TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/21 L510 2124921-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.10.2019
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Entscheidungsdatum

21.10.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

L510 2124921-1/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. INDERLIETH als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Irak, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.03.2016, Zl: XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8, 10 Abs. 1 Z. 3, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF, §§ 52 Abs. 2 Z. 2 u. Abs. 9, 46, 55 FPG idgF mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der erste Satz von Spruchpunkt III. des bekämpften Bescheides zu lauten hat: "Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird Ihnen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt".

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrenshergang

1. Die beschwerdeführende Partei (bP) stellte nach nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 04.01.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Anlässlich der Erstbefragungen durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 04.01.2015 gab die bP zu ihrem Fluchtgrund an, dass sie XXXX beim irakischen Militär gewesen sei. Man habe ihr oft gesagt, dass sie damit aufhören solle, oder ihre Familie werde verletzt. Da sie nicht aufgehört habe, sei zuerst ihr Bruder XXXX entführt worden. Da sie noch immer nicht beim Militär aufgehört habe, sei ihr Bruder XXXX , geb. XXXX , welcher mit ihrem Auto unterwegs gewesen sei, von diesen Personen erschossen worden. Dann habe ihre Familie gesagt, dass sie den Irak verlassen müsse.

Die Einvernahme der bP vor dem BFA am 02.02.2016 stellte sich im Wesentlichen folgend dar:

"..."F: Haben Sie jemanden mit Ihrer Vertretung im laufenden Asylverfahren betraut und/oder eine Zustellvollmacht erteilt?

A: Nein.

F: Hatten Sie die heute vorgelegten Dokumente bei der Asylantragstellung bei sich?

A: Nein. Diese wurde mir von meinem jüngeren Bruder XXXX geschickt.

F: Stehen Sie derzeit in ärztlicher Behandlung und/oder nehmen Sie Medikamente? Leiden Sie an einer Krankheit?

A: Ich hatte in XXXX vor cirka acht Monaten eine Hämorrhoiden Operation. Derzeit nehme ich nur mehr die Hadensa Salbe. Die anderen Medikamente muss ich nicht mehr nehmen.

F: Haben Sie anlässlich Ihrer Einvernahme am 04.01.2015 die Wahrheit gesagt und halten Sie diese Angaben aufrecht?

A: Ja.

F: Haben Sie etwas dagegen, dass Recherchen in Ihrem Heimatland durchgeführt werden?

A: Nein.

REISEWEG

Aufgefordert die Wahrheit zu sagen und nach meinem Reiseweg befragt, gebe ich Folgendes an:

F: Lebten Sie früher schon einmal in Österreich oder in einem anderen EWR-Staat oder der Schweiz?

A: Nein.

F: Wo lebten Sie bis zur Ausreise?

A: In Bagdad, XXXX , seit meiner Geburt bis 26.06.2014.

F: Mit wem lebten Sie in Bagdad im gemeinsamen Haushalt?

A: Mit meinen Eltern, meinen Brüdern XXXX XXXX sowie zwei Schwestern XXXX .

F: Wovon lebten Sie bis zur Ausreise?

A: Ich war beim Militär angestellt.

F: Wo ist Ihr Reisepass?

A: Dieser wurde mir vom Schlepper in der Türkei abgenommen.

F: Wann wurde der Reisepass ausgestellt?

A: Im Jahre 2014, den Monat weiß ich nicht. Es kann sein, dass er im Jänner ausgestellt wurde.

F: Wie erfolgte die Ausreise aus dem Irak?

A: Legal per Flugzeug über den Flughafen Bagdad.

F: Durch welche Länder sind Sie gereist?

A: Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien und Ungarn. Ich war legal in der Türkei.

F: Hatten Sie je Kontakt zu extremistischen oder terroristischen Gruppierungen bzw. sich für diese engagiert?

A: Nein.

FAMILIÄRE VERHÄLTNISSE UND INTEGRATION

F: Haben Sie eine familiäre Beziehung zu in Österreich aufhältigen Personen?

A: Nein.

F: Wovon leben Sie in Österreich?

A: Ich befinde mich in Grundversorgung.

F: Kann jemand für Sie eine Verpflichtungserklärung (das heißt, dass jemand für die Kosten während Ihres Aufenthalts in Österreich aufkommt) abgeben?

A: Nein.

F: Besuchen Sie oder haben Sie in Österreich eine Schule oder einen Kurs besucht?

A: Leute bringen mir freiwillig die deutsche Sprache bei.

F: Gehen Sie in Österreich einer Beschäftigung nach?

A: Nein.

F: Sind Sie vorbestraft?

A: Nein.

F: Sind Sie je von einer gerichtlichen Untersuchung oder einem Gerichtsverfahren oder einer (einstweiligen) gerichtlichen Verfügung in Österreich betroffen gewesen?

A: Nein.

F: Wurden Sie je wegen einer Verwaltungsübertretung etwa nach den Verkehrsvorschriften, Einreisevorschriften, Gewerberecht oder Schwarzarbeit, einem Finanzvergehen, oder einer anderen Verwaltungsübertretung bestraft?

A: Nein.

AUSREISEGRUND

Erneut aufgefordert die Wahrheit zu sagen und nach dem Grund, der mich bewogen hat, mein Heimatland zu verlassen, befragt, gebe ich Folgendes an:

Ich verließ den Irak, weil ich dort bedroht wurde. Meine Mutter hatte Angst um uns und sagte sie, dass ich nicht hier bleiben sondern den Irak verlassen soll. Meine Mutter wurde krank wegen uns. Wegen der allgemeinen Lage im Irak, dem Krieg, der Zerstörung, dem Blut, wollen wir nicht weiter dort bleiben. Ich wollte eigentlich nicht den Irak verlassen, sondern verließ diesen nur, weil meine Mutter es so wollte. Sie hatte Angst um mich.

F: Gibt es sonst noch Gründe für Ihr Verlassen vom Irak bzw. gibt es sonst noch Gründe für Ihre Asylantragstellung bzw. Gründe, die Sie an einer Rückkehr hindern?

A: Nein.

F: Haben Sie den Dolmetsch bisher einwandfrei verstehen können und haben Sie das Gefühl, dass dieser Ihre Angaben richtig und vollständig wiedergibt?

Wenn dies der Fall ist, dann bestätigen Sie dies mit Ihrer Unterschrift!

F: Waren Sie jemals in Haft oder wurden Sie festgenommen?

A: Nein.

F: Sind Sie Mitglied einer Partei?

A: Nein.

F: Wurden Sie jemals wegen Ihrer politischen Überzeugung bzw. Gesinnung verfolgt?

