TE Bvwg Beschluss 2019/10/28 L508 2145314-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.10.2019
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Entscheidungsdatum

28.10.2019

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs3

Spruch

L508 2145314-1/8E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. HERZOG über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit: Libanon alias Libanon und Syrien, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH als Mitglieder der ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.12.2016, Zl. XXXX , beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

1. Die Beschwerdeführerin (nachfolgend: BF) reiste gemeinsam mit ihren beiden minderjährigen Kindern (GZ. 2145323 und GZ. 2145319) legal in das österreichische Bundesgebiet und stellte am 26.01.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Im Rahmen der Erstbefragung gab die Beschwerdeführerin befragt zu ihren Fluchtgründen zu Protokoll, dass sie eine christliche Armenierin sei und sich aufgrund der unsicheren Lage in Syrien und im Libanon unsicher fühlen würde. Bei einer Rückkehr hätte sie Angst vor der unsicheren Lage in Syrien.

Im Rahmen einer weiteren Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (nachfolgend: BFA) gab sie zunächst an, syrische Staatsangehörige zu sein und ausschließlich in Syrien verfolgt zu werden. Ihr Lebensmittelpunkt sei zuletzt in Damaskus in Syrien gewesen.

Der Grund für die Asylantragstellung sei, dass es sich bei ihr um eine syrisch-armenische Christin handle. In Syrien herrsche derzeit Krieg und an ihrem letzten Aufenthaltsort XXXX im Libanon hätte sie aufgrund der islamistischen Gruppen als Christin Schwierigkeiten gehabt normal zu leben. Im Libanon würden verschiedene Volksgruppen leben und die Armenier seien dort eine Minderheit. Ihre Familie sei nach XXXX gezogen, weil dort mehrheitlich Armenier leben würden und die Sicherheitslage von Anfang an sehr gut gewesen sei. Der Ort XXXX liege an der syrischen Grenze. Auf der syrischen Seite liege die Stadt XXXX , die von islamistischen Gruppen kontrolliert werde. Die syrische Armee habe Allianzen mit mehreren Milizen geschlossen und würde nun gegen diese Gruppen vorgehen. Die Islamisten hätten zu verlieren begonnen und die Stadt XXXX auf dem Weg nach XXXX passiert. Die in XXXX lebenden Armenier müssten ihre Stadt verteidigen und jeder habe eine Waffe erhalten, um die Familie und die Nachbarn zu verteidigen. Ihr Gatte habe dort mitgemacht, um die Stadt zu verteidigen. Die armenischen Buben hätten sie auch gefragt, ob ihr Sohn bei der Verteidigung der Stadt mithelfen könne. Sie wolle nicht, dass ihr Sohn Waffen trage.

Aufgrund ihrer Eheschließung mit einem libanesischen Mann habe sie die libanesische Staatsbürgerschaft und den libanesischen Reisepass erhalten. Seither verfüge sie über eine Doppelstaatsbürgerschaft. Ihre syrische Staatsbürgerschaft hätte sie nicht zurückgelegt.

Des Weiteren legte die BF dar, dass im April 2015 eine Gruppe von Islamisten zu ihr nach Hause gekommen sei. Diese hätten versucht, sie sexuell zu belästigen.

3. Mit Telefax vom 13.07.2016 langte beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine für die Beschwerdeführerin und ihre beiden minderjährigen Kinder gemeinsam verfasste Stellungnahme ein.

4. Mit Telefax vom 27.09.2016 langte beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine weitere für die Beschwerdeführerin und ihre beiden minderjährigen Kinder gemeinsam verfasste Stellungnahme ein.

5. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.12.2016 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Libanon gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 unter einem festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin in den Libanon gemäß § 46 FPG 2005 zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.). Dies im Wesentlichen mit der Begründung der mangelnden Glaubwürdigkeit.

6. Dagegen erhoben die Beschwerdeführerin und ihre beiden minderjährigen Kinder fristgerecht eine gemeinsam verfasste Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Hinsichtlich des Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

7. Mit Telefax vom 23.03.2017 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine für die Beschwerdeführerin und ihre beiden minderjährigen Kinder gemeinsam verfasste Beschwerdeergänzung ein.

