprochen werden, dass praktisch jedem, der in den Irak abgeschoben wird, Gefahr für Leib und Leben in einem Maße drohen, dass die Abschiebung im Lichte des Art. 3 EMRK unzulässig erschiene.

3.3.6. Dass der Beschwerdeführer auf Grund der Zugehörigkeit zur sunnitischen Glaubensrichtung zwar einem Gefährdungspotential unterliegt, dieses jedoch nicht über die bloße Möglichkeit eines dem Art. 3 EMRK widersprechenden Nachteils hinausgeht (vgl. dazu VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174), wurde bereits unter Punkt 3.2.4. ausführlich dargelegt.

3.3.7. Zusammenfassend finden sich somit keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat, mit der in diesem Zusammenhang maßgeblichen Wahrscheinlichkeit, einer Gefährdungssituation im Sinne des § 8 AsylG 2005 ausgesetzt wäre, womit die Beschwerde gegen Spruchpunkt II des Bescheides des Bundesasylamtes abzuweisen ist.

3.4. zu Spruchpunkte III bis V des angefochtenen Bescheides - Rückkehrentscheidung

3.4.1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.

Gemäß § 52 Abs 9 FPG ist mit der Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

Gemäß § 55 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. (Abs 1) Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird. (Abs 1a) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen. (Abs 2) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. § 37 AVG gilt. (Abs 3) Das Bundesamt hat von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde. (Abs 4)

Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG idgF die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen: 1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war; 2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens; 3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens; 4. der Grad der Integration; 5. die Bindungen zum Herkunftsstaat des Fremden; 6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit; 7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts; 8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren; 9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Gemäß § 9 Abs 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl I Nr 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

3.4.2. Wird durch eine Rückkehrentscheidung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung dieser Maßnahme gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG 2014 (nur) zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei Beurteilung dieser Frage ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG 2014 genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG 2014 ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (VwGH 16.11.2016, Ra 2016/18/0041). Folgende Umstände stellen in Verbindung mit anderen Aspekten Anhaltspunkte dafür dar, dass der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit zumindest in gewissem Ausmaß genützt hat, um sich zu integrieren: Erwerbstätigkeit des Fremden, das Vorhandensein einer Beschäftigungsbewilligung, eine Einstellungszusage, das Vorhandensein ausreichender Deutschkenntnisse, familiäre Bindungen zu in Österreich lebenden, aufenthaltsberechtigten Familienangehörigen, ein Freundes- und Bekanntenkreis in Österreich bzw. die Vorlage von Empfehlungsschreiben, eine aktive Teilnahme an einem Vereinsleben, freiwillige Hilfstätigkeiten, ein Schulabschluss bzw. eine gute schulische Integration in Österreich oder der Erwerb des Führerscheins (VwGH 17.10.2016, Ro 2016/22/0005 mwN).

3.4.3. Für den Beschwerdeführer sprechen seine strafrechtliche Unbescholtenheit, die Aufnahme einer Geschäftstätigkeit und österreichische Bekannte. Der Beschwerdeführer hält sich demgegenüber jedoch zum Entscheidungszeitpunkt erst rund vier Jahre durchgehend im österreichischen Bundesgebiet auf, spricht kaum Deutsch und es besteht keine hinreichend starke Nahebeziehung zu in Österreich dauernd aufenthaltsberechtigten Personen, während im Herkunftsstaat Angehörige seiner Kernfamilie leben. Im Falle des Beschwerdeführers hat das bisherige Verfahren auch sonst keine Anhaltspunkte für die Annahme besonderer sozialer oder wirtschaftlicher Beziehungen des Beschwerdeführers in Österreich ergeben und wurden solche auch nicht substantiiert behauptet. Der Beschwerdeführer verfügt über keinen aufrechten Aufenthaltstitel; sein bisheriger Aufenthalt stützte sich ausschließlich auf das Asylrecht. Er hat den überwiegenden Teil seines Lebens im Irak verbracht und wurde dort auch sozialisiert. Es deutet nichts darauf hin, dass es dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren. Eine anderweitige Aufenthaltsverfestigung, die die Annahme einer Prävalenz der hier bestehenden Bindungen zu Österreich gegenüber jenen zum Herkunftsstaat rechtfertigen würde, ist im Verfahren nicht hervorgetreten.

3.4.3.1. Demgegenüber stehen die öffentlichen Interessen des Schutzes der öffentlichen Ordnung, insbesondere in Form der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen, sowie des wirtschaftlichen Wohles des Landes gegenüber. Im Rahmen einer Abwägung dieser Fakten iSd Art 8 Abs. 2 EMRK und unter Berücksichtigung der Judikatur des EGMR erweisen sich die individuellen Interessen des Beschwerdeführers iSd Art 8 Abs. 1 EMRK nicht als so ausgeprägt, dass sie insbesondere das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung nach Abschluss des gegenständlichen Verfahrens und der Einhaltung der österreichischen aufenthalts- und fremdenrechtlichen Bestimmungen überwiegen.

3.4.3.2. Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG kann dem BFA nicht entgegen getreten werden, wenn es davon ausgegangen ist, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet dessen persönliches Interesse am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, die im gegenständlichen Fall den Ausspruch einer dauernden Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würden.

3.4.3.3. Schließlich sind im Hinblick auf die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid gemäß § 52 Abs. 9 iVm § 50 FPG getroffenen Feststellungen keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung in den Herkunftsstaat unzulässig wäre. Derartiges wurde in der gegenständlichen Beschwerde auch nicht schlüssig geltend gemacht.

3.4.4. Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung der Rückkehrentscheidung vorliegen, ist die Beschwerde gegen Spruchpunkte III bis VI des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

III. ad B) Unzulässigkeit der Revision

Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist zu begründen (§ 25a Abs. 1 VwGG). Die Revision ist (mit einer hier nicht zum Tragen kommenden Ausnahme) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ni

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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