A: Nein.

F: Wurden Sie aus religiösen Gründen verfolgt?

A: Nein. Ich war nur bedroht, weil ich Soldat bin.

F: Wurden Sie aufgrund Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit verfolgt?

A: Im Irak gibt es schon solche Verfolgungen.

V: Ja, aber es geht um Ihre Person!

A: Ich wurde nicht diesbezüglich verfolgt.

F: Hatten Sie jemals Probleme mit Behörden oder der Polizei oder dem Gericht?

A: Nein.

F: Wen meinen Sie mit uns, weil Sie sagten, meine Mutter hatte Angst um uns?

A: Damit meine ich ihre Kinder. Ein Bruder von mir wurde nämlich entführt und ein anderer Bruder wurde angeschossen.

F: Welcher Bruder wurde entführt und wann wurde dieser entführt?

A: Mein Bruder XXXX wurde Ende 2004 Anfang 2005 entführt.

F: Hörten Sie seit damals etwas von ihm?

A: Wir wurden angerufen und wurde ein Betrag US-$ 16.000,-- verlangt. Das Geld wurde bezahlt, jedoch kam mein Bruder dennoch nicht nach Hause. Unter der Nummer der Entführer ist niemand mehr erreichbar.

F: Welcher Beschäftigung ging Ihr Bruder XXXX nach?

A: Er war Soldat.

F: Von wem wurde Ihr Bruder entführt?

A: Von Terroristen.

F: Zu welcher Gruppierung gehörten diese?

A: Zum islamischen Staat. Damals hießen diese AL Kaida, jetzt heißen diese IS.

F: Welcher Bruder wurde angeschossen?

A: XXXX .

F: Wann war dies?

A: Im August 2006.

F: Welcher Beschäftigung ging dieser nach?

A: Er war Lebensmittelverkäufer.

F: Seit wann ist XXXX in Schweden?

A: Entweder Mai oder Juni 2007.

F: Warum wurde dieser angeschossen?

A: Rassismus. Drei seiner Angestellten wurden getötet und er wurde angeschossen.

F: Was meinen Sie mit Rassismus?

A: Jeder hat eine andere Religion.

F: Ja, aber Ihre Religion stellt die Mehrheit im Irak!

A: Beide Religionen sind böse. Die Schiiten bringen die anderen um und die Schiiten werden von den anderen umgebracht.

F: Von wem wurden die Angestellten Ihres Bruders getötet bzw. Ihr Bruder angeschossen?

A: Wir wissen nicht wer es war.

F: Wurde damals Anzeige bei der Polizei erstattet?

A: Ja, natürlich. Die Polizei kam mit dem Ergebnis, dass der Täter unbekannt ist.

F: Wurde auch Anzeige erstattet bezüglich der Entführung Ihres Bruders XXXX ?

A: Ja natürlich. Die Polizei gab ihn auf eine Vermisstenliste.

F: Gab es jemals persönlich Bedrohungen gegen Ihre Person?

A: Ich bin Soldat und arbeite beim Militär. Mein Wohnbezirk ist zweigeteilt und ich war mit den Amerikanern zusammen. Ich bekam mehrere Bedrohungen, zum Beispiel telefonische Bedrohungen. Ich bekam auch Drohbriefe mit einer Patrone. Zusammengefasst hatten diese den Inhalt, dass ich das Militär verlassen soll ansonsten würden meine Geschwister entführt werden. Seit damals hatte meine Mutter Angst um uns und dürften wir nicht das Haus verlassen außer zur Arbeit.

F: In welche zwei Teile wurde der Bezirk geteilt?

A: In einem Teil sind die Sunniten und im anderen Teil sind die Schiiten.

F: Seit wann gab es diese Bedrohungen gegen Ihre Person?

A: Seit dem Jahre 2008.

F: Traten diese Personen einmal persönlich an Sie heran oder nur telefonisch oder in Form von Drohbriefen?

A: Die Drohbriefe waren an mich persönlich adressiert und gab es die telefonischen Bedrohungen. Ich hätte mir gewünscht, dass diese zu mir nach Hause gekommen wären. Dann hätte ich sie genommen und zur Polizei gebracht.

F: Wie viele Drohbriefe bekamen Sie?

A: Einen und drei Anrufe.

F: Wissen Sie wann Sie diesen Drohbrief erhielten?

A: Am 11.11.2008.

F: Wo ist dieser Drohbrief?

A: Es war ein Kuvert mit einer Patrone. Es war kein Schreiben in diesem Kuvert. Das Kuvert mit der Patrone gaben wir bei der Polizei ab.

F: Wann war der letzte Drohanruf?

A: Im Jahre 2013. Das genaue Datum weiß ich nicht.

F: Wissen Sie vielleicht den Monat oder war es im Sommer 2013?

A: Nein.

F: Wie lange hielten Sie sich noch zu Hause auf nach dem letzten Drohanruf bis Sie ausreisten?

A: Etwa ein Jahr. Meine Mutter sagte meistens, dass ich nicht nach Hause kommen sondern im Dienst bleiben soll.

F: Warum blieben Ihre Mutter und die übrigen Familienangehörigen zu Hause? Diese sind doch auch von der allgemeinen schlechten Lage betroffen. Laut Ihren Angaben wurde Ihre Mutter sogar krank.

A: Die Frauen sind davon nicht betroffen.

V: Sie gaben doch an, dass Ihre Mutter sogar krank wurde.

A: Sie hat Angst um uns. Wenn es uns gut geht, geht es ihr auch gut.

F: Warum sprachen Sie vorher in der Mehrzahl? Sie gaben an Drohbriefe erhalten zu haben. Letztendlich bekamen Sie nur einen Drohbrief.

A: Ich bekam einen Drohbrief und zwei SMS.

F: Haben Sie diese SMS noch?

A: Das entsprechende Handy befindet sich bei der Polizei nachdem ich Anzeige erstattete.

F: Wann erstatten Sie die Anzeige bei der Polizei?

A: Am gleichen Tag als ich das Kuvert bekam. Es war am 11.11.2013.

V: Vorher gaben Sie den 11.11.2008 an!

A: 11.11.2008 ist richtig.

F: Warum gaben Sie dann den 11.11.2013 an?

A: Ich konzentrierte mich kurz nicht.

F: Warum verließen Sie erst im Jahre 2014 den Irak, wenn Sie eigentlich seit dem Jahre 2008 bedroht wurden?

A: Viele Soldaten wurden getötet. Meine Mutter sagte öfters, dass ich das Land verlassen soll. Es war kein Leben mehr. Wir trauten uns nicht mehr aus dem Haus. Es herrschte die Mafia. Leute wurden eigentlich grundlos getötet.

