TE Bvwg Beschluss 2019/10/22 L516 2191086-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.10.2019
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Entscheidungsdatum

22.10.2019

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art133 Abs4

Spruch

L516 2191086-2/2E

BESCHLUSS

In dem amtswegig eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.10.2019, 1083755405/190651437, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geb. XXXX , StA Pakistan, hat das Bundesverwaltungsgericht durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK beschlossen:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs 2 AsylG rechtmäßig.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

Der Beschwerdeführer ist pakistanischer Staatsangehöriger und stellte am 28.06.2019 einen Folgeantrag auf internationalen Schutz.

Das BFA hob mit dem im Zuge einer Einvernahme am 15.10.2019 nach einer Befragung des Beschwerdeführers mündlich verkündeten Bescheid gemäß § 12a Abs 2 AsylG den faktischen Abschiebeschutz auf und begründete dies damit, dass sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt seit Rechtskraft des Vorverfahrens nicht geändert habe, sein nunmehriges Vorbringen nicht glaubwürdig sei.

Dagegen richtet sich die vorliegende, gem § 22 Abs 10 AsylG gesetzlich fingierte Beschwerde.

Verfahrensablauf

Am 28.06.2019 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Die Erstbefragung fand dazu am selben Tag statt, Einvernahmen vor BFA am 13.08.2019 und 15.10.2019.

Mit der Ladung für die Einvernahme am 13.08.2019 wurden dem Beschwerdeführer Länderinformationen zu Pakistan mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme ausgefolgt. In jener Einvernahme wurden dem Beschwerdführer noch aktuelle Informationen zur Lage in der Kaschmirregion vorgelegt, der Beschwerdeführer verzichtete jedoch auf eine Stellungnahme.

Am 02.10.2019 wurde der Beschwerdeführer im Rahmen des Zulassungsverfahrens von einer Ärztin für Allgemeinmedizin untersucht.

Das Verfahren wurde nicht zugelassen.

Das BFA informierte das Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 15.10.2019 darüber, dass im gegenständlichem Verfahren mit mündlich verkündetem Bescheid vom selben Tag der faktische Abschiebeschutz gem § 12a Abs 2 AsylG aufgehoben worden sei und übermittelte gleichzeitig dem Bundesverwaltunsgericht die diesbezügliche Niederschrift sowie die Verwaltungsakten der Behörde. Die Verwaltungsakten des BFA langten am 21.10.2019 bei der zuständigen Gerichtsabteilung ein, wovon das BFA am selben Tag verständigt wurde.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Sachverhaltsfeststellungen

1.1 Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Pakistan, gehört der schiitischen Glaubensgemeinschaft an und stammt aus dem von Pakistan verwalteten Teil Kaschmirs. Seine Identität steht fest (BVwG Erkenntnis 28.01.2019, W241 219086-1/7E, S 9).

1.2 Der Beschwerdeführer stellte am 20.08.2015 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz, welcher im Rechtsmittelweg vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 28.01.2019 rechtskräftig zur Gänze abgewiesen wurde; gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und seine Abschiebung als zulässig erachtet.

Der Beschwerdeführer begründete jenen ersten Antrag auf internationalen Schutz vor dem BFA zusammengefasst damit, dass er aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Religionsgruppe der Schiiten verfolgt werde und Pakistan auch wegen der schlechten Sicherheitslage in seiner Herkunftsregion Kaschmir verlassen habe.

Das Bundesverwaltungsgericht erachtete im damaligen Rechtsmittelverfahren mit näherer Begründung das Vorbringen des Beschwerdeführers zu dessen vorgebrachten Verfolgung aufgrund seiner Religionszugehörigkeit für nicht glaubhaft, das Vorbringen zur allgemeinen Sicherheitslage in der Region Kaschmir für glaubhaft, ging jedoch vom Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative für den Beschwerdeführer aus. Das Bundesverwaltungsgericht führte des Weiteren aus, dass kein Sachverhalt im Sinne der Art 2 und 3 EMRK vorliege sowie eine Rückkehrentscheidung im Falle des Beschwerdeführers keine Verletzung des Art 8 EMRK darstelle. Jene Entscheidung wurde am 01.02.2019 der damaligen Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers im Wege eines elektronischen Zustelldienstes nach dem Zustellgesetz zugestellt und damit rechtskräftig. (BVwG Erkenntnis 28.01.2019, W241 219086-1/7E, S 9 f, 60 ff).