8. Hinsichtlich des Verfahrensganges und des Parteivorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu Spruchpunkt A)

1. Verfahrensbestimmungen

1.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

1.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt

Gemäß §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss. Gemäß Abs. 3 sind auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes § 29 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 4 und § 30 sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z2).

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

2. Zur Entscheidungsbegründung:

2.1. Obwohl gem. § 17 iVm § 58 VwGVG seit 01.01.2014 der § 66 Abs. 2 AVG in Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht mehr anzuwenden ist und gem. § 58 VwGVG stattdessen § 28 Abs. 3 VwGVG mit genanntem Datum in Kraft trat, womit das Erfordernis des § 66 Abs. 2 leg.cit, wonach die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, weggefallen ist, und sich die Regelungsgehalte beider Normen nicht somit gänzlich decken, findet die einschlägige höchstgerichtliche Judikatur zu § 66 Abs. 2 AVG grundsätzlich weiterhin Anwendung.

Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 28 VwGVG Anm. 11).

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:

* Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht komme nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 1 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.

* Der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist.

* Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 10.09.2014, Ra 2014/08/0005 die im Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063 angeführten Grundsätze im Hinblick auf Aufhebungs- und Zurückweisungsbeschlüsse des Verwaltungsgerichtes gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG nochmals bekräftigt und führte ergänzend aus, dass selbst Bescheide, die in der Begründung dürftig sind, keine Zurückverweisung der Sache rechtfertigen, wenn brauchbare Ermittlungsergebnisse vorliegen, die im Zusammenhalt mit einer allenfalls durchzuführenden mündlichen Verhandlung im Sinn des § 24 VwGVG zu vervollständigen sind (vgl. hierzu auch VwGH Ra 2015/01/0123 vom 06.07.2016 und VwGH Ra 2017/01/0433 vom 03.04.2018).

Der Verwaltungsgerichtshof verlangt in seiner Rechtsprechung auch eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens eines Asylwerbers unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens, wobei letzteres eine Auseinandersetzung mit (aktuellen) Länderberichten verlangt (VwGH 26.11.2003, 2003/20/0389).

Im Erkenntnis vom 17.10.2006 (Zl 2005/20/0459) hat der VwGH betont, dass eine Behebung nach § 66 Absatz 2 AVG nur zulässig ist, wenn eine weitere Verhandlung/Einvernahme erforderlich ist, was nicht der Fall wäre, wenn die Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens durch schriftliches Parteiengehör saniert hätten werden können.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nun zusammengefasst in verschiedenen Erkenntnissen betont, dass eine umfangreiche und detaillierte Erhebung des asylrechtlich relevanten Sachverhaltes durch die Behörde erster Instanz durchzuführen ist.

Ebenso hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 07.11.2008, Zl. U 67/08-9, ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, wenn in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes. Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 m. w. N., 14.421/1996, 15.743/2000).

In seiner Entscheidung vom 03.04.2018, Ra 2017/01/0433 hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass in § 28 VwGVG ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert ist, weswegen die in § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden; eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterlassen hat, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Sind (lediglich) ergänzende Ermittlungen vorzunehmen, liegt die (ergänzende) Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht im Interesse der Raschheit im Sinn des § 28 Abs. 2 Z 2 erster Fall VwGVG, zumal diesbezüglich nicht bloß auf die voraussichtliche Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens alleine, sondern auf die Dauer des bis zur meritorischen Entscheidung insgesamt erforderlichen Verfahrens abzustellen ist. Nur mit dieser Sichtweise kann ein dem Ausbau des Rechtsschutzes im Sinn einer Verfahrensbeschleunigung Rechnung tragendes Ergebnis erzielt werden, führt doch die mit der verwaltungsgerichtlichen Kassation einer verwaltungsbehördlichen Entscheidung verbundene Eröffnung eines neuerlichen Rechtszugs gegen die abermalige verwaltungsbehördliche Entscheidung an ein Verwaltungsgericht insgesamt zu einer Verfahrensverlängerung.