F: Haben Sie eine Anzeigebestätigung?

A: Nein. Sie können aber recherchieren über mich.

F: Haben Sie irgendwelche Beweismittel für Ihr persönliches Vorbringen?

A: Es ist alles bei der Polizei.

F: Können Sie etwas besorgen?

A: Nein. Ich habe nur meinen Vater, meine Mutter und meinen jüngeren Bruder. Dieser geht nur zur Universität und dann wieder nach Hause. Das Postamt, von wo er etwas schicken kann, ist etwa eine Stunde entfernt und ist der Weg dorthin sehr gefährlich.

V: Die heute vorgelegten Dokumente konnte er Ihnen aber auch schicken, obwohl der Weg zum Postamt gefährlich ist.

A: Damals war es nicht so schlimm. Alle Leute haben jetzt Waffen, sogar Zivilisten. Es ist jetzt sehr gefährlich.

F: Von wem ging die Bedrohung gegen Ihre Person aus?

A: Mafia.

F: Geht es ein bisschen konkreter?

A: Wir nennen sie Mafia und ist dies der islamische Staat.

F: Gab es jemals Übergriffe gegen Ihre Person?

A: Nein.

F: Warum beendeten Sie nicht die Tätigkeit beim Militär?

A: Das ist meine Zukunft, warum soll ich dies beenden.

V: Immerhin wurden Sie deshalb bedroht und wäre es um Ihr Leben gegangen!

A: Ich war zu der Zeit der Einzige in der Familie gewesen, der arbeitete.

F: Wovon leben dann jetzt Ihre Familienangehörigen im Irak?

A: Von der Pension meines Vaters.

F: Ist noch jemanden von der Familie etwas passiert? Sie gaben die Entführung des XXXX an und dass XXXX angeschossen wurde.

A: Sonst ist niemandem etwas passiert.

V: Laut Erstbefragung wäre auch einem Bruder XXXX etwas passiert!

A: Es ist ihm nichts passiert.

V: Angeblich wäre dieser erschossen worden!

A: XXXX ist verheiratet und hat drei Kinder.

F: Wie kommt es dann zu dieser Protokollierung in der Erstbefragung?

A: Ich weiß es nicht.

V: Den Bruder XXXX gaben Sie heute auch nicht beim Datenblatt an! Die anderen Geschwister gaben Sie sehr wohl an.

A: Ich habe mich nicht an ihn erinnert.

F: Wo lebt XXXX mit seiner Familie?

A: In Bagdad, XXXX .

F: Welcher Beschäftigung geht er nach?

A: Er ist Arbeiter, er verkauft Gemüse.

F: Warum verließ Ihr Bruder XXXX mit Ihnen den Irak?

A: Er war Angestellter bei einer staatlichen Elektrizitätsfirma. Er hörte nicht auf seine Mutter und verließ öfters das Haus. Meine Mutter hatte Angst um ihn. Es tragen jetzt nicht nur Polizisten eine Waffe, sondern auch Zivilpersonen.

F: Wurde XXXX persönlich bedroht?

A: Nein.

F: Was spricht gegen eine Wohnsitzverlegung innerhalb des Iraks?

A: Trotzdem hätte ich nach Bagdad zurück müssen, wo sich meine Arbeit bzw. Dienststelle befindet.

F: Welche Tätigkeit führten Sie überhaupt aus beim irakischen Militär?

A: Wache schieben in der Nacht. Ich machte Festnahmen und Dienste außerhalb von Bagdad.

F: Konnten Sie mit diesen langen Haaren Dienst machen beim Militär? (Anmerkung: Der AW trägt einen Zopf)

A: Nein, dort gibt es keine Freiheit.

F: Weswegen wurden diese Personen von Ihnen festgenommen?

A: Sie hatten Probleme, machten Attentate oder Explosionen oder bringen die Leute um. Wir bekamen vom Gericht die Namen und nahmen dann die Leute fest.

V: Laut Erstbefragung wären Sie XXXX beim irakischen Militär gewesen!

A: Ja.

V: Das gaben Sie heute aber nicht an.

A: 2007 war ich im Verteidigungsministerium. Ich war ein Jahr in der XXXX ein XXXX XXXX . Nach diesem Jahr war ich bei anderen Aktivitäten dabei.

F: Von wann bis wann waren Sie XXXX XXXX ?

A: Von 2007 bis Ende 2008. Genaues Datum weiß ich nicht.

F: Wollen Sie Einsicht in die Länderfeststellungen des Bundesamtes zu Ihrem Herkunftsstaat nehmen? (Anmerkung: Der AW wird kurz erklärt, worum es sich handelt und welchen Inhalt die Feststellungen haben)?

A: Nein. Ich verzichte darauf.

F: Ich beende jetzt die Einvernahme. Haben Sie alle Gründe vorgebracht, die Sie bewogen haben, in Österreich um Asyl anzusuchen?

A: Ja.

F: Haben Sie noch Fragen zu Ihrem Asylverfahren?

A: Nein.

Erklärung: Ihnen wird nun die Niederschrift rückübersetzt. Nach der Rückübersetzung haben Sie noch Gelegenheit, Ergänzungen und/oder Korrekturen vorzunehmen, falls dies erforderlich sein sollte. Mit Ihrer anschließenden Unterschrift bestätigten Sie, dass Ihre Angaben inhaltlich richtig und vollständig wiedergegeben wurden.

F: Ihnen wurde nun die Niederschrift rückübersetzt. Wollen bzw. haben Sie etwas zu berichtigen und/oder zu ergänzen?

A: Nein.

F: Wünschen Sie eine Ausfolgung der Kopie der Niederschrift?

A: Ja.

..."

Der Antrag auf internationalen Schutz wurde folglich vom BFA gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.).

Gem. § 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.).

Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.).

Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Das BFA gelangte im Wesentlichen zur Erkenntnis, dass hinsichtlich der Gründe für die Zuerkennung des Status eines asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten eine aktuelle und entscheidungsrelevante Bedrohungssituation nicht glaubhaft gemacht worden sei. Ein relevantes, die öffentlichen Interessen übersteigendes, Privat- und Familienleben würde nicht vorliegen.