1.3 Zum gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz vom 28.06.2019 brachte er zusammengefasst im Wesentlichen vor, dass er nun einen Beweis dafür habe, dass er getötet werde, wenn er zurückkehre. Das BFA habe einen Beweis gewollt, dass er bei einer Partei tätig gewesen sei und nun habe er einen. Er habe eine Auseinandersetzung mit jemandem gehabt, den er verletzt habe und deshalb werde er auch gesucht. Er sei auch politisch tätig gewesen in Kaschmir und werde wegen seiner Aktivitäten festgenommen und inhaftiert. Die Auseinandersetzung habe er mit seinem Cousin XXXX am 06.05.2013 gehabt. Es sei dabei um Ehre gegangen, es habe eine mit ihnen verwandte Witwe gegeben, die der Cousin nicht in Ruhe gelassen habe, weshalb der Beschwerdeführer diesen gebeten habe, damit aufzuhören. Dabei sei es zu jener Auseinandersetzung gekommen, bei dem er jenem den Arm mit einem Holzstock gebrochen habe, weshalb der Cousin am 07.06.2013 eine Anzeige bei der Polizei in Kaschmir gemacht habe. Er habe zudem Probleme gehabt, da er Schiite und bei einer aktiv bei einer politischen Partei gewesen sei, seit er in der Schule gewesen sei. Er lege dazu nun eine Mitgliedsbestätigung vor, die er seit zwei Jahren habe (Niederschrift 13.08.2019, AS 287, 289, 281).

Der Beschwerdeführer legte dem BFA zur Bescheinigung seines Vorbringens drei Dokumente in Vorlage. Eine polizeiliche Anzeige aus Pakistan, einmal in Urdu und einmal in Englisch, vom 06.07.2013 sowie eine Mitgliedsbestätigung der Jammu Kashmir Liberation Front vom 16.02.2018. (Verfahrensakt des BFA zum gegenständlichen Verfahren, Aktenseiten 301-307).

1.4 Das Verfahren zu diesem Folgeantrag wurde nicht zugelassen (IZR, 21.10.2019).

1.5 Eine entscheidungswesentliche Änderung der allgemeinen Lage in Pakistan seit 01.02.2019 ist auch nicht eingetreten. Der Beschwerdeführer hat im gegenständlichen Verfahren auch nicht substantiiert behauptet, dass sich die allgemeine Lage in Pakistan entscheidungswesentlich geändert habe.

1.6 Die Zustimmung zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates liegt vor (IZR, 21.10.2019).

2. Beweiswürdigung

2.1 Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus den vom BFA vorgelegten und unverdächtigen Verwaltungsverfahrensakten zu den Anträgen des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowie aus den Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes zu den Vorverfahren. Die Feststellungen zu den Angaben des Beschwerdeführers im vorangegangenen sowie gegenständlichen Verfahren ergeben sich konkret aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes und den im Akt einliegenden Niederschriften, wobei zu den jeweiligen Feststellungen die entsprechenden Aktenseiten (AS) angeführt sind.

2.2 Dass die allgemeine Situation in Pakistan - soweit sie den Beschwerdeführer betrifft - seit der Erlassung der Rückkehrentscheidung vom 01.02.2019 im Wesentlichen unverändert geblieben ist und sich die maßgebliche Lage in Pakistan für den Beschwerdeführer nicht geändert hat, ergibt sich aus den vom BFA im gegenständlichen Verfahren herangezogenen Länderinformationsquellen (Niederschrift 18.10.2019, S 13-84) die dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht worden sind, und denen er nicht substantiiert entgegen getreten ist (AS 347/348). In Zusammenhang mit der Lage in der Heimatregion Kaschmir hat das Bundesverwaltungsgericht im Vorverfahren festgestellt, dass für den Beschwerdeführer eine innerstaatliche Fluchtalternative in anderen Landesteilen Pakistans, insbesondere Islamabad, besteht. Daran hat sich nichts geändert.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes

Einfachgesetzliche Rechtsgrundlage: §12a AsylG

3.1 Gemäß § 12a Abs 2 AsylG kann das BFA den faktischen Abschiebeschutz eines Fremden, der einen Folgeantrag gestellt hat und bei dem die Voraussetzungen des § 12a Abs 1 AsylG 2005 nicht erfüllt sind, aberkennen, wenn drei Voraussetzungen gegeben sind: Erstens muss gegen den Fremden eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FrPolG 2005 vorliegen; zweitens muss die Prognose zu treffen sein, dass der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und drittens darf die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, 3 oder 8 MRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen (VwGH 18.09.2019, Ra 2019/18/0338).