2.2. Die von der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts geforderte ganzheitliche Würdigung bzw. die Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens ist im gegenständlichen Fall unterblieben und ist die belangte Behörde nach dem Dafürhalten des Bundesverwaltungsgerichts ihrer Begründungspflicht nicht ausreichend nachgekommen. Im vorliegenden Fall sind die seitens der Höchstgerichte gestellten Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren in qualifizierter Weise unterlassen worden.

Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 Z 1 und 2 VwGVG, welche zu einer meritorischen Entscheidungspflicht führen, nicht gegeben sind. Weder steht, wie anhand der darzustellenden Ermittlungsmängel zu zeigen ist, der maßgebliche Sachverhalt fest, noch ist die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden. Dies vor allem, weil die aufzuzeigenden Ermittlungslücken derart erheblich sind, dass zu deren Beseitigung über eine der Feststellung des Sachverhalts dienende mündliche Verhandlung hinausgehende weitere Ermittlungsschritte zu setzen wären, welche durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, welches - anders als das Bundesverwaltungsgericht - eine asyl- und fremdenrechtliche Spezialbehörde ist (so ist die sog. Staatendokumentation beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingerichtet, vgl. § 5 BFA-Einrichtungsgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012), rascher und effizienter durchgeführt werden können.

2.2.1. Aus folgenden Gründen muss angenommen werden, dass das BFA den entscheidungsrelevanten Sachverhalt nur ansatzweise ermittelt hat:

2.2.2.1. Zunächst ist festzuhalten, dass dem Bundesamt nicht gefolgt werden kann, wenn es im Rahmen der Beweiswürdigung lediglich in knapper Weise ausführt, dass sich das Fluchtvorbringen als unglaubwürdig darstelle. So erweist sich die erfolgte Beweiswürdigung der belangten Behörde zur Unglaubwürdigkeit der Beschwerdeführerin angesichts der notorischerweise komplexen Lage für Angehörige der armenischen Volksgruppe und einer christlichen Religionsgemeinschaft im Libanon als qualifiziert unschlüssig und mangelhaft.

Der allgemeine Verweis auf vage Schilderungen und Divergenzen im Fluchtvorbringen, vermag jedenfalls eine ordnungsgemäße Beweiswürdigung nicht zu ersetzen. Woraus sich der Schluss ergibt, dass die Beschwerdeführerin unwahre Angaben gemacht habe, ist dem Bescheid nicht schlüssig zu entnehmen. Zum einen handelt es sich bei der Beweiswürdigung zum überwiegenden Teil um die bloße eineinhalbseitige Wiederholung der von der BF im Zuge der Erstbefragung und der Einvernahme vor der belangten Behörde getätigten Ausführungen zum Grund der Ausreise und zum anderen hat die belangte Behörde - wie auch in der Beschwerde dargelegt - keine tragfähigen Widersprüche in den umfangreichen Angaben der Beschwerdeführerin anzuführen vermocht, sodass dass BVwG nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgehen kann, dass es sich bei den Angaben der Beschwerdeführerin um ein wahrheitswidriges Konstrukt handeln würde. Selbiges gilt im Übrigen für den nicht näher ausgeführten Verweis der belangten Behörde auf vage Schilderungen der BF. Bei den Ausführungen der belangten Behörde im Rahmen der Beweiswürdigung handelt es sich sohin zum überwiegenden Teil um die bloße Wiederholung der von der BF im Zuge der Erstbefragung und der Einvernahme vor der belangten Behörde getätigten Ausführungen, die demnach nicht geeignet sind, die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens der Beschwerdeführerin tragfähig zu begründen. Eine neuerliche Befragung und Würdigung des Vorbringens unter Zugrundelegung aktueller und individueller Feststellungen wird die belangte Behörde nachzuholen haben.

In einer Gesamtschau hat sich die belangte Behörde somit im Wesentlichen in ihrer individuellen Beweiswürdigung in Bezug auf das Verhalten der Beschwerdeführerin auf die bloße Wiederholung der von der BF im Zuge der Erstbefragung und der Einvernahme vor der belangten Behörde getätigten Ausführungen gestützt.