2. Gegen den verfahrensgegenständlichen Bescheid wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Im Wesentlichen wurde neben allgemeinen Ausführungen dargelegt, dass der bP nicht ausreichend Gelegenheit gegeben worden sei, zu den Widersprüchen Stellung zu nehmen. Es handle sich dabei nur um unwesentliche Details. Die bP hätte entsprechend manuduziert werden müssen, auch hinsichtlich der Bedeutung der Länderfeststellungen. Die Länderfeststellungen würden Informationen enthalten, welche das Fluchtvorbringen bestätigen würden bzw. jedenfalls die Voraussetzungen für die Gewährung von subsidiären Schutz vorliegen würden. Die Sicherheitslage im Irak sei katastrophal. Die bP habe keine gefälschten Dokumente vorgelegt. Es seien vorgelegte Dokumente nicht übersetzt worden. Es wäre dem BFA möglich gewesen, vor Ort die Sicherheitsbehörden hinsichtlich der Anzeige der bP wegen der Bedrohung zu befragen, was unterblieben sei. Die bP habe einen direkt an sie adressierten Drohbrief sowie ein paar Droh-SMS erhalten. Angesichts der Berichte aus dem Irak sei es mehr als nachvollziehbar, dass derartige Drohungen geeignet seien, asylrelevante Furcht selbst bei einem Soldaten auszulösen. Es wurde beantragt der Beschwerde stattzugeben, gegebenenfalls eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

3. Am 17.10.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit der bP sowie im Beisein ihres bevollmächtigten Vertreters eine Verhandlung durch.

Mit der Ladung wurde die beschwerdeführende Partei auch umfassend auf ihre Mitwirkungsverpflichtung im Beschwerdeverfahren hingewiesen und sie zudem auch konkret aufgefordert insbesondere ihre persönlichen Fluchtgründe und sonstigen Rückkehrbefürchtungen durch geeignete Unterlagen bzw. Bescheinigungsmittel glaubhaft zu machen, wobei eine demonstrative Aufzählung von grundsätzlich als geeignet erscheinenden Unterlagen erfolgte.

Zugleich mit der Ladung wurden der beschwerdeführenden Partei ergänzend Berichte zur aktuellen Lage im Irak übermittelt bzw. namhaft gemacht, welche das BVwG in die Entscheidung ergänzend miteinbezieht. Eine Stellungnahmemöglichkeit wurde dazu eingeräumt. Die Vertretung der bP legte in der Verhandlung eine Anfragebeantwortung von ACCORD vom 03.06.2016 zum Thema Desertion von der irakischen Armee vor. Zudem wurde in der Verhandlung auf die Demonstrationen im Irak verwiesen, welche sich gegen Korruption und Misswirtschaft richten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt)

1.1. Zur Person der beschwerdeführenden Partei:

Die Identität der bP steht fest.

Die bP ist Staatsangehöriger des Irak, gehört der Volksgruppe der Araber an und ist muslimisch schiitischen Glaubens.

Sie kommt aus Bagdad und war beim Militär tätig. Sie reiste legal aus Bagdad aus. In Bagdad leben ihre Mutter, zwei Schwestern, ein Bruder mit seiner Familie, sowie mehrere Tanten und Onkel. Ihr Vater ist an einem Herzinfarkt verstorben. Ihre Mutter bekommt eine Pension. Eine Schwester hat studiert. Ihre Onkel sind als Hilfsarbeiter tätig.

In Österreich hat die bP keine Familienangehörigen, keine Verwandten und keine ihr besonders nahestehenden Personen. Die bP lebt von der Grundversorgung. Die bP ist gesund. Ihr wurde mit Schreiben vom 02.02.2016 vom Quartiergeber bestätigt, dass sie ihr Quartier rein hält und sehr hilfsbereit ist. Mit 01.02.2016 wurde der bP eine Arbeitsplatzzusage für den Fall eines positiven Asylverfahrens bestätigt. Sie geht spazieren und ist teilweise gemeinnützig tätig. Die bP spricht kaum Deutsch. Strafrechtliche Verurteilungen liegen in Österreich nicht vor.

1.2. Zu den angegebenen Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates:

Die von der bP vorgebrachten Fluchtgründe werden den Feststellungen nicht zugrunde gelegt.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass die bP im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat, konkret ihre Herkunftsregion Bagdad, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer glaubhaften, asylrelevanten Verfolgungsgefahr oder einer realen Gefahr von Leib und/oder Leben ausgesetzt wäre.

1.3. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat:

Im Juni 2014 startete der sog. Islamische Staat Irak (IS) oder Da'esh, einen erfolgreichen Angriff auf Mossul, die zweitgrößte Stadt des Irak. Der IS übernahm daraufhin die Kontrolle über andere Gebiete des Irak, einschließlich großer Teile der Provinzen Anbar, Salah al-Din, Diyala und Kirkuk. Im Dezember 2017 erklärte Premierminister Haider al-Abadi den endgültigen Sieg über den IS, nachdem die irakischen Streitkräfte die letzten Gebiete, die noch immer an der Grenze zu Syrien unter ihrer Kontrolle standen, zurückerobert hatten. Der IS führt weiterhin kleine Angriffe vorwiegend auf Regierungstruppen und Sicherheitspersonal an Straßenkontrollpunkten aus.

Am 25. September 2017 hat die kurdische Regionalregierung (KRG) ein unverbindliches Referendum über die Unabhängigkeit der kurdischen Region im Irak sowie über umstrittene Gebiete, die unter Kontrolle der KRG stehen, abgehalten. Das Referendum wurde für verfassungswidrig erklärt.

Bei den nationalen Wahlen im Mai 2018 gewann keine Partei die Mehrheit, obwohl die meisten Stimmen und Sitze an die Partei des schiitischen Klerikers Muqtada al-Sadr gingen, ein ehemaliger Anti-US-Milizenführer.

Genaue, aktuelle offizielle demographische Daten sind nicht verfügbar. Die letzte Volkszählung wurde 1987 durchgeführt. Das US-Außenministerium schätzt die Bevölkerung im Irak auf rund 39 Millionen. Araber (75 Prozent) und Kurden (15 Prozent) bilden die beiden wichtigsten ethnischen Gruppen. Andere Ethnien sind Turkmenen, Assyrer, Yazidis, Shabak, Beduinen, Roma und Palästinenser.

97 Prozent der Bevölkerung sind Muslime. Schiiten machen 55 bis 60 Prozent der Bevölkerung aus und umfassen Araber, Shabak und Faili-Kurden. Der Rest der Bevölkerung besteht hauptsächlich aus Sunniten, einschließlich der sunnitischen Araber, die schätzungsweise 24 Prozent der Gesamtbevölkerung des Irak ausmachen. Die meisten Kurden sind auch Sunniten und machen etwa 15 Prozent der nationalen Bevölkerung aus.