3.2 Aufrechte Rückkehrentscheidung

3.2.1 Das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.01.2019 zum ersten Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz wurde am 01.02.2019 der damaligen Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers im Wege eines elektronischen Zustelldienstes nach dem Zustellgesetz zugestellt. Seit dieser Erlassung sind keine 18 Monate vergangen und das gegenständliche Folgeverfahren wurde auch nicht zugelassen, sodass die Rückkehrentscheidung noch aufrecht ist.

3.3 Keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts

3.3.1. Der Beschwerdeführer begründet den gegenständlichen Folgeantrag erstens mit einer Auseinandersetzung, die er im Mai 2013 mit seinem Cousin gehabt habe und der deshalb bereits im Juni 2013 eine Anzeige gegen den Beschwerdeführer erstattet habe und zweitens damit, dass er aufgrund seiner Schiitischen Glaubenszugehörigkeit und seiner Mitgliedschaft und politischen Aktivitäten für eine Partei seit der Schulzeit verfolgt werde. Dazu legte er dem BFA in der Einvernahme am 13.08.2019 eine pakistanische Polizeianzeige vom 06.07.2013 sowie eine Mitgliedsbestätigung der Jammu Kashmir Liberation Front vom 16.02.2018 vor (siehe oben 1.3). Der Beschwerdeführer stützt damit seinen Folgeantrag jedenfalls auf Tatsachen, die bereits zum Zeitpunkt der seit 01.02.2019 rechtskräftigen Entscheidung über seinen ersten Asylantrag mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.01.2019 vorlagen. Damit fehlt es an einem maßgeblich geänderten Sachverhalt im Sinn der zu § 68 Abs 1 AVG (VwGH 13.05.2019, Ra 2018/18/0506).

3.3.2 Das BFA legte seinem am 18.10.2019 mündlich verkündeten Bescheid aktuelle Feststellungen zur Lage in Pakistan zugrunde, aus denen sich ergibt, dass die allgemeine Situation in Pakistan - soweit sie den Beschwerdeführer betrifft - im Vergleich zu den Länderfeststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes im Erkenntnis vom 28.01.2019 im Vorverfahren im Wesentlichen unverändert geblieben ist und sich die maßgebliche Lage in Pakistan für den Beschwerdeführer nicht geändert hat. Derartiges wurde vom Beschwerdeführer auch nicht behauptet. Auch von Amts wegen ist seit den rechtskräftigen Abschlüssen der vorhergehenden Asylverfahren keine Änderung der allgemeinen Situation in Pakistan notorisch, welche die Annahme einer allgemeinen extremen Gefährdungslage gerechtfertigt erscheinen lassen würde.

3.3.3 Das BFA ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass sich aus dem - bisherigen - Vorbringen des Beschwerdeführers zum gegenständlichen Folgeantrag kein entscheidungswesentlicher neuer Sachverhalt ergeben hat und auch die Ländersituation im Wesentlichen gleichgeblieben ist, sodass der neue Antrag auf internationalen Schutz - voraussichtlich - wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein wird.

3.4 Keine Verletzung der EMRK

3.4.1 Bereits im vorangegangenen ersten Verfahren hat das Bundesverwaltungsgericht ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Verletzung von Art 2, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bestehen würde.

3.4.2 Auch im nunmehrigen zweiten Verfahren ist nichts hervorgekommen, was gegen die Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Heimatstaat im Sinne dieser Bestimmung sprechen würde. Nach der ständige Judikatur des EGMR obliegt es - abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art 3 MRK darstellen würde - grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art 3 MRK widersprechende Behandlung drohen würde (VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0134). Einen derartigen Nachweis hat der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall nicht erbracht.

3.4.3 Des Weiteren gelangte das BFA zu der Beurteilung, dass aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers nicht von einer Abhängigkeit oder besonders engen Beziehung zu einer in Österreich oder der EU aufenthaltsberechtigten Person ausgegangen werden könne und es im Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers keine relevante Änderung zum Vorverfahren erkannt werden könne. Dem konnte nicht entgegengetreten werden.

3.5 Schließlich erscheint die Abschiebung alsbald nach Aberkennung möglich (vgl dazu Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, K12 zu § 12a AsylG), zumal die Zustimmung zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates vorliegt.

3.6 Da insgesamt die Voraussetzungen des § 12a Abs 2 AsylG für die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes vorliegen, ist der mündlich verkündete Bescheid des BFA vom 18.10.2019 rechtmäßig.

3.7 Gemäß § 22 Abs 1 zweiter Satz BFA-VG war ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.

Zu B)

Revision

3.8 Die Revision ist nicht zulässig, da die Rechtslage eindeutig ist (VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053).

3.9 Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung entschiedene Sache faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig Folgeantrag res iudicata

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L516.2191086.2.00

Im RIS seit

23.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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