Das BFA übersah auch, dass beweiswürdigende Überlegungen zur Stichhaltigkeit einer Fluchtgeschichte sich regelmäßig nicht auf das Vorbringen des Asylwerbers beschränken dürfen. Vielmehr bedarf es idR auch einer Betrachtung der konkreten fallbezogenen Lage im Herkunftsstaat des Betreffenden, weil seine Angaben letztlich nur vor diesem Hintergrund einer Plausibilitätskontrolle zugänglich sind (VwGH 18.4.2002, 2001/01/0002; in diesem Sinne auch VwGH 28.1.2005, 2004/01/0476). Von den Asylbehörden ist eine Einbeziehung des realen Hintergrundes der von einem Asylwerber vorgetragenen Fluchtgeschichte in das Ermittlungsverfahren zu erwarten. Die Behauptungen des Asylwerbers sind auch am Verhältnis zu der Berichtslage in Bezug auf das Ereignis, von dem er betroffen gewesen sein will, zu messen (VwGH 30.9.2004, 2001/20/0135, in diesem Sinne auch VwGH 31.5.2005, 2005/20/0176). Auch der Verfassungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis 2001/10/02 B 2136/00 davon aus, dass sich die Asylbehörden nicht mit Feststellungen zur allgemeinen Situation im Herkunftsstaat begnügen dürfen, sondern fallbezogen konkrete Ermittlungen in Bezug auf das individuelle Vorbringen tätigen müssen, um dieses einer Plausibilitätskontrolle unterziehen zu können. Nach Ansicht des zitierten VfGH Erkenntnis besteht diese Verpflichtung selbst dann, "wenn die vom Beschwerdeführer gegebene Schilderung von vornherein als kaum glaubwürdig und als irreal erscheint. Dies entbindet die Asylbehörde nicht von ihrer Verpflichtung die notwendigen Ermittlungen vorzunehmen".

2.2.2.2. Überdies ist zu konstatieren, dass die belangte Behörde ohne substantiierte Begründung zu der Annahme gelangte, dass es sich bei der Beschwerdeführerin einzig um einen libanesische, nicht jedoch um eine syrische Staatsangehörige handelt und der Person der BF bereits aus diesem Grunde jegliche Glaubwürdigkeit versagte.

Die belangte Behörde hat hierbei die Ausführungen in der von ihr selbst in Auftrag gegebenen Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 15.06.2016 unberücksichtigt gelassen. Darin wird wörtlich dargelegt: "... Die Asylwerberin ist definitiv Libanesin mit libanesischem Reisepass. Da sie in Damaskus geboren ist, kann es natürlich sein, dass sie zusätzlich auch Syrerin ist. Syrische Staatsbürgerschaften können ja nicht verloren werden. Fall sie mit Geburt Syrerin war, wird sie das jetzt auch noch sein. ..." (vgl. AS 247 - 249).

Dies wurde von der belangten Behörde nicht berücksichtigt und ist der Bescheid daher auch insoweit mit groben Verfahrensmängeln behaftet.

Es wird also Aufgabe der belangten Behörde sein, die Staatsbürgerschaft(en) der Beschwerdeführerin zu klären und sodann - basierend auf ihrer individuellen Lebenssituation - soweit feststellbar, Feststellungen zu dem Land/ den Ländern zu treffen in das/ in die gegebenenfalls eine Abschiebung erfolgen darf.

Gerade bei der Feststellung der Staatsangehörigkeit bzw. des Herkunftsstaates handelt es sich zweifellos um eine zentrale Frage im Asylverfahren (vgl. etwa VwGH 16.04.2009, 2008/19/0706; 20.02.2009, 2007/19/0535), welche grundsätzlich von der Behörde erster Instanz zu klären ist, da ansonsten im Fall der Klärung des Herkunftsstaates durch das Bundesverwaltungsgericht das gesamte sich an die Feststellung knüpfende Ermittlungsverfahren zum Herkunftsstaat vor das Bundesverwaltungsgericht verlagert würde.