Die schiitischen Gemeinden leben in den meisten Gebieten des Irak, konzentrieren sich jedoch im Süden und Osten. Die Mehrheit der Bevölkerung von Bagdad sind Schiiten, insbesondere Vororte wie Sadr City, Abu Dashir und Al Dora. Sunniten leben hauptsächlich im Westen, Norden und im Zentralirak. Die Anzahl der in Bagdad als gemischt betrachteten Gebiete nimmt ab. In einigen Bezirken Bagdads gibt es immer noch bedeutende sunnitische Gemeinden, darunter Abu Ghraib. Die Bezirke A'adamia, Rusafa, Za'farania, Dora und Rasheed haben kleinere Gebiete sunnitischer Gemeinschaften. Gemischte sunnitische-schiitische Gemeinden leben in den Bezirken Rusafa und Karada, kleinere gemischte Gemeinden auch in den Bezirken Doura, Rasheed, Karkh, Mansour und Kadhimiya.

Die irakische Verfassung garantiert grundlegende Menschenrechte einschließlich Rechtsstaatlichkeit, Gleichheit vor dem Gesetz, Chancengleichheit, Privatsphäre und Unabhängigkeit der Justiz. Die Verfassung verbietet Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Zugehörigkeit, der Nationalität, der Herkunft, der Hautfarbe, der Religion, der Meinung, des wirtschaftlichen oder sozialen Status.

Die Verfassung macht den Islam zur offiziellen Religion des Staates. Es garantiert die Glaubens- und Religionsfreiheit für alle Personen, einschließlich Christen, Yazidis und Sabäer-Mandäer.

Auf der Scharia beruhende Regelungen verbieten zwar eine Konversion vom islamischen Glauben, doch ist keine Strafverfolgung hierfür bekannt.

Nach irakischem Recht wird ein Kind unter 18 Jahren automatisch zum Islam konvertiert, wenn auch einer seiner nicht-muslimischen Eltern konvertiert ist.

Nach der Absetzung von Saddam Hussein und der (von Sunniten dominierten) Ba'ath-Partei aus der Regierung fühlten sich viele Sunniten ausgegrenzt.

Das US-Außenministerium und internationale Menschenrechtsgruppen berichten von regierungsnahen Streitkräften, die sunnitische Männer anzugreifen versuchen, die aus IS-kontrollierten Gebieten fliehen und verhindern, dass Sunniten die von der Regierung kontrollierten Gebiete verlassen. Außerhalb der vom IS kontrollierten Gebiete wurden Sunniten in der Form belästigt und diskriminiert, dass sie bei Kontrollpunkten in aufdringlicher Weise kontrolliert wurden und Dienste minderer Qualität in sunnitischen Gebieten bereitgestellt werden.

Sunniten sind außerhalb von Gebieten, die kürzlich vom IS kontrolliert wurden, aufgrund ihrer Religion einem geringen Risiko gesellschaftlicher Gewalt ausgesetzt. In Gebieten, in denen sie eine Minderheit sind, sind Sunniten einem mäßigen Risiko von Diskriminierung durch die Behörden und der Gesellschaft ausgesetzt. Das Risiko der Diskriminierung variiert je nach lokalem Einfluss und Verbindungen. (Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade, Country Information Report Iraq, 09.10.2018)

Im Irak ging die Zahl der Sicherheitsvorfälle (zB Schießereien, IED's, Angriffe auf Checkpoints, Entführungen, Selbstmordattentate, Autobomben) von Jänner bis Dezember 2018 um etwa 60% zurück. Zu Beginn des Jahres waren es 224 Vorfälle. Im März gab es einen Anstieg der Vorfälle, die sich vor allem in Anbar, Diyala, Kirkuk und Salahaddin ereigneten. Im April sanken sie auf 139. Von Juni bis Oktober gab es Schwankungen, beginnend in Diyala und Kirkuk, danach in Ninewa und schließlich in Anbar, Bagdad, Kirkuk und Ninewa. Seit dem Rückzug des sog. Islamischen Staates gab es in den letzten beiden Monaten des Jahres die wenigsten Vorfälle, die jemals im Land verzeichnet wurden.

Auch Bagdad, das früher ein Hauptangriffsziel war, entwickelte sich zu einem Nebenschauplatz. Im Jänner gab es 71 Vorfälle. Diese Zahl sank kontinuierlich und lag bei 13 Vorfällen im Juni. Danach erfolgte wieder ein Anstieg und es gab im September 47 Vorfälle. Seither kam es wieder zu einem Rückgang und 13 Vorfällen im November 2018. Bei fast allen Angriffen handelte es sich um kleinere Vorfälle wie Schießereien und IED's. Die meisten Vorfälle ereigneten sich auch in Städten im äußern Norden. (Joel Wing, Musings on Iraq, 15.01.2019)

Nach einer Zusammenstellung von ACCORD auf Basis von ACLED (Armed Conflict Location & Event Data Project) gehen im Berichtszeitraum September 2016 bis September 2018 die Konfliktvorfälle mit Todesopfern kontinuierlich zurück. In diesem Zeitraum ereigneten sich die meisten Vorfälle mit Todesopfern in Salah ad-Din, gefolgt von Diyala, At-Tamim (Kirkuk) und Al-Anbar. Die meisten Todesopfer gab es in Salah ad-Din und Al-Anbar, gefolgt von At-Tamim (Kirkuk) und Diyala. In Al-Anbar wurden 80 Vorfälle mit 308 Toten erfasst, in Al-Basra 84 Vorfälle mit 42 Toten. In At-Ta'mim (Kirkuk) gab es 115 Vorfälle mit 251 Toten, in Bagdad wurden 58 Vorfälle mit 38 Toten erfasst. In Diyala wurden 136 Vorfälle mit 220 Toten, in Ninawa 65 Vorfälle mit 184 Toten und in Sala ad-Din 114 Vorfälle mit 308 Toten verzeichnet. (ACCORD Irak, 3. Quartal 2018: Kurzübersicht über Vorfälle aus dem Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED), aktualisierte 2. Version vom 20.12. 2018)

In der ersten Juliwoche 2019 wurden 20 Vorfälle registriert. In der Provinz Diyala passierten die meisten Vorfälle, nämlich acht. In der Provinz Bagdad gab es zwei sicherheitsrelevante Vorfälle. (Musings on Iraq, 09.07.2019)

In der zweiten Juliwoche 2019 wurden 13 Vorfälle registriert. In Bagdad gab es vier Vorfälle, bei denen drei Personen getötet wurden. (Musings on Iraq, 17.07.2019)

Die Zahl der Binnenvertriebenen (IDP's) wird seit April 2014 aufgezeichnet, jene der Rückkehrer seit April 2015. Seit Juni 2017 sinkt die Zahl der IDPs kontinuierlich. Zum 30.04.2019 wurden ca. 1,67 Millionen IDPs (277.518 Familien), verteilt auf 18 Gouvernements und 106 Distrikte identifiziert. Die Zahl der Rückkehrer steigt seit April 2015 kontinuierlich an. Die Zahl der Rückkehrer betrug zum 30.04.2019 4,27 Millionen (711.147 Familien) in 8 Gouvernements und 38 Distrikten. Im Zeitraum März und April 2019 gab es 54.900 Rückkehrer. Die meisten kehrten nach Ninewa (19.110 Personen), Salah al-Din (18.750) und Anbar (9.264) zurück. Die Zahl der IDPs geht langsam zurück. Im März und April 2019 wurde ein Rückgang von 79.872 IDPs verzeichnet, davon die meisten in Ninewa (-45.360, -8 %), Salah al-Din (-11.238, -9 %) und Bagdad (-5.418, -8 %).