Im Sinne der obigen Judikatur kann es nicht Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichtes sein, das Ermittlungsverfahren hinsichtlich des Herkunftsstaates neu zu beginnen, wobei in einem solchen Fall der Beschwerdeführerin auch der Instanzenzug abgeschnitten würde.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wird sich daher im fortgesetzten Verfahren nochmals mit der Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin auseinander zu setzen haben.

2.2.2.3. Letztlich hat das Bundesamt im Ergebnis eine beweiswürdigende Auseinandersetzung mit dem Fluchtvorbringen nicht vorgenommen und stützt sich der angefochtene Bescheid zusätzlich darauf, dass die Beschwerdeführerin ein asylrelevantes Fluchtvorbringen nicht geltend gemacht habe.

Das individuelle Vorbringen der Beschwerdeführerin wurde insoweit nicht in hinreichender Weise gewürdigt: Sofern keine weiteren Verfahrensschritte erfolgt sein mögen, da die Rechtsposition vertreten wird, dass sich das Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin als nicht asylrelevant darstelle, so sind diese Ausführungen in dieser allgemeinen Form nicht haltbar. Die belangte Behörde übersieht hierbei, dass dem Fluchtvorbringen vorweg und ohne näherer Prüfung ein Asylkonnex nicht abgesprochen werden kann und hätte sich die belangte Behörde, sofern sie das Fluchtvorbringen als glaubwürdig beurteilt, mit einer Verfolgung aus religiösen oder ethnischen Motiven im Libanon näher auseinanderzusetzen gehabt, was im Falle der Subsumierung des Sachverhaltes unter eines dieser Motive in weiterer Folge auch die Prüfung der Schutzfähigkeit des libanesischen Staates vor Verfolgung gegen Privatpersonen wie auch die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative inkludiert.

Im Falle der Bejahung eines Konventionsgrundes gilt es darüber hinaus zu beachten, dass auch eine nichtstaatliche Verfolgung asylrelevant sein kann und zwar insofern, als der Staat nicht in der Lage oder nicht gewillt ist, die von Privatpersonen ausgehende Verfolgung hintanzuhalten. Diesfalls wird die belangte Behörde folglich entsprechende Ausführungen bzw. Feststellungen zur Schutzfähigkeit des libanesischen Staates zu treffen haben. Ferner wird sich die belangte Behörde, sollte sie eine solche bejahen, auch umfassend mit der Frage des Bestehens einer innerstaatlichen Fluchtalternative auseinanderzusetzten haben.

Die Beweiswürdigung der belangten Behörde erweist sich zweifelsfrei als nicht ausreichend und ist der belangte Behörde anzulasten, dass sie den entscheidungsrelevanten Sachverhalt nur mangelhaft ermittelt hat.

2.2.2.4. Ferner ist zu konstatieren, dass sich das BFA auch mit den Stellungnahmen der Beschwerdeführerin vom 13.07.2016 und 27.09.2016 zu den getroffenen Länderfeststellungen bzw. zum Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht bzw. allenfalls rudimentär auseinandergesetzt hat, wozu es aber jedenfalls bei Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens verpflichtet gewesen wäre, andernfalls die Stellungnahmemöglichkeit der Partei ad absurdum geführt werden würde. Auf die zahlreichen im Asylverfahren vor der belangten Behörde in Vorlage gebrachten Länderberichte zur Situation im Libanon wird in diesem Zusammenhang verwiesen.

Die Beschwerdeführerin gehört der Minderheit der Armenier und einer christlichen Religionsgemeinschaft an und lässt der angefochtene Bescheid zu dieser Thematik und den hierzu übermittelten Stellungnahmen eine ausreichende Auseinandersetzung vermissen. Eine tatsächliche Würdigung der die BF betreffenden Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit hat die belangte Behörde unterlassen; dies wäre aber vor allem bei Betrachtung der seitens der BF übermittelten Länderberichte im Wege der Stellungnahmen von Bedeutung gewesen, ergibt sich daraus doch, dass sich vor allem die Situation von Christen in gewissen Bereichen (in der Grenzregion zu Syrien) problematisch darstellt und es zu Übergriffen und Diskriminierungen gegenüber Christen kommen kann. Entsprechende Ermittlungen und/oder eine entsprechende Auseinandersetzung, warum dies für die BF nicht zutreffe, lässt der angefochtene Bescheid aber zur Gänze vermissen. Ebenso wenig setzt sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid in ausreichendem Ausmaß mit den christlichen Selbstverteidigungsgruppen (Milizen bzw. Bürgerwehren) im Libanon und allfälligen Anwerbungsversuchen sowie einer befürchteten Zwangsrekrutierung hinsichtlich des Sohnes der BF auseinander.