Nahezu alle Familien (95%, 4.048.206 Personen) kehrten an ihren vor der Vertreibung gewöhnlichen Wohnsitz zurück, der sich in einem guten Zustand befand. Zwei Prozent (74.124) leben in anderen privaten Einrichtungen (gemietete Häuser, Hotels, Gastfamilien). Drei Prozent der Rückkehrer (144.552) leben in kritischen Unterkünften (informelle Siedlungen, religiöse Gebäude, Schulen, unfertige, aufgegebene oder zerstörte Gebäude).

Die drei Distrikte mit den meisten in kritischen Unterkünften lebenden Familien sind Mossul (29.982), Tikrit (12.714) und Khanaqin (11.016). Die Gründe für die konstanten Rückkehrraten sind die verbesserte Sicherheitslage, die Bereitstellung von Dienstleistungen sowie der Wiederaufbau der Häuser in den Herkunftsorten. (Displacement Tracking Matrix, Round 109, April 2019).

Ab 01. Oktober 2019 kam es in zahlreichen Städten und Provinzen im Irak zu Demonstrationen, die sich gegen Korruption und Misswirtschaft richten. Die Proteste gingen nicht von einer bestimmten politischen Gruppe aus. Die zumeist jungen Demonstranten wiesen jede politische Vereinnahmung von sich. Angesichts der gewaltsamen Proteste versucht die irakische Regierung, die Protestierenden mit einem sozialen Maßnahmenpaket zu beruhigen. Unter anderem sollen im ganzen Land 100.000 neue Wohnungen gebaut werden, wie Ministerpräsident Adil Abd al-Mahdi nach einer Sitzung des Kabinetts am 06.10.2019 sagte. Zudem sollen 150.000 arbeitslose Irakerinnen und Iraker in Weiterbildungsprogrammen gefördert werden (Zeit.de, 06.10.2019, über hundert Menschen sterben bei Protesten gegen die Regierung).

2. Beweiswürdigung

Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt des Bundesamtes unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben der bP, der von ihr vorgelegten Beweismittel, des bekämpften Bescheides, des Beschwerdeschriftsatzes, durch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem BVwG und die Einsichtnahme in die vom Bundesverwaltungsgericht beigeschafften länderkundlichen aktuelle Informationen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat der bP, welche der Rechtsvertretung wie bereits ausgeführt übermittelt wurden.

2.1 Zur Person der beschwerdeführenden Partei

Die personenbezogenen Feststellungen hinsichtlich der bP ergeben sich aus ihren diesbezüglich persönlichen Angaben. Zudem legte sie im Verfahren einen irakischen Personalausweis und einen irakischen Staatsbürgerschaftsnachweis jeweils in Kopie, sowie drei Dienstausweise vor. Die mangelnden Deutschkenntnisse konnten im Zuge der Verhandlung festgestellt werden.

2.2. Zu den angegebenen Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates

Im Verfahren ergaben sich erhebliche Widersprüche im Kernvorbringen der bP.

Die bP führte bei ihrer Erstbefragung zum Fluchtgrund aus, dass sie XXXX beim irakischen Militär gewesen sei. Man habe ihr oft gesagt, dass sie damit aufhören solle, oder ihre Familie werde verletzt. Da sie nicht aufgehört habe, sei zuerst ihr Bruder XXXX entführt worden. Da sie noch immer nicht beim Militär aufgehört habe, sei ihr Bruder XXXX , welcher mit ihrem Auto unterwegs gewesen sei, von diesen Personen erschossen worden. Dann habe ihre Familie gesagt, dass sie den Irak verlassen müsse.

In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA legte sie demgegenüber dar, dass sie den Irak verlassen habe, da sie dort bedroht worden sei. Ihre Mutter habe ihr gesagt, dass sie den Irak verlassen solle. Sie selbst habe den Irak eigentlich nicht verlassen wollen.

Ihr Bruder XXXX sei Ende 2004 Anfang 2005 von Terroristen entführt worden. Es sei dabei um eine Lösegeldforderung gegangen. Im August 2006 sei ihr Bruder XXXX angeschossen worden. Der Grund dafür sei Rassismus gewesen. Sie selbst habe mehrere telefonische Drohungen bekommen. Sie habe auch Drohbriefe mit einer Patrone erhalten. Zusammengefasst hätten diese den Inhalt gehabt, dass sie das Militär verlassen solle, da ansonsten ihre Geschwister entführt werden würden. Diese Drohungen habe es seit 2008 gegeben. Die Drohbriefe seinen an sie persönlich adressiert gewesen. Der letzte Drohanruf sei im Jahr 2013 gewesen.

Widersprüchlich dazu führte sie später an, dass sie nur einen Drohbrief und drei Drohanrufe erhalten habe. Es sei nur ein Kuvert mit einer Patrone gewesen, es sei kein Schreiben in diesem Kuvert gewesen. Das Kuvert habe sie am 11.11.2008 erhalten.

An einer anderen Stelle der Einvernahme führte die bP dann abweichend vom bisherigen Vorbringen aus, dass sie nur einen Drohbrief und zwei SMS erhalten habe. Das Kuvert habe sie am 11.11.2013 erhalten, noch am selben Tag habe sie eine Anzeige bei der Polizei diesbezüglich gemacht. Noch entsprechendem Vorhalt korrigierte die bP sich dahingehend, dass sie das Kuvert doch am 11.11.2008 erhalten habe.

Auf konkrete Nachfrage legte die bP dar, dass außer ihrem Bruder XXXX und ihrem Bruder XXXX niemandem etwas passiert sei. Auf Vorhalt, dass sie angegeben habe, dass ihr Bruder XXXX erschossen worden sei, führte die bP aus, dass diesem nichts passiert sei. Dieser sei verheiratet und habe drei Kinder.

In der Verhandlung vor dem BVwG gab die bP wiederum völlig widersprüchlich zu ihren bisherigen Angaben u. a. zu Protokoll, dass Ende 2013 auf ihren Bruder XXXX geschossen worden sei, weil sie diesen mit ihr verwechselt hätten. Der Grund sei gewesen, weil sie beim Bundesheer einen wichtigen Offizier befördert hätte. Ihr Bruder sei an der Schulter und am Bein verletzt worden und habe Glassplitter im Gesicht gehabt. Nunmehr gehe es diesem gut, er lebe mit seiner Familie in Bagdad.

Sie sei zweimal telefonisch bedroht worden. Beim ersten Mal sei sie gefragt worden ob sie noch beim Militär tätig sei, beim zweiten Mal hätten ihr die Bedroher gesagt, dass sie die Tätigkeit beim Militär lassen müsse. Die Drohanrufe wären 2013 und 2014 gewesen. Später legte die bP dar, dass beide Anrufe 2013 gewesen wären.

An anderer Stelle gab die bP zu Protokoll, dass es keine Anrufe gegeben habe, dies wären SMS gewesen.

Insgesamt ist somit festzuhalten, dass unabhängig davon, dass möglicherweise einer der Brüder der bP im Irak eine Schussverletzung erlitt, die bP völlig widersprüchliche Angaben zu ihrem Kernvorbringen tätigte, weshalb sie im Verfahren hinsichtlich der dargelegten Fluchtgründe nicht glaubwürdig war.

Erstmals brachte die bP in der Verhandlung zudem als Fluchtgrund vor, dass sie vom Militär desertiert sei, weshalb sie im Falle der Rückkehr eine Gefängnisstrafe zu erwarten hätte. Vor dem BFA erwähnte die bP mit keinem Wort, dass sie desertiert sei und deshalb Probleme bekommen könnte. Vielmehr berief sie sich auf die oben dargelegten Drohungen und die Vorfälle mit ihren Brüdern. Die bP hat damit in einer Gegenüberstellung ihrer Angaben zu den Ausreisegründen vor dem BFA im Zuge des weiteren Verfahrens ihre Darlegungen nicht bloß konkretisiert oder ergänzt, sondern einen völlig neuen Fluchtgrund eingebracht. Das Einbringen eines gänzlich neuen Fluchtgrundes im Zuge der Verhandlung vor dem BVwG erschüttert die Glaubwürdigkeit der bP zu den bereits oben getätigten Ausführungen zusätzlich, weshalb auch dieses Vorbringen als nicht den Tatsachen entsprechend festzustellen war.

Es wird der bP geglaubt, dass diese beim Militär tätig war, jedoch ist eine Desertion nicht glaubhaft vorgebracht worden.

Auch entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubwürdig anerkannt werden, wenn der Asylwerber während des Verfahrens im Wesentlichen gleich bleibende Angaben macht, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erscheinen und wenn erst sehr spät gemachte Angaben nicht den Schluss aufdrängten, dass sie nur der Asylerlangung um jeden Preis dienen sollten, der Wirklichkeit aber nicht entsprechen. Als glaubhaft könnten Fluchtgründe im Allgemeinen nicht angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (vgl. zB. VwGH 6.3.1996, 95/20/0650).

Das Fluchtvorbringen war somit unglaubhaft und nicht geeignet, der rechtlichen Beurteilung zu Grunde gelegt zu werden.

2.3. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat:

Die getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat ergeben sich aus den angeführten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen. Die Länderfeststellungen basieren auf mannigfaltigen Quellen, denen keine Voreingenommenheit unterstellt werden kann. Die bP ist diesen nicht konkret und substantiiert entgegengetreten.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I.

Nichtzuerkennung des Status als Asylberechtigter

1. § 3 AsylG

(1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder

2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

(4) Einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, kommt eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu. Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird. Bis zur rechtskräftigen Aberkennung des Status des Asylberechtigten gilt die Aufenthaltsberechtigung weiter. Mit Rechtskraft der Aberkennung des Status des Asylberechtigten erlischt die Aufenthaltsberechtigung.

(4a) Im Rahmen der Staatendokumentation (§ 5 BFA-G) hat das Bundesamt zumindest einmal im Kalenderjahr eine Analyse zu erstellen, inwieweit es in jenen Herkunftsstaaten, denen im Hinblick auf die Anzahl der in den letzten fünf Kalenderjahren erfolgten Zuerkennungen des Status des Asylberechtigten eine besondere Bedeutung zukommt, zu einer wesentlichen, dauerhaften Veränderung der spezifischen, insbesondere politischen, Verhältnisse, die für die Furcht vor Verfolgung maßgeblich sind, gekommen ist.

(4b) In einem Familienverfahren gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 gilt Abs. 4 mit der Maßgabe, dass sich die Gültigkeitsdauer der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach der Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsberechtigung des Familienangehörigen, von dem das Recht abgeleitet wird, richtet.

(5) Die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder auf Grund eines Antrags auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, ist mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Flüchtling im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist eine Person, die aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder die sich als Staatenlose infolge solcher Ereignisse außerhalb des Landes befindet, in welchem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen der erwähnten Befürchtungen nicht dorthin zurückkehren will.

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern, ob eine vernunftbegabte Person nach objektiven Kriterien unter den geschilderten Umständen aus Konventionsgründen wohlbegründete Furcht erleiden würde (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380). Dies trifft auch nur dann zu, wenn die Verfolgung von der Staatsgewalt im gesamten Staatsgebiet ausgeht oder wenn die Verfolgung zwar nur von einem Teil der Bevölkerung ausgeübt, aber durch die Behörden und Regierung gebilligt wird, oder wenn die Behörde oder Regierung außerstande ist, die Verfolgten zu schützen (VwGH 4.11.1992, 92/01/0555 ua.).

Gemäß § 2 Abs 1 Z 11 AsylG 2005 ist eine Verfolgung jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art 9 Statusrichtlinie. Demnach sind darunter jene Handlungen zu verstehen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art 15 Abs 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist (Recht auf Leben, Verbot der Folter, Verbot der Sklaverei oder Leibeigenschaft, Keine Strafe ohne Gesetz) oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon - wie in ähnlicher beschriebenen Weise - betroffen ist.

Nach der auch hier anzuwendenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Verfolgung weiters ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 14.10.1998, Zl. 98/01/0262). Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194).