2.2.2.5. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass gemäß § 20 Abs. 1 AsylG ein Asylwerber von einem Organwalter desselben Geschlechts einzuvernehmen ist, wenn er seine Furcht vor Verfolgung auf Eingriffe in seine sexuelle Selbstbestimmung gründet, es sei denn, dass er anderes verlangt. Von dem Bestehen dieser Möglichkeit ist der Asylwerber nachweislich in Kenntnis zu setzen. Nach dem Zweck des § 20 Abs. 1 AsylG 2005 sollte so der Abbau von Hemmschwellen bei der Schilderung von Eingriffen in die sexuelle Selbstbestimmung bewirkt werden (vgl. VwGH 12.10.2016, Ra 2016/18/0119).

In diesem Zusammenhang ist ferner auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 03.12.2003, 2001/01/0402, hinzuweisen, in welcher er unter Heranziehung internationaler Dokumente, insbesondere des Beschlusses des Exekutiv-Komitees der UNHCR Nr. 64 (XLI) über Flüchtlingsfrauen und internationalen Rechtsschutz, die Vorgängerbestimmung des § 20 Abs. 1 erster Satz AsylG 2005 (§ 27 Abs. 3 letzter Satz AsylG 1997) auslegt und Folgendes ausführt:

"Dass sich in den von der genannten Bestimmung erfassten Konstellationen in allen Stadien des Asylverfahrens auch die Beiziehung eines Dolmetschers gleichen Geschlechts als geboten erweist, versteht sich bei verständiger Würdigung dieser Vorschrift nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes von selbst, weil nur insoweit dem von § 27 Abs. 3 letzter Satz AsylG verfolgte Zweck (Abbau von Hemmschwellen) adäquat Rechnung getragen werden kann".

Daraus ergibt sich, dass die Notwendigkeit der Einvernahme durch eine Person desselben Geschlechts gemäß § 20 Abs. 1 AsylG auch die Beiziehung eines Dolmetschers desselben Geschlechts umfasst (vgl. auch VwGH 08.09.2010, 2008/01/0345 bis 0347). Dieses Recht impliziert die Verpflichtung der Behörde, den Asylwerber von diesem Recht in Kenntnis zu setzen und ihm somit die Möglichkeit zu geben, das Recht auch auszuüben. Anderenfalls würde dem vom Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 03.12.2003, 2001/01/0402, dargelegten Zweck (Abbau von Hemmschwellen) gerade nicht adäquat Rechnung getragen werden.

Fallbezogen handelte es sich bei der Leiterin der Amtshandlung zwar um eine Frau. Die Einvernahme wurde jedoch von einer männlichen Person unter Beiziehung eines männlichen Dolmetschers durchgeführt. Aus der aktenkundigen Niederschrift geht weder hervor, dass die Beschwerdeführerin über die Möglichkeit der Einvernahme durch eine Person desselben Geschlechts oder der Beiziehung eines Dolmetschers desselben Geschlechts belehrt worden wäre, noch dass sie eine Einvernahme durch eine männliche Person unter Beiziehung eines männlichen Dolmetschers verlangt hätte.

Bereits aus diesem Grund ist das Verfahren mit Rechtswidrigkeit behaftet und wurde der Sachverhalt bereits aus diesem Grund nur unzulänglich ermittelt und ist darüber hinaus in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig geblieben. Es wurde nicht versucht, Hemmschwellen soweit wie möglich zu beseitigen, und der Beschwerdeführerin nicht ausreichend Möglichkeit eingeräumt, ihre Asylgründe umfassend und detailliert darzulegen.