Verfolgung kann nur von einem Verfolger ausgehen. Verfolger können gemäß Art 6 Statusrichtlinie der Staat, den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschende Parteien oder Organisationen oder andere Akteure sein, wenn der Staat oder die das Staatsgebiet beherrschenden Parteien oder Organisationen nicht in der Lage oder nicht Willens sind, Schutz vor Verfolgung zu gewähren.

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes müssen konkrete, den Asylwerber selbst betreffende Umstände behauptet und bescheinigt werden, aus denen die von der zitierten Konventionsbestimmung geforderte Furcht rechtlich ableitbar ist (vgl zB vom 8. 11. 1989, 89/01/0287 bis 0291 und vom 19. 9 1990, 90/01/0113). Der Hinweis eines Asylwerbers auf einen allgemeinen Bericht genügt dafür ebenso wenig wie der Hinweis auf die allgemeine Lage, zB. einer Volksgruppe, in seinem Herkunftsstaat (vgl VwGH 29. 11. 1989, 89/01/0362; 5. 12. 1990, 90/01/0202; 5. 6. 1991, 90/01/0198; 19. 9 1990, 90/01/0113).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.

2. Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:

Der Antrag war nicht bereits gemäß §§4, 4a oder 5 AsylG zurückzuweisen.

Nach Ansicht des BVwG sind auch die dargestellten Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status als Asylberechtigter, nämlich eine glaubhafte Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat aus einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK angeführten Grund nicht gegeben.

Wie sich aus den Erwägungen ergibt, ist es der bP nicht gelungen eine solche aus ihrer dargelegten Fluchtgeschichte glaubhaft zu machen, weshalb diese vorgetragenen und als fluchtkausal bezeichneten Angaben bzw. die daraus resultierenden Rückkehrbefürchtungen gar nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden und es ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung somit gar nicht näher zu beurteilen (vgl. VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).

Auch die allgemeine Lage ist im gesamten Herkunftsstaat nicht dergestalt, dass sich konkret für die beschwerdeführende Partei eine begründete Furcht vor einer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohenden asylrelevanten Verfolgung ergeben würde.

Es war daher die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. abzuweisen.

Zu Spruchpunkt II.

Nichtzuerkennung des Status als subsidiär Schutzberechtigter

1. § 8 AsylG

(1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK [Recht auf Leben], Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.

(3a) Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.

(4) Einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, ist vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

(5) In einem Familienverfahren gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 gilt Abs. 4 mit der Maßgabe, dass die zu erteilende Aufenthaltsberechtigung gleichzeitig mit der des Familienangehörigen, von dem das Recht abgeleitet wird, endet.

(6) Kann der Herkunftsstaat des Asylwerbers nicht festgestellt werden, ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen. Diesfalls ist eine Rückkehrentscheidung zu verfügen, wenn diese gemäß § 9 Abs. 1 und 2 BFA-VG nicht unzulässig ist.

(7) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten erlischt, wenn dem Fremden der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird.

Art. 2 EMRK lautet:

"(1) Das Recht jedes Menschen auf das Leben wird gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden.

(2) Die Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie sich aus einer unbedingt erforderlichen Gewaltanwendung ergibt: a) um die Verteidigung eines Menschen gegenüber rechtswidriger Gewaltanwendung sicherzustellen; b) um eine ordnungsgemäße Festnahme durchzuführen oder das Entkommen einer ordnungsgemäß festgehaltenen Person zu verhindern; c) um im Rahmen der Gesetze einen Aufruhr oder einen Aufstand zu unterdrücken."

Während entsprechend des 6. ZPEMRK die Todesstrafe weitestgehend abgeschafft wurde, erklärt das 13. ZPEMRK die Todesstrafe als vollständig abgeschafft.

Art. 3 EMRK lautet:

"Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden."

Folter bezeichnet jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, zum Beispiel um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, um sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich von ihr oder einem Dritten begangene Tat zu bestrafen, um sie oder einen Dritten einzuschüchtern oder zu nötigen oder aus einem anderen, auf irgendeiner Art von Diskriminierung beruhenden Grund, wenn diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verursacht werden. Der Ausdruck umfasst nicht Schmerzen oder Leiden, die sich lediglich aus gesetzlich zulässigen Sanktionen ergeben, dazu gehören oder damit verbunden sind (Art. 1 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984).

Unter unmenschlicher Behandlung ist die vorsätzliche Verursachung intensiven Leides unterhalb der Stufe der Folter zu verstehen (Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht 10. Aufl. (2007), RZ 1394).

Unter einer erniedrigenden Behandlung ist die Zufügung einer Demütigung oder Entwürdigung von besonderem Grad zu verstehen (Näher Tomasovsky, FS Funk (2003) 579; Grabenwarter, Menschenrechtskonvention 134f).

Art. 3 EMRK enthält keinen Gesetzesvorbehalt und umfasst jede physische Person (auch Fremde), welche sich im Bundesgebiet aufhält.

Der EGMR geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass die EMRK kein Recht auf politisches Asyl garantiert. Die Rückkehrentscheidung eines Fremden kann jedoch eine Verantwortlichkeit des ausweisenden Staates nach Art. 3 EMRK begründen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass der betroffene Person im Falle seiner Rückkehrentscheidung einem realen Risiko ausgesetzt würde, im Empfangsstaat einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).

Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme verletzt Art. 3 EMRK auch dann, wenn begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Fremde im Zielland gefoltert oder unmenschlich behandelt wird (für viele: VfSlg 13.314; EGMR 7.7.1989, Soering, EuGRZ 1989, 314). Die Asylbehörde hat daher auch Umstände im Herkunftsstaat der bP zu berücksichtigen, auch wenn diese nicht in die unmittelbare Verantwortlichkeit Österreichs fallen. Als Ausgleich für diesen weiten Prüfungsansatz und der absoluten Geltung dieses Grundrechts reduziert der EGMR jedoch die Verantwortlichkeit des Staates (hier: Österreich) dahingehend, dass er für ein "ausreichend reales Risiko" für eine Verletzung des Art. 3 EMRK eingedenk des hohen Eingriffschwellenwertes ("high threshold") dieser Fundamentalnorm strenge Kriterien heranzieht, wenn dem Beschwerdefall nicht die unmittelbare Verantwortung des Vertragstaates für einen möglichen Schaden des Betroffenen zu Grunde liegt (vgl. Karl Premissl in Migralex "Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren"", derselbe in Migralex: "Abschiebeschutz von Traumatisieren"; EGMR: Ovidenko vs. Finnland; Hukic vs. Scheden, Karim, vs. Schweden, 4.7.2006, Appilic 24171/05, Goncharova & Alekseytev vs. Schweden, 3.5.2007,

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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