Was den Umstand betrifft, wonach nicht das zur Entscheidung berufene Organ die Einvernahme der Beschwerdeführerin durchgeführt hat, bleibt zur Vollständigkeit festzuhalten, dass zwar die Aussage des Asylwerbers das zentrale Element und oft das einzige Beweismittel im Asylverfahren darstellt, und die Unmittelbarkeit daher - anders als in anderen Verwaltungsmaterien - für die Beweiswürdigung der Aussage von essentieller Bedeutung ist (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, Kommentar, K 10 zu § 19 AsylG). Insoweit ging auch noch § 19 Abs. 2 AsylG idF BGBl. I Nr. 144/2013 - ebenso wie bereits die Vorgängerbestimmung des § 27 Abs. 1 AsylG 1997 - von einer grundsätzlichen Unmittelbarkeit des Verfahrens aus, weshalb die Einvernahme - soweit es ohne unverhältnismäßigen Aufwand möglich war - durch den zur Entscheidung berufenen Organwalter persönlich zu erfolgen hatte (vgl. § 19 Absatz 2 vorletzter Satz AsylG idF BGBl. I Nr. 144/2013). Mit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2015 (Bundesgesetzblatt I Nr. 70/2015) wurde allerdings der vorletzte Satz in § 19 AsylG 2005 gestrichen. Nach den erläuternden Bemerkungen zu § 19 AsylG 2005 (RV 582 BlgNR XXV. GP, 13) handelt es sich bei der Änderung des Abs. 2 um eine Anpassung an das Unionsrecht, da das derzeit in dieser Bestimmung vorgesehene Unmittelbarkeitsprinzip in der Neufassung der Verfahrensrichtlinie nicht vorgesehen ist. Insoweit stellt die Tatsache, wonach das zur Entscheidung berufene Organ die Einvernahme der Beschwerdeführerin nicht durchgeführt hat, nach der geltenden Rechtslage keinen Verfahrensmangel mehr dar, mag mitunter jedoch indizieren, dass die belangte Behörde vor allem eine rasche Verfahrensabwicklung beabsichtigte, was sich in der Folge in einer offenkundig mangelhaften Ermittlungstätigkeit der belangten Behörde wiederspiegelt. Selbiges zeigt sich im Übrigen im Umstand, wonach in der Rechtsmittelbelehrung des bekämpften Bescheides eine falsche Rechtsmittelfrist angeführt wurde.

Anzumerken ist abschließend, dass der Inhalt des Beschwerdeschriftsatzes und dessen Ergänzung nunmehr Teil des vom BFA zu berücksichtigenden Sachverhaltes ist und sich die belangte Behörde mit den dort gemachten verfahrensrelevanten Einwendungen, auch jenen zur befürchteten Zwangsrekrutierung des Sohnes der BF, auseinanderzusetzen haben wird.

2.2.3. Insofern ist dem Bundesamt vorzuwerfen, dass es im vorliegenden Fall einerseits keine ausreichenden Ermittlungen in Hinblick auf das fluchtrelevante Vorbringen der Beschwerdeführerin, speziell auch bezüglich ihrer Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, getätigt hat und sich auch die getroffene Beweiswürdigung als nicht haltbar erweist.

Im fortgesetzten Verfahren wird sich das Bundesamt sohin nach ergänzender Einvernahme der Beschwerdeführerin mit deren Vorbringen hinreichend auseinanderzusetzen haben und werden sämtliche von der Beschwerdeführerin im Wege der schriftlichen Stellungnahmen in Vorlage gebrachten Länderberichte zu erörtern sowie letztlich entsprechend zu würdigen sein. Des Weiteren wird nach ergänzender Einvernahme der Beschwerdeführerin und nach Heranziehung entsprechender aktueller und individueller Herkunftslandquellen, die Glaubwürdigkeit des fluchtrelevanten Vorbringens der Beschwerdeführerin unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Bescheinigungsmittel, speziell der vorgelegten Länderberichte, zu beurteilen und anschließend auf dieser Basis einer rechtlichen Würdigung zu unterziehen sein.

Insofern bedarf es jedenfalls detaillierter Ermittlungen der die Person der Beschwerdeführerin treffenden Sachlage, um zu einer haltbaren Beweiswürdigung hinsichtlich der Glaubwürdigkeit und zu einer tragbaren Entscheidung überhaupt im Verfahren gelangen zu können.

Zu Frage der Glaubwürdigkeit und auch zur Erörterung der Ländersituation wird die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren eine ergänzende Einvernahme der Antragstellerin sowie ein ergänzendes Ermittlungsverfahren hinsichtlich der individuellen Situation der Beschwerdeführerin aufgrund ihres behaupteten Vorbringens durchzuführen haben. Insbesondere wird die neuerliche Einvernahme durch eine weibliche Person und unter Beiziehung einer weiblichen Dolmetscherin durchzuführen sein.

Die belangte Behörde hat unter Verstoß gegen den Grundsatz der Offizialmaxime, der sie zur amtswegigen Erhebung des gesamten wahren Sachverhaltes verpflichtet, keine umfassenden Ermittlungen getätigt und daraus resultierend auch keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Die aufgezeigte Mangelhaftigkeit ist wesentlich, weil vorweg nicht ausgeschlossen werden kann, dass deren Vermeidung für die Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit der Antragstellung auf internationalen Schutz zu einem günstigeren Ergebnis hätte führen können.

Damit hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Sinne der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bloß ansatzweise ermittelt.

Von einer ganzheitlichen Würdigung des individuellen Parteivorbringens kann im vorliegenden Fall somit nicht gesprochen werden und sind die im angefochtenen Bescheid angeführten Argumente im zu beurteilenden Fall keinesfalls zur Begründung einer negativen Entscheidung geeignet.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wird sich daher im fortgesetzten Verfahren mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin in umfassender Weise auseinanderzusetzen zu haben. Im Rahmen einer ergänzenden detaillierten Befragung der Beschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen, einer befürchtenden Verfolgung aus religiösen oder ethnischen Motiven, und nach ergänzenden aktuellen Länderfeststellungen wird das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die oben angesprochenen Punkte einer Klärung zuzuführen haben.

Unter diesen Gesichtspunkten leidet der angefochtene Bescheid unter erheblichen Ermittlungsmängeln in Bezug auf die Frage der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer konkret und gezielt gegen die Beschwerdeführerin gerichteten Bedrohung und erweist sich für das Bundesverwaltungsgericht der vorliegende Sachverhalt zur Beurteilung einer allfälligen Gefährdung der Beschwerdeführerin in Hinblick auf den Aspekt der Gewährung des Status der Asylberechtigten, als auch hinsichtlich des Status der subsidiär Schutzberechtigten, wie oben dargelegt als so mangelhaft, dass weitere Ermittlungen diesbezüglich unerlässlich erscheinen.

2.3. Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann - im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 66 Abs. 2 AVG - nicht im Sinne des Gesetzes liegen, vor allem unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als Spezialbehörde im Rahmen der Staatendokumentation gemäß § 5 BFA-Einrichtungsgesetz für die Sammlung relevanter Tatsachen zur Situation in den betreffenden Staaten samt den Quellen zuständig ist.

Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes - nicht ersichtlich.

Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben.

Da der maßgebliche Sachverhalt noch nicht feststeht, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen.

2.4. Im vorliegenden Fall konnte die Verhandlung im Sinne des § 21 Abs. 7 BFA-VG entfallen, weil bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben war.

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 26.06.2014, Ra 2014/03/0063 sowie VwGH 10.09.2014, Ra 2014/08/0005, VwGH Ra 2015/01/0123 vom 06.07.2016 und VwGH Ra 2017/01/0433 vom 03.04.2018) ab. Durch die genannten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes fehlt es auch nicht an einer Rechtsprechung und die zu lösende Rechtsfrage wird in der Rechtsprechung auch nicht uneinheitlich beantwortet.

Schlagworte

Beweiswürdigung Einvernahme Ermittlungspflicht Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung mangelndes Ermittlungsverfahren religiöse Gründe Verfahrensmangel Volksgruppenzugehörigkeit Zurückverweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L508.2145314.1.00

Im RIS seit

23.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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